Landung mit Komplikationen

Kapitel 11

Ruckartig bremste ich ab, indem ich meinen Körper nach hinten lehnte und somit in der Senkrechten schwebte. Etwas schlug auf meinen Kopf auf und rutschte etwas nach unten, weshalb ich erschrocken an meine Haare fasste. Das, was ich nun fühlte war wohlig warm. Hoffnungsvoll umgriff ich es mit meinen beiden Händen und hob es vorsichtig von meinem Kopf hinunter. Erleichtert atmete ich aus.
Meine Gesichtszüge wurden Sekunden später streng, als ich wütend und gleichzeitig besorgt sagte: „Was fällt dir ein einfach von meiner Hand zu springen? Dir hätte sonst was passieren können!" Winselnd bedeckte Kandor seine Augen mit den Pfoten. Ich seufzte tief auf. Das war gerade nochmal gut gegangen!

Langsam flog ich wieder los und suchte mit Kandor die Umgebung ab. Der Wind wurde immer kälter, weshalb ich Kandor zitternd an meinen Körper drückte. Leise winselte er dadurch auf.
„Oh sorry", murmelte ich und lockerte meinen Griff um ihn. Neugierig streckte er seinen Kopf über meine Hand und schaute sich um. Seine Ohren spitzten sich. Plötzlich fing er an laut zu bellen, weshalb ich verwirrt in die Richtung sah, in die er schaute. Erschrocken schrie ich auf, als er nun aus meiner Hand sprang. Reflexartig griff ich nach ihm, erwischte aber nur seine kleine Schwanzspitze, die mir wegen dem seidigen Fell aus der Hand rutschte. Schnell flog ich, dem abstürzenden Welpen, hinterher. Gegen meine Erwartungen schwebte Kandor sachte im Wind und schaute hinunter, als ich bei ihm ankam. Verwundert folgte ich seinem Blick. In die Herbstbäume mischte sich strahlend weißer Schnee. Verwirrt starrte ich auf die fast kahlen Bäume nach rechts und die mit braunen Blättern besetzten Laubbäume nach links. Was zum Teufel war denn das? Als ob Herbst und Winter getrennt wurden.

Durch Kandors Bellen schaute ich wieder zu ihm. Er flog nach links und sah immer wieder zu mir zurück. Die Augenbrauen zusammen gezogen, folgte ich ihm.
„Was ist denn?", fragte ich ihn über den Wind hinweg.
Auf einmal steigerte er sein Tempo und drehte ein paar Loopings hintereinander. Es schien ihm eindeutig Spaß zu machen, so oft wie er herum bellte. Staunend beobachtete ich ihn dabei, bis mich die Neugier selber packte. Vorsichtig schlug ich stärker mit meinen Flügeln und gewann somit an Geschwindigkeit. Nun breitete ich meine Arme aus und verlagerte mein Körpergewicht auf die rechte Seite, sodass ich geschmeidig in diese Richtung glitt. Meine Flügel hingen nun senkrecht und gespreizt herunter. Dies versuchte ich wiederum auf der linken Seite. Zufrieden stellte ich fest, dass das prima klappte. Anschließend glitt ich wieder in die Ausgangsposition und konzentrierte mich auf das weitere Vorgehen. Ich wurde noch schneller, legte meine Flügel ein wenig an und ließ mich nach unten fallen. Gleich darauf breitete ich meine Flügel wieder auseinander, sodass ich nach oben schnellte und einen Kreis flog. Adrenalin schoss durch meine Adern. Das Kribbeln in meinem Bauch explodierte, als ich kopfüber wieder nach unten in die Ausgangsposition flog.
„UHUUUU", brüllte ich, während der Wind laut in meinen Ohren pfiff. Ich hatte gerade wirklich ein Looping geschafft!

Nun versuchte ich eine Schraube. Ich erhöhte wieder mein Tempo, nahm Schwung, kippte auf die linke Seite und drehte mich immer wieder um mich selber. Lachend bremste ich ab, indem ich ruckartig meine Flügel ausbreitete, und sah mich nach Kandor um. Seelenruhig flog er knapp hinter mir.
Geduldig blieb ich in der Luft stehen und wartete auf ihn. Als er bei mir war, flog ich wieder los und gab ihm das Zeichen, dass wir mehr nach unten fliegen sollten. Er nickte knapp und legte seine Flügel ganz an seinen Körper an, um dann im Sturzflug nach unten zu fliegen. Ich machte es ihm gleich. Schemenhaft konnte ich nach ein paar Metern schon das große Gebäude der Schule erkennen. Erleichterung durchflutete mich. Endlich gefunden!
Anscheinend hatten sie gerade Pause, da viele Schüler auf dem Hof standen. Ich bremste langsam ab. Wo könnte ich nur landen? Da sah ich Sam mit seinen Geschwistern neben einer Bank stehen. Unsicher schaute ich mich um. Sollte ich zu ihnen fliegen?
Plötzlich stieß etwas gegen meinen Rücken. Überrascht sah ich hinter mich. Kandor flog hinter mir und stupste mich immer wieder mit seinem Kopf an.
„Was machst du da?", fragte ich lächelnd und flog ein wenig nach vorne. Der schwarze Welpe folgte mir. Ratlos sah ich zu, wie er nun unruhig um mich herum düste und mich immer wieder an meinen Rücken anstupste.
„Was ist denn?", zog ich meine Augenbrauen vor Verwirrung zusammen. Laut bellte er mich an. Verärgert fing ich ihn bei seiner nächsten Runde ab und hielt ihn fest an meine Brust gedrückt.
„Du bleibst jetzt bei mir", bestimmte ich streng, während er in meinen Armen zappelte. Langsam schwebte ich nun nach unten und schaute mich nach einem geeigneten Landeplatz um. Ruckartig bremste ich ab, als ein gleißender Schmerz von meinen Schläfen aus durch meinen gesamten Rücken zuckte. Zischend zog ich die Luft ein und presste meine Augen zusammen. Jeder Flügelschlag, den ich von da an tat, schmerzte fürchterlich, weshalb ich für Sekunden nicht mit ihnen schlug. Abrupt stürzte ich dadurch ab. Aufgebracht und in Panik bellte Kandor in meinen Armen und befreite sich mit wildem Zappeln aus meinem Griff. Hastig schlug ich unter Schmerzen wieder mit meinen Flügeln und jagte Kandor hinterher, der immer mehr ins Schwanken kam und Gefahr lief ab zu stürzen. Fast am Boden angekommen, flog er eine steile links Kurve, weshalb ich ihn nicht bekam. Dadurch fiel mein Fokus auf das unter mir liegende. Erschrocken stellte ich fest, dass nur noch drei Meter fehlten, bevor ich auf den Boden knallte. Unter schwerem Schnaufen und Schmerzen bremste ich so gut es ging ab, indem ich mit meinen Flügelspitzen nach vorne schlug und meinen Oberkörper nach hinten legte, doch es half alles nichts.

„Layla, brems ab verdammt", hörte ich Sam in Panik schreien, doch zu spät. Ich prallte volle Kanne in jemanden hinein und schliff mit ihm einige Meter über den Schutt. Laut schrie ich vor Schmerzen auf und presste meine Augen vor Angst zusammen, als mir Federn aus den Flügeln gerupft wurden, da sie an den Seiten über den Schutt schliffen. Langsam kamen wir zum Liegen.
Ächzend stützte ich mich auf meinen Unteramen ab und schaute unter mich.
„Sam?", rief ich erschrocken aus, als ich sein verdrecktes Gesicht erkannte.
„Oh Gott! Tut mir leid. Gehts dir gut?". Hastig krabbelte ich von ihm hinunter und sah ihn besorgt an. Er nickte.
„Warum hast du denn nicht abgebremst?", fragte er wütend und stand ruckartig auf. Kleine Steine, Staub und ein paar Blätter fielen von seinem T-Shirt hinunter.
„Ich konnte nicht. Meine Flügel-„, versuchte ich schnell zu erklären.
„Ach, weißt du was? Vergiss es! Ich will davon gar nichts hören", fauchte er mich harsch an und ging zu seinen Geschwistern zurück.
„Aber-„, wollte ich mich verteidigen, ließ es dann aber sein. Es würde sowieso nichts nützen! Betrübt schaute ich zu, wie er bei Moon, Kay und Alex stehen blieb und sich hektisch den Dreck vom T-Shirt klopfte. Verwundert starrte ich auf seine Arme. Keine einzige Wunde! Wie ging denn das? Sekunden später begegnete ich Moons Blick. Mitleidig lächelte sie mich kurz an und wandte sich dann wieder ihren Brüdern zu. Frustriert atmete ich aus. Meine Augen auf den Boden gerichtet, stand ich schwankend auf und überprüfte meine Flügel nach Verletzungen. Entsetzt starrte ich nun auf meine offenen Flügelbögen, die wie verrückt brannten. Wo zum Teufel kamen überhaupt diese Schmerzen her? Sie waren fast genauso schlimm, wie die von meinem ersten Tag hier in Sora, als ich meine Flügel bekommen habe.
„Kandor", fiel es mir auf einmal ein. Alarmierend schaute ich mich um. Die Augen mancher Schüler waren auf mich gerichtete, doch dieses Mal ignorierte ich sie, da ich den kleinen Welpen finden musste. Erleichtert atmete ich auf, als ich Kandor neben einem braunhaarigen Mädchen sitzen sah. Flink klopfte ich mir den Dreck von meinen Kleidern und marschierte auf sie zu. Dort angekommen, erkannte ich, dass das unbekannte Mädchen Ally war. Erfreut über ihre Anwesenheit lächelte ich sie leicht an. Schüchtern lächelte sie zurück und schaute auf den Boden. Langsam verschwand ihr Lächeln und machte einem verzweifelten und zum größten Teil bedrückten Gesichtsausdruck Platz. Fragend zog ich meine Augenbrauen leicht zusammen. Was hatte sie?
„Tut mir leid, dass du dich wegen mir mit Hunter gestritten hast", rückte sie mit der Sprache heraus.
Genervt stöhnte ich auf und verdrehte die Augen. Sie hatte so wenig Selbstbewusstsein!

„Ally! Das hat doch gar nichts mit dir zu tun! Ich hab mich auf seine Provokation eingelassen", schüttelte ich den Kopf. „Und... hab ja nur ein paar Bäume gefällt...", murmelte ich anschließend leise. Zögerlich nickte sie. „Denkst du- also denkst du, dass man mich jetzt als Monster bezeichnen wird, weil ich den Jungen angegriffen hab?", fragte ich mit großer Furcht vor ihrer Antwort.
Fürsorglich lächelte sie mich breit an, sodass Grübchen auf ihren Wangen entstanden, und sagte ruhig: „Du hast dich nur gewehrt. Das war eine ganz typische Reaktion deines Körpers. Dafür hat jeder Verständnis. Vor allem da du ja erst deine Kräfte bändigen musst."
„Meinst du?", fragte ich sorgenvoll. Sie nickte.
„Maanaa", jaulte Kandor und gewann somit unsere Aufmerksamkeit. Sanft lächelnd, hob ihn auf meinen Arm und streichelte seinen Kopf. Etwas Gutes an dem Tag hatte es schon. Ich hatte einen neuen Freund bekommen.
„Darf ich dir vorstellen? Das ist Kandor. Kandor, das ist Ally", stellte ich beide gegenseitig vor.
„Ach er heißt Kandor? Na du bist mir ja einer", sprach sie ihn an. „Fällst mir einfach so auf den Kopf, hm?!". Ally streichelte mit einem sanften Lächeln im Gesicht über den Kopf des kleinen Welpen, weshalb er freudig mit dem Schwanz wackelte. „Ist das dein Koria?", fragte sie interessiert und schaute zu mir.
„Nein... Denkst du, dass ich ihn in die Schule mitnehmen darf?"
„Ja. Welpen oder generell kleine Korias dürfen mitgenommen werden. Sobald er dann zu groß wird, musst du ihn woanders unterbringen", zuckte sie mit den Schultern.
„Aber er ist nicht mein Koria", meinte ich verdutz.
„Muss ja keiner Wissen", grinste sie schelmisch und zwinkerte mir zu.
Verwundert zog ich meinen Kopf ein wenig zurück. Ally machte auf mich einen eher schüchternen und braven Eindruck. Das so etwas aus ihrem Mund kommen würde, überraschte mich.
Grinsend neckte ich sie „Kommt da etwa die böse Seite aus dir raus?" Ein Grinsen entstand auf ihrem Gesicht.

„Layla?"
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich hinter mich. Ein flaues Gefühl machte sich in meinem Magen breit, als ich Moon dort, mit einem leichten Lächeln im Gesicht, stehen sah.
„Geht es dir gut?", fragte sie vorsichtig. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Sie wollte mich also nicht fertig machen, wegen dem Vorfall von Sam und dem Jungen.
„Es geht. Meine Flügel sind aufgeschürft", glitten meine Augen zu den Wunden Stellen. Moon brummte verständnisvoll und fasste vorsichtig nach ihnen. Scharf zog ich die Luft ein, als ihre kühlen Finger meine heiße Haut berührten. Wie auch im Thronsaal ging sie nun mit einer silber leuchtenden Substanz über meine Flügelbögen. Es war mir ein Rätsel, wo sie es her nahm. So schnell konnte ich gar nicht gucken, wie Moon mit meinen beiden Flügeln fertig war und die Substanz in der Luft verschwand.
„Danke", lächelte ich sie an und klappte meine leicht gespreizten Flügel wieder zusammen.
„Bitte... Wegen Sam", sprach sie das Thema vorsichtig an. Ich horchte auf. „Nimm es ihm nicht so übel! Er- ach ich weiß auch nicht. Irgendwie ist er genervt", atmete sie frustriert aus. Ich zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Als ich mit ihm in das Gebäude ging, war er doch noch gut gelaunt?! Lag es vielleicht an mir?
Eine leise Stimme ließ mich nach rechts sehen. „Das kann daran liegen, dass Frau Elria und Hunter vor der Pause mit ihm Streit hatten."
„Schon möglich", nickte Moon auf Allys Aussage hin.
„Über was denn?", fragte ich neugierig. Ratlos zuckte Ally mit den Schultern.
„Du bist doch die Tochter von Jaromir", rief Moon plötzlich aus. Das braunhaarige Mädchen neben mir nickte und schielte verunsichert zu mir hinüber. „Freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin-."
„Moon. Ja ich weiß", vervollständigte Ally ihren Satz und nahm Moons ausgestreckte Hand zögerlich entgegen. Schmunzelnd lächelte die blauäugige und ließ Allys Hand los.
„Geht- geht es Sam gut?", stammelte ich.
Moon nickte. „Er hat rechtzeitig ein Windschutz angewendet."
Erleichtert nickte ich, auch wenn ich mit dem Begriff 'Windschutz' nichts anfangen konnte. Einen Moment herrschte schweigen in unserer kleinen Runde. Jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher.
Ein hohes Klatschen ließ mich zusammen zucken.
„Dann lass uns mal Ally den anderen vorstellen gehen", grinste Moon, die in die Hände geklatscht hatte. Begeistert von der Idee, grinste ich, bis mir einfiel, dass Sam auch dort stehen würde. Meine Mundwinkel sanken langsam wieder nach unten.
„Ich glaub das ist keine gute Idee. Sam ist sowieso schon sauer auf mich. Ihr könnt ja alleine gehen", redete ich mich leise heraus.
„Ach. Papperlapapp", winkte Moon leicht verärgert ab. „Der wird sich schon nochmal einkriegen!"
Skeptisch schaute ich sie an. Genervt stöhnte sie auf und griff nach unseren Handgelenken.
„Ab jetzt", kommandierte sie und schliff uns hinter sich her. Unbeholfen stolperten wir hinter sie her.

Bei den Jungs angekommen, zog Moon Ally vor sich und legte ihre Hände auf ihre Schultern.
„So Leute, mal her hören! Das ist Ally", stellte sie das Mädchen vor. Schüchtern und ängstlich wandte Ally ihren Blick nach unten. Abwartend stand ich daneben und schaute die anderen an. Warum gaben sie ihr denn nicht die Hand? Sam und Kay sahen sie kurz an und führten dann ihr 'wichtiges' Gespräch weiter. Denen ihr ernst? Verärgert zog ich meine Augenbrauen zusammen. Doch bevor ich irgendetwas sagen oder machen konnte, schnappte sich Moon Sams Ohrläppchen und drückte feste zu.
„Au, Au, Au Moon lass los, das tut voll weh", rief er wehleidig und verzog sein Gesicht zu einer Grimasse.
„Das war und ist nicht sehr höflich, wenn man der Person, die man vorgestellt bekommt, nicht die Hand reicht und seinen Namen nennt", herrschte sie ihn an und ließ sein Ohr los. Sanft rieb er ein paarmal über die gerötete Stelle und schaute seine Schwester genervt an. Demonstrativ verschränkte sie daraufhin die Arme vor der Brust und tippte mit ihrem Fuß immer wieder auf den Boden. Stark presste ich meine Lippen aufeinander, um mein Grinsen zu verstecken. Die beiden waren wie David und ich... Obwohl ich bei meinem Bruder wohl noch stundenlang und laut diskutieren müsste.
Genervt rollte Sam mit den Augen, setzte ein gefälschtes Lächeln auf und streckte die Hand zu Ally aus. Zögerlich nahm sie diese entgegen und flüsterte „Hallo, ich bin Ally."
„Sam", sagte er knapp und drehte sich um. Gespannt auf die Reaktion von Kay, sah ich ihn an. Gelangweilt wiederholte er die Vorstellung und sprach gleichdarauf mit seinem älteren Bruder weiter.
Zu meiner Überraschung ging Alex lächelnd auf Ally zu und streckte zögerlich seine Hand aus. Vorsichtig sah sie nun nach oben. Alex Augen fingen an zu leuchten und größer zu werden, als Ally leicht lächelte und seine Hand in ihre nahm.
"Hallo", nuschel sie.
"H-Hallo", stammelte Alex und bekam gleichdarauf rote Wangen. Entzückt kicherte ich leicht. Die zwei waren echt süß!
Sie würden voll gut zusammen passen, dachte ich mir und lächelte verträumt die Hände der beiden an, die sich immer noch fest hielten. Alex räusperte sich verlegen und fing ein freundliches Gespräch mit ihr an.
Nun stand ich da, wie bestellt und nicht abgeholt. Moon redete mit Kay und Alex mit Ally. Nur Sam, der fast neben mir stand, blieb übrig. Während ich überlegte, ob ich mit ihm reden sollte, starrte ich ihn unabsichtlich an. Durch die Bewegung seiner Lippen wurde ich aus meinen Gedanken gerissen.
„Was?", fragte ich und blinzelte verwirrt.
„Du sollst mich nicht so anstarren", antwortete er wütend. Verärgert über seine übertriebene Reaktion stellte ich mich Kerzengrade hin.
„Wie wärs, wenn du dich mal abreagieren gehst?!", meckerte ich ihn genervt an und zog meine Augenbrauen leicht nach unten. Ich konnte nun wirklich nichts dafür, dass er schlecht gelaunt war! So ein Spastie!
„Ich würde mich an deiner Stelle klein halten! Ich hab nämlich den ganzen Ärger bekommen! Und nicht du", erwiderte er.
„Ich kann dafür doch nix", verteidigte ich mich.
„Und ob! Wer hat hier denn beinahe eine Windkugel auf Hunter los gelassen?! He?", zog er auffordernd die Augenbrauen nach oben.
„Entschuldige, dass ich erst einen Tag hier bin und noch nicht einmal wusste, dass ich so welche Kräfte hab. Außerdem hab ich mich nur verteidigt. Er hat mich doch angegriffen!", verteidigte ich mich lautstark.
„Du hättest gar nicht mit ihm diskutieren sollen!"
„Soll ich etwa zu sehen, wie ein Mädchen gemobbt wird?", schüttelte ich leicht den Kopf und schob ihn ein wenig nach vorne.
„Ja", antwortete er wie selbstverständlich.
Empört starrte ich ihn an und zeigte ihm den Vogel. „Du hast sie doch nicht mehr alle!", drehte ich mich von ihm weg. Ich verstand ihn einfach nicht! Warum sollte man einer hilflosen Person nicht helfen, wenn sie in Not war?
Ein schrilles Klingeln erklang, weshalb Kandor in meinen Armen zusammen zuckte und sich verschlafen umsah. Die Zähne vor Wut knirschen gelassen, beobachtete ich, wie sich die Schüler langsam wieder unmotiviert in das Gebäude hinein schliffen. Ich hatte ja sowas von keine Lust jetzt in den Unterricht zu gehen und von jedem angestarrt zu werden!

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie alle, außer Sam, an mir vorbei gingen. Während ich sie beobachtete, schüttelte ich leicht meine Flügel, um die Muskeln in meinem Rücken zu lockern. Ally und Moon schauten verwirrt zurück, als sie bemerkten, dass ich nicht nach kam. Ich deutete ihnen mit einem Wink, dass ich ging und breitete meine Flügel auseinander. Irgendwie würde ich Mona schon finden!
„Was wird das?", tauchte Sam hinter mir auf.
„Nach was sieht es denn aus?", stellte ich provozierend die Gegenfrage und richtete den Welpen in meinen Armen. Er schlummerte immer wieder ein und nickte deshalb im Sekundentakt mit dem Kopf.
„Du bleibst hier", fauchte er und griff nach mir. Als seine Hand grob auf meiner Schulter landete, ging ein heftiger Impuls durch meinen Körper. Erschrocken riss ich meine Augen auf und stolperte wie in Zeitlupe zurück. Das Bellen von Kandor drang gedämpft und langsam in meine Ohren, als ich ihn los ließ und in Panik um mich griff - auf der Suche nach etwas zum Halten. Hart knallte ich einen Wimpernschlag später auf etwas warmes. Das Stechen in meinem Kopf setzte wieder ein, weshalb ich hektisch Luft holte.
„Mona", schrie ich in Gedanken - in der Hoffnung, dass sie mich hörte. Alles drehte sich um mich herum, sodass ich nicht mehr erkannte, was unten und oben war. Verschwommen sah ich einen schwarzen Schatten über mich huschen und grüne Augen, die mich besorgt musterten.
„Layla...", hörte ich Monas leise Stimme in meinem Kopf. Plötzlich schoss ein gleißender Schmerz meine Pulsader hoch. Schnaufend atmete ich aus und verkrampfte mich. Es ging alles so schnell, dass ich gar nicht realisierte, dass Sam über mir kniete und ich nun auf dem Boden lag. Immer weniger Luft bekommend, röchelte ich. Es war so, als ob mir jemand die Luft mit den Händen abdrücken würde. Schwarze Punkte tanzten vor meinen Augen und kündigten die Ohnmacht an. Nicht schon wieder!, dachte ich sauer. Eine kühle Hand legte sich auf meine Wange. Blitzartig umgriff ich ihn wie ein Schraubstock. Hilflos öffnete ich den Mund, um Hilfe zu rufen, doch es kam kein Ton heraus.
„Ist gut Layla. Lass los", hörte ich Sams Stimme gedämpft. Tief atmete ich aus und entspannte unter Zwang meine Muskeln. Schnell rutschte meine Hand an seinem Ärmel herunter.
„Sam?", hauchte ich - total verängstigt und durcheinander.
„Is- g- Lay-", hörte ich ihn abgehackt. Kraftlos schloss ich meine Augen, als ein weiterer Impuls durch meinen Körper ging. Sanft spürte ich die Hand von Sam an meinen Unterkopf entlang gleiten. Der harte Untergrund verschwand unter meinem Körper, während ich in die Tiefe der Ohnmacht stürzte.

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