6. Treue


T R E U E

Regulus Black

*****

Dichter Nebel umgab den Garten und das dunkle, große Herrenhaus der Notts, das herrschaftlich und bedrohlich vor Regulus aufragte. Es war eine klare Nacht, klirrend kalt und eine eisige Brise ließ Regulus kurz erschaudern. Zitternd vor Aufregung und Kälte schritt er den Kiesweg entlang, den links und rechts perfekt gestutzte Ginsterbüsche säumten. Er wusste genau, worauf er sich einließ, wusste, was er zutun haben würde und zu was er in der Lage war. Nun würde es endlich so weit sein. Er hatte sich Jahre lang vorbereitet, war zu Dingen fähig, an die seine Klassenkameraden nicht einmal zu denken wagten, nur um den Ansprüchen des Dunklen Lords gerecht zu sein. Als er endlich an der geschwungenen Eisentür ankam, hob er die Hand und strich leicht über den Türklopfer, wie seine Freunde es ihm beschrieben haben. Zunächst passierte nichts, dann bildete sich langsam und knirschend das Gesicht einer Sphinx aus den kunstvoll umeinander geschlungenen Eisenstangen.

„Was seid Ihr gewillt zu tun, Fremder?", fragte sie mit metallisch klirrender Stimme und blickte ihn kalt an. Regulus wusste, dass sie es merken würde, wenn er log.

„Ich bin hier, um den Dunklen Lord meine ewige Treue zu schwören", antwortete er mit erstaunlich fester Stimme. Sie fixierte ihn einen Augenblick mit ihrem starren Blick.

„Der Eintritt sei dir gewährt", erwiderte sie dann und da, wo eben noch die Sphinx zu sehen war, bildete sich nun eine Türklinke. Er drückte sie herunter und die Tür öffnete sich mit einem lauten und durchdringenden Quietschen.

Regulus betrat einen langen, dunklen Flur, der kein Ende zu nehmen schien. Die einzige Beleuchtung waren ein paar schwach leuchtende Kerzen, die an der Wand schwebten. Dort hingen auch Gemälde, die Menschen zeigten, die gefoltert oder von Dementoren geküsst wurden oder bei denen sich die Innereien nach außen kehrten. Schaudernd wandte Regulus den Blick von diesen schaurigen Bildern ab und schritt den Flur entlang. Der Teppichboden schluckte so gut wie jeden Klang, und so herrschte eine unheimliche Stille. Die bedrückende und einschüchternde Stimmung veranlasste Regulus dazu langsam zu gehen aus Angst, er könnte die Stille unterbrechen. Er fühlte sich klein und machtlos zwischen den hohen Mauern und den Menschen auf den grauenvollen Gemälden, die jeden seiner Schritte mit den weit aufgerissenen Augen zu verfolgen schienen.

Endlich am Ende des Ganges angekommen, stand er vor einer großen, dunklen Eichentür. 

Noch einmal schluckte er den Kloß in seinem Hals herunter, der sich gebildet hatte und wischte alle Unsicherheiten und Zweifel beiseite, dann drückte er die Klinke herunter.

Er betrat eine große Halle, die bis auf eine lange Tafel in der Mitte weitestgehend leer war. An der Tafel saßen viele Männer und ein paar wenige Frauen, die alle lange, schwarze Umhänge trugen. Am Ende des Tisches saß ein hochgewachsener, schlanker Mann. Wegen des Feuers in dessen Rücken, konnte Regulus zunächst nur seine Silhouette erkennen, doch als seine Augen sich an das Licht gewöhnten, wurden die Umrisse des Mannes klarer und seine schlangenartigen Gesichtszüge waren nun deutlich zu sehen. Sein Herz klopfte wie wild und tönte so laut in seinen Ohren, dass er meinte, es würde bald heraus springen.

„Regulus", sprach der Mann mit sanfter und gleichzeitig drohender Stimme, „wie schön, dich wieder zu sehen."

„Ich freue mich auch, Herr ", murmelte Regulus und verbeugte sich verkrampft, als der Dunkle Lord sich erhob.

„Wir sind heute hier zusammen gekommen, um ein neues Mitglied zu begrüßen", sagte der Mann leise. Jeder im Raum verstand ihn, denn niemand wagte auch nur einen Mucks zu machen.

„Regulus Black hat sich für unsere Seite entschieden. In solchen Zeiten, in denen jeder zusätzliche Anhänger wichtig ist, freut mich das natürlich besonders." Regulus wusste nicht, ob das ein Lob oder eine einfache Aussage sein sollte, trotzdem errötete er vor Freude und Scham, als nun alle Blicke der Todesser auf ihm lagen. Nun fassten einige sich ein Herz und begannen zögerlich zu klatschen, was bald in tosenden Applaus ausartete. Er hörte Jubelrufe und das gackernde Lachen seiner Cousine Bellatrix.

„Das hätte ich mir auch denken können! Warum hast du nichts erzählt?", rief ein junger Mann in Regulus' Alter, den er als Mulciber, einen Schulfreund, identifizierte.

„Genug", sagte Voldemort irgendwann leise, „genug." Sofort hörten die Todesser auf zu klatschen und die bedrückende Stille trat wieder ein.

Seine roten Augen sahen jetzt direkt zu Regulus, der immer noch unschlüssig im Türrahmen stand.

„Regulus, möchtest du nicht vorkommen?" Es war keine Frage, es war ein Befehl. Während Regulus an den Todessern entlang lief, herrschte absolute Stille. Das einzige Geräusch kam von seinen Schritten auf dem dunklen Dielenboden. Es kam ihm unnatürlich laut vor und er versuchte leiser aufzutreten, was jedoch nicht das Geringste nützte. Er versuchte, leise und ruhig zu atmen, doch trotzdem kam es ihm vor, als würde sein Atem und das Klopfen seines Herzen im ganzen Saal zu hören sein.

Als er vorne ankam, erhob sich der Dunkle Lord aus seinem Lehnstuhl und schritt gemächlich auf ihn zu. Regulus spürte die Macht und die Gefahr, die Lord Voldemort ausstrahlte.

„Knie nieder", befahl er und Regulus gehorchte sofort.

Ein paar Sekunden geschah nichts. Voldemort blickte ihm eindringlich in die Augen und plötzlich schienen seine schlitzartigen Pupillen immer größer zu werden, bis Regulus schließlich eine allumfassende Schwärze umgab.

Er rennt lachend mit seinem großen Bruder über die Wiese zum Abhang, an dem sie so oft spielen.

„Los, Reg, sei kein Angsthase", ruft Sirius und angespornt von dieser Aussage, läuft der sechsjährige Junge noch schneller. Juchzend legte er sich auf das nasse Gras.

„Juhuu", schreit er, als er seitlich den Abhang herunter rollt.

Szenenwechsel

„Du wirst nie wieder mit dieser minderwertigen Schlammblut-Göre sprechen, ist das klar?" Der kleine Junge nickt eingeschüchtert und spürt wie die Tränen in seine Augen steigen.

„Aber sie ist doch meine Freundin. Sie kann doch nichts dafür, dass-"

„Widersprich mir nicht!", brüllt sein Vater und zieht drohend den Zauberstab. Drohend wie ein großer Schatten hat er sich vor ihm aufgebaut und überragt ihn.

„Aber-"

„Ich dulde keine Widerworte!" Und zum ersten Mal in seinem Leben spürt der achtjährige Regulus den Crutiatius-Fluch.

Szenenwechsel

„Black, Regulus Arcturus." Mit zitternden Knien steigt Regulus die Treppe zum dreibeinigen Stuhl hoch und die Professorin, deren Name er in der Aufregung schon wieder vergessen hatte, setzt ihm den zerfledderten Hut auf den Kopf. Sofort rutscht er ihm über die Augen und das letzte, was er sieht, ist das Gesicht seines Bruders, das erwartungsvoll zu ihm hoch blickt. Regulus weiß, dass Sirius hofft, dass sein kleiner Bruder in seine Fußstapfen treten wird.

„So, so, ein weiterer Black-Junge", hört Regulus eine piepsige Stimme in seinem Kopf und erschrickt.

„Du bist nicht so eigenwillig wie dein Bruder. Dennoch könntest du es in Gryffindor weitbringen. Oh, aber ich sehe schon, du willst deine Eltern stolz machen. Du willst nicht als Blutsverräter gelten, anders als dein Bruder. Nun, gut. Wie du wünscht. SLYTHERIN!", ruft er in die Halle hinaus und Regulus läuft schnell zum laut applaudierenden Haustisch der Schlangen ohne sich noch einmal zu seinem Bruder umzudrehen.

Szenenwechsel

„Dein feiner Bruder hat beschlossen, nicht mehr zur Familie zu gehören. Er hält sich wohl für etwas Besseres", teilt seine Mutter ihm spitz mit. Geschockt weiten sich seine Augen. Während er dabei zu sieht wie seine Mutter mit vor Wut verzerrtem Gesicht langsam und genüsslich Sirius Gesicht aus dem Familienstammbaum brennt, breitet sich eine kalte Wut in ihm aus. Sirius hat ihn im Stich gelassen. Ihn alleine zurück gelassen. Versteht man das unter einem guten großen Bruder? Nein, definitiv nicht. Hatte er nicht versprochen, ihn nie alleine zu lassen? Da sieht man ja mal wie zuverlässig er ist. Wütend rauscht Regulus aus dem Zimmer in Sirius altes Zimmer. Er sieht die rot-golden gestreifte Wand und die Muggle-Plakate an der Wand: Sirius' Rebellion, zu der er selbst nie mutig genug war. Wütend schreit er einmal auf und versucht, die Bilder der Bikini-Mädchen von der Wand zu reißen, doch vergeblich. Egal wie stark er zieht, sie bewegen sich keinen Millimeter. Verzweifelt und außer Atem lässt Regulus sich auf den Boden fallen und spürt, wie ein Schluchzer in ihm hoch steigt. Obwohl er es nie gezeigt hat, war sein Bruder ihm immer wichtig gewesen. Sehr wichtig sogar.

„Herr Regulus?"

„Gleich, Kreacher", murmelt er erschöpft.

Szenenwechsel

„Das ist das einzig Richtige, was man in diesen Zeiten machen kann." Der ein Jahr ältere Mulciber sieht die anderen auffordernd an, die alle deutlich weniger Begeisterung zeigen. Nur die beiden Carrow-Geschwister hängen gebannt an seinen Lippen. Severus Snape, der stille Außenseiter der Gruppe, sitzt etwas abseits auf dem Sofa und kritzelt in irgendein Buch. Die kleine Gruppe Slytherins sitzt im Gemeinschaftsraum an ihrem Stammplatz vor dem Kamin.

„Das ist mein letztes Jahr hier und ich werde es nutzen", verkündet Mulciber und macht eine dramatische Pause.

„In den Winterferien habe ich den nächsten Schritt gewagt." Jetzt sieht sogar Snape von seinem Notizbuch auf und blickt Mulciber gespannt an. Dieser grinst in die Runde, zufrieden, dass er jetzt alle Aufmerksamkeit hat, dann zieht er langsam den Ärmel seines rechten Armes hoch. Ehrfürchtig stockt Regulus der Atem. Dunkel und bedrohlich prangt das Dunkle Mal auf dem Unterarm seines Freundes. In diesem Moment wusste Regulus, dass er auch so mutig und stark sein wollte. Einmal mutiger als sein Bruder sein. Er wollte endlich dem Dunklen Lord dienen.

So schnell wie er gekommen war, entzog sich Voldemort auch wieder Regulus' Geist. Keuchend hockte er vor seinem zukünftigen Herrn und musste all seine Willenskraft aufbringen, um nicht weiter zu Boden zu sinken.

„Regulus Black", sagte Voldemort leise,„du hast dich entschieden, mir zu dienen, zu folgen und auf ewig deine Treue zu schwören. Strecke deinen Arm aus." Sofort tat Regulus, was ihm befohlen wurde und er sah, dass seine Hand vor Aufregung zitterte. Sanft umschloss Voldemort sein Handgelenk mit seinen Fingern und und drehte ihn ruckartig um, sodass Regulus' Handinnenfläche nach oben schaute. Er spürte sofort die Kälte, die von Voldemorts langen Fingern ausging. Der dunkle Lord hob seinen Zauberstab und plötzlich zog sich ein brennender Schmerz von seinem Handgelenk bis zu seinem Ellenbogen. Regulus keuchte auf und konnte sich nur mit Mühe aufrecht halten. Er zwang sich, seine Augen offen zu halten und sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Er musste stark sein. Er durfte vor dem Dunklen Lord keine Schwäche zeigen. Allmählich bildeten sich Linien auf seinem Unterarm. Schwarze Striche schlängelten sich langsam umeinander, bis er eine Form erkennen konnte. Das Dunkle Mal. So wie er es bei vielen seiner Freunde schon gesehen hatte. Und trotz des Schmerzes verspürte er Stolz. Stolz, endlich dazu zu gehören, endlich dienen zu dürfen. Als der Schmerz verklungen war, wagte Regulus es wieder aufzusehen und blickte in das schlangenartige Gesicht Lord Voldemorts.

„Erhebe dich", sagte er und hastig tat Regulus seinen Worten Folge.

„Von nun an, Regulus Black, wirst du mir treu ergeben sein, bis in deinen Tod." Regulus Atem ging schnell und er zitterte heftiger, als er das dunkle Mal auf seinem Arm betrachtete.

„Ja, Herr", flüsterte er rau. Seine Kehle war trocken und fühlte sich sandig an.

„Suche dir nun einen Platz bei meinen Gefolgsleuten. Ich bin sicher, sie werden dich mit Freuden in ihre Reihen aufnehmen." Die Todesser hatten die Zeremonie gebannt verfolgt und jetzt waren anerkennende Gesten und beifällige Gesichtsausdrücke zu sehen. Er hatte da vorne wohl eine gute Figur gemacht. Hektisch stolperte Regulus an den letzten freien Stuhl am Tisch neben Mulciber. Dieser klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und grinste kurz aufmunternd. Voldemort hatte sich wieder auf seinen Platz gesetzt und die Todesser sahen ihn nun abwartend an, was er als nächstes verkünden würde.

„Dumbledore befürchtet einen Krieg."

„Den kann er haben", gackert ein alter, heruntergekommener Mann und ein paar andere lachten leise. Voldemort verzog seine Lippen zu etwas, was wohl ein Lächeln sein sollte, doch es sah mehr wie eine Grimasse aus.

„Er hat eine Widerstandsbewegung gegründet, wie mir aus sicherer Quelle berichtet wurde." Kurz huschte sein Blick zu Severus Snape, der, bleich und stumm wie immer, am Rand der Versammlung saß und den Blick auf den Boden gerichtet hatte.

„Der Orden des Phönix", sprach Voldemort weiter, „bestehend aus einem Haufen dahergelaufenen Möchtegern-Rebellen, die sich einbilden, sie hätten eine Chance gegen uns. Weitestgehend ungefährlich, jedoch nicht zu unterschätzen." Die Minen der Todesser wurden wieder ernst und ein paar Sekunden herrschte drückende Stille. Voldemort ließ seinen Blick über jeden einzelnen seines engsten Kreises wandern und Regulus spürte seinen Blick ungewöhnlich lange auf ihm ruhen.

„Ich erwarte von jedem von euch, dass jeder, der auch nur im entferntesten etwas mit dem Orden zu tun hat, auf der Stelle getötet oder gefangen genommen wird. Egal, ob er reines oder schmutziges Blut hat." Kurz herrschte wieder Stille und Regulus schluckte schwer. Würde er in der Lage sein, Menschen zu foltern oder zu töten? Menschen, die womöglich mit ihm zur Schule gegangen waren oder immer noch gingen. Menschen, wie sein Bruder, der sich mit ziemlicher Sicherheit der Bewegung angeschlossen hatte. Er wusste es noch nicht.

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Diese Szene war eigentlich als erstes Kapitel einer anderen Story gedacht, die ich dann allerdings verworfen habe. Wie hat es euch gefallen? Schreibts in die Kommentare! :)

Marie <3

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