Schutzengel

Ich war beim ersten Atemzug dabei.
Beim ersten Schritt.
Bei seinem ersten Kindergarten Besuch.
Genauso wie bei der Einschulung.
Den Abschluss.
Sowie auf bei dem ersten Job.
Immer war ich bei seiner Seite, bei jeder Situations Lage habe ich ihn stetig begleitet, mit einem wachsamen Auge.

Manchmal träume ich davon, dass er mich sehen kann, sowie ich ihn sehen kann.
Ich kann sehen, wie er ruhig, mit einem zufrieden Lächeln in seinem Bett schlafen kann-, wie er seinen stressigen Alltag erlebt-, wie er glücklich ist- oder traurig durch die Einsamkeit die ihm plagt.
All das, das kann ich sehen.
Doch er, er sieht mich nicht.

Möchte mich nicht sehen.
Glaub nicht an uns - an mich.
Nur einmal möchte ich ihn fühlen, doch wird es mir nicht erlaubt.
Ein Engel sowie ich, es fühlt nicht.
Und so kann ich ihn nur beobachten, ohne eine Reaktion von ihm zu erwarten.
Deshalb wird er nie erfahren, dass er nicht alleine ist, wie er es vielleicht denkt.

Ich sehe wie vor seinem Esszimmertisch sitz und seine Zeitung liest.
Ab und an mal da nimmt er sich einen Schluck von seinem Kaffee - wie dieser wohl für ihn schmeckt?
Die Neugierde packt mich und ich nährte mich an, um zu sehen, was er da mit solch einem Interesse liest.

Ein Autounfall, wo zwei Menschen gestorben sind.
Was für ein tragisches Unglück, ob er Mitgefühl verspürt?
Nah an seinem Gesicht bin ich.
Erblicke seinem Seitenprofil.
Keinerlei Emotionen kann ich an ihm sehen.
Nicht einmal eine Wimper zuckt.
Sein Blick ist nur starr an den Bericht gehaftet.
Was ihm wohl in diesem Moment in dem Kopf vorgeht?
Gerne möchte ich wissen, was dort drinnen geschieht.
Möchte, dass er es mit mir teilt.

Plötzlich wendet er seinen Blick ab.
Es ist nur für ein paar Sekunden, doch fühlte es sich wie Minuten für mich an, als sich kurz unsere Blicke einander fanden.
Seine Augen suchten nicht gezielt nach meine, sondern nach die Uhr, die hinter mir war.
Doch das Gefühl, dass er mich sieht, wärmte meinem Körper.

Vom Stuhl erhebt er sich.
Nimmt einen kurzen Schluck von seinem Kaffee, bevor er, mit samt der Zeitung, durch mich hindurch geht - als wäre ich Luft.

Mein Blick ist für eine Weile gesenkt.
Ich spüre keinen Zorn, doch etwas wie Enttäuschung.

»Er wird Sie nicht sehen können, solange er den Tode nicht nahe ist.
Und selbst da ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering.«
Eine neutrale Stimme taucht hinter mir auf.
Eine Stimme, die das Menschliche aus dem Leben gelöscht hat, um ein Todesgott zu werden.
Damit er nicht verrückt wird, wenn der Mensch anfängt zu kämpfen.

Ich drehe mich zu ihm.
Sehe direkt in die gelbgrünen Augen, die mit einer eisigen Kälte auf mich herab sehen.

»Er wird mich vielleicht nur ein einziges Mal sehen können und doch werde ich nicht von seiner Seite weichen. Bis zum Ende werde ich da sein, damit er nicht alleine stirbt.«

»Für einen Engel seid Ihr wirklich emotional.«

Ich antworte nicht auf seine Worte.
Denn mir war bewusst, dass ich darauf keine Antwort fand.

Meine Augen schließe ich, um an ihn zu denken und nicht Mal paar Sekunden später, sitze ich hinter ihm.
Es ist schön bei ihm zu sein und zu wissen, dass er lebt.
Vielleicht nicht mehr für eine lange Zeit, doch konnte er erfahren, wie es sich anfühlt, gelebt zu haben.
Etwas, was ich nie fühlen durfte.

»Es wird nicht mehr lange dauern.«

Die strenge Stimme des Todesgottes, der mir gefolgt ist, ignoriere ich, nur um den Menschen anzusehen.
An dem Autosteuer sitzt er.
Nicht mehr lange wird es dauern und dies weiß ich ebenfalls.
Kurz sieht er zum Rückspiegel, dorthin, wo ich sitze, wo aber auch der Shinigami sitzt.
Seine Augen weiten sich, denn er sieht einen von uns.
Und dieser jemand war ich nicht.

Seinen Mund öffnet er, doch schließt ihn, als der Shinigami William T. Spears einen kurzen Blick nach vorne richtet, damit er es ihn gleich tut.
Zurück zu der Straße fällt sein Blick, doch ist es bereits zu spät.

Die Lider verschließe ich, damit ich den Unfall nicht mitansehen kann.
Ich verspüre nicht, was passiert.
Höre nur, was um mich herum geschieht.
Darüber sprechen möchte ich nicht, zu grausam ist es.
Meine Augen öffne ich, als er hinausgeschoben wird vom Unfallort.
Überleben wird er es nicht und das wusste sein Körper, sowie er selbst.

Der Todesgott war nicht umsonst ebenfalls an seiner Seite, seit ein paar Monate.
Mit gezielten Schritten nährt er sich ihn, damit seine Sense gezielt in seiner Seele stechen kann.
Ich beobachte ihn dabei und verspüre dabei nichts, was mir eine Trauer erlauben würde.

Doch dann sieht der Mensch, den ich die ganze Zeit behütet habe, zu mir.
Genau sieht er in meine Augen.

»Wer bist du?«
Seine Stimme zuhören lässt mein Leib mit Glück durch Strömen.
Ich nähere mich ihn, um sanft seine Wange zu streichen.
Seine Haut spüre ich nicht, doch er spürt meine.

»Ich bin dein Schutzengel.«

»Du bist wunderschön ... Ciel.«

Auch wenn ich keine Trauer verspüren kann, so entkommt meinem rechten Augenlid eine Träne.
»Wir werden uns in deinem nächsten Leben Wiedersehen.
Sowie ich es immer tue, wenn du wiedergeboren wirst.
Dies verspreche ich dir, Sebastian.«

Sanft küsse ich seine Stirn.
Die Augen schließt er daraufhin, um friedlich zu schlafen ...

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