Kapitel 17
Es kam mir vor, als würde mich das Lied, das Manu spielte greifbar im Raum umgeben, so sehr berührte es mich. Mir fiel auf, wie lange ich schon nicht mehr richtig aktiv Musik gehört hatte. Sie dudelte zwar meistens im Hintergrund wenn ich lernte oder Sport machte, aber nie nahm ich mir die Zeit, um wie jetzt richtig hin zu hören und mich von dem wundervollen Zauber der Klänge mitreißen zu lassen. Und dabei war es auch überhaupt nicht schlimm, dass Manu sich in der Dunkelheit manchmal verspielte und das Klavier schon alt war. Die Emotionen, die er in die Töne hinein legte und die Art und Weise, auf die man heraushören konnte, wie sehr ihm das Spielen gefiel machten das alles wett. Ich hatte keine Ahnung, wie er das anstellte, ich wusste nur, dass ich Manu dafür bewunderte.
Das hier war ein fast genau so persönlicher Einblick in Manus Leben, wie es unser Gespräch vorhin gewesen war, doch jetzt zeigte er sich von einer anderen Seite. Das hier war nicht mehr Manus Vergangenheit, sondern die Gegenwart. Nicht mehr der verängstigte Junge, der Angst gehabt hatte, seinen Vater um das Keyboard zu bitten, sondern der junge Mann, der seinen eigenen Weg gefunden hatte, zu tun was er liebte und der trotz allem, das ihm in den Weg gestellt worden war immer noch weiter machte. Hier war Manu wirklich einfach nur er selbst. Er war nicht schüchtern oder zurückhaltend, musste sich keine Formulierungen für das ausdenken, was er sagen wollte, sondern spielte einfach. Vielleicht lag es daran, dass ich so müde war, oder daran, dass mich unser Gespräch aufgewühlt hatte, aber ich war kurz davor, vor Glück zu weinen, als mich beim Hören von Manus Musik die verschiedensten Emotionen überrollten.
Ich wollte nicht, dass dieser Moment vorbei war, dass Manu je aufhörte zu spielen, doch irgendwann war das Lied zu Ende und der Braunhaarige nahm die Finger von den Tasten. Dann sah er mich vorsichtig an und fragte: "Und, hats dir gefallen?" Sofort nickte ich und antwortete wahrheitsgemäß: "Das war so ungefähr das schönste Lied, das ich in meinem Leben gehört habe! Bitte hör nie auf, Musik zu machen, das war echt unglaublich!"
Auf das Gesicht des Braunhaarigen legte sich ein Lächeln und er murmelte: Danke", bevor er aufstand und erklärte: "Wir sollten wieder zurück, nicht dass jemand was merkt". Ich nickte und lief ihm hinterher wieder in unser Zimmer. Leise putzten wir unsere Zähne und zogen uns um, bevor wir uns beide auf mein Bett setzten und Manu fragte: "Hat dir das Lied wirklich gefallen? Also du kannst ehrlich sein!"
"Och Manu...", antwortete ich, "ich war doch ehrlich! Das war wunderschön. Man konnte richtig hören, wie viel Spaß es dir macht zu spielen und ich würde echt gerne noch öfter mit kommen wenn du spielst, falls das okay ist." Ein erleichtertes Lächeln legte sich auf die Lippen des Jüngeren und er erklärte: "Klar kannst du mal wieder zuhören, mich stört das nicht. Aber ich probiere halt auch viel rum und spiele manchmal eine Stelle ganz oft hintereinander, das darf dich halt nicht nerven." Ich schüttelte den Kopf und versicherte Manu, dass es das nicht tat, griff dann nach meiner Bettdecke und murmelte: "ich bin echt müde, können wir schlafen gehen?"
"Ja okay", antwortete Manu und legte sich hin. "Ey", beschwerte ich mich, "das ist mein Bett!" "Tja, nicht mein Problem.", erwiderte der Jüngere mit einem Grinsen und rührte sich kein Stück vom Fleck. Ich war zu müde um zu diskutieren und eigentlich fand ich es auch nicht schlimm, wenn Manu hier schlief, also beugte ich mich über die Bettkante hinaus und streckte mich in Richtung Lichtschalter, um das Licht auszuknipsen, legte mich dann neben Manu und murmelte: "Na dann bleibst du eben hier".
Ich schlüpfte mit zu meinem Mitbewohner unter die Bettdecke, kuschelte mich an seinen Rücken und legte einen Arm um ihn. Die Wärme die von ihm ausging war wirklich angenehm und es dauerte nicht besonders lang bis ich eingeschlafen war.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top