Kapitel 32 • Mauro •
Ich könnte ausrasten, dieser Scheiß Haufen von Bruder! Seit zehn Wochen ist er weg und seit zehn Wochen häufen sich die Probleme. Er nimmt Aufträge in meinem Namen an, ohne vorher Rücksprache zu halten.
Dieser Wichser, der den Zuschlag für das Krankenhaus anderweitig vergeben hat, kommt wie durch ein Wunder angekrochen. Es war klar, dass Dario ihn zurückholt, nachdem beschlossen worden ist, dass wir in den Organhandel einsteigen. Ich soll mich mit der Beschaffung von Ärzten beschäftigen. Er drückt mir Babatunde auf und das ist noch nicht einmal die Spitze des Eisbergs, dass Waffen- und Drogengeschäft boomt, selbst mit der Schutzgelderpressung verdienen wir genug Kleingeld. Wir betreiben Geldwäsche. Bekommen öffentliche Aufträge im Bausektor, Gesundheitswesen und in der Müllbeseitigung. Und das alles reicht ihm nicht? Was will er, Geschichte schreiben? Oh, dieser verdammte Bastard macht mich zu seinem scheiß Lakai. Eine Kippe und ein Bourbon sollte mein Gemüt etwas beruhigen. Mein Schreibtisch platzt aus allen Nähten, aber für das Glas und die Flasche werde ich Platz schaffen. Ich ziehe einen Stapel Dokumente vom Tisch und lege ihn auf einen der Ordner. Ich habe es eilig, die Flasche zu öffnen, da es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich wieder gestört werde.
„Mauro", ruft Enea. Indessen er die Tür öffnet, segeln die Dokumente, die eben noch auf dem Tisch lagen, auf den Boden. Ich ziehe an der Zigarette, schließe meine Augen, als könnte es mich irgendwie beruhigen.
„Oh sorry", entschuldigt er sich, als ihm die Blätter auf dem Boden ins Auge fallen. Er wartet nicht darauf, dass ich ausraste, sondern bringt das Durcheinander, das er verursacht hat, wieder in Ordnung.
„Ich will dich nicht stören", setzt er an.
„Aber?", fahre ich ihn an, ohne es zu merken.
„Emilia und Davide sind noch nicht zurück", fährt er fort und setzt sich mir gegenüber.
„Und?", will ich wissen, da ich die Frage dahinter nicht verstehe.
„Weißt du wann sie wieder kommen?", rückt er langsam raus, was mich zur Weißglut bringt.
„Sehe ich aus wie ein verdammter Babysitter?", erkundige ich mich aufgebracht. Es bewegt ihn zum Aufstehen, eine Reaktion, die ich in letzter Zeit immer öfter an ihm beobachte. Früher, gab er sich nie so leicht geschlagen.
„Du verlierst sie, wenn du so weiter machst!", kontert er dann doch. Ich muss mir diese Worte erst mal auf der Zunge zergehen lassen, bevor ich mir über die Bedeutung bewusst werde.
„Sie hat mir nie gehört und jetzt verpiss dich, wenn du nicht willst, dass ich dir Beine mache!" Ob ich frustriert bin? Aber hallo! Seit dem Morgen in der Zelle entgleitet sie mir. Sie wollte mich weder sehen noch mit mir sprechen, sie hat mir an der Beerdigung klar und deutlich gesagt, dass sie Platz zum Atmen braucht. Diesem Wunsch bin ich nachgekommen und habe sie in Ruhe gelassen.
„Hast du dich einmal gefragt, warum sie sich nur dir nicht öffnen kann?", hakt er weiter und lässt mich mein Glas umso fester umklammern.
„Sie schämt sich nur vor dir, was bedeutet, dass ihr deine Meinung über sie wichtig ist. Alter, sie liebt dich höchstwahrscheinlich genau so, wie du sie liebst, und ihr beide fährt das mit tausend Sachen gegen die Wand." Er beantwortet seine Frage selbst, ganz ohne seine Augen, die mich streng mustern, von mir abzuwenden. Er verschränkt seine Arme, den Standpunkt aufrecht haltend.
„Ich habe zu arbeiten!", keife ich ihn an und schmettere im selben Atemzug das Glas auf den Tisch. Er schüttelt den Kopf, gefolgt von einer abfälligen Geste und kehrt mir anschließend den Rücken zu. Ich vergrabe meinen Kopf in meinen Händen. Ich muss zugeben, dass Enea recht hat. Die kleine Chance, die wir hatten, ist im Begriff, sich in Rauch aufzulösen. Sie braucht Stabilität, einen Vertrauten, jemanden, der nicht sieht, was sie durchmachen musste. Einen der ihr, mit Geduld, die schönsten Seiten des Lebens zeigt. Und ich? Ich bin rau, impulsiv und stur, kein Mensch der anderen den Arsch pudert. All das sind keine guten Eigenschaften, um etwas so Zerbrechliches berühren zu können. Nur durch meinen Egoismus ist es überhaupt so weit gekommen. Ich hätte, sie gehen lassen sollen, als sie es wollte. Nein, ich hätte das Altenheim niemals aufsuchen dürfen. Ich hätte es wissen müssen, dass ein Besuch allein, mich nicht zufriedenstellt.
Der halbe Tag ist an mir vorbeigezogen. Immer wieder spukte sie in meinem Kopf. Mein kleines Hirngespinst, weswegen ich mit der Arbeit keinen Schritt weiter gekommen bin. Drei wichtige E-Mails warten darauf, verfasst zu werden und wenn ich mich nicht zusammenreiße, verpasse ich die Deadline. Ich gönne mir noch ein Glas Bourbon, lasse ihn genüsslich meine Kehle hinab gleiten und fange an zu tippen. Den Lauf nutze ich aus, denn nach den E-Mails ist für heute Schluss. Ich habe mir vorgenommen, zu trainieren, bevor ich mich mit Davide zusammen setze. Ich will wissen, wie es ihr geht, bevor ich eine Entscheidung treffe.
„Ufff", stöhne ich kurz auf und drücke auf absenden. Der Sendevorgang läuft und ich kann beruhigt an den Kühlschrank, um eine Wasserflasche zu holen. Zurück am Rechner vergewissere ich mich, dass die Mails durchgegangen sind. Ich fahre den PC runter und mache mich auf den Weg Richtung Trainingsraum.
„Besetzt!", zischt Enea, bevor ich die Tür richtig geöffnet habe. Er hatte wohl den gleichen Gedanken und kam nach unserer Auseinandersetzung hierher, um Dampf abzulassen.
„Wenn dir meine Fresse nicht passt, dann verpiss dich!", schimpfe ich in seine Richtung und lege mein T-Shirt ab. In mir herrscht schon wieder pure Wut, weswegen ein Training unerlässlich ist.
„Du verstehst nicht, wenn du Grenzen überschreitest!", giftet er weiter und beschwört damit die Explosion des Etnas. Ich schmeiße meine Wasserflasche nach ihm, bevor ich meinen Fluchgesang loswerde.
„Du Missgeburt! Hat sie das gesagt, ja?", explodiert es aus mir. Es wird immer besser, jetzt reden die Beiden schon über mich.
„Du bist ein Bastard, wenn es nicht nach deiner Nase läuft! So warst du schon immer!", brüllt er zurück, ohne sich anmerken zu lassen, dass die volle Flasche seine Brust getroffen hat. Er steht auf, lässt die Ruderbank hinter sich und kommt näher.
„Die Schwuchtel will mir was erzählen!"
„Ich hätte sie auf Händen getragen!", schreit er lauthals los, was mich zu einem unüberlegten Satz verleitet.
„Dann tu's doch!" Ich sollte ihm die Fresse zertrümmern.
„Aber sie will dich!" Seine Stimme, die eben noch kraftvoll klang, bricht zum Ende hin. Ich bin sprachlos, habe keine Worte für ihn über. Ich wusste von Anfang an, dass er nicht ohne Grund so fürsorglich mit ihr umgangen ist.
„Ich verspreche dir eins, wenn du nicht gut zu ihr sein kannst und nur Gott weiß, warum du dazu nicht in der Lage bist. Dann werde ich sie von hier wegbringen." Er ist die Ruhe selbst, was bedeutet, dass er sein Versprechen wahr machen wird, wenn ich mich nicht anfange zu bemühen.
„Ich brech dir die Hände, wenn du sie anfasst!", drohe ich abschließend, denn wenn Enea eins hat, dann ist es Geduld, Geduld, die ich nicht besitze. Er könnte gemütlich Platz nehmen und einfach darauf warten, dass ich es verkacke. Das kann ich umgehen, indem ich mich endlich zusammenreiße und zu dem Mann werde, den Emilia braucht. Meine Entscheidung brennt sich in meinen Geist, ich würde uns nicht aufgeben. Sie ist mein Mädchen, auch wenn die Ausgangslage kompliziert ist.
„Dann weißt du ja, was du zu tun hast." Er wirft mir diesen Satz wie einen Knochen im Vorbeigehen zu und verschwindet. Ich tue mich schwer, das Gesagte abzuschütteln. Seine Worte liegen schwer in meinem Magen, bereit sich jeden Moment in ein Magengeschwür zu verwandeln. Ich trete an den Boxsack, lasse die Wut bis in meine Fingerspitzen wandern, bis ich meine Hände zu Fäusten balle. Diese Einheit möchte ich spüren, weswegen ich ganz bewusst darauf verzichte meine Hände zu tapen.
Ob es schlau war, mit bloßen Händen auf den Boxsack einzudreschen? Nein! Fazit, blutige Knöchel, Blutergüsse und Prellungen. Ob ich mir eine Dusche verdient habe? Ja, definitiv. Ich ziehe mich aus und steige unter die Dusche. Das warme Wasser ist wohltuend und entspannt meine Muskulatur. Vorsichtig säubere ich meine Finger und sehe zu, wie sich das Blut langsam mit dem Wasser vermischt und es im Abfluss verschwindet. Erst nachdem meine Hände wirklich sauber sind, widme ich mich dem Rest meines Körpers. Ich hoffe, dass meine Bemühungen heute, mit Emilia zu sprechen, nicht vergebens sind.
Angezogen und mit noch nassen Haaren verlasse ich den Trainingsraum. Mein Handy hatte ich im Büro gelassen, was Dario vielleicht zur Weißglut gebracht hat, weil er mich nicht erreichen konnte. Ich greife nach dem Handy und sehe drei verpasste Anrufe. Zwei von Giulia und einen vom Krankenhaus. Ich drücke die Wahlwiederholung und versuche es zuerst im Krankenhaus.
„Ospedale Maria Eleonora. Messina am Apparat", sagt eine weiche weibliche Stimme.
„Caruso mein Name. Ich habe einen Anruf von euch verpasst. Meine Mutter Rosa Caruso ist bei ihnen Patientin. Sie liegt auf der Intensivstation", erkläre ich ihr kurz.
„Sehr gut, dass sie zurückrufen. Wir wollten ihnen nur mitteilen, dass ihre Mutter endlich auf die normale Station verlegt worden ist. Sie finden sie seit heute Morgen im dritten Stock, Zimmer 301", informiert sie mich und hört mich erleichtert aufatmen.
„Sie ist auf einem sehr guten Weg, machen Sie sich keine Sorgen", beruhigt sie mich.
„Ich danke ihnen. Können sie ihr ausrichten, dass ich morgen vorbeischaue?", frage ich schnell, da ich die Haustür gehört habe.
„Ja, das mache ich gerne. Ich wünsche ihnen einen schönen Abend", verabschiedet sie sich fröhlich, was mich aufheitert.
„Ebenfalls, ich bedanke mich." Lasse ich sie wissen und lege auf. Giulia schicke ich eine kurze Nachricht, dass ich mich später bei ihr melde und mache mich auf die Suche nach Davide und Emilia.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top