Die Schnitzeljagd

Kapitel 3

Ich wachte früh morgens in meinem gemütlichen Bett auf und blickte aus dem großen Fenster vor mir. Draußen schien die Sonne hoch am blauen Himmelszelt. Keine einzige Wolke war zu sehen. Viele würden jetzt aufstehen, ihre Freunde anrufen und sich mit ihnen verabreden, doch ich war glatt das Gegenteil. Ich blieb lieber in meinem Bett liegen, hörte Musik und träumte dabei vor mich hin, während die Vögel draußen fröhlich zwitscherten.
Lässig pustete ich mir eine nervende Strähne aus dem Gesicht und drehte mich auf den Rücken um. Als ich nach einiger Zeit auf die Uhr schaute, war es schon ein Uhr mittags.
Wie ein Faultier schob ich die grün gestreifte Decke von mir und stieg gemütlich langsam aus meinem Bett. Wobei es eher aussah, als würde ich aus meinem Bett stolpern. Stampfend und mit hängenden Armen ging ich runter in die Küche. Mein Bruder stand dort und erwartete mich anscheinend schon. Weswegen wusste ich nicht, weshalb es mir auch egal war.
„Na? Auch schon aufgestanden du Morgenmuffel?", neckte er mich.
Zustimmend gab ich ein "Hm", von mir und öffnete den Kühlschrank. Augenblicklich kam mir die kalte Luft entgegen und ließ mich meine schweren Lider etwas weiter öffnen.
„Willst du uns nicht einen guten Morgen wünschen?", fragte mein Bruder - ein amüsierter Unterton in der Stimme.
„Wenn du mit 'uns' deinen imaginären Freund meinst, der Karl Heinrich Jacqueline heißt...", konterte ich „... dann NEIN!" Aus den Augenwinkeln erkannte ich, wie er eine Augenbraue hob und mich an grinste. Warum grinste er denn jetzt so doof? Ich zuckte mit den Schultern.
„Ich meine zwar den jungen Herrn hier, der direkt neben mir sitzt. Aber auch egal." Fragend schaute ich um die Kühlschranktür und entdeckte Sam, mit einer Tasse Kaffee in den Händen, neben meinem Bruder sitzen. Mein Herz schlug automatisch schneller, als er mich sanft anlächelte. Erschrocken riss ich meine Augen auf und schaute ruckartig wieder in den Kühlschrank zurück. Um mich zu vergewissern, dass er dort wirklich saß, lehnte ich mich ein wenig zurück und sah an der Tür vorbei.
Tatsache! Er saß dort immer noch! Wie peinlich! Mit hoch rotem Kopf hob ich einen Zeigefinger und sagte zu den beiden „Entschuldigt mich bitte für einen kurzen Moment." Anschließen knallte ich die Kühlschranktür zu, ging mit schnellen Schritten aus der Küche und rannte ab der Türschwelle, zwischen den eben benannten Raum und dem Flur, hoch ins Bad. Währenddessen fluchte ich leise vor mich her.

Fertig geduscht und gestylt, polterte ich runter in die Küche. Die beiden grinsten mich belustigt an und redeten dann über irgendeinen Jungskram weiter. Ja, ignoriert mich doch! Mir doch egal! Beleidigt sah ich in den Kühlschrank und stellte fest, dass die ganzen Frühstückssachen schon auf dem Tisch standen. Ich setzte mich also hin und verfluchte mich selbst für meine Dummheit. Schnell schmierte ich mir ein Erdbeer-Marmelade Toast und schielte neugierig zu den zwei Jungs hinüber. Sie redeten jetzt bestimmt schon seit einer gefühlten halben Stunde über Fußball. So langsam stellte ich mir die Frage, was Sam eigentlich hier machte. Als eine kurze Pause zwischen dem Gespräch entstand, nutzte ich meine Chance.

„Du Sam?" Er sah mich an. „Warum bist'n du eigentlich hier?" Kurz starrte er mich einfach nur perplex an und schlug sich dann mit der flachen Hand gegen die Stirn. Verwirrt zog ich eine Augenbraue nach oben.
„Das hab ich bei dem ganzen Reden total vergessen! Ich wollte dich fragen, ob du heute Zeit hast?", sagte er hastig und lächelte mich breit an. Ich bekam große Augen. Er wollte mit mir was unternehmen! Aufgeregt nickte ich und grinste in mich hinein.
„Wohin soll's denn gehen? Und jetzt sag nicht, dass es schon wieder eine Überraschung ist!", sah ich ihn warnend an. Er grinste mich nur spitzbübisch an und wackelte abwechselnd mit seinen Augenbrauen. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Na das konnte ja was werden!

Nach einer halben Stunde Fahrt, stiegen wir endlich aus dem Auto und gingen durch einen kleinen Wald. Hier und da zwitscherte ein Vogel und sang uns ein kleines Lied vor. Ich fand so kleine Wälder schon immer toll. Hier roch die Luft frischer und reiner, nicht so wie in einer Stadt, die nach Abgasen oder anderen Chemikalien roch, die der Natur schadeten. Vor allem gefiel mir zu beobachten, wie die Blätter in den Bäumen raschelten, wenn ein Windzug kam und wie sich die Sonnenstrahlen durch das dichte Blättergeäst kämpften, um ein wenig warmes Licht in den sonst so kalten Wald zu lassen. Oder zu sehen, wie ein Eichhörnchen flink den Baum hoch kletterte, um seine Nuss dort gemütlich und ohne Gefahr zu laufen, dass es von einem anderen Tier getötet wird, zu essen. Das alles hatte eine beruhigende und zugleich faszinierende Wirkung auf mich.

Während ich in meine Gedanken versunken war, hatten wir eine große Lichtung mitten im Wald erreicht, die mit knie hohen Grashalmen bedeckt war. Verwundert wanderte mein Blick zu Sam. Breit lächelte er mich an und faste nach meiner Hand. Sanft und warm schmiegte sie sich an meine Haut, als er mich sachte mit sich zog. Nervosität flammte in mir auf. Ich war ganz alleine mit Sam und das auf einer Lichtung, die Kilometer weit weg von der Stadt lag! Typisch Film-Romance-Szene!.. Oder doch eher Horror? Ich schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte mich auf das angenehme Kribbeln, das auf meiner Hand entstand, wo mich Sam berührte. Wir blieben, uns gegenüber, in der Mitte der Lichtung stehen. Lächelnd sah er mich an und ließ meine Hand los. Ich lächelte schüchtern zurück. Jetzt bloß nichts von der Verunsicherung und Aufregung anmerken lassen!
„Also. Ich hab mir überlegt, dass wir eine kleine Schnitzeljagd machen-", fing er lächelnd an zu erklären.
„Wie jetzt? Nur wir zwei?", unterbrach ich ihn und sah erstaunt in sein Gesicht. Hoffnung kam in mir hoch. War das ein Date?
„Jetzt warte doch mal! Ich war doch noch gar nicht fertig", sah er mich verärgert an.
Schuldbewusst lächelte ich ein wenig und murmelte ein "Entschuldigung."
„Wo war ich denn jetzt stehen geblieben?... Achso, ja alsoo. Es wird so ablaufen. Ich hab überall im Wald fünf Zettel verteilt, auf denen jeweils ein Rätsel drauf steht. Hast du das Rätsel gelöst, kommst du automatisch an den Schatz. Wer als erstes da ist, hat gewonnen... logischer Weise."
Ich nickte. „Alleine?", fragte ich wieder, aber vorsichtiger. Um nicht dämlich vor Vorfreude zu grinsen, presste ich meine Lippen zu zwei Strichen zusammen. Er verdrehte die Augen und sagte, dass noch vier Freunde von ihm kommen würden. Etwas enttäuscht nickte ich und sah auf den Boden. Also doch kein Date!

Nach einer halben Stunde Verspätung kamen seine Freunde an. Ihre Ausrede: Wir hatten das Waldstück nicht gefunden. Halloo! Wofür wurden den Navis erfunden?! Aber mir solls recht sein! So konnte ich wenigstens ein wenig mehr Zeit mit Sam verbringen... Na gut! Eigentlich lagen wir die ganze Zeit nur im Gras, wechselten ein paar Worte und genossen die Sonne. Bei dreizig Grad war das aber auch kein Wunder! Ich seufzte tief und sah hoch in den Wolkenlosen Himmel. Ob es heute noch heißer werden würde? Bestimmt! Nun schaute ich vor mich.
Vor mir standen vier große Kerle mit einem verschmitzten Lächeln auf den Gesichtern.
„Wer ist denn die Kleine da, mit den Strähnen? Von der hast du uns gar nichts erzählt", nickte einer der Vier zu mir hinüber. Meine Stimmung sank schlagartig, als er meine Haare erwähnte.
Wütend maulte ich ihn an „Erstens bin ich nicht klein und zweitens kann ich nichts für meine Haare. Die Strähnen habe ich schon seit der Geburt." Damit zeigte ich ihm meinen schönen Mittelfinger. Er hob entschuldigend die Arme und sah weg. Vollidiot. Pff. Für diesen Tag war das Thema Haare wohl erledigt.
„Sollen wir jetzt die Gruppen einteilen?", wechselte Sam schief lächelnd das Thema. Alle stimmten zu und zogen einen zerknüllten Zettel aus seiner Hand. Auf jeweils drei von ihnen standen die Nummer eins und die Nummer zwei drauf. Schnell griff ich mir eine Kugel. Neugierig faltete ich das Papier auseinander und sah eine große zwei darauf stehen. Ich erhob meine Stimme und kommandierte die Jungs zu mir, welche die selbe Zahl, wie ich, hatte. Ein wenig enttäuscht stellte ich fest, dass Sam nicht dabei war. Seufzend drehte ich mich zu ihm um und beobachtete, wie er über einen Witz lachte. Automatisch stahl sich ein Lächeln auf meine Lippen. Da fiel mir etwas wichtiges ein. „Sag mal Sam? Das ist total unfair, wenn du mit gehst! Du weißt ja schon die Lösungen!"
Verwundert schaute er mich an und meinte lächelnd „Ich hab die Zettel nicht geschrieben! Das war meine Mutter. Und außerdem musste ich alle verkehrt herum aufhängen und nicht drauf gucken! Meine Mutter war sogar dabei und hat alles streng kontrolliert!"
Leicht nickte ich und murmelte „Okay." Nun sah ich mir mein Team an. Ein blonder Junge mit Ozean blauen Augen und heller Haut musterte mich neugierig und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Dadurch kamen seine Arm Muskeln gut zum Vorschein. Ich schätzte ihn auf neunzehn oder achtzehn Jahre. Neben dran stand ein dunkel braun haariger, ich schätzte Neunzehn Jahre alt, der Teddybär braune Augen, braun gebrannte Haut, ein breites Kreuz und ein Tattoo am rechten Arm hatte. Das Tattoo zeigte eine schwarze Echse. Es sah so aus, als würde sie seinen Arm hinauf klettern.
„Hey. Ich bin Layla", stellte ich mich lächelnd vor.
"Hi. Ich bin Kay und das ist Alex", sagte der Blonde und zeigte neben sich auf den Jungen. Dieser lächelte leicht und sah verlegen auf den Boden.
"Gut. Wie alt seid ihr denn?", fragte ich neugierig und ging neben ihnen her. Der Waldweg war mit Schütt bedeckt, weshalb die kleinen Steine unter unseren Sohlen knackten.
"Ich bin neunzehn und Alex ist achtzehn", lächelte Kay. Ich nickte. also hatte ich richtig geschätzt.
"Und wie habt ihr Sam kennen gelernt?"
"Wir- Wir sind Brüder", stotterte Alex leise.
"Echt?", fragte ich überrascht. Beide nickten.
Gleichdarauf zuckte Kay mit den Schultern und meinte zögerlich: "Beziehungsweise ist Alex nicht wirklich unser Bruder. Meine Eltern haben ihn adoptiert." Erstaunt nickte ich. "Und? Hast du Geschwister?"
"Ja einen großen, nervigen Bruder", grinste ich. Kays Mundwinkel hoben sich. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas blaues, weshalb ich stehen blieb. Zwei kleine, himmelblaue Zettel klebten nebeneinander an einem Baum.
"Guckt mal. Ich glaub ich hab unsere erste Aufgabe gefunden", ging ich über den weichen Waldboden, der zum Teil mit Moos, Laub und kleinen Stöcken bedeckt war. Anschließend entfernte ich vorsichtig das Papier von der Rinde und las die dicken, schwarzen Buchstaben laut vor.

Welche ist die einzige chemische Verbindung auf der Erde, die in der Natur als flüssig, als fest Körper und als Gas vorkommt?

„Wasser", sagte ich, zuckte mit den Schultern und faltete den Zettel zusammen, damit wir ein Beweis hatten, dass wir den Schatz nicht einfach so gefunden hatten. Nun ging ich wieder zu den Zweien zurück. Die Lösung war aber auch echt einfach! Ich meine, wer hat das nicht in Chemie gelernt? Als ich bei den beiden wieder ankam, stimmte mir Kay lächelnd zu. Alex hingegen lächelte mich schüchtern an.
„Und wohin müssen wir jetzt?", fragte Alex uns leise. Kay und ich sahen ihn skeptisch und zum Teil auch ungläubig an. Meinte er das jetzt ernst?
„Was? Ich frag doch nur", war seine leise Verteidigung, als er unsere Blicke sah. Ratlos zuckte er mit den Schultern.
„Wir müssen einen Fluss, einen See oder sowas ähnliches finden. Wo halt eben Wasser ist!", sagte Kay schmunzelnd. Alex nickte und wir gingen weiter.
„Kennt ihr euch hier aus?", fragte ich beide, in der Hoffnung schnell eine Wasserstelle zu finden. Doch zu meiner Enttäuschung verneinten sie.
Minuten herrschte Stille, in der wir über den Schotterweg gingen, bis Alex leise anfing eine Melodie zu summen.
Überrascht schielte ich zu ihm hoch. Als er das sah, hörte er sofort auf und starrte mit roten Wangen auf den Boden. Er war wirklich schüchtern.
"Welches Lied war das denn?", fragte ich lächelnd.
"Gangnam Style", nuschelte er und drehte seinen Kopf nach rechts in den Wald hinein.
Grinsend hüpfte ich die Tanzschritte und brüllte "Eeeeey sexy Lady. Op op op op oppan Gangnam Style." Alex Kopf ruckte erschrocken zu mir herum, während Kay los lachte. Grinsend schubste ich Alex leicht mit meiner Hüfte weg. Er musste eindeutig ein wenig lockerer werden!

~ ¤ ~

Eine halbe Stunde später blieben wir an einem kleinen See stehen, der von Laubbäumen umgeben war. Hier und da lagen Seerosen auf dem Wasser und wankten, wenn eine kleine Welle kam. Das Licht schien hell auf die Oberfläche. Dadurch leuchtete das Wasser hellblau, ja schon fasst türkis. Ich schritt auf das Ufer zu und schaute suchend über die Wasseroberfläche. Mein Blick blieb an zwei Flaschen hängen, die vor mir am Sandboden lagen. Langsam ging ich in die Knie und fischte ein Glasgefäß aus dem Wasser. Mit aller Kraft zog ich an dem Korken, bis er mit einem 'Plopp' draußen war und ich ihn in meiner Hand hielt. Neugierig streckte ich meine Finger in die Flasche und zog ein grünes Blatt heraus.
„Und? Wie lautet das nächste Rätsel?" Alex und Kay standen hinter mir und schauten gespannt über meine Schulter. Ich faltete das Blatt auseinander und las laut vor:

Ich hab keine Hände und kann doch tragen, hab keine Flinte und kann doch jagen; kann klettern und schwere Lasten heben und bin doch ein zartes, hinfälliges Leben.

„Alter! Wir haben Wochenende und dann muss ich mein Gehirn anstrengen. Geht gar nicht! Hätte Mama nicht einfach so ein Kindergarten Rätsel holen können?", schnaubte Kay verärgert und machte eine wegwerfende Bewegung. Belustigt beobachtete ich ihn dabei.
„Eigentlich haben wir heute noch gar nicht unser Gehirn angestrengt. Layla hat das erste Rätsel gelöst", flüsterte Alex vorwurfsvoll und stand mit verschränkten Armen vor ihm. Eingeschnappt kehrte uns Kay den Rücken zu. Seufzend sagte ich erst mal gar nichts dazu. Ich meine, die benahmen sich ja wie Mädchen, wenn die Eine versehentlich der Anderen ihren Lippenstift benutzt hatte. Kopfschüttelnd wimmelte ich das Kopfkino ab, wie beide in Mädchen Kleidung steckten und sich Lippenstift auf die Lippen schmierten, und grübelte über das Rätsel nach.
Komm schon Layla, streng mal dein Hirn an. Das kann ja wohl nicht so schwer sein!
Ich klopfte mir mit meiner Faust gegen die Stirn, um mich besser konzentrieren zu können. Ein angenehm warmer Windzug streifte mein Gesicht und ließ meine Haare leicht nach hinten wirbeln. Genüsslich schloss ich meine Augen und entspannte mich. Ich sog die nach Nadeln riechende Luft ein und streckte mein Kopf dem Wind entgegen. Sekunden später ließ er nach, weshalb ich meine Augen wieder öffnete. Vor mir entdeckte ich ein Saft grünes Blatt, das vom Wind hoch gewirbelt wurde und es dann ein paar Meter weiter trug, nur um es abrupt auf das Wasser fallen zu lassen. Kleine Kreise tauchten nun auf der Oberfläche auf und wurden immer größer, als das leicht gebogene Blatt sich langsam um sich selber drehte. Und da fiel mir die Lösung ein. Alex und Kay diskutierten währenddessen immer noch, wer sich bei dem Rätsel mehr angestrengt hatte. Die beiden merkten gar nicht, dass ich schon weiter gegangen war. Nach ein paar Metern blieb ich stehen und sah zurück. Beide standen noch an Ort und Stelle, wie gerade eben. Ich pfiff einmal kräftig mit meinen Fingern. Erschrocken zuckten sie zusammen und drehten sich dann in meine Richtung.
„Kommt ihr jetzt oder wollt ihr da bis an euer Lebensende verrecken und den anderen den Sieg überlassen?"

Nach einer Weile, in der sie da nur so blöd herum standen, kamen sie mit schnellen Schritten auf mich zu gelaufen. Zusammen gingen wir weiter.
„Und wohin gehen wir jetzt?", sah mich Kay Stirnrunzelnd an.
„Während ihr", vorwurfsvoll sah ich sie an „diskutiert habt, wer von euch heute sein Gehirn mehr angestrengt hat, habe ich heraus gefunden, was die Lösung ist!" Ich machte eine dramatische Pause, um ein wenig Spannung in meine nächsten Worte hinein zu legen. „Und die Lösung, ich bitte um Trommelwirbel, iiiiisssst... Wind!"
Unsichtbare Fragezeichen zeichneten sich auf ihren Gesichtern ab. Wie kann man nur so hohl sein?
Ich erklärte: „Wind kann, wenn es ein Hurrikan ist, schwere Lasten tragen, wie zum Beispiel Autos. Er jagt Blätter hinter her und kann ohne Probleme die Wände hoch klettern, aber er kann auch sanft und zärtlich sein. Dir warme Luft und so ins Gesicht pusten."
Nachdenkliche Stille herrschte.
„Und wo sollen wir jetzt hin?", unterbrach Kay das Schweigen.
„Am besten auf eine Klippe oder Aussichtsplattform, auf der viel Wind weht!"

~ ¤ ~

Eine halbe Stunde später gelangten wir wirklich an eine Klippe. Unten war zwar kein Wasser, aber dafür viele hohe Bäume. Auf einer Bank, die ein paar Meter vor dem Abgrund stand, entdeckte ich einen kleinen roten Zettel. Anscheinend waren die anderen schon hier gewesen. Ich las das Rätsel wie immer laut vor:

Je mehr es bekommt, umso hungriger wird es. Hat es aber alles gefressen, so stirbt es.

Und wieder standen wir da und sahen ratlos auf das Stück Papier. Ich ließ mich geschaffen auf die Sitzbank hinter mir fallen und schaute hinauf zum Himmel. Mittlerweile war es später Nachmittag, sodass die Sonne heiß auf meiner Haut brannte. Die Jungs ließen sich neben mir nieder. Es herrschte Stille.
„Was machen wir jetzt?" fragte Alex, während er den Kopf in den Nacken legte.
„Ich würde mal sagen, das Rätsel lösen", sprach Kay meine Gedanken aus. Beide hingen ihren Gedanken hinterher. Wolken schoben sich langsam vor die Sonne und ließen das angenehme Gefühl der Wärme verschwinden.
„Hat jemand eine Ahnung, was die Lösung ist?", fragte ich in die Rund hinein. Sie schüttelten den Kopf. Niedergeschlagen atmete ich aus.
Das hatte doch alles keinen Sinn! Wir saßen hier und warten darauf, dass uns ein Vogel die Lösung zu zwitscherte. Boah... Ich hatte aber auch echt keine Ahnung, was das sein könnte.
„So Kay, da du heute dein Gehirn noch nicht sooo viel angestrengt hast, wirst du jetzt für uns nachdenken und wir entspannen in der Zeit mal, ne?" Aufmunternd klopfte ich ihm auf die Schulter. Er warf mir einen Ist-das-dein-Ernst-Blick zu. Schulterzuckend schloss ich meine Augen und entspannte mich.

~ ¤ ~

„Tier?"
„Nein."
„Sonne?"
„Nein!"
„Karotten?"
„NEIN!"
„Niall Horan?"
„NEIN, NEIN, NEIN UND VERDAMMT NOCHMAL NEIN. KAY, du bist echt STROHDOOF!" Verärgert lief ich im Kreis und trampelte mir mein eigenes Grab. Seit fünfzehn Minuten laberte er uns schon mit so einem Müll zu. Ich gab Kay einen Klaps auf den Hinterkopf. Ich meine, so Strohdoof kann man ja wohl nicht sein, dass man eine Karotte als Lösung vorschlägt.
Empört rief Kay: "Aua."
Geschieht ihm recht! Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und lief beleidigt herum. Der hat sich ja noch nicht mal richtig angestrengt!
„Jetzt beruhige dich doch mal Layla", versuchte mich Alex leise zu besänftigen.
„Nein tu ich nicht! Guck doch mal. Wir haben bis jetzt die ganze Arbeit alleine gemacht und dann fordere ich mal Kay heraus, auch mal was zu machen und dann kommt so ein Mist heraus! Ich meine, der hat sich ja noch nicht mal angestrengt!", schnauzte ich wütend und zeigte anklagend auf den blond haarigen Jungen.
„Doch hab ich!", versuchte sich Kay zu verteidigen. Ich gab ein missbilligtes Schnauben von mir.
„Is klar. Das glaubst du doch wohl selber nicht!", zeigte ich ihm den Vogel.
Genervt seufzte Alex auf. „Könnt ihr nicht einmal die Klappe halten. Ich versuche mich zu konzentrieren!"
Beleidigt war ich für ein paar Sekunden still, bevor ich fragte „Weiß jemand die Lösung?" Auffordernd sah ich Kay an.
"Wie wäre es denn mit Feuer?"
Fragend schielte ich zu ihm hinüber und fragte: „Wie kommst du denn jetzt da drauf?"
„Naja. Feuer braucht immer irgendetwas zum Brennen und es wird immer größer, also in diesem Fall hungriger, wenn es mehr Material bekommt. Wenn es aber nichts mehr zum Brennen hat, stirbt es beziehungsweise erlischt", erklärte er und zuckte am Ende mit den Schultern.
Lächelnd tätschelte ich ihm die Schulter und sagte: „Das hast du gut gemacht. Mir stellt sich jetzt nur die Frage, wo wir Feuer finden. Hier wird es ja hoffentlich kein Waldbrand geben." Etwas misstrauisch sah ich mich um. Alex seufzte und stand von der Sitzbank auf.
Danach stellte er sich neben mich und meinte: "Irgendeiner müsste auf einen Baum klettern und gucken, wo Rauchwolken aufsteigen!"
Ich meldete mich freiwillig und kletterte an einem großen Laubbaum hoch. In der Ferne erblickte ich kleine, graue Wolken, die gen Himmel aufstiegen und Sekunden später verschwanden. Vorsichtig kletterte ich wieder nach unten und berichtet den Beiden, was ich gesehen hatte. Gleich danach gingen wir weiter, den Gehpfad entlang.

Nach zehn Minuten erkannten wir in der Ferne ein riesiges Feuer, inmitten einer riesigen Lichtung. Wir liefen darauf zu und sahen einen gelben Zettel auf einem Tisch liegen. Der Tisch war aufklappbar. Wie bei den Stadtfesten in unserer kleinen Stadt. Kay las vor:

Ich bin groß aber auch klein. Schwebe in der Luft und bin sehr fein. Bin 29% der Erde und liege in Meere.

„Das ist ja mal total einfach. Es ist Erde. Also looosss Leute, wir müssen an irgendeinen Felsblock oder so was ähnliches", sagte Alex laut und lächelte, wurde aber zum Ende hin leiser, als wir ihn überrascht ansahen.

Wir suchten eine halbe Stunde nach dem Felsblock und fanden ihn schließlich unter Bäumen versteckt, mitten im Wald. Von dem Stein gingen verschiedene Wege in alle möglichen Himmelsrichtungen ab. Ein weißer Zettel klebte an dem großen Stein. Alex las laut vor:

Was haben alle vier Rätsel gemeinsam? Wenn ihr dies herausfindet, werden euch die Karten den Weg weisen!

Was sollte denn das bedeuten? Ich betrachtete die Karten genauer. Wasser, Luft, Feuer und Erde. Das waren alle Lösungen. Ich drehte die Blätter auf die Rückseiten und hielt sie ins Licht.
„Hey Leute, kommt mal her. Ich hab hier was entdeckt!", rief ich. Beide kamen zu mir gelaufen und sahen hoch zu den Karten.
„Was sollen die Symbole bedeuten?", fragte Kay.
„Ich habe keine Ahnung", schüttelte ich ratlos den Kopf.
Vor uns waren verschiedene Muster in den Karten abgebildet. Vielleicht musste man sie ja nur richtig aneinander halten? Ich drehte und tauschte die Karten miteinander, bis es so halbwegs ein schönes Bild ergab.
„Leute seht mal, dass da in der Mitte sieht aus wie ein E!", zeigte Alex auf die bestimmte Stelle. Kay und ich kniffen die Augen zusammen und starrten die Blätter in meinen Händen an. Es stimmte. Das E war mit vielen Ranken umgeben und fiel eigentlich nicht so recht auf, wenn man mal von dem geraden und senkrechten Strich absah.
Fragend drehte ich mein Kopf zu Alex nach hinten.
„Und was soll das E jetzt bedeuten?" Er zuckte mit den Schultern.
Plötzlich fingen die Blätter in meiner Hand an warm zu werden. Meiner Meinung nach VIEL zu warm. Verwirrt schaute ich zu ihnen hoch und bekam große Augen, als ich sah, was mit ihnen passierte.

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