Adrenalin Schub

Kapitel 28

Luna holte Anlauf und stieß sich ein paar Zentimeter vor Ende des Podestes ab. Blitzschnell breitete sie die Flügel aus und flog langsam gen Himmel. Dabei hüpfte ich, wegen dem auf und ab schlagen ihrer Flügel, ein wenig auf dem Sattel herum. Vorsichtig schaute ich nach unten und beugte mich ein wenig auf die Seite. Mir wurde augenblicklich schwindelig. „Ach du scheiße", wisperte ich und festigte meinen Griff um die Zügel. Das war echt verdammt hoch. „So Luna. Dann probieren wir mal ein paar Flugmanöver aus. Aber ganz vorsichtig ja?" Sie piepte zustimmend und nickte mit dem Kopf. Daraufhin zog ich die Zügel nach rechts und beugte mich in die besagte Richtung. Luna flog nun im Kreis. Nun setzte ich mich wieder gerade hin und ließ die Zügel locker, um Sekunden später alles auf der linken Seite zu wiederholen. Lächelnd schepperte ich nun die Füße an ihren Bauch. Ruckartig flog sie senkrecht nach oben. Überrumpelt lehnte ich mich weiter nach vorne und schloss die Augen. „Gut Luna", schrie ich und zog an beiden Zügeln. Sofort stoppte sie und schwebte in der Luft. Erleichtert atmete ich tief durch und schloss meine Augen. „Gut. Und jetzt machen wir mal ein paar Loopings ja?" Wieder nickte sie mit dem Kopf. Wir wurden immer und immer schnell, bis ich meine Beine nach unten drückte und die Zügel ruckartig nach links zog. Kurz herrschte Schwerelosigkeit, als wir uns drehte. Danach plumpste ich auf den Sattel und schrie erschrocken auf.
Klar, ich hatte selber Loopings gedreht, doch jetzt lenkte ich nur und musste mich auf Luna verlassen. Der Vogel schrie erfreut auf und nickte immer wieder mit dem Kopf. Ganz langsam kroch das Adrenalin in mein Blut. „Ha...ha..hahahaha", lachte ich und machte immer wieder Loopings, bis mir schwindlig wurde. Außer Atem, weil ich dauernd herum geschrien und gelacht hatte, ging ich in den Sinkflug über und steuerte auf das Brett zu. Nach ein paar Sekunden kamen wir stockend auf dem Holz an und blieben schlussendlich stehen.

Ruby half mir aus den Schlaufen und hob mich vorsichtig von dem Sattel hinunter. Dankend nickte ich ihm zu und versuchte alleine stehen zu bleiben. Doch so einfach ging das mit Wackelpudding Beinen nicht. Lachend fing mich Ruby auf und stützte mich. „Na das war ja mal eine Flugschau. Hast richtig rein gelegt mit den Loopings!"
Grinsend nickte ich und klopfte ihm auf die Schulter. „Du kannst mich los lassen." Er nickte und stellte sich wieder gerade hin. Gleichdarauf legte er seine Hände sicherheitshalber auf meine Schultern.
„Und? Wie wars?", fragte mich Flora und legte ihre Hand auf den Babybauch.
„Geil! Ich war zwar zuerst ein wenig erschrocken, aber dann hats voll Spaß gemacht", grinste ich. Während sie nickte, wanderte mein Blick auf ihren Bauch. "In welchem Monat bist du eigentlich?"
Überrascht bekam sie große Augen und antwortete „In dem sechsten Monat. Warum willst du das denn Wissen? Bist du Forscherin?"
Lachend, da mich alle mit Tellergroßen Augen anstarrten, verneinte ich. „Warum sollte ich Forscherin sein?", fragte ich nun verständnislos. Sie sahen sich gegenseitig fragend an und zuckten daraufhin ratlos mit den Schultern.
"Ich meine nur... weil sonst nie jemand fragt", erklärte Flora peinlich berührt. Verwundert zog ich meine Augenbrauen nach unten.
"Ich frag eigentlich immer... es könnte aber auch daran liegen, dass meine Mutter Hebamme ist und ich schon bei drei Geburten dabei war", überlegte ich laut.
„Was ist eine Hebamme?"
Nachdem ich kurz verwirrt blinzelte, erklärte ich ihnen lächelnd, dass es eine Frau ist, die bei der Geburt sowie davor dabei ist und die Schwangere unterstützt. Staunend nickte alle. Ash stellte sich neben Flora und küsste sie auf die Wange.
„Und? Hat man dir schon gesagt, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?"
Auf meine Frage hin meinte Thistle „Bei uns kann man das nie genau sagen. Und Flora will sich auch glaube ich überraschen lassen, oder?" Lächelnd nickte das Paar.
„Achso", nuschelte ich und knabberte nachdenklich auf meiner Lippe. Ich würde glaub ich wissen wollen, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird. Aber jedem ist die Entscheidung ja selber überlassen!

Während ich dort grübelnd herum stand, legte Ash Luna das Zaumzeug ab und ließ sie zu den anderen Vögel fliegen, die oben am Himmel spielten.
„Warum habt ihr eigentlich Vögel? Ihr könnt doch fliegen", fiel es mir plötzlich ein.
Schmunzelnd antwortete Amy leise „Weil die Kraft unserer Flügel nicht ausreicht, um bis nach ganz oben auf einen Baum zu fliegen oder im Kampf an Gegner vorbei zu düsen. Und außerdem helfen sie uns Sachen zu transportieren und unterstützen uns in einem Kampf, mit Elementar Magie." Verstehend nickte ich und lächelte mild. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht!
„Und? Wo gehen wir jetzt hin?" Alle schauten sich ratlos an, als Flora die Frage stellte.
„Ihr habt doch bestimmt ein Samenfeld oder so. Da würde ich mal gerne hin", meldete ich mich leise zu Wort. Flora klatschte erfreut in die Hände.
„Gut dann gehen wir-."

Plötzlich fasste sie sich mit großen Augen an ihren Bauch. Beunruhigt legte Ash seine Hand auf ihre und musterte sie prüfend von der Seite, wodurch sie aus ihren Gedanken schreckte. Als sie in sein Gesicht sah, bildete sich ein warmherziges Lächeln auf ihren Lippen.
"Es hat nur getreten", teilte sie uns mit, woraufhin die Feen ihre verspannte Körperhaltung lockerten. Ich grinste belustigt. In so welche Momente kam ich wegen meiner Mutter schon des Öfteren. Und in den meisten Fällen war es nicht nur ein Tritt.
Verträumt wanderte mein Blick zu Kandor, der Mona auf der Wildblumenwiesen hinterher jagte. Dadurch, dass er im Gegensatz zu ihr so klein war, joggte Mona eher über das Grün, als von ihm weg zu rennen. Auf einmal griff Flora nach meiner Hand und legte sie auf ihren Bauch. Überfordert stolperte ich zwei Schritte auf sie zu und starrte perplex in ihre Augen.
"Fühl mal", lächelte sie. Unbehaglich sah ich auf den Boden, da ich es nicht mochte jemanden ungewollt anzufassen, konzentrierte mich einen Augenblick später jedoch auf jede Bewegung, die in ihrem Bauch vorging. Dann da! Ganz unerwartet war ein kleiner Aufschlag gegen ihre Bauchdecke zu spüren. Entzückt lächelte ich und nahm meine Hand von ihrem Bauch, woraufhin sie mich warm lächelnd ansah. Ich wusste nicht warum, doch Mütter hatten ein ganz bestimmtes Lächeln drauf, das nur sie konnten. Es war wie eine warme Hand, die mein kaltes Herz schützend umhüllte. Sehr angenehm. 

„Layla? Hast du mir zugehört?" Verwirrt sah ich zu Amy hinüber, die mich zweifelnd an sah.
„Tschuldigung war in Gedanken", murmelte ich schuldbewusst. 
Die vierzehn jährige Fee seufzte genervt und wiederholte „Wir gehen jetzt zu den Soldaten und überfliegen dabei die Samenfelder. Möchtest du ein Vogel oder willst du selber fliegen?"
„Ich flieg selber!" Alle nickten und stiegen auf ihre Vögel. Ich ließ meine Flügel wieder erscheinen und breitete sie aus. „Ich flieg schon mal hoch", rief ich ihnen zu und schlug mit den Flügel ein wenig, damit die Muskeln sich lockerten. Ohne auf eine Antwort zu warten, flog ich gen Himmel und durch die dünne Wolkendecke hindurch. Nun stoppte ich und wartete auf die anderen.

Diese kamen nach ein paar Sekunden zu mir hoch geflogen und grinsten mich an. Flora und Ash, die zusammen auf einem Vogel saßen, stießen als letztes zu uns. Wahrscheinlich mussten sie langsamer, wegen dem Baby fliegen.
„Gut. Wer fliegt vor?", fragte Ruby.
Thistle meldete sich und rief „Ich, Ich!"
Plötzlich sagten alle im Chor „NEIN!"
Beleidigt verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Das ist total unfair. Nur weil ich immer schneller bin und ihr so langsam!" Sie zog eine Schnute und blies die Wangen auf. Schmunzelnd beobachtete ich die weitere Diskussion zwischen Ruby und Thistle.
„Ja du bist einfach viel zu schnell. Und weil Flora nicht so schnell fliegen darf, kommt es nicht infrage, dass du vor fliegst!"
„Oh man", warf sie ihre Arme energisch nach unten und zappelte mit den Beinen.
„Jetzt sei nicht so bockig", meldete sich nun Amy zu Wort.
Seufzend streckte ich meinen Finger in die Höhe und sagte laut „Gut. Da ihr euch nicht entscheiden könnt, lose ich nun jemanden aus. Ene mene miste, es rappelt in der Kiste, ene mene meck und du bist weg." Das ging so weiter, bis alle weg waren außer Ash. Die anderen nörgelten daraufhin laut, doch nach ein paar Sekunden herrschte Ruhe und wir konnten alle weiter fliegen.
„Und jetzt erzählt mir mal, was es bei den Soldaten so spannendes zu sehen gibt", flog ich neben Ash her. Während er kurz überlegte, beobachtete ich fünf Meter unter mir das große Feld. Zwischen saftig grünem Gras, das genauso groß war wie ich, und Löwenzahn schauten bunte Blumen vorwitzig hervor. Feen nahmen verwelkte Blätter oder Blüten ab und schmissen sie auf Holzschubkachen, die von Ameisen gezogen wurden. Belustigt grinste ich. Hier ging es wie auf einem Baunerhof zu. Eine braun gekleidete Fee erregte meine Aufmerksamkeit, als sie sachte, auf einem Samen des Löwenzahnes stehend, unter uns vorbei schwebte und mit einem gekonnten Sprung auf dem Boden landete.
„Nichts!", hörte ich Ash neben mir sagen. Irritiert wandte ich ihm mein Gesicht zu.
„Und warum fliegen wir dann da hin?" Verständnislos schüttelte ich den Kopf und passte mich ihrem langsamen Tempo an.
„Weil wir, beziehungsweise ich, dir zeigen will, wie wir unsere Soldaten ausbilden und wie unsere Waffen aussehen. Das muss man immer mal gesehen haben... Bist du nicht mal mit irgendeinen Freund in die Zentrale von euren Kriegern gegangen?"
Langsam schüttelte ich den Kopf und erwiderte „Warum sollte ich zu den Kriegern gehen? Wenn es Krieg gäbe, müssten doch sowieso nur die Männer oder Jungs raus! Oder?"
Lachend schüttelte Flora den Kopf. Sie saß vor Ash, der seine Hände auf ihrer Taille liegen hatte. Belustigt lächelte ich über den Anblick. Mit ihrem runden Bauch und ihrer kleinen Statur passte sie so gar nicht zu dem großen und stattlichen Mann hintendran.
„Jeder muss dann kämpfen. Egal ob Mann, Frau oder noch Jugendlicher. So ist das bei uns und bestimmt auch bei euch Elfen." Nachdenklich schwieg ich und wandte meinen Blick nach vorne. Wenn es bei den Elfen auch so war, fragte ich mich wirklich, wer dieses Gesetz veranlasst hatte. Ich meine, Kinder konnten doch nicht in den Krieg ziehen! Sie sicherten doch die Zukunft von diesem Land!

Empört schüttelte ich den Kopf und steuerte mit den anderen auf eine gemähte Wiese zu, auf der vereinzelt Büsche wuchsen. Stolpernd landete ich auf den stumpfen Grashalmen. Verwirrt blickte ich mich nach Soldaten um, doch keiner war in Sicht.
„Und wo sind sie jetzt?", drehte ich mich zu den anderen um. Ihre Aufmerksamkeit galt jedoch nur ihren Vögeln, die sie absattelten. Nur Flora stand zwei Meter von mir entfernt und schaute mich schmunzelnd an.
"Du wirst sie schon noch früh genug sehen Layla", meinte sie dann leise.
Unzufrieden brummte ich ein "Okay."
Während die anderen sich weiter um ihre Tier kümmerten, sah ich mich neugierig um. Bäume, Äste, Sträucher, Sonnenstrahlen. Alles wirkte um mich herum so groß.
Tief atmete ich die frische Waldluft um mich herum ein und schloss meine Augen. Gewärmt von den Sonnenstrahlen über mir, schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. In der Natur war es doch noch am schönsten.
Verdutzt schlug ich meine Augen auf, als ein leises Rascheln über mir erklang. Neugierig sah ich auf und kniff meine Augen zusammen, um besser in die Ferne sehen zu können. Wage machte ich eine schlanke Person aus. Waren das die Soldaten? Neugierig beobachtete ich, wie ein Seil vor mir hinunter geworfen wurde und eine Fee an ihm hinunter rutschte. Eilig trat ich einen Schritt zurück, damit sie mir nicht auf den Kopf sprang. Eine Berührung an meiner Schulter ließ mich erschrocken zusammen zucken.

"Hallo", grinste mich ein Mädchen an, als ich mich umdrehte und unbeholfen ein paar Meter zurück stolperte. Prompt fiel ich auf meinen Po. Mit schmerzverzerrtem Gesicht rieb ich meine Hüfte und versuchte auf zu stehen, was mir bei den Schmerzen aber nicht gelang. Seufzend sah ich die Hand an, welche mir entgegen gestreckt wurde. So langsam glaubte ich, dass ich nicht nur tollpatschig und schreckhaft war, sondern mich auch bei neuen Bekanntschaften immer zum Affen machte. Zögerlich ergriff ich die Hand und schaute hoch, in eisblaue, klare Augen - ähnlich die eines Huskys. Mit einem Ruck wurde ich nach oben gezogen.
„Die Gerüchte scheinen wahr zu sein", kicherte die Frau, welche Feuerrote, voluminöse Haare hatte. "Die Halbgöttin ist wirklich schreckhaft!"
Beleidigt klopfte ich den Dreck von meiner Hose und wich ihrem musternden Blick aus.
„Na anscheinend kennst du mich, aber ich dich nicht!", murmelte ich griesgrämig.
Die Frau nickte grinsend und streckte mir ihre Hand entgegen. „Ich bin Roxana. Roxana Islor, die Leiterin der Xavier-Schule. Ich heiße dich hiermit herzlich willkommen auf unserem Übungsplatz!" Versöhnlich drückte sie sanft meine Hand und ließ diese danach los. Leise dankte ich ihr und sah den anderen zu, wie sie die Sattel der Vögel dem Mädchen gaben, welche hinter mir das Seil hinunter gerutscht war. Minuten später ließen wir die Wiese hinter uns und schritten an schulterhohen Holzstämmen vorbei.

"Wie kommt es, dass du uns besuchst?", fragte Roxana neugierig in die Stille hinein.
Ich zuckte mit den Schultern und antwortete "Ash meinte, dass man das hier unbedingt mal sehen muss." Breit grinste die Leiterin ihn daraufhin an und zog ihn mit einem Ruck zu sich.
"Da hat unser kleiner Oberleutnant recht." Verärgert befreite er sich aus ihrem Schwitzkasten und richtete sich auf.
Während er seine Haare zurecht rückte, fauchte er "Ich hab dir schon tausend mal gesagt, dass du das lassen sollst. Außerdem bin ich schon seit einem Jahr nicht mehr im Dienst!" Gleichgültig hob sie ihre Schultern und verschränkte ihre Hände hinter dem Rücken.
"Du bist und bleibst mein liebster Schüler", trällerte sie und flog ein wenig voraus. Nur mit Mühe konnte ich mir ein Grinsen verkneifen.

~ ¤ ~

"Und das ist unsere Empfangshalle", sagte Roxana stolz und sah sich mit einem Lächeln auf den Lippen um. Neugierig wanderten meine Augen durch den hohen Raum. Die Decke, die Wände und der Boden waren gänzlich aus Holz und miteinander verschmolzen, sodass es keine Ecken im Saal gab. Mein Blick glitt zu einem Steinbuch, das mitten im Raum auf einer Säule lag. Erhellt wurde es durch das weiße Licht, das durch das Loch in der Decke schien. Staunend glitt mein Blick über die riesigen Rankenpflanzen, welche wirr an der Decke, dem Boden und den vier Holzsäulen, die ein Quadrat um die Steintafel bildeten, entlang wuchsen.
"Für was ist das Buch?", fragte ich und ging zur Steinsäule.
"Das sind unsere Regeln." Wissbegierig beugte ich mich über den Stein. Um bei den vielen verschnörkelten Buchstaben nicht in den Zeilen zu verrutschen, legte ich meinen Zeigefinger unter das erste Wort. Dadurch fing die Schrift im Sekundentakt an grün aufzuleuchten. Schnell nahm ich meine Hand wieder von dem Gestein und schaute erschrocken hinter mich.
"Hab ich ihn jetzt kaputt gemacht?" Schmunzelnd schüttelte die Leiterin ihren Kopf und trat neben mich.
"Die Schrift wurde von unserer Göttin Blume hinein gemeiselt und mit ihrem Blut getränkt. Ihr Blut reagiert nur auf deine Berührung, da du eine Halbgöttin bist." Erleichtert atmete ich aus und nickte.
"Die Vorstellung ist irgendwie ekelig", murmelte ich einen Moment später und verzog mein Gesicht.
"Ich weiß", seufzte Roxana frustriert und drehte sich zu den andern um, die belustigt neben den zwei Holzsäulen standen.
"Na los. Ab mit euch", scheuchte sie die anderen nach vorne. Ash verdrehte gespielt seine Augen, während er mit Flora an der Hand zur gegenüberliegenden Tür des Raumes spazierte. Hastig ging ich den anderen hinterher. Als ich eine hohe Wurzel auf dem Boden sah, hob ich automatisch mein Bein, um über sie drüber zu stolpern. Zu meinem Staunen zog sie sich jedoch knacksend in die Wand zurück und schlängelte sich erst wieder langsam an ihren ursprünglichen Platz, als ich einen Meter von ihr entfernt war. Mit großen Augen blickte ich hinter mich. Eigentlich dürften mich so Sachen gar nicht mehr faszinieren. Aber naja... Ich war in meinem Inneren wohl immer noch ein Mensch.
Widerwillig wandte ich meinen Blick von den Nahrungsträngen ab und stolperte den anderen hinter her. Durch die Türen geschritten, blickte ich links und rechts auf Lederrüstungen, mit mir fremden, grünen Material, die an Holzstäben hangen, die waagerecht aus der Wand wuchsen.
"Unsere Rüstungen sind aus Leder, gehärtetem Harz, Holz und Pflanzenknochen gemacht. Die Waffen sind da eher normal. Sie bestehen aus einem mix von Metall und magiegetränkten Stein", erklärte Ash.
"Was sind Pflanzenknochen?", fragte ich und sah mich weiter um.
"Das ist das Skelett von einem Blatt. Das etwas helle, was das Blatt zusammen hält." Verstehend nickte ich.
"Fault das nicht irgendwann mal?", betrachtete ich skeptisch das dunkle Grün.
Thistle schüttelte den Kopf und zeigte auf drei verschlungene Pflanzenstängel, die zu den Rüstungen hinauf führten.
"Nach jedem Einsatz mit den Rüstungen werden sie an die Stängel angeschlossen, woher sie dann ihre ganzen Nährstoffe bekommen."
"Cool", nuschelte ich und sah hoch zur Decke, die nur aus Glas bestand.

Anschließend redeten wir über die verschiedensten Rüstungen und was sie für Funktionen im Krieg hatten. Erst als wir an einer Sackgasse ankamen, unterbrachen wir unsere Unterhaltung. Gespannt sah ich zu, wie sich die kleinen Rankenpflanzen nach links und rechts zurück zogen, sodass ein Torbogen entstand. Verdutzt starrte ich nun auf eine riesige Feenmenge, die etwas begeistert bejubelten.
"Wartet hier kurz", sagte Roxana beunruhigt und flog schnell zu einem kleinen Mädchen, das am Rande der Menge verängstigt stand.
Als das Kind die Direktorin sah, redete sie völlig außer sich auf die erwachsene Frau ein. Schmunzelnd legte sie eine Hand auf den braunen Haarschopf und beredete etwas mit dem Mädchen. Betrübt senkte sie ihren Kopf. Daraufhin winkte uns die Direktorin zu uns. Verunsichert folgte ich den anderen.
Bei ihr angekommen, führte sie uns still durch die Feenmenge, zum Anfang des braunen Zaunes. Neugierig streckte ich meinen Kopf in die Höhe. Zwei Personen, die in der Mitte des eingezäunten Platzes standen, bekämpften sich mit Schwertern. Faszinierend beobachtete ich die fließenden Bewegungen und fragte mich zur gleichen Zeit, wie viel Kraft es brauchte, um das zu meistern.

„Das ist Kio und Roni. Sie kämpfen fast jeden Tag gegeneinander und immer steht es unentschieden", rief die Schulleiterin schmunzelnd über die jubelnden Menge hinweg. Erstaunt nickte ich.

~ ¤ ~

Außer Atmen gaben sich die zwei Männer lächelnd die Hand. Nach und nach leerte sich der Platz, bis unsere Gruppe nur noch am Zaun stand.
„Willst du mal mit mir kämpfen?"
Überrascht sah ich Roxana einen Augenblick perplex an, bevor ich verunsichert antwortete „Ich hab aber bis jetzt nur einmal gekämpft und-."
„Das macht doch nichts", unterbrach sie mich und machte eine wegwerfende Handbewegung. Ehe in mich versah, zog sie mich schon über den Zaun, auf den Sandboden und drückte mir ein Langschwert in die Hand.
„Aber-", versuchte ich es wieder, woraufhin sie stur mit dem Kopf schüttelte. Seufzend gab ich es auf und hielt das Schwert mit beiden Händen fest. Es glänzte hell im Licht der Sonne und lag verwunderlicher weise leicht in meinen Händen. Entweder ich hatte mehr Muskeln bekommen, was ich ausschließen konnte, oder das Schwert war wirklich leicht.

Während ich darüber nachdachte, ging ich in Angriffsposition und wartete auf den ersten Angriff von Roxana. Mit schnellen Schritten rannte sie auf mich zu und versuchte meinen Arm zu treffen. Schnell wich ich nach links aus und zielte mit dem Schwert auf ihre Finger. Roxana bemerkte es zu meinem Unglück und nahm ihre Waffe zur Seite, sodass meine Klinge an ihr vorbei zischte. 'Misst' dachte ich verärgert und machte eine Drehung nach rechts. Nun stand ich hinter ihr und holte mit der Waffe aus, um sie an dem Rücken zu treffen.
Klirrend trafen unsere Klingen aufeinander. Verwirrt blinzelte ich. Wann hatte sie bitte ihre Waffe über ihren Kopf geführt, sodass die Klinge zum Boden zeigte? Schnell drehte sie sich um und stand wieder vor mir. Hüpfend ging ich nach hinten und überlegte mir, was ich weiter tun sollte.
„Für deinen zweiten Kampf gar nicht mal so schlecht", meinte sie grinsend. Ich nickte einfach nur und umkreiste sie. Dann rannte ich auf sie zu und stieß das Schwert kraftvoll nach vorne. Ächzend wehrte sie den Schlag ab und stemmte ihren Fuß nach hinten in die Erde. Da kam mir die Idee. Während ich weiter drückte, nahm ich mit meinem Bein aus und schlug ihr volle Kanne gegen die Kniebeuge des linken Beines. Sie knickte kurz ein. Ich verstärkte den Druck auf das Schwert, wodurch sie mit dem Rücken voran auf den Boden flog. Hastig führte ich die Schwertspitze an ihre Kehle. Doch im letzten Moment rollte sie sich zur Seite, stand auf und hielt mir die Klange an den Hals. Erschrocken versteifte ich mich.
„Gewonnen", keuchte sie grinsend. Anschließend zog sie das Schwert zurück und klopfte sich den Dreck von den Klamotten. Ich ließ meine angespannten Muskeln locker und atmete erschöpft aus. Sport war echt nichts für mich!
Lautes Klatschen und Pfeifen ließ mich erschrocken aufschauen. Viele Feen standen am Zaun und jubelten ihrer Schulleiterin zu.
„Also das hätte ich jetzt nicht erwartet. Du warst gut, auch wenn du verloren hast!" Verlegen lächelte ich Roxy an.
„Das war ja gemogelt. Ich hab dir gegen die Kniekehle getreten", murmelte ich reumütig und ging zum Zaun, um dann darüber zu klettern.
„Im Krieg wirst du ohne Mogeln auch nicht gewinnen!", klopfte mir die Leiterin versöhnlich auf die Schulter und ging zu unsere Gruppe.
"Ja, im Krieg", murmelte ich - unwohl bei dem Wort. Ich mochte es nicht darüber nach zu denken. Streit, Krieg, Eifersucht. All das war nicht gut für Feen, Elfen und andere Geschöpfe. Es brachte nur Chaos!
Seufzend schüttelte ich den Kopf und ging zu den anderen hinüber.

"Ly, Ly!", hörte ich Kandors gehetzte Stimme plötzlich in meinem Kopf. Überrascht blieb ich abrupt stehen.
"Wo bist du?", fragte ich in Gedanken und schaute mich suchend um. Einen Augenblick später erblickte ich ihn in der Feenmenge, die sich wieder in ihre Klassenräume begaben. Verängstigt taumelte er zwischen den Füßen der Umstehenden umher.
"KANDOR!", schrie ich hysterisch und stürmte auf die Menge los. Sein Kopf ruckte hoch. Fröhlich mich zu sehen, lief er los, wurde Sekunden später jedoch von einem Knie unter den Bauch getreten.
"WEG DA!", brüllte ich in Panik, als er jaulend zu Boden ging, und sprang hoch in den Himmel.

~ ۞ ~

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top