Eiskalte Bekanntschaft

Kapitel 9

Vorsichtig öffnete ich ein Lid nach dem anderen und starrte irritiert auf einen roten Teppich, der einen Meter unter mir lag. Was war denn jetzt los? Warum lag ich nicht auf dem Boden? Ich sah hoch, als ich ein unterdrücktes Lachen hörte. Kay hatte seine Hand auf den Mund gedrückt und schien über die jetzige Situation sehr amüsiert. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu, bevor ich zu Sam blickte, der von seinem Sitz aufgestanden war und die Arme vor sich gestreckt hatte. Konzentriert senkte er sie langsam, wodurch ich gen Boden schwebte. Meine Haare und das Kleid flatterten leicht in der Luft. Ein paar Zentimeter über dem roten Teppich verschwand die Schwerelosigkeit, weshalb ich mit meinen Knien voran auf den Boden fiel. Ein brennender Schmerz ging von meinen Beinen aus. Ich zog die Luft zischend ein und stand ungeschickt auf. Verärgert betrachtete ich meine geröteten Knie. Na toll! Schön die Knie aufgeschürft!

„Geht es dir gut?", fragte mich Moon besorgt, während sie hastig auf mich zu lief.
„Ja, nicht so schlimm", winkte ich murmelnd ab und atmete tief durch. Gerade nochmal gut gegangen! Sie betrachtete meine Knie ein paar Sekunden grübelnd und bückte sich daraufhin zu ihnen hinunter. Eine Wasser ähnliche Substanz schmiegte sich an ihre Handfläche. Sie legte ihre Hand auf mein Knie und rieb sanft darüber. Ich spürte ein leichtes Ziehen an der Wunde. Vorsichtig nahm sie ihre Hand weg. Da, wo vorher die Rötung war, zierte jetzt glatte, hautfarbende Haut. Verwundert fuhr ich zart darüber. Keine Schmerzen, keine Rötungen.
Nicht schlecht die Magie von den Elfen, dachte ich und schob meine Lippen nach vorne, um danach meinen Kopf auf die Seite zu legen. Moon machte das gleiche nochmal mit meinem anderen Knie und ging wieder auf ihren Platz zurück. Jaromir kam auf mich zu und lächelte mich entschuldigend an. Er hielt ein Rollmeter in der Hand. Ich zuckte nur mit den Schultern und zeigte auf meinen Rücken. „Sie können weiter machen."

Nach einer halben Stunde hatte er meine Flügel gemessen, mir eine Feder raus gerupft, was sehr weh tat, mir eine Creme um die Flügel aufgetragen und meine Kette an der Stirn untersucht. Der Forscher holte einen kleinen Koffer und zog eine Kanüle heraus. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Ich hasste schon seit ich ein kleines Kind war Spritzen oder Blutabnahmen.
Mit Desinfektionsmittel sprühte er meine Ellbogen-Innenseite zu und wischte dann mit einem Tuch drüber. Geschickt setzte er die Spitze der Spritze an meine Ader an. Schnell blickte ich weg, als er zu stach. Einen leichten, ekligen Druck spürte ich. Nach ungefähr dreißig Sekunden zog er sie noch mal heraus und drückte ein Pflaster auf das kleine Loch in meiner Haut. Der Forscher verstaute die Blutprobe und Co. in seinem kleinen Koffer, der auf dem Boden lag, stand auf und verabschiedete sich mit einer Verbeugung von uns allen. Erschöpft rieb ich mir meine brennenden Augen. Ich war so müde, obwohl ich bestimmt erst vor drei Stunden aufgestanden war! Lag bestimmt daran, dass ich gestern meine Flügel bekommen hatte.
„Layla?"
Müde schaute ich zu Amaya hoch. Sanft lächelte sie mich an und erklärte mir etwas. Mit halben Ohr hörte ich ihr zu und nickte einfach nur, als sie mit ihrer Erklärung endete. Zufrieden lächelte sie und wandte sich den anderen zu. Das darauf folgende Gespräch verfolgte ich gar nicht mehr. Ich wollte einfach nur ins Bett und schlafen.

Nach einer weiteren halben Stunde saß ich endlich, schon im Schlafanzug gekleidet, in meinem Bett und dachte nach. Was meine Eltern jetzt wohl taten? David diskutierte bestimmt wieder mit Mama über sein Taschengeld und Papa schaute nur zu. Das Thema war abends am Esstisch immer Nummer eins. Ich seufzte laut auf. Wann ich sie wohl anrufen durfte?

~ ¤ ~

Durch lautes Gepolter wurde ich ruckartig aus meinen Schlaf gerissen. Orientierungslos sah ich mich um und stützte meine Hände unter mir auf der Matratze ab, um mit meinem Oberkörper leicht nach oben zu gehen. Sekunden später rutschte mein Ellbogen von dem seidigen Stoff ab und an der Bettkante hinunter. Mit meinem Oberkörper kippte ich nach vorne und fiel mit meiner Nase voran auf das dunkle Parkett. Meine Flügel klappten über meinen Kopf auf den Boden, weshalb es einen lauten Knall gab.
„Oh Shit", zischte ich und stand schwankend auf. Meine Nase tat fürchterlich weh, weshalb ich sie mir hielt.
„Layla! Mach die Tür auf!", hörte ich Sam rufen. Leicht schwankte ich zur Tür, blinzelte meine aufkommenden Tränen weg und nahm meine Hand von der Nase. Mit halb geschlossenen Augen drückte ich die Türklinke nach unten und zog an dem braunen Brett, das mein Zimmer von dem Gang trennte. Sam musterte mich kurz.
Ich rieb mir meine halb geschlossenen Augen und fragte gähnend „Was ist denn los? Warum weckst du mich denn schon so früh?" Er betrachtete mich kurz, bevor er mich sachte zur Seite drückte und mein Zimmer betrat.
„Du musst dich schnell fertig machen. Wir sind zu spät", marschierte er schnurstracks zu meinem begehbaren Kleiderschrank und kam mit einem Pulli, Unterwäsche und Jeans wieder heraus. Ich bekam große Augen. Er brachte mir Unterwäsche! Wie peinlich! Hastig nahm ich ihm die Sachen aus der Hand.
„Du kannst doch nicht einfach so in meinen Sa-.", beschwerte ich mich, wurde aber von ihm unterbrochen.
„Ja ja", murmelte er und drückte mich an meinem Rücken über die Türschwelle des Bades. Überrumpelt und verwirrt, da ich nicht verstand, was die ganze Aktion sollte, wehrte ich mich nicht gegen das Schieben.
Sekunden später drehte ich mich, die Stirn gerunzelt, zu ihm um und fing an zu fragen: „Und warum gibst du mir einen Pul-", als er vor meiner Nase die Tür zuknallte. Fassungslos blinzelte ich ein paar Mal. Was sollte das denn jetzt? Und warum gab er mir einen Pulli und eine Jeans? Es war draußen doch Sommer!
„Mach schnell", brüllte er. Genervt starrte ich die Tür an. Das war doch schon mal ein guter Start in den Tag... nicht!

Fluchend über die Dusche und schlecht gelaunt, trat ich zu dem Spiegel, föhnte meine Haare schnell und zog mir alles an außer dem Pulli. Wie sollte ich das denn mit meinen Flügeln anziehen?.. Aber Sam hatte doch auch ein T-Shirt an. Vorsichtig streifte ich mir den Pulli über meinen Kopf und zog ihn langsam hinunter. Ohne Probleme glitt er über meinen Rücken und durch meine Flügelknochen hindurch. Ungläubig blinzelte ich. Das gab es doch nicht!? Grinsend trat ich nun aus der Badezimmertür. Echt cool dieses Magiezeug.
„Du sag mal Sam?", fing ich an zu fragen, als er hastig von meinem Bett aufstand und mich aus meiner Zimmertür hinaus schob.
„Was-?", brachte ich verwirrt heraus, als ich hinter ihm her stolperte. Dann müsste ich wohl nachher fragen, wie das mit den Kleidern funktionierte, dachte ich innerlich seufzend. „Sam, was ist denn? Wohin müssen wir denn?", fragte ich ihn nun gestresst. Er zog mich an der Hand haltend hinter sich her. Ich war aber viel zu verwirrt, um das zu registrieren.
Hastig antwortete er „Wir müssen zur Schule. Die Direktorin wartet nicht gerne."
Stolpernd fragte ich irritiert „Schule? Warum Schule?"
„Hast du meiner Mutter gestern nicht zugehört?", fragte er vorwurfsvoll. Schuldbewusst lächelte ich schief. Er schielte zu mir nach hinten und stöhnte genervt auf, als er meinen Blick sah.
„Auch hier in der Welt muss man lernen Layla. Fliegen, Magie kontrollieren und so Sachen", erklärte er. Wir tribbelten die Treppe hinunter, weshalb Sam meine Hand los ließ. Ein mulmiges Gefühl machte sich bei diesem Thema in meinem Magen breit. Das war mir alles einfach nicht geheuer!
„Ja. Aber ich bin doch gerade erst angekommen. Außerdem ist das komisch in eine Schule voller Elfen zu gehen. Die Starren mich bestimmt alle an", erklärte ich schwer atmend und rannte hinter ihm durch die Tür. Laut knallte die wieder hinter mir ins Schloss.
„Ich weiß. Aber meine Eltern wollten es so." Verärgert zog ich meine Augenbrauen zusammen, als er das sagte, und lief hinter ihm her. Wie stellten sie sich das vor? Das ich alles einfach als Normalität ansehen würde? Ich war doch immer noch von dieser ganzen - neuen Welt und das es Elfen gab - Sache durcheinander! Wenn mir einer vor ein paar Tagen erzählt hätte, dass es tatsächlich Elfen gab, hätte ich ihm den Vogel gezeigt und wäre lachend weggegangen. Aber jetzt... Ich wusste auch nicht. Mir kam es so vor, als würde ich in einem Fantasie Film stecken!
Ruckartig blieb Sam stehen, weswegen ich volle Kanne gegen seinen Rücken lief. Leise fluchend rieb ich mir meine rote Nase. Sie tat immer noch von meinem Absturz im Bett weh. Verwirrt sah ich nach oben und direkt in die waldgrünen Augen von Sam, der mich amüsiert musterte. Warum war er stehen geblieben?
„Was ist denn?", fragte ich leicht schmollend. Er grinste und schüttelte leicht den Kopf.
„Was?", zog ich irritiert meine Augenbrauen zusammen und nahm die Hand von meiner Nase.
„Können wir mit Mona reiten?", fragte er vor Vorfreude lächelnd. Ich nickte und seufzte. Und ich dachte schon, dass er mir jetzt sagte, dass das mit der Schule nur ein Scherz war!
Nach einer kurzen Begrüßung von uns, stieg ich auf Mona drauf und half Sam hoch. Nun saß er hinter mir und hielt die zwei Hörner von Mona fest, damit er nicht hinunter fiel. Meine Flügel lagen leicht seitlich, sodass Sam sie zwar leicht berührte, es ihn aber nicht daran hinderte mich mit seiner Brust nach vorne zu drücken. Meinem Rücken machte es aber nichts aus. Die Haut um die Knochen war nicht mehr angeschwollen und die offenen Wunden heilten auch schnell ab, was ich an dem penetranten Jucken merkte.
Ich krallte mich in das Fell von der Hündin fest und versuchte meine Aufregung mit wirren Gedanken zu überspielen. Doch die Nähe von Sam war mir nur all zu bewusst, weshalb ich immer nervöser wurde.
Sanft trat er mit der Innenseite seiner Füße nun an das Fell von Mona, weshalb sie ruckartig durch den Wald und einen langen Tunneln mit Malereien an den Wänden rannte. Nur zu gerne hätte ich die Außenversade des Tunnels gesehen. Doch durch die dichten Baumkronen und dem schnellen Ritt konnte ich nichts erkennen.
Lauwarmer Wind blies mir um die Ohren, als wir aus dem Tunnel heraus schossen. Sekunden später ritten wir in einen Mischwald hinein. Verwirrt beobachtete ich, wie das Grün der Bäume zu einem gelb, braun, rot wurde. Ein Laub- und Nadelteppich bedeckte den gepflasterten Weg unter Monas Pfoten und knisterte bei jedem Schritt, den sie tat. Der warme Wind schlug langsam immer mehr ins Kalte um, wodurch eine Gänsehaut meinen Körper überzog. Was war denn auf einmal mit dem Wetter los?
Die Wärme von Sams Körper drang durch meinen Pulli und wärmte mich somit ein wenig. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch. Am liebsten würde ich mich jetzt an seine Brust schmiegen und bei ihm einschlafen. Doch das würde niemals passieren!

Nach zirka zehn Minuten lichteten sich die schon fast kahlen Bäume und gaben zwei schwarze Tore frei. Sie hatten jeweils eine S-förmige, schräge Krone und verschlungene Muster in die äußeren Stangen eingeschweißt, wodurch man den Eingang der Schule sah. Vier Meter hohe sowie weiße Mauern umgaben das Grundstück. Mona wurde langsamer, weshalb wir uns wieder gerade hin setzten, und blieb schlussendlich vor den Toren stehen. Geräuschlos glitten sie nach innen auf. Während Mona durch den Eingang spazierte, betrachtete ich das Gebäude vor mir eingehend. Es hatte graue Wände, in jeder Etage eine Reihe von viereckigen Fenstern und eine Überdachung vor den zwei Glastüren, die als Eingang dienten. Das Dach hatte dunkel graue Ziegel und schien matt in der Sonne. Das war also die Schule. Von außen sah sie relativ normal aus, stellte ich verwundert fest.
„Willkommen an der Yuna Schule", riss mich Sam aus meinem Betrachten. Sein Atem kitzelte mich leicht in meinem Nacken, weshalb ich eine Gänsehaut bekam. Freundlich lächelte ich ihn über meine Schulter hinweg an. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt, weshalb ich mit leicht roten Wangen schnell wieder nach vorne sah. Er war mir eindeutig zu nah! Um mich von ihm abzulenken, schaute ich mich weiter um.
Viele Jugendliche standen auf dem Schutt belegten Schulhof, der aus ein paar Bäumen in der linken Ecke und einem See ganz rechts bestand. Am Rande des Sees waren Bänke und Tische aus Holz aufgebaut. Viele Augenpaare schauten uns neugierig an. Schüchtern zog ich meine Schultern hoch. Ich mochte es noch nie ungewollt im Vordergrund zu stehen. Mona hielt an und setzte sich hin, woraufhin Sam von ihr hinunter sprang. Ich sah zu ihm nach unten. Er streckte mir seine Arme entgegen, die ich leicht lächelnd ergriff. Seine Hände legten sich um meine Taille und hoben mich hoch. Sanft setzte er mich am Boden ab. Dankend nickte ich ihm zu und versuchte meine Verunsicherung ihm gegenüber mit einem Lächeln zu überspielen. Anscheinend war es glaubwürdig, da er zufrieden nickte und zum Eingang der Schule ging. Ich seufzte auf. Wie sollte ich es bitte in seiner Nähe aushalten? Dauernd wurde ich nervös, verunsichert und aufgeregt. Das war so... so ungewohnt für mich. Ich hatte jetzt bestimmt schon seit sechs Jahren keinen Freund mehr! Na gut... Ich glaube, wenn man elf oder zwölf gewesen ist, galt so eine Beziehung überhaupt nicht... Also hatte ich im Prinzip noch nie einen Freund! Frustriert atmete ich aus und ging mit hängenden Schultern zu Monas Kopf. Ich wollte mich noch von ihr verabschieden. Sie hatte sich wieder aufrecht hingestellt und beobachtete mich aufmerksam.
„Was machst du jetzt die ganze Zeit, wenn ich weg bin?", fragte ich sie gedanklich und strich dabei sanft über ihre Wangen.
„Ich such mir ein ruhiges Plätzchen im Wald, nahe an der Schule", sagte sie ruhig. Betrübt nickte ich und atmete geräuschvoll aus.
„Okay. Ich kontaktiere dich, wenn ich Hilfe brauch oder wir Schluss haben... Also wenn ich dann mal herausgefunden hab, wie das geht, versteht sich", grinste ich schief. Ein zustimmendes Brummen und wir trennten unsere Verbindung zueinander. Die angenehme Wärme in meinem Körper und der zweite Herzschlag verschwanden. Traurig blickte ich ihr hinterher, wie sie in dem Wald verschwand. Warum konnte ich nicht einfach zu Hause bleiben und mit Mona chillen?, fragte ich mich beleidigt.

Ich verwarf den Gedanken und ging auf den Eingang zu, vor dem Sam schon ungeduldig wartete. Er hielt mir die Tür auf und ließ mich in das Gebäude eintreten. Es sah alles wie in einer normalen Schule aus. Der geflieste, graue Boden, die blauen Spinde an den Seiten und das bescheuerte, ekelhafte weiße Licht, das von den Lampen an der Decke herab schien. Ich hasste dieses Licht. Dort sah man immer so Bleich aus und es hatte nichts natürliches an sich!
Schnell ging Sam voran. Er führte mich durch viele gleich aussehende Gänge, bis wir wieder durch eine Tür nach draußen kamen. Dort waren schon einige Schüler, die gerade einer sehr hübschen Frau zu hörten und im Halbkreis um sie herum standen. Als sie uns bemerkte, verdunkelte sich ihr Blick. Sie schaute prüfend auf ihre Uhr und warf uns dann einen anklagenden Blick zu. Schuldbewusst lächelte Sam gezwungen, als Entschuldigung zurück. Wir standen noch eine Zeit lang da und hörten ihr zu, wie sie irgendetwas erklärte, bis sie den anderen eine Aufgabe gab und zu uns kam.
Sie hatte blonde, hüftlange Haare, eine lange schöne Nase, hellgraue Augen, rote volle Lippen, bleiche Haut und eine schlanke Figur. Eine silberne hohe Krone hielten ihre vordere Haarpartie zurück. Sie besaß eine ähnliche Kette wie ich auf der Stirn, nur das diese Silber war und leicht in der Sonne glitzerte. Meine hingegen war leicht gräulich, dunkel Grün und lag matt auf meiner Stirn. Auf ihren Schultern lagen weiße Tücher, die sich an den Seiten an ihre Arme schmiegten, und von mehreren großen, lilanen Halsketten, welche untereinander angeordnet waren, gehalten wurden. Silbernes Eisen hielten ihre Brüste, in Form eines Trägerlosen BHs, fest. Unter den Brüsten war ein himmelblauer Diamant eingelassen. Von dort aus umhüllte ein dunkel blauer Stoff eng ihren Oberkörper, der in der Mitte von einem breiten Streifen geziert wurde, auf dem silberne und goldene Muster eingestickt waren. Ab der Hüfte schmiegte sich der Stoff eng um ihre Beine, bis knapp zu den Kniekehlen. Ein langes, hellblaues Tuch war an ihrem Po angebracht und wehte wellenartig im Wind. Ihren langen Stab, der golden und genau so groß war wie sie, hielt die Frau in der rechten Hand. Er hatte einen großen und einen kleinen, goldenen Flügel jeweils links und rechts sowie einen Flieder Farbenden Edelstein an der Spitze sitzen. Ein goldener, silberner Armreif zierte ihr linkes Handgelenk. Die metallischen Flügel waren angelegt, wodurch ich nicht genau erkannte, wie sie wirklich aussahen.
Staunend betrachtete ich sie mit offenem Mund.
„Ihr seid zu spät", donnerte sie uns wütend an den Kopf. Leicht erschrocken zuckte ich zusammen. Diese Reaktion hatte ich nicht erwartet.
„Das tut uns leid. Ich hab verschlafen und konnte Layla deshalb nicht früh genug wecken", berichtete Sam ihr ruhig und gelassen. Die Frau sah ihn vorwurfsvoll an, bevor sie zu mir sah. Ihr Gesichtsausdruck änderte sich schlagartig von wütend zu schuldbewusst.
„Tut mir leid, wenn ich dir Angst gemacht habe. Ich mag es nur nicht, wenn man zu spät in meinen Unterricht kommt. Ich bin übrigens Frau Elriano, deine Flug und Metall Lehrerin. Du kannst mich aber auch einfach Frau Elria nennen. Ich glaube das fällt dir leichter." Leicht lächelte sie mich an und reichte mir die Hand.
„Ich bin Layla", stellte ich mich lächelnd vor und ergriff ihre Hand. Sie war sehr weich und warm. Frau Elria nickte einmal kurz, ließ meine Hand los und wandte sich wieder an Sam.
„Ich muss mit dir noch reden", sagte sie ernst. Sam seufzte und nickte. Da mich dies anscheinend nichts anging, drehte ich mich um und betrachtete mein Umfeld. Der Platz war, vermutete ich, hinter der Schule und hatte eine große Grasfläche, die in einen Nadelwald überging. Mein Blick blieb an den Schülern vor mir hängen, die auf Bänken saßen und Zettel ausfüllten. Manche sahen neugierig auf und starrten mich an. Schnell wich ich ihren Blicken aus. Ich mochte es noch nie angestarrt zu werden oder gar ein Blickkontakt aufrecht zu halten. Ein unangenehmes Gefühl beschlich mich dabei immer, als würde einer in meine Seele blicken wollen oder meine Gedanken lesen können. Langsam ließ ich meinen Blick über die Schüler gleiten.

Wie immer gab es verschiedenen Sorten von Gruppen. Einmal hätten wir da die Zicken, die jedem kalte Blicke zuwarfen und mit ihren Freundinnen kicherten. Dann gab es da auch noch die Streber, die mit der Brille auf der Nase und einem ordentlichem Hemd schüchtern umher sahen. Nun blickte ich in eine andere Ecke, wo die arroganten Jungs standen. Mit ihren gestylten Haaren, die vielen Muskeln und dem verschmitzten Grinsen auf den Gesichtern, wenn sie ein heißes Mädchen sahen. Doch eine Person, die ganz alleine auf einer Bank saß, erregte meine Aufmerksamkeit am meisten. Sie sah zwar schüchtern zu Boden, aber zählte von dem Aussehen her nicht zu einem Streber. Sie hatte braune, lange Haare, braune Augen und eine süße Stupsnase, auf der sich Sommersprossen verteilten. Langsam ging ich auf sie zu. Mit irgendwem musste ich ja Freundschaft schließen. Alleine wollte ich nämlich nicht auf dem Schulhof stehen.
Als ich vor ihr stand, streckte ich meine Hand aus und sagte freundlich „Hallo, ich bin Layla und wer bist du?" Ungläubig schaute sie zu mir hoch.
Zögernd nahm sie meine Hand in ihre und sagte leise, sodass ich es nur mit Mühe verstand „Ich bin Ally."
Ich setzte mich zu ihr auf die Bank, legte meine beiden Hände neben mich auf die Sitzfläche und schaukelte mit meinen Füßen hin und her. Gleichzeitig beobachtete ich die Elfenmenge vor mir.
„Sag mal. Warum sitzt du denn ganz alleine hier?", fragte ich und sah zu ihr. Sie zuckte nur mit den Schultern und starrte weiter ihre Füße an. Wir schwiegen eine Weile und betrachteten die Schüler beim Reden.
Plötzlich streifte etwas kaltes meine Flügel, weshalb ich erschrocken zusammen zuckte und gleichzeitig meine Flügel automatisch ein wenig ausbreitete. Es gab ein dumpfes 'Bumm' und Ally lag mit Schreck geweideten Augen neben mir. Alle Schüler sahen verwundert zu uns hinüber.
Verwirrt blickte ich zu Ally hinunter. „Was machst du denn da unten?" Ich musste mir ein Lachen verkneifen. Sie sah mit ihren geweideten Augen und den aufstehenden Mund zu lustig aus.

Plötzlich fing jemand an zu lachen. Fragend schaute ich zu dem Jungen hinüber und stand gleichzeitig auf. „Oh, ist die arme Ally etwa vor so großen Flügeln zurück geschreckt?", machte er sich über sie lustig. Wie immer war es einer von den arroganten Typen. Ich rollte genervt stöhnend mit den Augen und hielt Ally meine Hand hin, die peinlich berührt und traurig neben sich auf den Boden sah. Verunsichert schaute sie nun zu mir auf.
„Na komm", murmelte ich und lächelte sie aufmunternd an. Zögerlich ergriff sie sanft meine Hand und ließ sich von mir hochziehen. „Gehts dir gut?", fragte ich leise und löste meine Hand von ihrer. Sie nickte leicht. Ihre Schultern waren schüchtern nach oben gezogen, während sie gen Boden starrte und ihr lockeres, weißes T-Shirt am Zaum zerknüllte. Leicht schielte ich auf ihren Rücken. Ihre Flügel waren nicht sehr groß. Mit ihnen konnte sie bestimmt nicht mal fliegen! Ich seufzte etwas genervt auf. Diese Respekt-Regel ging mir jetzt schon gewaltig auf die Nerven!
„Oh guckt mal! Die kleine macht wieder auf Mitleid", hörte ich eine hohe Stimme belustigt sagen. Empört und auch fassungslos starrte ich in ihre Richtung. So eine Verachtung war doch nicht mehr normal!
„Was? Es ist doch so", zuckte die Schwarzhaarige unschuldig mit den Schultern, als sie meinen Blick sah.
„Nur weil sie kleine Flügel hat, muss man sie nicht so runter machen", erwiderte ich ruhig und stemmte meine Hände in die Seiten. Die Elfen um mich herum starrten mich ungläubig an.
„Sie ist eine Mistgeburt und hat es nicht verdient, wie eine normale Elfe behandelt zu werden", meldete sich der Junge wieder zu Wort und schüttelte leicht verständnislos den Kopf. Meine Augen weiteten sich. Wie konnte man nur eine Person so beschimpfen, obwohl man sie noch nicht mal kannte? Wegen der Verachtung und Abscheu in seiner Stimme zog ich meine Augenbrauen wütend zusammen und biss meine Zähne aufeinander. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Sam und Frau Elria wieder zu uns kamen.
„Du hast nicht das Recht sie als Missgeburt zu bezeichnen. Sie ist eine ganz normale Elfe wie ihr auch, nur das sie kleinere Flügel hat. Ihr Elfen solltet euch schämen nur Personen mit großen Flügeln Respekt zu schenken. Jede Elfe und jeder Elf verdient ein gewisses Maß an Respekt! Egal ob die Flügel klein, groß, verstümmelt oder irgendetwas anderes sind", erklärte ich wütend. Sam stand nun fast neben mir und betrachtete die Situation verwirrt. Frau Elria war nirgends zu sehen. Müsste sie in so welchen Fällen nicht eingreifen und den Jungen zum Direktor oder zur Direktorin schicken?
„Du bist nicht viel besser mit deinen Flügeln. Sie sind nicht normal und das weißt du auch. Man könnte dich auch als Missgeburt bezeichnen, Mensch", zischte er provozierend. Seine Stimme triefte nur so vor Arroganz und Spott. Ungläubig starrte ich ihn an. Das hatte er nicht gerade wirklich gesagt, oder?
„Oh. Jetzt weißt du dich nicht mehr zu wehren und gehst auf mein Aussehen. Wie typisch für Leute, wie dich", zischte ich.
„Wenigstens bin ich stark", grinste er siegessicher. Spöttisch lachte ich einmal kurz auf.
„Das glaubst du doch wohl selber nicht!" Seine Lippen formten sich zu einem Grinsen. Ich zog herausfordernd eine Augenbraue hoch. Als ich kurz in Allys Richtung schielte, starrte sie ängstlich und geschockt zwischen uns beide hin und her. Mir kamen Zweifel auf. Die Idee mit ihm zu kämpfen war wohl doch nicht so gut, schlussfolgerte ich. Ich wusste ja noch nicht mal, was für Kräfte die Elfen hier alle hatten, außer Heil- und Windmagie. Mein Blick glitt wieder zu dem schwarzhaarigen Jungen. Sein Grinsen wurde breiter, als er seinen rechten Arm von hinten nach vorne schleuderte und es somit aussah, als würde er eine Bowlingkugel werfen. Fragend zog ich meine Augenbrauen hoch. Was sollte denn das jetzt? Wollte er mich mit einer kleinen Showeinlage ablenken? Meine Füße fühlten sich plötzlich so kalt an. Ich schob die Schuld auf den Boden, da ich ja Barfuß war, und sah deshalb auch nicht nach unten.
Mit großen Schritten kam er die paar Meter auf mich zu gelaufen. Schnell wollte ich einen Schritt zurück treten, doch meine Füße steckten fest. Hastig warf ich einen Blick auf sie. Eine dicke Eisschicht hielt sie am Boden fest. Das war also die Bewegung von ihm und das plötzliche Kalte! Mit großen Augen sah ich wieder ruckartig hoch. Es fehlten nur noch ein paar Meter, bevor er mich erreichen würde. Warum unternahm keiner was? Ich schielte hastig zu Sam. Angespannt und Wütend fixierte er den Jungen. Ich kreuzte meine Arme schützend vor mein Gesicht und schloss meine Augen ängstlich.
Meine Muskeln spannten sich dadurch automatisch in meinem Rücken an und versteiften sich. Gleichdarauf wurde alles gänzlich Schwarz vor meinen geschlossenen Augenlidern.

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