Kritik 4: Politisch 3-Dimensional (ProxyFoxLP)
Kritik von skraja:
Heute haben wir mal ein etwas anderes Buch in der Kritik. Eines, von dem ich zugeben muss, dass ich es so bisher noch nie gelesen haben. Ob das jetzt gut, oder schlecht ist, werden wir gleich herausfinden. Nicht alle Menschen haben den gleichen Humor und finden alles gleichermaßen lustig. Das macht es ungleich schwerer eine objektive Kritik zu schreiben – ich versuche es trotzdem mal :)
Titel:
Der Titel lautet Politisch 3-Dimensional
Wäre das Buch nicht unter der Kategorie Humor geführt, hätte ich vermutlich ein kritisches Buch erwartet, das mit unterschiedlichen politischen Ansichten beschäftigt, oder aber die Politik eines Landes von mehreren Seiten aus beleuchtet und kritisch hinterfragt. Wäre sicherlich auch mal nett, so etwas zu lesen. Aber das ist hier nicht der Fall.
Am Titel selbst habe ich überhaupt nichts auszusetzen. Er ist prägnant, lässt aber auch genug Raum für Interpretation und bringt Konfliktpotential mit sich. Der Titel passt auf jeden Fall sehr gut zum Buch und ist in dieser Form, soweit ich das beurteilen kann, auch einzigartig.
Punkte: 1
Cover:
Das Cover wurde während der Anmeldung geändert, so dass ich es neu bewertet habe. Der Titel des Buches springt sofort ins Auge. Es sind auch Symbole eingefügt, die für Kapitalismus, Anarchismus und Kommunismus stehen. Darunter befindet sich ein Gesicht, das uns ziemlich skeptisch, wenn nicht sogar etwas verstört entgegen blickt.
Aber das wohl markanteste an dem Cover ist der 3D Effekt, der durch rot/grün Schattierungen eingebaut wurde. Erinnert mich ein wenig an diese rot/grün Brillen, die wir früher mal hatten :)
Ich finde, dass der Titel hier sehr gut ins Cover übertragen wurde und bei dem Gesichtsausdruck des Mannes muss ich schon schmunzeln.
Hier ist wirklich viel Arbeit in die Darstellung des Covers investiert worden und das Ergebnis kann sich meiner Meinung sehen lassen.
Punkte: 2
Klappentext:
So werfen wir mal einen Blick in den Klappentext des Buches.
Ich bin Autor.
Jedenfalls sage ich das gerne. Eigentlich bin ich Gag-Autor in einer Late-Night-Show. Und weil es mir derzeit an Geld mangelt, musste ich einer WG beitreten. Eine WG mit einem Kapitalisten, einem Anarchisten und einem Kommunisten. Das klingt zwar hoch-politisch, sorgt im Endeffekt aber nur dafür, dass ich mit meinem Nerven am Ende bin.
Mein einziger Ausweg, ist dieses Buch zu schreiben. Beschäftigungstherapie. Und geteiltes Leid ist halbes Leid. Oder so.
Der Klappentext macht genau das, was er soll. Er macht neugierig – Also mich zumindest. Allein bei dem Gedanken an dieses politische Pulverfass muss ich grinsen. Weder nutzt der Autor hier sinnfreie Suggestivfragen, noch überlädt er das ganze mit zu vielen Informationen. Der Text ist kurz und knackig und sagt aus, was er soll. Dem ist nichts hinzuzufügen.
Mein erster Eindruck von dem Buch ist wirklich gut. Aber jetzt habe ich natürlich auch hohe Erwartungen an den Inhalt. Also schauen wir mal.
Punkte: 2
Handlung:
Die Handlung ist recht schnell erzählt. Der Protagonist, (Ich kenne leider seinen Namen nicht, schätze aber, dass es Proxy selbst ist), hat Geldschwierigkeiten und sucht eine neue Bleibe. Durch eine Anzeige beim Lidl stößt er auf die WG, welche schon im Klappentext erwähnt wurde, und zieht dort ein. Die folgenden Kapitel handeln vom Zusammenleben dieser doch recht interessanten Kombination von Charakteren, und enden mit dem Versuch Albrecht aus dem Gefängnis zu befreien. Nicht überraschend, dass es soweit kommen musste, allerdings ist dies auch nicht das Ende, sondern der Teil, bis wohin ich lesen konnte.
Aber jetzt erst einmal 'auf Anfang'.
Direkt am Anfang schmeißt uns der Autor ins Geschehen und wir erfahren, von den Geldproblemen des Protagonisten. Deutlich gemacht wird dies durch einen Poststapel voller Mahnungen, Anklagen und Bußgeldbescheide. Doch am meistens Sorgen macht er sich wegen eines Briefes, den er von seiner Mutter erhalten hat. Ich muss schmunzeln und bekomme ne leise Ahnung in welche Richtung der Humor dieser Geschichte gehen wird.
Was mir auch in den folgenden Sätzen sofort auffällt ist, dass man beim Lesen genau hingucken muss. Es gibt etliche Seitenhiebe und Andeutungen, versteckt in Nebensätzen. Hierbei wird beim Leser ein gewisser Wissenstand vorausgesetzt, sonst wirkt der Gag nicht und wird überlesen. Stört mich überhaupt nicht, aber hierbei muss man aufpassen, wie weit man den Bogen spannt und sich vor allem seiner Zielgruppe bewusst sein. Ich persönlich mag diese Art der offenen Pointen, bei denen der Leser mitdenken muss. Ist aber nicht jedermans Sache.
Ich habe gerade im ersten Kapitel herrlich schmunzeln müssen, als die Tüten-Nudeln von Netto als Sinnbild für den wirtschaftlichen Erfolg Asiens herangezogen wurden. Prinzipiell finde ich, dass gerade im Bereich der Humoristik Vergleiche immer ein guter Ansatz sind, weil sie alles noch etwas plastischer machen.
Kurz nach dem kleinen Lidl Ausflug und dem Entschluss sich der WG anzuschließen, treffen wir auch auf diese. Allerdings muss ich sagen, dass ich vom ersten Aufeinandertreffen der Charaktere ehrlich gesagt etwas enttäuscht war. Das ist der Kern dieser Story und diese Szene wurde nicht ausgeschöpft. Natürlich werden hier erst einmal einige Vorurteile herangezogen, die hauptsächlich an der Kleidung deutlich gemacht werden, aber ich finde hier wäre mehr drin gewesen.
Nochmal – Das ist der Kernpunkt! Genau hier muss die Spannung angehoben werden und so richtig Lust aufs Weiterlesen machen. Doch leider geht Alex komplett unter und irgendwie kommt für mich nicht die Brisanz dieser Kombination rüber. Es hätte nicht geschadet dieser Szene ein paar mehr Sätze zu widmen. Sie schließt zwar mit den Gedanken des Protas, die durchaus nachvollziehbar sind und auch etwas Skepsis zurücklassen, aber das war zu wenig. Da war mehr drin.
Ich folge der Geschichte und bekomme langsam ein Gefühl von den Charakteren, die hier interagieren. Mal wieder sind es die Halbsätze, die mich zum Schmunzeln bringen, doch dann stolpere ich über ein Kapitel, bei dem ich nur stirnrunzelnd da saß.
Der „Bring-Einen-Freund-Zur-Arbeit-mit" Part, welcher in Stevens Bankfiliale spielt.
Dass Steven als Mitglied des Vorstandes der lokalen Bankfiliale in einer WG wohnt, habe ich bereits ausgeklammert und unter dem Punkt Inkongruenz abgespeichert. Aber dieser Part fällt mir schwer. Ich schließe die Logikklappe in meinem Kopf, und versuche mich auf den Humor einzulassen – Es gelingt mir nicht.
Der Teil ist durch das Marketingmeeting so abstrakt, dass er auf mich nicht lustig, sondern albern wirkt und über alberne Sachen kann ich nicht lachen. Diese Szene ist ein gutes Beispiel für etwas, auf das ich im Punkt Stil später nochmal eingehen werde.
Jetzt erst einmal weiter im Text, denn jetzt kommt eine Szene, die ich geliebt habe. Das Spiel des Lebens mit Alex. Herrlich übertrieben und gut umgesetzt. Alex Ehrgeiz versus die Gleichgültigkeit des Protas. Wie sie da an diesem Tisch sitzen und spielen, war in meinem Kopf einfach nur ultra komisch. Als Alex meinte, dass er sich nicht vom System unterdrücken lässt, als er Steuern zahlen musste, habe ich vor Lachen beinahe mein Wasser über die Tastatur gespuckt. Meiner Meinung nach dein Bestes Kapitel.
Die ganze Handlung über bleiben die Charaktere in ihren festgesteckten Rastern und bewegen sich keinen Millimeter in eine Grauzone. Normalerweise würde ich so etwas beanstanden, aber hier passt es einfach zum Konzept. Denn es geht ums polarisieren, vor allem aber darum, deutlich zu machen, dass hier Welten aufeinander prallen. Das gelingt dir manchmal gut und manchmal nicht so. Gerade Steven geht im Verlauf der Handlung etwas unter, was ich schade finde. Auch dein Prota ist an Gleichgültigkeit nicht zu überbieten. Hier würde ich mir noch eine Charakterentwicklung wünschen, da er meiner Meinung nach irgendwie aus seiner Lethargie ausbrechen sollte. Bisher passt es noch, aber all zu lange würde ich das nicht mehr machen.
Die Handlung besticht nicht durch einen fortlaufenden Plot, der rasant an Spannung zulegt. Er basiert auf dem Miteinander dieser Charaktere. Jedes Kapitel, in welchem die politischen Einstellungen Stoff für eine weitere Auseinandersetzung bieten, ist klasse. Doch leider gibt es auch einige Kapitel, die weit übers Ziel hinaus schießen und für mich irgendwie nicht zum Konzept, bzw. zum ursprünglichen Gedanken der Geschichte passen.
Ein Beispiel ist hier das IT-Problem und das anschließende Telefonat mit dem Support. Es wirkt auf mich wie ein aufgewärmter Witz, den ich schon x mal gelesen habe. Das Gleiche gilt für den Anruf von dem Marktforschungsinstitut. Vermutlich sähe das anders aus, wenn die Marktforschung eine Umfrage zu politischen Themen durchgeführt hätte. Aber so wirken beide Szenen, als würden sie nicht zum Rest passen, und für mich daher leider total aufgesetzt. So als würde man mit Krampf versuchen noch was Lustiges einzubauen.
Punkte: 2,5 Punkte
Konzept:
Ganz ehrlich? Ein Konzept dieser Art habe ich noch nie gelesen. Ich fand es herrlich erfrischend und neu. Die ganze Zeit hat man diesen Sprengstoff vor Augen, der genug Zunder liefert, um jeden Augenblick zu explodieren. Das erzeugt eine Spannung, die ich bei Büchern immer so liebe. Auch, wenn du stellenweise etwas ausreißt, ändert das nichts an der grundsätzlichen Idee und deren Umsetzung.
Punkte: 2
Schreibstil:
Ehrlich gesagt ist es bei diesem Stil schwer, ihn zu bewerten. Wir haben es hier nicht mit einem reinen Fließtext zu tun, welcher uns eine Geschichte erzählt. Es liest sich eher, als würde jemand abends sein Tagebuch schreiben. Was nicht schlecht sein muss, ich hatte allerdings etwas Schwierigkeiten rein zu kommen, doch als ich mich dran gewöhnt hatte, gings dann.
Vom humoristischen Stil her sind mir zu viele Wechsel drin. Entweder man übertreibt das Setting komplett und macht deutlich, dass man hier wirklich gar nichts ernst nehmen kann. Oder man fokussiert sich auf die Vergleiche und einen durch Ironie gesteuerten Humor, der näher mit der Wahrheit verknüpft ist, aber stets einen gewissen Beigeschmack zurücklässt.
Die Vermischung beider Sachen, sehe ich kritisch, weil man Gefahr läuft, dass es albern wird. Ich wusste manchmal nicht, wie ernst ich etwas nehmen soll. Da fehlte mir der rote Faden.
Ein Beispiel hierfür ist das Marketingmeeting in der Bank, das absolut außerhalb der Phase war und nichts mit der Realität zu tun hatte. Inkongruenz, bezogen auf Steven, den man als Mitglied des Vorstandes wohl nicht in einer WG erwartet – Ja, das kann man durchaus als humoristisches Stilmittel gelten lassen. Wird auch häufig genutzt. Doch hier finde ich es konzeptionell nicht gut gesetzt, wenn es mit dem ziemlich lächerlichen Meeting gemixt wird und für mich dadurch das Bild kaputt gemacht hat. Auch kriege ich hier den Bezug zum Kapitalismus nicht hin, der zwar angedeutet, aber nicht zu Ende gedacht wird.
Deine Stärke liegt in Kleinigkeiten. Nicht falsch verstehen, denn so etwas ist tatsächlich schwieriger, als ein großes Ganzes. Es sind so Dinge wie der Name der Bar (Der Weltuntergang), kleine Nebensätze, die plötzlich alles in einem anderen Licht erscheinen lassen und Dialoge, in denen es dir gelingt zu charakterisieren. Mischt du dies jetzt mit zu viel Übertreibung zu einem falschen Thema, verliert das Ganze seinen Glanz und man fängt an auch die kleinen Details nicht mehr zu erfassen, bzw. stempelt sie als Übertreibung ab.
Gerade in der Humoristik ist es meiner Meinung nach wichtig einem roten Faden zu folgen. Sicherlich lebt Komik auch von Überraschungen, aber bezogen auf ein Buch braucht es einen Wiedererkennungswert. Das Stilmittel zu wechseln ist gefährlich, vor allem, wenn es andere Dinge beeinflusst.
Ich würde dir raten, dich mehr auf die explosive Spannung der politischen Einstellungen zu konzentrieren. Da kannst du auch übertreiben, wie du willst. Und das du das kannst, hast du in etlichen Kapiteln bewiesen. Aber du brauchst keine alten Witze aufwärmen, du brauchst auch kein ultra übertriebenes Konzept, was dir selbst die Möglichkeit nimmt, deine Komik rüberzubringen. Konzentriere dich auf eine Sache und lass die anderen nur stückweise einfließen, so hast du einen roten Faden, kannst aber die anderen Sachen trotzdem nutzen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass dies ein Balanceakt ist, der nicht einfach zu bewältigen ist. Aber das hat ja auch niemand behauptet.
Punkte: 1
Unterteilung:
Es ließt sich, wie bereits gesagt, wie ein Tagebuch. Dennoch sind die Szenen eindeutig abgeschlossen und lassen nichts offen. Ich habe hier weder etwas zu beanstanden noch positiv hervorzuheben.
Punkte: 0
Rechtschreibung und Grammatik:
Schreiben kannst du, daran habe ich keinen Zweifel. Auch weißt du, was Rechtschreibung ist. Mir ist nur gerade am Anfang aufgefallen, dass deine Interpunktion, gerade in Dialogen, falsch ist. Da ich diesen Fehler aber später nicht mehr gesehen habe, schließe ich darauf, dass es der fehlenden Überarbeitung zu Schulden ist.
Punkte: -0,5
So fassen wir zusammen:
Titel: 1
Cover: 2
Klappentext: 2
Handlung: 2,5
Konzept: 2
Schreibstil: 1
Unterteilung: 0
Rechtschreibung & Grammatik: -0,5
Gesamt: 10 Punkte
Fazit:
Für mich absolut verdiente 10 Punkte.
Humor ist für mich die Königsdisziplin beim Schreiben. Wer glaubt, dass es einfach ist, Leser zum Lachen zu kriegen, hat es nie versucht.
Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, dieses Buch zu lesen. Ich werde auch die weiteren Updates verfolgen, was ich eher selten mache ;) Insofern: Well done!
Aber ich habe auch noch eine letzte Bemerkung. Fokussiere dich bitte auf deine Stärken, ansonsten läufst du Gefahr, dass dein Werk zu einem Witz verkommt, der sich in etwa wie folgt lies. „Ein Anarchist, ein Kommunist, ein Kapitalist und ein Gag-Autor treffen sich in einer Kneipe..."
Dein Buch kann mehr als das, also zeig das ruhig.
Lieben Gruß
Skraja
Anmerkung von Shar57:
So, dann gebe ich auch mal meinen Senf dazu. Erst einmal Entschuldigung, dass derart lange nichts kam. Skraja und ich haben noch viele andere Projekte, unter anderem auch das sog. „Privatleben" am laufen und können deshalb nicht einmal halb so oft Kritiken schreiben, wie wir es gern würden. Aber wir bemühen uns natürlich!
Zum Buch: Ich habe mal kurz drin rumgelesen... und kann es tatsächlich empfehlen. Ein Buch, dass ich in meiner Freizeit gerne weiterverfolge – und wer mich kennt, weiß: Das will was heißen. Ein schöner Schreibstil, weitestgehend guter Humor und ein originelles Konzept. Also, wenn ihr alt genug seid, um mit den Begriffen „Anarchismus", „Kommunismus" und „Kapitalismus" was anfangen zu können, dann kann ich euch dieses Werk nur empfehlen.
Die nächste Kritik kommt innerhalb der nächsten paar Tage – diesmal wieder aus meiner Feder. Ihr wisst, was das heißt: Sie ist mit Blut geschrieben.
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