Rache schmeckt nach Blut
Vor einer Weile hatte ich schonmal überlegt, einen Western zu schreiben, und dazu auch ein Cover erstellt. Das Problem nun: Die Idee hat sich konkretisiert und das Cover passt nicht mehr.
Was tut man also?
Man erstellt ein neues Cover. Oder eher ... mehrere neue Cover. Und ich finde sie alle in Ordnung, aber allen fehlt mir auch noch irgendwie etwas. Vermutlich wird sich das irgendwann regeln, wenn ich mal wirklich aktiv an dem Cover arbeite. Bisher waren es eher Spielereien.
Aber welche Idee habe ich nun dazu?
Nun, vor einer Weile habe ich mal bei so Schreibchallenges mitgemacht und unter anderem kam da der Auftrag: "Schreibe aus Sicht eines Sheriffs, dessen treuer Begleiter seine Smith & Wesson (Schusswaffe) ist."
Daraus ist dann auch eine ganz ... passable Szene entstanden (behaupte ich einfach mal; ich füge sie nachher ein, damit ihr euch ein eigenes Bild davon machen könnt), aber, obwohl ich meine Basis eigentlich ganz interessant fand, bin ich nicht dazu gekommen, mehr daraus zu machen.
Dann kam der ONC und ich dachte mir: "Hm, ich könnte mich ja mal daran setzen." ... und dann kam mir eines Nachts der Einfall mit Cyn und Nilan.
Irgendwie hätte ich tatsächlich sehr viel Lust auf die Geschichte, aber irgendwie verschiebt es sich auch ständig. Deshalb: Mal schauen, ob ich je dazu komme, all meine Ideen in die Tat umzusetzen xD
Hier aber nun erstmal die Szene:
Staub wirbelt auf, als ich von meinem Pferd springe und meine Stiefel den Boden treffen.
»Keine Sorge«, murmele ich und klopfe den Hals des Schimmels. »Wir brechen bald wieder auf.«
Hoffentlich. Es soll nur ein einfacher Job sein, aber gerade die einfachen Jobs haben meist einen ungeahnten Rattenschwanz.
Tu nicht so, als hättest du es dir nicht selbst ausgesucht, erklingt eine kratzige Stimme in meinem Kopf.
Ich gebe nur ein undefinierbares Grunzen von mir. Meinem Colt, der mich bald schon ein Jahrhundert begleitet, scheint es Antwort genug zu sein, denn er schweigt - etwas, das viel zu selten geschieht.
Mein Weg führt mich die Stufen zu einem heruntergekommenen Gebäude hoch. Risse durchsetzen die Fenster und Löcher, sicherlich durch Schießereien entstanden, spicken die Holzwand. Über dem Eingang hängt schief ein Schild mit der Aufschrift Saloon. Aus dem Inneren dringen Stimmen, Lachen, Grölen, aufgebrachte Rufe und alles untermalt das Klirren von Gläsern.
Was für ein trautes, heimeliges Örtchen.
Ich stoße die Tür auf und trete ein. Zigarettenqualm stobt mir entgegen, gepaart mit dem beißenden Gestank von Alkohol und Erbrochenem.
Kaum einer der Anwesenden beachtet mich. Die meisten sind zu sehr in ihre Gespräche verwickelt - besser bekannt als Streitigkeiten, wenn ich mir den Tisch am anderen Ende des Raumes ansehen, auf dem gerade ein Kopf zu Matsch verarbeitet wird.
Auch ohne mein Auftreten hätte es in dieser Nacht Tote gegeben.
Ich durchquere den Raum zur Bar. Auf halbem Wege bekomme ich Pfiffe von einigen Gaunern, die ich gekonnt ignoriere.
Und offenbar ist auch einer der Tischgenossen unzufrieden mit der Handlung. »Shht«, macht er. »Wisst ihr denn nicht, wer das ist?«
Ich setze mich auf einen der schlechtgepolsterten Barhocker, der leicht kippelt, sobald ich mich bewege. Meine Aufmerksamkeit bleibt aber bei dem Mann. Was glaubt er, wer ich bin? Ich weiß es doch selbst nicht.
»Schon einmal kreuzte sich mein Weg mir ihr«, sagt er. »Damals war ich noch ein Junge von kaum sieben Jahren. Ich begleitete meinen Vater, die Schafe von der Weide zurück in den Stall zu treiben, doch ich stürzte und stolperte einen Hang hinab. Ich fand mich auf einem schmalen Pfad wieder, schaute auf und sah vor mir ein fahles Pferd. Und auf diesem Pferd saß eine Frau mit rabenschwarzem Haar, den Lauf des Colts schon auf mich gerichtet. ›Geh‹, sagte sie und ich rappelte mich auf und rannte. Zurück zu meiner Siedlung. Doch als ich ankam, fand ich sie in Flammen vor und hörte nur noch die Todesschreie meiner Familie und meinen Freunden.«
»Darf ich Ihnen etwas bringen?« Der Barkeeper, ein blonder Jüngling, schenkt mir ein strahlendes Lächeln, das mich für einen Moment vergessen lässt, dass ich mich in einem schäbigen Saloon inmitten von betrunkenen Verbrechern befinde. Es wechselt in leichte Unsicherheit, als ich nicht sofort antworte.
»Whiskey«, brumme ich nur.
Du hast aus dem letzten Mal nichts gelernt? Ein seltsames Knacken erklingt. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich herausgefunden habe, dass es das Lachen des Revolvers ist.
Ich ignoriere ihn und lausche weiter dem Mann, der von der Begegnung mit mir berichtet.
»Inmitten des Feuers stand sie«, sagt er. »Die Frau mit rabenschwarzem Haar. Und an ihrer Seite eine Gestalt in ebenso schwarzer Kutte, die knöcherne Hand auf ihre Schulter gelegt. Erst viele Jahre später erkannte ich, auf wen ich damals getroffen war. Den Tod. Und die Frau an seiner Seite ist seine treuste Dienerin, seine rechte Hand. Sie reitet durch die Welt und sucht Seelen, die er richten soll.«
Ein Lächeln umspielt meine Lippen. Die guten alten Zeiten. Doch sie sind lang vergangen und was bleibt, ist nichts weiter als ein bitterer Beigeschmack und die Gewissheit, dass es niemals wieder so sein wird wie damals.
»Sicher, alter Mann«, sagt einer seiner Tischgenossen und lacht auf. »Eine schöne Gruselgeschichte. Kinder würden sie dir vielleicht sogar glauben.«
»Ich sage die Wahrheit«, meint der Mann. »Und ich erkenne sie wieder. Sie ist seit damals keinen Tag gealtert.«
Sieh nur, du bist zu einer Legende geworden, kommt von meinem Revolver.
»Eine, an die niemand glaubt und die nur zur Hälfte wahr ist.«
Kleinigkeiten.
In Wahrheit fliehe ich wie jeder andere auch vor dem Tod. Andere, weil sie das Leben als höchstes Gut ansehen, ich hingegen, weil er mir grollt. Wer hätte erwartet, dass er so an jedem Einzelnen seiner Seelenteile hängt?
Ich nicke dem Barkeeper zu, als er ein Glas mit kupferner Flüssigkeit vor mir auf den Tresen hinstellt.
»Wir sollten aufhören, in Erinnerungen zu schwelgen.« Ich nehme das Glas und schwenke es in der Hand, während ich meinen Blick durch den Raum schweifen lasse. »Wer von denen hier ist das Ziel?«
Was glaubst du, wer es ist?
Heute ist also einer dieser Tage.
Unser Ziel ist kein gewöhnlicher Mensch. Ein Mörder, Plünderer und Vergewaltiger, von dem keine Steckbriefe existieren. Man könnte leicht vermuten, dass die Verbrechen von unterschiedlichen Männern begangen wurden, aber mein Gefühl sagt mir etwas anders. Der Gesuchte ist ein Wendigo oder ein Skinwalker.
Dein Gefühl sagt es dir also?
Gut, vielleicht ist es nicht mein Gefühl gewesen, sondern diese kleine nervige Stimme in meinem Kopf.
»Hier sieht niemand so aus, als hätte er eine weiße Weste.« Außer vielleicht der Barkeeper. Der macht einen ganz anständigen Eindruck.
Ich schwenke mein Glas und setze es dann an meine Lippen.
Das würde ich an deiner Stille nicht tun, sagt der Revolver.
Ich rolle mit den Augen. »Und warum nicht?« Er will doch jetzt nicht etwa Mutti spielen.
Ist vergiftet.
»Hä?«
Der Barkeeper ist unser Ziel.
»Oh.« Ich stelle das Glas zurück auf den Tresen. »Na, wenn das so ist, dann sollten wir keine Zeit verschwenden.«
Geschickt öffne ich das Holster und ziehe den Revolver. Ohne zu zögern, richte ich den Lauf auf den blonden Jüngling, lade nach und drücke ab.
Er hat kaum Zeit, sich gänzlich zu mir umzuwenden und zu bemerken, dass sein Leben in wenigen Sekundenbruchteilen ein Ende finden soll.
Der Knall ertönt.
Der Barkeeper erstarrt in der Bewegung, seine Augen leuchten für einen Moment hell auf, ehe sie ermatten. Aus einem kreisrunden Loch auf seiner Stirn strömt Blut.
Er kippt nach hinten. Seine Gliedmaßen zucken, verkrampfen sich. Ein hässliches Knacken erklingt und sie verdrehen sich unnatürlich. Die ordentlich gebügelte Kleidung zerreißt und Fell sprießt an jedem unbedeckten Fleck Haut. Zuletzt verformt sich sein Gesicht. Es wird länger und gleicht sich einer kojotenähnlichen Schnauze an.
Ich betrachte die Verwandlung mit gerümpfter Nase und lade den Colt nach, falls der erste Schuss den Skinwalker nicht getötet hat. Bei diesen Viechern kann man sich nie sicher sein.
Er bleibt regungslos liegen. Der Revolver in meiner Hand bebt und ein Schlürfen und Schmatzen erklingt in meinem Kopf, wie es jedes Mal geschieht, wenn er eine Seele aufnahm.
Stille kehrt im Saloon ein. Jeder Blick lag auf mir.
»Ein Skinwalker«, sage ich und schnaube. »Und niemand von euch hat es erkannt.« Ich kehre der Leiche meinen Rücken zu, um das Gebäude zu verlassen.
Weit komme ich nicht.
Ein Mann baut sich vor mir auf. Einen Kopf größer als ich und Narben spicken sein Gesicht. »Er hat den besten Alkohol ausgeschenkt«, knurrt er. »Du kannst ihn doch nicht einfach töten.«
Ich zucke mit den Schultern. »Hast du doch gesehen, wie einfach das ging.«
Die Miene des Gauners verfinstert sich, während mein Lächeln breiter wird.
Eine Welle aus Hitze reißt mich von den Füßen. Ich wirbele in der Luft umher, suche Halt, finde jedoch keinen.
Etwas klirrt, etwas schneidet sich in meine Arme, in mein Gesicht. Hart komme ich auf dem staubigen Boden auf. Die Nachtluft versucht, mich zu kühlen, unterliegt aber der flammenden Hitze auf meiner Haut.
Ich huste. Schweiß bildet sich auf meiner Stirn, vermischt sich mit etwas Heißem und fließt an meiner Schläfe hinab. Dunkle Tropfen perlen in den Staub vor mir. Schreie dringen durch das schrille Klingeln in meinem Kopf.
So habe ich das nicht geplant. Was ist überhaupt geschehen?
Mein Revolver scheint sich nicht daran zu stören, dass wir fast in Flammen aufgegangen sind. Das klickende Lachen verriet, dass er die Situation mehr als nur amüsant findet.
»Was ist so lustig?«, knurre ich. Meine Stimme kratzt in meiner Kehle und will kaum einen Ton hervorbringen. Der Rauch des Feuers, der den Saloon erobert hat, setzt sich tief in meinen Lungen fest, sodass jedes Wort schmerzt.
Er antwortet nicht, er lacht nur.
Ich stemme mich auf meine Arme und sehe mich um. Mein Hut liegt einige Meter von mir entfernt, der Colt ebenso. Ich robbe mich zu ihm, meine Beine wollen mir nicht gehorchen. Ehe ich ihn erreiche, stellt sich ein dunkler Stiefel auf ihn.
Und da erkenne ich.
Trotz der Flammen packt eine eiskalte Hand mein Herz, trotz der Hitze fröstele ich.
Ich sehe auf. Eine Gestalt ragt vor mir in die Höhe, gehüllt in eine schwarze, am Saum zerfetzte Robe. Die Kapuze hängt ihr zwar tief ins Gesicht, kann die Identität aber nicht verbergen, denn die lodernden Flammen treffen auf bleiche Knochen und lassen die Höhlungen von Augen und Nase nur unergründlich finsterer erscheinen.
Der lippenlose Mund öffnet sich und heraus kommt eine schneidend kalte Stimme, tief mit einem hohen Echo, das sich in meinen Kopf frisst.
»Lange nicht gesehen.«
An dieser Stelle möchte ich erwähnen, wie schwer es für mich war in der Ich-Perspektive und zusätzlich noch im Präsens zu schreiben (ich bin mir sicher, ich habe auch genug Zeitformen-Fehler gemacht xD), aber irgendetwas hatte diese kleine Szene, sodass ich sie nicht einfach wegstellen kann.
Irgendwann möchte ich mich dem widmen. Irgendwann.
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