Ruf zur Toleranz
Na Hallo,
ihr seid ja immer noch hier. Das freut mich! Aber eure Teegläser sind schon leer. Her damit, ich fülle sie auf und ein paar Leckerein gibt es auch noch.
Da heute Weihnachten ist, gibt es natürlich Plätzchen und Datteln aus der Heimat. Wenn dann richtig multikulti oder nicht? Wusstet ihr eigentlich das der Ursprung des Weihnachtsmannes aus der jetzigen Türkei stammt? Nikolaus von Myra, ein kleiner Ort im damaligen Lykien. Heute ist es ein Ort in der Nähe von Antalya, wunderschöner Urlaubsort den viele von euch bestimmt kennen oder zumindest schon Mal gehört haben. Auf jeden Fall lebte er zwischen den Jahren 270-360, so genau weiß ich das auch nicht. Er wurde zum Priester geweiht und teilte sein ganzes Hab und Gut mit den Armen. Er verteilte Brot und beschenkte die armen Kinder. Auch wenn dieser Ort damals noch nicht Türkei war, erzählen meine Landsleute die Geschichten vom Nikolaus sehr stolz weiter, meistens hört sich das sogar so an als würden sie gerade von ihren eigenen Vorfahren erzählen. Wie ihr sieht, ist uns der Weihnachtsmann gar nicht so fremd ;)
Und so ist das eigentlich auch mit der Bibel und dem Kuran. Ich habe beides gelesen und entdeckt das es viele parallelen gibt. Meine Oma sagte immer; uns trennt nur eine Wand die so dünn ist wie die Haut der Zwiebel. Ich fand diesen Vergleich immer etwas seltsam und hab sie oft mit meinem Gesichtsausdruck zum Lachen gebracht. 'Ließ sie beide und du wirst verstehen'
Ich meine im Endeffekt sind doch beide Bücher ein Wegweiser, so sehe ich das zumindest. Sie lehren uns ein Mensch zu sein. Die wichtigsten Dinge sind deutlich erkennbar. Ehrlichkeit! Toleranz und Frieden. So lange du niemanden mental, seelisch oder Körperlich verletzt ist es doch total egal was du denkst, fühlst und welcher Kultur du gehörst. Geht es nicht darum ein aufrichtiger Mensch zu werden? Wird uns nicht allen von klein auf das gleiche beigebracht; Lüge nicht, stehle nicht, verletzte nicht, töte nicht! Teile! Habe Respekt und Mitgefühl für ALLE deine Mitmenschen!
Bete zu deinem Gott für Frieden. Ob du nun in einer Kirche betest oder in einer Moschee, was macht das für ein Unterschied wenn die Gebete alle das gleiche Ziel haben? Ob du dich neben dein Bett kniest und betest, oder auf einem Teppich niederkniest und dich deinem Herren beugst oder nur ein Stoßgebet in den Himmel schickst...was macht es für einen Unterschied? Eben! Gar keinen!
'Allah hört nicht die Worte die aus deinem Mund kommen mein Kind, er hört dein Herz! Ganz egal wo und wie du betest!' (Zitat von Omi Ayşe (Aysche) )
In diesem Sinne erzähle ich euch mal weiter. Wo waren wir stehen geblieben?
Ach ja die Familie.. ;)
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Nun hatten endlich alle Platz gefunden, mehr oder weniger. Den Jüngeren wurde ein 'Yersofrasi' (ein großer Runder traditioneller Boden-Tisch ) hergerichtet. Am liebsten hätte ich mich direkt mit hingesetzt. Ich liebte es auf dem Boden zu sitzen, auch wenn wir zuhause waren oder irgendwo zu Besuch. Ich war immer diejenige die sich ihren Teeglas schnappte und sich auf dem Boden gemütlich machte. Aber wir waren im Moment die Ehrengäste und Ehrengäste haben nun mal einen Platz am Tisch. Morgen ist ja auch noch ein Tag. Es gab unendlich viel zu Essen, mein Onkel hatte wie immer viel zu viel Fleisch gegrillt und es gab jede Menge Gemüse die mir nicht mal bekannt vorkamen. İzmir ist bekannt für sein Gemüse und frische Kräuter sowie Olivenöl, müsst ihr wissen.
„Kochen ist Männersache, ihr Frauen könnt euch mit eurem Teig auseinandersetzen. Aber kochen und grillen, das ist reine Männer Sache" , hörte ich meinen Onkel fröhlich und etwas angeberisch sagen. Soviel zu Klischee; 'Frau gehört an den Herd'.
Meine Tante schaute ihn gespielt entsetzt an: „Willst du damit sagen ich kann nicht Kochen mein Lieber?!"
Sie stand neben ihm und stemmte die Hände in die Hüfte.
„Das würde ich niemals wagen zu sagen meine Liebe. Dennoch; ich koche besser!"
Ein lautes Gelächter brach aus und steckte sogar die jüngsten unter uns an, die kein Wort verstanden aber Hauptsache mitlachten.
Mein Onkel war der Gourmet in der Familie, gefolgt von meiner Mutter. Als meine Mutter 12 Jahre alt wurde, musste sie die Schule verlassen. Mein Opa war der Meinung das Mädels in diesem Alter kein Sportunterricht mit den Jungs haben sollten. Augen-Roll-Effekt.
Hätte meine Mutter ihre Schule abgeschlossen, hätte sie womöglich Politik studiert, das war einfach ihr Gebiet. Merkel da hast du nochmal Glück gehabt!
Sie wurde also von der Schule genommen und saß nun zuhause mit einem Haufen kleine Kinder für die sie Babysitter spielen musste, während der Rest der Familie arbeitete. So hatte sie auch den ganzen Haushalt am Hals.
Mein ältester Onkel setzte aber noch eins drauf und kaufte ihr ein dickes Kochbuch, 'das dickste das ich je gesehen habe', sagt meine Mutter noch heute.
Sie sollte jeden Tag ein Gericht ihrer Wahl daraus kochen.
So lernte meine Mutter das man Bohnen lieber nicht mit Spül-seife waschen sollte und das zwei Stunden Ofen für ein Teig mehr als genug waren.
„Als ich nachhause kam, saß deine Mutter weinend vor der Küchentür. Sie wollte mich gar nicht in die Küche lassen bis ich sie endlich beruhigt und zur Seite geschoben habe! Also öffne ich die Tür und was sehe ich; die Komplette Küche war unter Schaum! Ich könnte schwören das sogar Seifenblasen rum-flogen. Und der Ursprung des Schaumbades in der Küche war ein riesiger Kochtopf auf dem Herd. Es blubberte als weiter und wollte gar nicht mehr aufhören. Als ich den Topf erreicht habe und hineinschautet, sah ich das darin weiße Bohnen kochten. Deine Mutter hatte keine Ahnung was sie falsch gemacht hatte und sie erzählte mir das es heute schon ihr dritter Versuch war. Ein Sack Bohnen in den Müll, na klasse dachte ich mir. Ich ließ sie also den Vorgang beschreiben. 'Ich hab die Bohnen gewaschen und in den Topf'...Mir ging schon ein Licht auf. Wie hast du sie den gewaschen. 'Na mit Seife wie denn sonst' sagte die 12 Jährige Göre auch noch trotzig..."
Ich liebte diese Geschichte und von dem Mund meines Onkels klang sie noch viel amüsanter. Ich schaute meine Mutter an die mit Tränen in den Augen lachte, ob die Tränen vom Lachen kamen oder ob sie gerührt war kann ich euch nicht sagen. Auf jeden Fall sah sie sehr glücklich aus. Ihre Ausstrahlung was eine ganz andere. Sie war einfach...zuhause.
„Und heute ist sie einer der besten Köche in unserer Familie, nach mir natürlich!", mein Onkel zwinkerte mir zu und schaute meine Mutter mit einen viel bedeutenden Blick an. Er war stolz auf sie, auf seine kleine und einzige Schwester.
„Aber jetzt sollten wir endlich essen!" ,hörte ich den jüngsten der fünf Brüder sagen. Er schaute meinen Bruder an der irritiert von einem Gericht zum anderen blickte, und schmunzelte. Es sah fast so aus als könnte mein Bruder sich nicht entscheiden wo er anfangen sollte.
Plötzlich ging hinter mir die große blaue Tür in den Hof auf.
„Ihr wolltet doch nicht ohne mich anfangen oder?!"
Mein Herz schlug ein Rat und ich sprang mit einem Freudenschrei vom Platz, rannte auf mein Cousin zu und sprang ihm entgegen.
Er fing mich ab und umarmte mich.
„Da bist du ja endlich!" ,sagte ich als er mich endlich los ließ.
„Immer noch so ungeduldig?" ,er grinste mich an und kniff mir in die Backen, liegt wohl in den Genen, dieses kneifen!
Wir setzten uns alle hin und warteten darauf das die älteste, in diesem Fall Omi Ayşe ihren ersten Happen nahm. (Eine alte Tradition in unserer Familie, ein Geste des Respekts das ich noch heute befolge.)
Somit war das Festmahl offiziell eröffnet.
Nachdem wir mehr als satt waren und auch noch unseren Honigsüßen Nachspeisen gegessen hatten, räumten wir alle gemeinsam ab. Frischer Cay wurde zubereitet und die ganze Bande wanderte vom Garten ins Wohnzimmer. Während ich nach einem geeigneten Platz auf dem Boden suchte, zog mich mein Cousin am Arm wieder raus in den Hof.
„Du willst doch nicht noch mehr alte Geschichten von Onkel hören oder?" ,mein Cousin kannte wohl alle Geschichten schon in und auswendig, doch ich bekam nie genug davon.
„Kommt ganz auf dein Angebot an, hast du was das mich überzeugt?" ,fragte ich ihn mit gespielt arrogantem blick. „Guck mal die Kleine an! Sie hat gelernt zu Handeln wie ein richtiger Türke!" ,sagte er sarkastisch.
„Ich bin TÜRKE! Und hey ich kann Handeln...ok vielleicht sind meine Verhandlungs-Taktiken noch nicht so gut ausgearbeitet, das ich einen Profi Händler auf dem Bazar überzeugen könnte eine einheimische zu sein, aber ich arbeite daran!" ,ich weiß nämlich nicht woher die Verkäufer das wissen, aber sie rochen schon von 1000 Metern das wir nicht einheimische waren. Sie müssen eine Art magischen-Touristen-erkenner-Blick haben...
Mein Cousin lachte jetzt laut und schüttelte den Kopf.
„Das müssen wir mal ausprobieren! Aber zurück zum Angebot. Wie wäre es mir einem kleinen Abzweiger auf dem Dach ?"
Meine Augen weiteten sich und ein grinsten machte sich in meine Gesicht breit, das drohte über meine Ohren hinaus zu wachsen.
„Oh ja!"
Wir stiegen die Steile beton Treppe am Rand des Hofes hoch, der zum Dach des Hauses führte. Hier hatte mein Opa sich für den Sommer ein Bett gebaut. Ihm gefiel es draußen unter den Sternen zu schlafen.
Nach dem er gestorben war, kam immer wieder mal einer aus der Familie hoch und schlief hier, wenn die Hitze unerträglich in den Zimmern wurde.
Mein Cousin schnappte sich den Bettlaken, der an einem der Wäscheleinen hing und legte sie auf die Dachziegel. Dafür würde meine Tante ihm morgen wohl die Ohren lang ziehen. Ich musste grinsen bei der Vorstellung wie meine Tante ihren 1,93 m großen Sohn versuchte die Ohren lang zu ziehen, sie müsste wohl einen Hocker holen...
"Erde an Deff! Was malst du dir wieder aus?"
Es war erstaunlich wie gut er mich kannte.
Nun lagen wir beide auf dem flachen Dach des Hauses und sahen hinauf auf den Sternenhimmel.
Ich konnte mich nicht erinnern in Deutschland je so viele Sterne gesehen zu haben. Der Himmel war so klar wie Glas und ich hatte den Eindruck ob all die Sterne auf uns herunter regnen würden.
Als Kind kamen wir oft hier hoch und versteckten uns vor irgendjemanden den wir verärgert hatten. Meistens musste Opa daran glauben. Wir stahlen ihm die After Eigth Schokolade aus dem Kühlschrank, die meine Mutter nur für ihn aus Deutschland mitbrachte weil er es sich jedes Jahr wünschte. Er rannte uns dann immer mit dem
Hausschuh hinterher. Wie oft saßen wir hier mit Freunden und erzählten uns Grusel Geschichten bis keiner mehr sich traute wieder runter zu gehen, geschweige denn zu schlafen.
"Guck mal was ich gefunden habe" ,mein Cousin setzte sich auf und holte sein Portmonee aus der Hosentasche. Während ich mich aufsetze fischte er ein Foto heraus und hielt es mir hin.
Das Foto stammte aus der Zeit als ich hier gelebt und in die Schule gegangen war. Ich müsste sechs Jahre alt sein.
Ich hatte ein traditionelles Kleid an und stand zwischen meinem Cousin und Mert, der beste Freund von meinem Cousin. Ich konnte mich noch ganz genau an diesen Tag erinnern. Es war der 23.04, der Weltkindertag in Türkei. Gleichzeitig war es mein Geburtstag. Die Schulen organisierten Veranstaltungen, es wurden Lieder gesungen und Gedichte vorgetragen.
Einer dieser Glückspilze war ich gewesen, daher der Outfit. Cem und Mert hatten mir vor meinem Auftritt eingeredet das ich mich versprechen werde und wie es so kam, tat ich das auch. Mitten im Text brachte ich alles durcheinander und verschluckte mich an den Wörtern. Irgendwie schaffte ich es mein Gedicht zu Ende vorzutragen und wurde von den beiden glatt ausgelacht als ich von der Bühne wieder runter kam.
"Dieses Foto hängt eingerahmt an meiner Wand! Ihr habt mich wie immer ganz schön die Mängel genommen an diesem Tag" ,ich musste lachen während ich mein trauriges Ich auf dem Foto betrachtete.
"Niemals! Wenn dann war das Mert! Er hat dich immer geärgert das weißt du doch!" ,unser Gelächter wurde von einem ruf aus dem gegenüber liegenden Haus unterbrochen.
"Hey Cem, wer ist denn die Schnecke neben dir ? Das werde ich Defne Petzen, das du fremde Mädels mit zu unserem Geheimort verschleppst, wart ab." ,hörte ich die männliche Stimme auf dem Balkon sagen.
"Wenn man vom Teufel spricht. Warum kommst du nicht rüber und erzählst ihr das gleich hier? Ich habe ihr gerade das Foto gezeigt" ,rief mein Cousin jetzt rüber.
Ich versuchte zu sehen wer da auf dem Balkon stand und konnte nur die Umrisse der Person erkennen, die durch das Licht im Zimmer etwas deutlich wurden. Das war doch nicht etwa...
"Ich hoffe du meinst das sexy nackt Foto von mir" ,natürlich war er es! Mert!
"Du trottel! Schnapp dir den Rest der Bande und kommt rüber." ,rief mein Cousin und lachte.
Ich hatte Mert über fünf Jahre nicht gesehen. Seine Schwester hatte nach London geheiratet und lebte dort. Als Mert seine Hochschulreife gemacht hatte, entschloss er sich dort zu studieren und lebte seit dem bei seiner Schwester. Durch Msn (bevor es whatsapp gab) und whatsapp waren wir immer in Kontakt geblieben, aber gesehen hatte ich ihn seit dem gar nicht mehr.
Jetzt stand er vor mir und ich konnte es kaum fassen. Von dem kleinen abgemagert aussehenden Mert fehlte jede Spur. Er war mindestens zwei Köpfe größer wie ich geworden und blickt auf mich und mein erstauntes Gesicht runter.
"Wann ist die Hexe so hübsch geworden? Sag mal, pinkelst du immer noch vor Angst in die Hosen nachts?", er funkelte mich amüsiert mit seinen grünen Augen an.
"Was?! Das habe ich nie gemacht! Du hast dich kein Meter verändert! Immer noch ein Märchen Erzähler, was?!" ,ich stemmte die Hände in die Hüfte und spielte die eingeschnappte.
Sein grinsen wurde breiter und er hob die Arme um mich schließlich fest zu umarmen.
"Verdammt, wie ich dich vermisst habe" ,sagte er und wurde auch schon wieder weggezogen.
"Es reicht! Zur Seite mit dir! Aaaaa"
Hilal erschein hinter ihm und wir beide fingen an hysterisch zu schreien und Händchen haltend rumzuspringen.
Sie war meine beste Freundin, egal wie viele Kilometer uns trennten wir erzählten uns immer noch jeden Tag alles was wir erlebt hatten. Auch unsere Briefe hatte ich noch in einer Kiste unter meinem Bett gebunkert.
Würde sie in Deutschland leben, könnte sie glatt als deutsche durchgehen mit Ihren Natur blonden Haaren und Eisblauen Augen!
"Oh mein Gott! Oh mein Gott!!! Du bist hier !!" ,schrie sie strahlend.
Nachdem wir uns beruhigt hatten, begrüßte ich auch den Rest der Bande.
Alper unseren Casanova, Ibo der Musiker, Salih das Superhirn und Seda die geborene Schauspielerin.
Mein Bruder hatte den Weg zu uns gefunden und musste sich nochmal anhören wie groß er geworden war.
"Wo ist deine Pilzkopf Frisur hin! Das sah immer so niedlich aus. Wie die Zeit vergeht, unglaublich. Ich erinnere mich wie du mit mein Bruder immer die Hasen bei uns im Garten versucht hast zu fangen, mit dem Schnuller im Mund" ,erzählte Hilal fröhlich.
"Naja, jetzt renn ich nicht mehr den Hasen hinter her sondern die Hasen mir, wenn du verstehst" ,konterte mein Bruder und brachte die Jungs zum Lachen während wir Mädels mit den Augen rollten.
Irgendwann hatte uns meine Tante Tee und Süßigkeiten nach oben gebracht. Mir fiel es erst auf das wir uns bis zur Morgendämmerung unterhalten hatten, als ich den ruf der Moschee hörte und alle inne hielten.
Plötzlich war es mucksmäuschenstill und der Ruf zum ersten Gebet des Tages erfüllte meine Seele. Ich schloss die Augen und lies die Melodie mein Herz erobern.
Gänsehaut machte sich auf meinen Körper breit und ich genoss jedes Wort das meine Ohren erreichte.
Das war eins der Dinge die ich in Deutschland vermisste, Ezan; der Ruf zum Gebet.
(Im Medien Bereich findet ihr ein Video, das ihr anhören könnt. Mehr dazu später ;) )
Als ich die Augen wieder öffnete, ruhte der grün leuchtende Blick von Mert auf meinem Gesicht.
"Das hab ich in London auch vermisst." ,flüsterte er.
Er verstand mich, er wusste ganz genau was für eine Art Sehnsucht sich in meinem Körper breit machte.
"Dann lasst uns doch beten gehen" ,schlug mein Cousin vor und ohne Wiederrede standen wir alle auf.
Keine halbe Stunde später standen wir vor der Moschee in unserem Stadtteil.
Cem hatte mir einen Rock und ein Tuch besorgt weil man die Mosche ohne Kopftuch nicht betreten durfte.
Der Rock diente dazu, die Rundungen der weiblichen Figur abzudecken.
Hilal nahm mich an der Hand und führte mich zu dem Eingang für die Frauen.
"Bis gleich" ,rief sie über die Schulter.
Mir fiel auf das Seda gar nicht mitgekommen war: "Warum ist Seda nicht mit gekommen?" ,fragte ich Hilal die gerade den Rock über ihre kurze Hose streifte.
"Ach die ist momentan auf einem 'ich-glaub-nicht-an-Gott' Tripp. Du kennst sie doch. Jedes Jahr glaubt sie an was anderes. Letztes Jahr war sie Buddhist und hat aufgehört Rind zu essen bis sie bei unserem Grill Treff wie ein Kanibale über das ganze Fleisch hergefallen ist. Jetzt ist sie halt Atheist. Mal sehen wie lange." ,klärte mich Hilal jetzt auf.
"Ihre Eltern ? Was sagen die dazu?" ,fragte ich neugierig. Schließlich trug ihre Mutter ein Kopftuch und gab Koran Unterricht.
"Die lachen sie aus! Das wird schon, sagen sie. Du kennst sie doch. Wahrscheinlich die tolerantesten Eltern der Welt."
Da hatte sie wohl recht. Seda war schon immer ein Mädchen gewesen die ihren eigenen Kopf hatte. Sie wechselte ihre Haarfarbe wie ich meine Socken und hatte wohl genauso oft ihren kleiderstil geändert. Vom Emo bis Punk war alles dabei gewesen. Ihre Eltern hatten es immer toleriert und ihr Vater sagte immer; soll sie doch machen was sie für richtig hält. Noch ist sie in ihren Elternhaus. Sobald sie heiratet wird sie das machen was ihr Mann sagt. Sie soll sich austoben, so lange sie ihrer Ehre nicht schadet.
Und das tat sie wirklich nicht. Egal welche Haarfarbe sie hatte und wie kurz ihr Rock war, sie war die Ehrlichkeit in Person und ließ nicht mal eine männliche Mücke an sich ran.
Als wir endlich unsere Schuhe ausgezogen hatten und ich den weichen Teppich unter meinen Füßen spürte blickte ich hoch an die hell beleuchtete Decke der Moschee.
Sofort überfiel mich ein Schauder und ich bekam erneut eine Gänsehaut. Arabische Buchstaben verzierten die Wände und wunderschöne Kronleuchter beleuchteten den gesamten Raum. Ein angenehmer Rosensuft stieg in meine Nase und die ruhige Atmosphäre zog mich in ihren Bann.
Die Moschee war aufgeteilt in zwei Abschnitten. Weiter vorne saßen die Männer und hinten die Frauen.
Der Grund dafür war nicht wie viele dachten, die Benachteiligung der Frau sondern im Gegenteil, es ging um den Schutz der Frau.
Während dem Gebet gibt es nämlich Positionen wie beugen und hinknien.
Ich persönlich würde nicht wollen das der Fremde Mann hinter mir während meiner gebeugten Haltung auf mein Hintern starrt und statt zu beten meinen Körper begutachtet.
Wir suchten uns einen Platz und warteten auf den Anfang des Gebetes durch den Hoca ( Pfarrer, Priester ).
Als ich fertig mit den gebeten die zum Namaz (so nennt sich der ganze Vorgang) gehörten war, blieb ich noch sitzen und betete für die Gesundheit meiner Familie und für mein Opa der sicher irgendwo von da oben auf uns runter sah und neidisch auf mein Onkel war, der jetzt die After Eight Schokolade von meiner Mutter genüsslich essen durfte.
Plötzlich hörte ich links von mir ein komisches Geräusch das sich anhörte wie... Wie ein Gegrunze.
Ich beendete mein Gebet mit einem Amin (kommt euch auch bekannt vor oder ? Amen !) und schaute auf die Seite, aus dem das Geräusch kam.
Eine ältere Frau hatte die Position eingenommen, wo die Stirn auf dem Teppich lag und bewegte sich gar nicht.
Ich beobachtete sie und schon wieder hörte ich das Gegrunze von eben.
Ich runzelte die Stirn und konnte nicht ganz verstehen was sie da machte.
Ich schaute rüber zu Hilal die gerade mit ihrem Gebet fertig geworden war und jetzt an mir vorbei schaute um zu sehen woher das Geräusch kam.
In der Moschee war es so leise das jede Bewegung hörbar war und jedes räuspern auffiel.
Erneut hörte ich die Frau grunzen und hielt die Lache die in meinem Hals festsaß zurück.
Die ist doch nicht etwa ....
"Wir sollten Sie aufwecken bevor sie anfängt so richtig zu schnarchen" ,flüsterte Hilal mir jetzt amüsiert zu und ich musste mir auf die Lippe beißen um nicht laut loszulachen.
Während wir zu ihr rüber rutschen, hatte sie schon angefangen laut und deutlich zu schnarchen was jetzt die Blicke von allen Frauen auf sich lenkte.
Ich rechnete mit verärgerten blicken und konnte erkennen wie manche der Frauen noch am beten waren und sich das grinsen nicht verkneifen konnten, während sie das Gebet murmelten.
Ich streichle der älteren Dame nun den Rücken und flüsterte ihr zu:
"Entschuldigen Sie?" ,die Frau zuckte kurz zusammen und räusperte sich während sie sich auf eine aufrechte Position stützte.
"Alles in Ordnung?" ,ich lächelte sie freundlich an während sie ihr Kopftuch richtete, das in ihr Gesicht verrutscht war, sodass man ihre Augen nicht sehen konnte.
"Ach herrje, ich bin eingeschlafen während dem Gebet oder?"
Die Dame schaute mich beschämt an.
"Ich glaub schon" ,flüsterte ich und konnte mir das Lachen nicht mehr verkneifen. Hilal stimmte mit ein und wir fingen an zu kichern, was viele mit ansteckte und auch die Frau selbst kicherte jetzt mit uns...
„Verachte niemals auch nur die kleinste Kleinigkeit einer guten Tat; sogar deine Mitmenschen mit einem fröhlichen Gesicht zu treffen zählt als gute Tat" (Zitat von Prophet Mohamed)
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Hallo meine lieben,
erstmal entschuldige ich mich für diesen etwas langen Kapitel.
Ich hoffe ich habe euch nicht gelangweilt.
Doch als Zeichen der Gemeinsamkeit und Toleranz, fand ich es als integrierte Muslimen einfach passend zu Weihnachten ein wenig über den Glauben zu erzählen.
Wie auch der Sinn dieser Geschichte, ist es mir einfach wichtig zu zeigen das trotz verschiedener Kulturen wir Gemeinsamkeiten haben.
Und eine Überraschung habe ich auch vorbereitet.
Wie schon erwähnt habe ich ein Video hinzugefügt, damit ihr wisst wie ein Gebet ruf in Türkei sich anhört.
Ich möchte ein kleines Experiment wagen;
Ich würde euch bitten, das Video anzumachen und eure Augen dabei zu schließen. Entspannt euch, legt euch hin oder macht es euch einfach gemütlich und hört euch den Gesang an.
Was fällt euch ein, was fühlt ihr ?
Gefällt es euch ? Oder doch eher nicht ?
Ich freue mich jetzt schon riesig über eure Antworten und Gedanken.
Ich hoffe ich konnte euch eine kleine Freude machen.
Ich wünsche euch allen frohe Weihnachten und ein schönes Fest mit der Familie. ❤️
Eure Göki
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