Heimat²


Hallo meine Lieben.

Was steht ihr so unbeholfen an der Tür, kommt rein und setzt euch zu mir auf den Boden. Wenn ihr natürlich Platz findet, von all den Fotos die hier rumliegen. Ich dachte mir, ich zeig euch mal ein paar Bilder aus meiner Heimat, doch dann stellte sich mir eine Frage. Was ist eigentlich Heimat?

Ein schlauer Türkischer Mann sagte einst zu mir; Heimat ist nicht da wo du geboren bist oder deine Wurzeln weilen, sondern da wo du gesättigt wirst sprich dein Geld verdienst. Naja mein Onkel hatte nicht unrecht, vor allem wenn ich an meinen Stammbaum denke.

Immerhin bin ich die Enkelin von Großeltern die aus Mazedonien stammen, Mütterlicherseits zumindest. Sie waren damals im 2. Weltkrieg nach Türkei ausgewandert und sich in Izmir abgesetzt. Meine Mutter selbst ist als einzige ihrer Geschwister in Türkei auf die Welt gekommen, wenn ihr sie fragen würdet wo ihre Heimat ist, würde sie höchstwahrscheinlich Izmir sagen.

Mein Vater ist in dem gleichen Stadtteil wie meine Mutter geboren, im Haus gegenüber wenn ihr es genau wissen wollt. Meine Babaanne (Oma Väterlicherseits) kommt aus Israel und ist ursprünglich Jüdin gewesen, hat aber dann einen netten türkischen Osman geheiratet und ist zum Islam konvertiert. Irgendwann in den Fünfzigern kam sie mit der ersten Arbeitergruppe nach Deutschland. Als mein Vater 14 war, holte sie ihn zu sich und er ging hier zur Schule und wuchs hier auf. Bis er als Junger Mann seine Mutter besuchte, die nach vielen Jahren wieder zurück nach Izmir zog, und sich in meine Mutter verliebte. Nach einen richtig Klischeehaften Romanzen-Drama,( türkische Serie reif!) die ca. 5 Jahre ging heirateten die beiden schließlich und TATAAA; da bin ich!

Und ich soll bei dem durcheinander jetzt sagen wo meine Heimat ist?

Was genau ist den nun Heimat. Wo man geboren wurde? Dort wo man aufwächst? Oder doch das Land wo deine Vorfahren her Stammen?

Ich habe daher für mich selbst entschlossen; Heimat ist dort wo du dich zuhause fühlst.

In meiner Wohnung in Frankfurt fühle ich mich wohl, mitten im Leben und viel Zeit für mich. Bis mir einfällt das ich nicht so gut kochen kann wie meine Mutter und das Joggen im Feld viel angenehmer ist wie auf dem Laufband. Manchmal jedoch vermisse ich die Stimme des Meeres in Izmir und verspüre den Drang mich mit dem Chaos der Stadt zu verschmelzen.

Ich bin überall willkommen und überall ist meine Heimat!

Und das ist wohl das Stichwort zur Geschichte von unserer Heldin Defne.

Schnappt euch eine Tasse Tee und begleitet sie doch auf ihrer Reise in die Heimat²

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Mein Herz macht einen Sprung als ich die vielen Lichter erblicke. Die Stadt unter meinen Füßen glitzert mich freundlich an, das Meer schlägt Willkommens-Wellen.

Mit dem leichten plumps und dem Applaus im Flugzeug wurde bestätigt das wir endlich gelandet waren. Kurz darauf stand ich auch schon am Ausgang des Fliegers und atmete so tief ich konnte die Luft ein, Augen zu und Gesicht in Richtung Himmel.

"Lauf doch, du blockierst alles!" , mein Bruder zischte frech vor sich hin und gab mir einen kleinen Schupser. Aber damit würde ich nicht meine Laune verderben lassen, nicht heute!!

Ich lief die Metalltreppe runter und betrat nach einem Jahr endlich wieder offiziell türkischen Boden.

Nach einigen Schritten kniete ich mich hin und gab dem heißen Betonboden einen Kuss.

"Was genau machst du da?!" , mein Bruder hatte schon sein Handy rausgeholt und filmte mich.

"Wonach sieht es den aus, ich verwirkliche den Traum aller Türken!" ,sagte ich und spürte wie irgendwas spitzes mein Hintern berührte. Ich drehte mich und schaute meiner Mutter zu wie sie die Hände hob und Kopf schüttelnd mit dem Himmel sprach.

"Allahim (Lieber Gott) womit hab ich so verrückte Kinder verdient! Aufstehen! HopHop!", sie stupste mich erneut mit ihrem Schuh an und ich erhob mich grinsend.

"Ich weiß gar nicht was ihr habt, das musste gerade sein! Das ist der natürliche Drang der türkischen Gene!"

Nach dem wir unsere Koffer holten, liefen wir Richtung Ausgang und mein Herz schlug mit jedem Schritt lauter.

Ich hatte Izmir so vermisst, das Meer, den Hafen. Die freundlichen Menschen. Das frische Obst und den Obsthändler der die besten Verkaufs-Sprüche hatte (davon könnten sich manche Werbeagenturen in Deutschland was abscheiden, ich meine eine Tomate als den Georg Clooney unter den Tomaten zu bezeichnen, hatte doch etwas oder nicht?).

Vor allem jedoch vermisste ich die Familie. Unsere ganzen Familienmitglieder lebten hier und sie nur einmal im Jahr zu sehen war einfach ungerecht! Jetzt war es an der Zeit das ganze Jahr gesparte Geld, innerhalb 6 Wochen wieder auszugeben.

Die Schiebetür öffnete sich endlich und ich blickte in ein Chaos voller schwarzen Köpfe. Irgendwo zwischen den gleich aussehenden Menschen erblickte ich etwas das auf und ab sprang und wie Wild winkte. Ich kniff die Augen zusammen und hörte aus der Richtung jemanden nach seiner Schwester rufen: Abla, Abla (Schwester) hier!!!

Das war er! Mein Onkel kam jetzt auf uns zu gelaufen und hob die Hände nach oben. Das strahlen in seinem Gesicht war un-beschreibbar. Ich hatte meine Gesichtsmuskeln nicht mehr griff und verzog mein Gesicht zu einem breiten Grinsen.

"Da seit ihr ja endlich!!" , schon hatte er meine Mutter umarmt. Er lies hektisch los und drehte sich zu meinem Bruder um, der direkt neben meiner Mutter stand.

"Wer ist dieser Kerl? Wo ist der kleine Knirps Can?!" ,mein Onkel schaute meinen Bruder böse an, der kurz auf lachte, anscheinend gefiel ihm das kleine Spiel von meinem Onkel.

"Dayi (Onkel, Mütterlicherseits) ich bin es doch!" ,sagte er lachend.

"WAS! Wann bist du den so groß geworden!!" ,kurz darauf packte er meinen Bruder und schüttelte ihn durch und schlug ihm freundschaftlich auf den Rücken. Nach dem Blick meines Bruders zu beurteilen war das etwas schmerzhaft. Ich musste grinsen und wurde auch schon von meinem Onkel entdeckt. Langsam kam er auf mich zu und legte den Kopf zur Seite. Er nahm meinen Kopf zwischen seine riesigen Hände und küsste mich auf die Stirn.

"Meine kleine Prinzessin. Du wirst jedes Jahr hübscher" ,seine Augen wurden glasig.

So hart er auch aussah mit seinen schwarzen Augen und den Sorgenfalten auf seiner Stirn, dem drei tage - Bart und seinem finsteren Blick, war mein Onkel der herzlichste Mensch den ich kannte. Er war ein ehrlicher und gerechter Mann auch wenn wir bei seinem letzten Besuch in Deutschland, oft mit dem Auto angehalten wurden, weil die Polizisten ihn für einen Terroristen hielte.

Ich umarmte ihn und hielt meine tränen zurück.

"Ich hab dich auch vermisst!"

Kurz darauf saßen wir schon im Auto und fuhren los.

"Die ganze Familie wartet schon auf euch! Mutter wollte unbedingt mit aber ich hab sie ausgetrickst. Die wird mich gleich erschlagen. Ihr seit sicher hungrig, Essen ist schon bereit. Wie war überhaupt euer Flug? Meine Güte freue ich mich euch zu sehen!" ,mein Onkel war aufgeregter als wir alle zusammen und kniff jetzt meiner Mutter in die Backe als wäre sie ein kleines Kind. Ich musste lachen und drehte den Kurbel an meiner Tür um das Fenster zu öffnen.

Tief atmete ich den Duft ein der durch das offene Fenster hineinströmte.

"Wie ich diesen Duft vermisst habe!" ,mein Onkel schaute jetzt in den Rückspiegel und lachte.

"Welchen duft? Trockene Erde mit einer Prise Meeresluft?" ,er schien amüsiert.

"Glaub mir, Türkei hat einfach einen eigenen Duft. Ich kann es dir nicht erklären es riecht einfach anders."

Meine Mutter drehte sich zu mir um: "Es riecht nach Heimat Canim (Liebes)"

Als wir endlich in unserem Stadtteil eintrafen, dass einer den wenigsten Stadtteile war, das noch nicht voll mit Hochhäusern bebaut wurde, hatten wir bereits kurz nach Mitternacht. Wir bogen in die Straße ein, wo das Haus meiner Großeltern stand. Ein kleines niedliches Haus mit roten Backsteinen und einen Vorgarten das mit einer Mauer beschütz wurde.

Mein Onkel parkte das Auto am Anfang der Straße: "Ich schicke später die Jungs wegen den Koffern. Ist jetzt nicht eilig. Kommt!"

Ein paar Straßenlaternen erhellten uns die Straße und ein paar kleine Jungs spielten noch immer Fußball auf der Straße. In Türkei waren Sommerferien und das drei Monate lang. Darum fing hier das Leben erst abends an. Vor den einzelnen Häusern hatten sich Frauen ein paar Hocker besorgt und saßen vor der Tür und verzählten. Wenn ich darüber nachdenke, sah das etwas komisch aus. Warum auf dem gemütlichen Sofa zu Hause sitzen wenn es auch ungemütlich vor der Tür auf dem Bürgersteig geht.

Dann fiel mir auf wie warm es noch immer draußen war und ich konnte mir gut vorstellen das es in den Wohnungen schwer auszuhalten war im Sommer. Die meisten konnten sich keine Klimaanlagen leisten. Aber genau das liebte ich hier. Dieser Stadtteil war so vertraut miteinander. Jeder kannte jeden und man teilte sich alles, das Essen, die Straße sogar die Gerüchte die hier herumgingen.

"Ach du liebe Güte, ist das nicht die Tochter von Ayse?!" ,rief einer der Frauen jetzt und stand auf. Ich drehte mich zu meiner Mutter um die jetzt etwas verlegen lächelte und rüber zu den Frauen lief. Ich tat es ihr nach sowie mein Bruder auch.

"Achherje, sag bloß das sind deine Kinder!"

"Wie lange wart ihr jetzt nicht mehr hier?!"

"Wie schön euch zu sehen!"

"Masallah! Wie groß die Kinder geworden sind!"

"Ist deine Tochter schon verlobt?! Mashallah so hübsch!"

"Dein Sohn sieht deinem Mann so ähnlich! Mashallah!"

Plötzlich waren wir umzingelt von ganz vielen Frauen, ich kam schon gar nicht mehr mit von wo die Hände kamen die mal mich dann meinem Bruder an die backen gingen und zwickten. Ab und zu küsste mich jemand nass auf die Backe und nach jeden Masallah, das so viel bedeutet wie Gott behüte, bekam ich einen regen ab das aus "Weih"-Spucke bestand. Als ob Spucke mich vor bösen Geistern beschützen kann, dachte ich und schüttelte innerlich den Kopf über diese kulturelle Geste.

Mir war schon ganz schwindelig als ich die mir bekannte männliche tiefe stimme meines Onkels vernahm: "Hinfort mit euch ihr alten Weiber! Lasst meine Schwester in ruhe. Unsere Mutter erwartet uns, sicher will sie ihre Tochter in einem Stück wieder haben!"

Die Frauen kicherten und lösten den Zirkel auf. Ich lief mit schnellen Schritten zu meinem Onkel und hakte mich bei ihm ein.

"Alter was war das denn?!" , mein Bruder starrte mich mit weit aufgerissen Augen an: "Ich dachte die fressen uns gleich auf!"

"Willkommen im Viertel!" ,sagte mein Onkel fröhlich.

Die große Blaue Metalltür öffnete sich quietschend und ein bunter Haufen an Stimmen begrüßte uns. Wir wurden herzlich umarmt und abgeknutscht. Meine Oma fing wieder an vor Freude zu weinen wie jedes Jahr und meine Onkels und Cousins konnten nicht glauben wie groß mein Bruder geworden war. Sie hatten ihn zu letzt vor acht Jahren bei seiner Beschneidungs-Feier gesehen, seit dem war er im
Sommer mit meinem Vater unterwegs gewesen. Sie witzelten rum und ließen so Sprüche wie; die Beschneidung hat anscheinend gewirkt. Gut das wir nicht noch mehr abgeschnitten haben, sonst wärst du jetzt 2 meter geworden, fallen. Ich konnte sehen wie peinlich das meinem Bruder war, der sowas gar nicht gewohnt war aber daran muss er sich hier gewöhnen. Hier nahm niemand einen Blatt vor den Mund.

Meine Mutter war dabei den kleineren und den größeren Kindern der Familie Nussknacker Schokolade zu verteilen die sie vorsorglich in ihrer Handtasche mitgenommen hatte genau für diesen Augenblick. Ihr habt ganz recht gelesen. Aldi Nussknacker!

Also wenn ihr das nächste mal jemanden an der Kasse von Aldi mit einem Karton Nussknacker Schokolade sieht, er ist zu 100% Türke und wird demnächst in die Heimat reisen. Das war der Mitbringsel schlechthin.

Meine Augen suchten in dem durcheinander und fanden schließlich meinte Tante die gerade dabei war den Tisch zu richten fürs gemeinsame Essen. Das wir weit über Mitternacht hatten, schien hier niemanden zu interessieren. Ungewohnt für mich, die ab 18 Uhr nicht mal ein Staubkorn in ihren Magen beförderte. Daran musste ich mich wohl gewöhnen.

"Yenge (Frau von einem Familienmitglied, so ähnlich wie Tante), wo ist Cem?" , ich schaute sie traurig an, denn Türkei Urlaub war kein richtiger Urlaub wenn mein Cousin nicht da war.

Wir beide waren jeden Sommer ein unzertrennliches Team. Er war eher wie mein Bruder als mein Cousin, wir beide hatten einen besonderen Draht zu einander. Unseren Kontakt hielten wir seit unserer Kindheit. Ich bete immer noch jeden Tag für den Typen der Whatsapp erfunden hat. Wobei ich immer noch alle Briefe hatte die wir uns damals schrieben. Was denn? Das war üblich in unserer Generation.

"Er ist noch arbeiten aber sicher kommt er bald" ,meine Tante lächelte mich an und gab mir ein paar Teller mit. Innerhalb 5 Minuten war der Tisch gerichtet, bei so vielen Frauen war das auch kein Wunder. Meine jüngeren Cousinen wichen mir nicht von der Seite und begafften mich bei jedem Schritt, als wäre ich aus einem anderen Planeten. Was kein Wunder war, denn seit Wochen wurde ihnen gesagt das bald Verwandte von drüben kommen. Bekanntlich haben Kinder Fantasien keine Grenzen.

"Also dann!! Auf geht's, jetzt wird gegessen." , mein Onkel erhob seinen Glas das mit Raki (ein türkischer Schnaps) gefüllt war, zur feier des Tages natürlich und eröffnete somit das Buffet.

Ich konnte es nicht fassen, wir waren alle hier in dem Garten des Hauses das vor etlichen Jahren meine Großeltern gebaut hatten. Hier war meine Mutter groß geworden und teilweise war ich das auch. Jedes Jahr aufs neue kamen wir hier her und alle meinen schönen Erinnerungen an meine Kindheit fanden hier statt. Ein Jahr lang hatte ich hier sogar gelebt und war hier zur Schule gegangen. Ich fühlte mich nach langer Zeit mal wieder richtig zuhause.

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Hallo meine lieben,
Ich danke euch allen erstmal das ihr überhaupt hier in meiner Welt gelandet seit und freue mich über die ganzen Votes!
Ich hoffe ich kann euch weiterhin begeistern und freue mich jetzt schon auf eure Kommentare.
Falls ihr Fragen habt, ich bin hier.
Liebe Grüße eure
G.A.

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