Kapitel XXXII

Ich riss die Augen auf und unterdrückte im letzten Moment einen Schrei. Um mich rum, Schwärze. E und F, dieselben Buchstaben, die ich auf dem Zettel im Anzug gefunden hatte. Vermutlich gehörte er zu Argon, war vielleicht sogar einer der Wachen, aber es kümmerte mich nicht mehr. Dieser E.F. hatte bereits mein Leben ruiniert, nicht auch meine Träume. Das Schlimmste war, dass sie sich in letzter Zeit so real anfühlte. Ich hörte immer noch die vergnügten Kommentare des rätselhaften Mädchens, spürte den Biss der Schlange und die Erschöpfung der Kletterei. Vor der Festnahme hatte ich weniger geträumt, aber vielleicht regte Angst die Fantasie an. Annabelle wüsste solche Fakten sicher, doch die schlief

Als Killith unser chaotisches Team weckte, mit einem schwach brennenden Fackelstummel in der anderen Hand, hatte ich kein Auge zugemacht.

Kennox hievte sich gähnend hoch und das Löwenmädchen stand so unsicher auf wie ein Neugeborenes, das noch nicht gelernt hatte, wie man lief. Ihrem verkniffenen Gesichtsausdruck zur Folge setzten ihr die sogenannten Kratzer mehr zu, als sie zugab.

Ich tippte Annabelle an und sie murrte wehleidig, aber hielt die Augen geschlossen. „Soren?"

Ich legte ihr einen Finger auf die Lippen. Wir müssen leise sein. Dann fiel mir ein, dass Belle die Gebärden nicht sah.

Miriam bemerkte meinen hilfesuchenden Blick. „Er sagt, du sollst leise sein."

Annabelle riss die Augen auf. „Was tust du hier?"

Killith presste ihr die Hand auf den Mund und fuchtelte wild mit der anderen. Stille. Ausbruch. Plan. Frei.

Bevor Belle etwas Unüberlegtes tat, griff ich ein. Sie wurden auch festgenommen, so wie wir. Nur aus verschiedenen Gründen. Die Details erzählen wir dir später. Miriams wahre Geschichte würde für eine kurze Erklärung den Rahmen sprengen.

Spar dir das später und rede jetzt. Sie zeigte anklagend auf Killith. Ihr beiden wart für eine Woche verschwunden. Was denkt ihr euch dabei? Paps stellte wegen eures Verschwindens alle Pläne um, damit wir bei der Premiere nicht mit zwei Artisten weniger da stehen, während ihr schmutzige Geschäfte macht?

Die Angesprochene zuckte mit den Schultern. Eine meiner Schlangen wurde bei einem kleinen Diebstahl erwischt. Gab keine Zeit zum Bescheidsagen.

Bei mir auch so ähnlich. Miriam nickte hastig, als wäre es ganz normal, für einen Taschendiebstahl in Käfigen zu landen. Konzentriere dich lieber auf den Ausbruch und in Freiheit erzähle ich dir gerne meine gesamte Lebensgeschichte.

Annabelle erwiderte das Grinsen nicht. Ihr wollt ... was?

Ich hob beschwichtigend die Hände. Ist es überhaupt ein Ausbruch, wenn wir unschuldig sind?

Ja. Ja das ist es! Was ist mit eurem Stolz? Wir sind ehrenhafte Leute und keine Ausreißer!

Killith schwieg, Miriam sah weg und Kennox hatte nicht zugehört, sondern war wieder eingeschlafen.

Ihr brecht das Gesetz ohne einen Funken Reue. Und du unterstützt das?

Ihr Blick brachte meinen Körper auf unangenehme Weise zum Kribbeln. Wir können nicht hierbleiben. Sieh dir an, wie sie deinen Rücken geschändet haben.

Daran sind die Wachen individuell schuld und nicht ganz Argon. Es gibt immer Leute, die aus der Reihe tanzen und ihre eigenen Befehle gesetzwidrig durchsetzen.

Ich seufzte laut. Und wenn es der Befehl von oben war, dich so zuzurichten?

Unmöglich.

Eben nicht – es ist sehr wohl möglich.

Deine Meinung ist in­dis­ku­ta­bel. Ich werde jetzt den nächsten General aufsuchen und ihn über unser Missverständnis aufklären.

Zu meiner Überraschung stoppte sie keiner, als Annabelle sich an den Ellbogen aufstützte, schwankte und fiel. Das Löwenmädchen hatte es immerhin bis zum Aufstehen geschafft und lehnte jetzt dösend in der Ecke.

Schone deine Kräfte. Ich drückte sie sanft zurück in den Ofen.

„Nein." Ihr Ausruf fing ihr einen warnenden Blick von Killith ein. Wie ein Käfer auf dem Rücken versuchte Annabelle sich aufzurichten, doch schwankte schlimmer als ein Betrunkener. Ihre Wangen glänzten vor Schweiß und Miriam erbarmte sich, sie vorsichtig aber bestimmt vom Ausgang wegzudrücken.

Vertrau mir, nach dem Ausbruch wird alles wieder gut, sagte ich.

Wir machen uns aktiv strafbar – nichts davon ist gut.

Es ist notwendig. Überlege einmal, draußen können wir von außen die restlichen Zirkusakrobaten rausholen.

Mein Vater ist nicht frei?

Killith unterbrach mich. Doch, natürlich. War das ein Versprechen oder eine Lüge? Immerhin besänftigte es Annabelles Gemüt.

Miriam zog mich am Ärmel zu ihr. Gib der Zeit, um sich zu beruhigen.

Ich zögerte, aber stimmte dann zu. Wie sieht euer Ausbruchplan aus? Ihr habt doch einen?

Killith nickte.

Etwas genauer?

Miriam zeigte hoch. Du wirst das Ofenrohr hochklettern und ein Seil runterlassen, sodass wir nachkommen.

Mein Blick glitt den Ofen herauf. Aus der Schwärze hob sich ein blassroter Lichtpunkt vom Himmel ab in zwanzig Meter Höhe. Was, wenn ich versage?

Dann kannst du dich von Annabelle verabschieden, sagte Killith.

Miriam verpasste ihr einen mahnenden Stoß. Hör nicht auf sie. Du kriegst das hin.

Ernsthaft? Mein Leben hängt von dem Irren ab? Kennox schien erwacht zu sein und ließ es sich nicht nehmen, seine ungefragte Meinung einzubringen.

Ich kniff die Augen zusammen. Wie soll das alles gehen? Wir haben nicht mal ein Seil.

Doch. Oben ist ein Fahnenmast. Du musst es bloß abschneiden, sagte Killith.

Und das fällt nicht auf?

Nicht, wenn du dein Werk vorm Morgengrauen beendest.

Warum habt ihr mir das nicht schon gestern tun lassen?

Die Mittel, die ich den beiden gegeben hatte, brauchten Zeit, um einzuwirken. Wir können sie nicht zurücklassen. Ihr Blick ruhte auf dem Löwenmädchen, während sie die Worte in die Luft zeichnete. Bei Belle hätte sie sich diese Mühe nicht geben.

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