Die Halbgöttin

Kapitel 14

Laylas Sicht:

„Wissen wir nicht genau“, murmelte Sam und half mir langsam auf. Zur Sicherheit, damit ich nicht umfiel, hielt er mich an meinen Schultern fest.
„Wie? Ihr wisst es nicht?“, fragte ich irritiert und krallte mich mit meinen Fingernägeln an seinen Armen fest. Meine Beine fühlten sich wie Wackelpudding an. Nicht gerade eine gute Voraussetzung, um standhaft zu stehen.
Sam nickte und meinte: „Du hast meinen Vater weggeschleudert und bist dann vom Boden abgehoben. Dann umkreisten dich die vier Elemente: Erde, Feuer, Wasser und Luft.“ Er zuckte mit den Schultern. Ungläubig schaute ich zu ihm auf.
„Du willst mich doch verarschen“, sagte ich skeptisch zu ihm. Schnell schüttelte er den Kopf.
„Das stimmt! Ehrlich! Frag die anderen“, deutete er mit einer Kopfbewegung hinter sich. Ich lehnte mich ein wenig nach rechts, um die anderen besser sehen zu können. Doch ich sah nur Mona, die uns neugierig musterte.
„Geht es dir gut?“, fragte sie mich.
Ich nickte und brummte gedanklich ein „Ja.“
„Wollen wir zu ihnen gehen?", riss mich Sam aus meinem Betrachten, sodass ich wieder zu ihm schaute. Erst jetzt bemerkte ich, wie nah aneinander wir standen, wodurch das Kribbeln in meinem Bauch wieder da war. Ich nickte auf Sams Frage hin, da ich Angst hatte vor Nervosität zu stottern, und ging mit seiner Unterstützung langsam auf die Hündin zu. Auch wenn ich mit ihm einen Streit hatte und er mich auf dem Schulhof mies behandelte, konnte ich dennoch nicht meine Gefühle zu ihm unterdrücken. Ich war dabei mich völlig in ihn zu verlieben. Ob ich nun wollte oder nicht, war meinem Körper egal!

Elegant stand Mona nun auf, weshalb ich nun auch die anderen sehen konnte. Schwach lächelnd beobachtete ich, wie Ally Kandor sanft auf dem Boden absetzte und er direkt über die vielen Erdlöcher auf mich zu sprintete. Laut bellend lief er um uns herum.
„Wie geht es dir?“, fragte Thieranon, als wir bei ihnen ankamen.
„Gut soweit... glaube ich“, lächelte ich verunsichert. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als alle außer Sam meinen Kopf musterten. Hatte ich dort irgendetwas? Zögerlich tastete ich mich an meinen Haaren hoch, bis ich mit meinen kurzen Nägeln an etwas hartes stieß. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Meine Augen weiteten sich vor Panik.
„Was ist das?“, fragte ich hysterisch. Energisch umgriff ich das Etwas und fuhr die Konturen nach. Ich ertastete kühle Pflanzen, die das raue Material umschlungen. Meine Gesichtszüge entglitten mir nun vollständig. Was zum Teufel war das auf meinem Kopf?
„Sie sehen aus, wie Widder Hörner, nur nicht so geringelt. Ich glaube die sind aus Holz", beschrieb Ally sie grübelnd.
„Hat jemand vielleicht einen Spiegel?“ Hoffnungsvoll schaute ich sie an. Kay kramte in seiner Hosentasche herum, zog etwas viereckiges heraus und warf es auf mich zu. Überrascht, dass er einen Spiegel hatte, sah ich ihn an und fing geschickt das Utensil mit einer Hand auf. Mir wurde angst und bange, als ich den Spiegel vor mich hielt und die Hörner auf meinem Kopf sah.

Kalsmarik mora sinstora lossske.

Überrascht ließ ich den Spiegel fallen. Was war denn das? Es hörte sich wie meine Stimme an, aber gedacht hatte ich es nicht. Verwirrt schüttelte ich den Kopf und hob schnell das viereckige Teil wieder auf.
„Ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte Sam neben mir besorgt.
„Ja- Ja. Ich glaube schon“, fasste ich mir an meine Stirn. Was war nur los mit mir? Hörte ich jetzt etwa schon Stimmen?
„Nein tust du nicht. Ich habe es auch gehört“, meinte Mona und sah mich aus ihren blau, roten Augen wachsam an.
„Was gehört?“, fragte Sam verwirrt in die Runde. Verwundert sah ich ihn an. Hatte Mona etwa in allen Köpfen gesprochen?
„Sie hat ein Flüstern in ihrem Kopf gehört. Welche Sprache das war, weiß ich aber nicht“, erklärte Mona.
„Wiederhole es mal bitte“, forderte der König.
„Ähm... Kalsmarik mora sinstora lossske?“, wiederholte ich verunsichert. Erschrocken zuckte ich zusammen, als die Hörner von meinem Kopf fielen und dabei gegen meinen Rücken knallten. Sam fing sie zum Glück gerade noch rechtzeitig auf und übergab sie mir vorsichtig. Dankend lächelte ich ihn mit rot anlaufenden Wangen an und nahm die Hörner behutsam in meine Hände. Warum wurde ich denn jetzt schon wieder so nervös? Das war doch scheiße!
Neugierig traten die anderen näher an mich heran und beobachteten, wie sich die bunten Blüten, welche an Ranken hingen, langsam schlossen.
„Sieht aus wie ein Haarreif“, murmelte Sam neben mir. Ich nickte nachdenklich. Warum in Gottesnamen hatte ich Hörner auf dem Kopf? Okay. Ich war Widder als Sternzeichen, aber das hatte doch nichts hiermit zu tun! Oder?
Langsam fuhr ich die Konturen der Wurzeln nach, welche den Haarreif bildeten und betrachtete das etwas gerillte, dunkelbraune Holz.
„Das erinnert mich an irgendetwas“, nuschelte Thieranon, weshalb ich erwartungsvoll zu ihm auf sah. Eine tiefe Denkfalte hatte sich auf seiner Stirn gebildet. „Zeig mir mal bitte nochmal dein Tattoo“, bat er nach Sekunden plötzlich und hielt auffordernd seine Hand hin. Zögerlich zeigte ich ihm mein Handgelenk. „Das ist doch-“, hauchte er. Schlagartig sah er auf, weshalb ich vor Schreck leicht zusammenzuckte, und betrachtete die Anhänger von Mona und Kandor. „Das ist das Werk von Yuna der Mondgöttin“, rief er fassungslos aus. „Das glaube ich ja jetzt nicht! Jahrelang hat sie sich nicht blicken lassen und jetzt - jetzt hat sie ein Zeichen gesetzt. Aber was bedeutete das!" Wie ein Verrückter lief er aufgeregt umher und murmelte wirres Zeug vor sich hin. Irritiert blinzelte ich. Was war denn jetzt los?
„Vater. Klärst du uns mal bitte auf“, forderte Kay genervt. Der Mann blieb ruckartig stehen und hob den Finger. „Die Anhänger!“ Mit gerunzelter Stirn sah ich auf Monas und Kandor Brust. Die Ying- Yang Anhänger hingen nicht mehr an den Ketten.
„Sie sind der Schlüssel“, fuhr er fort und kam auf mich zu. „Layla hatte anscheinend eine Sperre in ihrem Körper, die Yuna mit diesen Ketten gelöst hat.“  Er blieb vor mir stehen und tippte auf mein Tattoo. „Sie dringen in dein Manakreislauf ein, der an dem Tattoo am stärksten ist, und reinigen dein Mana von der Sperre. Dein Körper hat es nicht geschafft die riesenmenge von Energie so plötzlich zu verarbeiten, die durch die Endsperrung frei gelassen wurde, und ist zu deinem Schutz in Ohnmacht gefallen. Dadurch konntest du aber nicht deine Kräfte kontrollieren, weshalb sie verrückt gespielt haben. Verstehst du was ich meine?“ Abwartend sah er mich an. Erstaunt nickte ich.
„Aber das klärt nicht die Frage, warum sie Hörner auf dem Kopf hat“, verschränkte Sam die Arme vor der Brust. Thieranon nickte zustimmend.
„Und was jetzt?“, stellte ich überfordert mit den ganzen Informationen die Frage in die Runde. Alle zuckten mit den Schultern und sahen sich gegenseitig ratlos an.
„Ich würde sagen, wir gehen mal zu Amaya. Sie weiß bestimmt was zu tun ist“, schlug Thieranon vor. Ich nickte zustimmend.
Mit den Hörnern in meinen Händen und Kandor bei Mona, machten wir uns auf den Weg zum Schloss.

~ ¤ ~

K

raftvoll drückte Sam die dicke Holztür des dritten Schlossturmes auf und lief, gefolgt von den anderen, die vielen Treppen hoch. Ganz oben angekommen, öffnete Thieranon eine weitere massive Tür und ging langsam herein. Da ich als letzte in den runden Raum trat, lehnte ich mich gegen die Tür, um sie kraftvoll zuzudrücken. Doch zu meinem Entsetzen war sie nicht so schwer wie angenommen und fiel deshalb laut krachend ins Schloss. Schuldbewusst zog ich meine Schultern hoch und sah mit einem leichten Lächeln hinter mich. Schmunzelnd schauten mich alle an und schüttelten den Kopf.
„Tschuldigung“, murmelte ich unsicher lächelnd. Hoffentlich war jetzt keiner böse auf mich. Schritte, wie jemand hastig die Treppen hinunter lief, erklangen. Unsere Blicke wandten sich der Frau zu, die nun verwundert auf der letzten Stufe stehen blieb. Ihre Augen wanderten an uns vorbei und blieben bei Thieranon stehen. Besorgnis zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab.
„Was ist passiert?“, schritt sie auf uns zu und musterte die paar Schrammen auf Thieranons Wange. Zärtlich fasste sie an diese und strich über die schon getrocknete Wunde. Während Thieranon sie sanft anlächelte, nahm er ihre Hand in seine und zog sie sanft von seiner Wange weg.
„Layla hat ihn weg geschleudert“, antwortete Ally gleichgültig und machte einen Knicks zur Begrüßung.
Verwirrt sah die Königin mich an. „Warum hast du das getan?“
Zerknirscht lächelte ich und erzählte ihr von dem Vorfall gerade eben.
Sie nickte und nuschelte ein „Verstehe.“ Ihre Aufmerksamkeit fiel wieder auf ihren Mann, als dieser ihre Hand los ließ.
„Setzt euch doch“, bot sie an und zeigte auf die zwei roten Couches, die mitten im Raum standen. Während wir auf die Sitzgelegenheiten zugingen, beobachtete ich interessiert aus den Augenwinkeln, wie die Königin ihre Hand auf die Schrammen legte und diese, nach einem aufleuchten ihrer Handfläche, verblassten. Als sie die Hand weg nahm, sah man keine Narben oder ähnliches mehr.
Dankend lächelte Thieranon sie an und sagte „Könntest du dir mal bitte die Hörner von Layla angucken? Sie hat sie gerade bekommen und wir wissen nicht, was es damit auf sich hat.“  Die Königin nickte und lief auf mich zu. Erst da bemerkte ich, dass ich einfach stehen geblieben war und alle schon saßen. Doch um sich jetzt noch hin zu setzten, war es zu spät. Ein wenig verlegen lächelte ich sie an und überreichte ihr die Hörner. Überlegend brummte sie auf.
„Setzte sie mal bitte auf“, reichte sie sie mir wieder. Verdutzt blinzelte ich sie kurz an, tat dann aber was sie wollte. Als der Haarreif auf meinem Kopf fest saß, merkte ich durch ein Kribbeln, wie sich die Wurzeln bewegten. Grübelnd schaute die braunhaarige Frau auf meine Geweihe und ging um mich herum. Sanft strich sie meine langen Haare zur Seite und entblößte meine spitzen Ohren. „Sehr komisch... Deine Geweihe verbinden sich mit deiner Kopfhaut hier hinter dem Ohr.“ Hastig lief sie auf ein Bücherregal zu und fuhr über die Bücherrücken. In der Zwischenzeit fasste ich panisch hinter meine Ohren, um nach zu prüfen ob es wirklich stimmte. Beunruhigt strich ich über glatte Haut, die von Haaren umgeben war. Das gab es doch nicht! Wie konnte das gehen? Amaya zog ein Buch heraus und schlug schnell darin herum. Plötzlich stoppte sie und ließ sich auf den Hocker, welcher dazu diente an die oberen Regale zu kommen, nieder.
Laut las sie vor „Die Krone der Elemente, auch bekannt als Götter Krone, besaß Melody Moon, die älteste Tochter von Yuna der Mondgöttin. Als Melody achtzehn Jahre alt war, wurde sie auf die Erde geschickt, um eine Auserwählte oder einen Auserwählten nach Sora zu bringen. Durch einen Regelverstoß verbannte ihre Mutter sie jedoch für alle Ewigkeiten aus Sora heraus.
Die Krone wird bei jeder neuen Geburt der Familie an das älteste Mädchen weitergereicht und verändert sich je nach Element und Stimmungslage. Eine Saga besagt, dass umso größer die leicht gewölbten Hörner sind, umso mächtiger ist der Besitzer. Die Geweihe verwachsen automatisch mit der Kopfhaut, wenn die Thronerbin sie auf den Kopf gesetzt bekommt, können aber mit einem Entriegelungszauber wieder entfernt werden.“

Erstaunt, dass Yuna doch die Wahrheit gesagt hatte, schnalzte ich verärgert die Zunge. Ich war mir so sicher, dass sie log. Mist! Beim nächsten Mal müsste ich mich bei ihr entschuldigen!
„Das heißt ja, dass du die Tochter von Melody bist und somit eine Halbgöttin!“, schrie Ally fassungslos aus und hielt sich die Hände vor den Mund.
„Ja, ich denke schon“, sagte ich verlegen. Ungläubig starrten mich alle an. „Ich konnte es auch nicht glauben, als Yuna mirs gesagt hat“, gab ich kleinlaut zu und lächelte verunsichert. Meine Hände spielten nervös mit dem dünnen Stoff des Kleides.
„Wann hast du sie getroffen?“, fragte Amaya verwirrt.
„Als ich so lange geschlafen hab“, antwortete ich leise. Thieranon schüttelte schmunzelnd seinen Kopf und ließ sich nicht sehr elegant auf das Sofa plumpsen. Belustigt darüber lächelte ich. Das sah echt lustig aus, wenn sich ein großer, kräftiger Mann auf eine kleine Couch setzte.
„Gut... Wenn das jetzt geklärt ist, können wir ja los zur Schule?“, unterbrach Kay die Stille und stand auf. Grob schob er mich auf die Tür zu.
„Muss ich denn jetzt schon wieder in die Schule? Ich bin doch erst aufgewacht!“, protestierte ich und drehte mich weg, sodass Kays Hände nicht mehr an meinem Rücken waren.
„Tut mir Leid Layla, aber ja. Da wir nicht wissen, welche und vor allem wie starke Kräfte du hast, ist es am besten, dass du lernst mit ihnen rechtzeitig umzugehen. Außerdem können wir dadurch auch mehr über deine Herkunft heraus finden und wie das hier alles passieren konnte“, erklärte mir Amaya ruhig und zeigte auf das Buch.
„Lasst mir doch wenigstens eine Woche, damit ich das hier alles verdauen kann“, flehte ich verzweifelt. Amaya sah fragend zu Thieranon.
„Nein!“, schüttelte dieser entschieden den Kopf. „Glaub mir. Es ist am besten du gehst jetzt schon auf die Schule. Den Stoff kannst du sonst nicht mehr so einfach nachholen!“ Frustriert, weil niemand wirklich Rücksicht auf mich nahm, ließ ich meine Schultern hängen. Wütend zogen sich meine Augenbraunen zusammen.
„Schön“, fauchte ich und marschierte auf die Tür zu.
„Layla.“ Amaya ging schnell auf mich zu und legte sanft eine Hand auf meine Schulter, weshalb ich zu ihr nach hinten sah. „Dir mag es im Moment ungerecht vorkommen. Doch irgendwann wirst du verstehen, warum wir so entschieden haben“, sagte sie ruhig.
„Ich will es aber jetzt verstehen und nicht irgendwann!“, rief ich aufgebracht.
„Tut mir leid, aber die Zeit ist dafür noch nicht gekommen!“, meinte Thieranon. Ruckartig zog ich meine Schulter nach vorne, weshalb Amaya ihre Hand traurig wegnahm. Warum sprachen alle auf einmal in Rätseln und sagten mir nicht einfach die Wahrheit!?
Sauer fixierte ich ihr Gesicht und zischte „Gut. Dann halt eben nicht!“ Mit Schwung öffnete ich die Tür, drehte mich zu Ally um, um Kandor behutsam aus ihren Armen zu nehmen, und trippelte die Treppen hinunter.
„Und trage deine Krone nur, wenn wir öffentliche Veranstaltungen haben. Wer weiß wer sonst hinter dir her ist“, hörte ich die Königin noch hastig die Treppe hinunter rufen. Traurig sah ich auf die beigen Treppen und seufzte frustriert auf. Am liebsten wäre ich jetzt auf mein Zimmer gegangen und hätte eine Runde geschlafen. Doch ich wollte keinen Ärger bekommen, weshalb ich brav den Weg zurück ging und draußen auf die anderen wartete. Mona musterte mich besorgt von der Seite, als ich bei ihr ankam. Sie war nicht mit nach oben gegangen, da sie zu groß war.
„Wie geht es dir?“, fragte sie ruhig.
„Nicht gut“, seufzte ich in Gedanken und legte den schlafenden Welpen auf ihren Schweif ab, damit er nicht auf dem kalten Boden liegen musste. Tränen schossen mir vor Verzweiflung, Wut und Frustration in die Augen. Schnell blinzelte ich sie weg. „Ich will doch einfach nur wieder nach Hause. Warum versteht das keiner?“, fragte ich sie und sah zu ihr hoch.
„Ach Layla“, seufzte Mona mitleidig und strich tröstend mit ihrer Wange an meinen Kopf vorbei. Schniefend legte ich meine Arme um ihren Hals und vergrub mein Gesicht in ihrem langen Fell. „Keine Sorge. Morgen sieht alles ganz anders aus. Vielleicht gefällt es dir dort sogar“, meinte sie zuversichtlich.
„Vielleicht“, murmelte ich nicht überzeugt.

~ ¤ ~


Sanft landete ich auf dem Schulhof und lockerte meine Flügel, indem ich sie schüttelte. Danach klappte ich sie zusammen und ging grimmig schauend auf den Eingang zu. Mona und Kandor waren im Wald geblieben. Sie meinte, dass sie Kandor noch ein wenig beim Fliegen lernen helfen wollte und ihn nachher vorbei brachte. Mir sollte es recht sein. So musste ich nicht so viel auf ihn aufpassen und konnte mich, trotz das ich nicht in die Schule gehen wollte, mehr auf den Unterricht konzentrieren.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Sam neben mir lief und mich verstohlen von der Seite anschaute. „Warum guckst du mich denn so an?“, fragte ich angepisst und schaute dabei geradeaus. Ich war auch sauer auf die anderen. Sie hätten ja mal ein Wort für mich einlegen können! Ertappt zuckte er zusammen und winkte ab. Argwöhnisch zog ich eine Augenbraue hoch. Jetzt war er auch noch zu feige, um mit mir zu reden! Was für eine Lusche!
Zusammen liefen wir nun durch die Schulflure und blieben vor der Tür stehen, die zu Elrias Unterricht führte. Selbstbewusst öffnete Kay die Tür. Fasst schon zu energisch, würde ich sagen.

Mein Blick huschte über die Elfenmenge und blieb bei Hunter hängen, der mit seinen Kumpels an der Wand lehnte und gelangweilt Frau Elria zuhörte. Nervosität machte sich in mir breit, als mir der Vorfall mit der Windkugel wieder einfiel. Hoffentlich tat er mir nichts. Hunter sah nämlich nicht gerade so aus, als wäre er der bravste und anständigste Schüler! Die Augen des schwarzhaarigen wanderten zu uns, weshalb ich schnell von ihm weg sah und beobachtete, wie die Lehrerin auf uns zu kam.
„Schön dich wohlauf zu sehen“, lächelte sie mich an, als sie vor uns stehen blieb. Milde lächelte ich zurück. Wenigstens eine Elfe, die nach meinem Befinden fragte. Ihr Blick blieb stechend an den anderen hängen.
„Zwei Stunde nachsitzen, da ihr ganze vier Stunde zu spät seid“, donnerte sie ihnen an den Kopf. Alle zusammen stöhnten auf. Schadenfroh musste ich mir ein Grinsen verkneifen. Geschieht ihnen recht! Kama ist wohl doch wieder auf meiner Seite.
Elria klatschte einmal erfreut in die Hände und drehte sich auf den Absatz um. „So meine lieben Schüler, da Layla nun wieder da ist, können wir ja mit dem Flugunterricht beginnen“, schrie sie den Schülern zu. Ein aufregendes Gemurmel ging durch die Gruppen.

Zusammen mit den anderen gingen wir nun auf eine große Lichtung, die mit dicken, hohen Felsen ausgestattet war. Wir stellten uns alle in einer Reihe auf und schauten die junge Frau gespannt an. Sie stand mit gespreizten Beinen und hinter den Rücken verschränkten Armen ein paar Meter vor uns entfernt. Abrupt setzte sie sich nun in Bewegung und ging, wie eine Soldatin, an uns vorbei. „Zu einer Flugausbildung gehört nicht nur gut Fliegen zu können und prima auszusehen. NEIN! Dazu gehört Disziplin, Ausdauer, Kampfgeist, Geschicklichkeit, Gefühl für seinen Körper und auch Sanftheit. All dies werdet ihr bei mir lernen und am Ende des Schuljahres beweisen müssen“, brüllte sie die Wörter nur so heraus. Streng schaute sie jeden in die Augen, während sie an uns vorbei marschierte.
„LAYLA“, schrie sie, als sie in der Mitte stehen blieb und sah mich an. Ich schreckte auf. „Komm zu mir.“ Eingeschüchtert ging ich auf sie zu und stellte mich vor sie hin. „Bist du schon mal geflogen?“ Ernst fixierte sie mich mit ihren Augen. Ein verunsichertes Nicken von mir. Sie machte mir gerade eindeutig zu viel Angst.
„Gut“, nickte sie. Nun ging sie um mich herum, tippte mir zwischen meine Schulterblätter und befahl „Strecke deine Flügel aus.“ Langsam faltete ich meine Schwingen auseinander und spielte nervös mit meinen Fingern. Warum musste ich immer die erste sein? Auf meiner alten Schule war das auch so und hatte mir schon etliche peinliche Situationen beschert.
Frau Elria bedeutet den anderen noch weiter zurück zu gehen und lief gleichzeitig von mir weg.
„Schlage kräftig mit deinen Flügeln und versuche uns weg zu schleudern“, rief sie mir nun in zehn Metern Entfernung zu.

Ich flüsterte ein „Okay“ und holte schnell mit den Flügeln aus, um sie gleichdarauf kraftvoll nach vorne zu stoßen. Durch die Wucht stolperte ich selber nach hinten und fiel hart auf meinen Po. Als ich aufsah, lagen alle auf dem Boden und setzten sich nun langsam auf. Erschrocken rannte ich auf sie zu und half der Lehrerin auf. „Alles okay mit Ihnen?“ Besorgt schaute ich an ihr herunter.
Lächelnd nickte sie. „Mir geht es gut Kind. Du hast eine ungemeine Kraft in deinen Flügeln. Wir müssen unbedingt üben, dass du sie kontrollieren kannst, sonst wird das mit dem Fliegen nichts“, meinte sie und lächelte mich stolz an. Verlegen schaute ich zur Seite und nuschelte ein danke. Langsam rappelten sich wieder alle auf und gingen auf uns zu. „So und das machen jetzt alle hintereinander“, klatschte Frau Elria in die Hände.

So verging unser Flugunterricht recht schnell. Erleichtert streckte ich mich, als die Pause anfing und ging in die Cafeteria. Sofort entdeckte ich Ally, da sie die einzige war, die ganz alleine an einem Holztisch saß und irgendetwas blau, wackeliges aß. Ergeben seufzte ich auf. Ich sollte nicht sauer auf sie sein. Sie konnte nun wirklich nichts dafür, dass Sams Eltern so rücksichtslos waren! Leicht lächelnd ging ich auf sie zu und setzte mich neben sie. Verwundert sah sie mich an. Ich ignorierte ihren auffordernden Blick und betrachtete die Wackelpudding ähnliche Substanz auf ihrem Teller.
„Was isst du denn da?“, fragte ich über den Teller von ihr gebeugt. Lächelnd schob sie mich sanft weg und meinte „Das ist Kleros. Sehr lecker. Willst du mal probieren?“ Sie schob mir einen Löffel voll von diesem Zeug hin und hielt die Hand schützend darunter, damit nichts auf den Tisch tropfte. Skeptisch schaute ich das glibbrige Zeug an und näherte mich dem Besteck. Ich öffnete den Mund und nahm den Löffel in diesen. Mit meiner Oberlippe, schob ich es auf meine Zunge und kaute ein wenig. Es schmeckte ein wenig nach Blaubeeren und noch etwas. Irgendwie kam ich gerade nicht darauf. Überlegend schob ich es in meinem Mund hin und her.
„Und? Nach was schmeckt es?“ Auffordernd schaute mich Ally an.
„Nach Blaubeere und....“ Ich schnippte mit dem Finger. „Ich hab's auf der Zunge liegen. Warte.....“ Ally grinste mich an.
„Soll ich dir einen Tipp geben?“ Schnell nickte ich. „Es ist beides rot.“
Ich starrte auf die Tischplatte und zog die Stirn kraus.
„ERDBEERE UND HIMBEERE“, rief ich erfreut aus, als es mir einfiel. Belustigt lächelte sie mich an und nickte. Wie ein kleines Kind hüpfte ich auf der Bank herum und bettelte meine Freundin an, mit mir zum Buffet zu gehen. Gequält stand sie auf und lief genervt nach vorne. Fröhlich ging ich ihr hinterher.

An der Theke angekommen, nahm ich mir ein Tablett und ging die Reihe lang. Hier lagen viele Sachen, die ich noch nie gesehen hatte. Ich schmiss mir einfach alles auf meinen Teller, was ich nicht kannte und ging zu meinen Tisch zurück. Auf meinem Teller lagen verkrüppelt aussehende Tomaten, ein violetter Apfel, der blaue Schleim, den auch Ally gegessen hatte, und lecker aussehende Kekse. Aufgeregt griff ich nach meiner Gabel und probierte die 'Tomate'. Sie schmeckte ganz normal, nur das viel mehr Saft drin war, als bei uns auf der Erde. Nun war der Apfel dran. Kräftig biss ich in den Apfel und kaute herum. Er schmeckte sehr süß und irgendwie auch nach Nebel. Ich spülte die Reste mit Wasser runter und aß schnell den Schleim auf. Zu guter Letzt holte ich den Keks und schob ihn in meinen Mund. Er schmeckte komisch nach Fleisch und Speck.
„Was hast du da gerade gegessen?“, fragte Ally leicht in Panik.
Schnell schluckte ich runter und meinte verwundert „Einen Keks. Warum?“ Ihre Gesichtszüge entglitten ihr vollständig.

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