Dienstagsmail

Dienstagnacht. Wir sollen unserer Klassenlehrerin im Laufe des Tages eine Mail schreiben, etwas, das ich seit zwei Wochen vernachlässigt habe. Deswegen jetzt das, was ich so gerne schreiben würde.

Hallo.
Es tut mir leid, dass ich Ihnen erstens seit geraumer Zeit nicht mehr geschrieben habe und Sie zweitens jetzt mit meinen Gedanken zumüllen werde, aber weil ich vermutlich eh den Mut nicht haben werde das hier abzuschicken, ist das auch unwichtig. (Ich meine, was sollten sie auch mit den Gedanken einer komischen *trollis Klasse lol* anfangen, die sich eben gerade in einer hormonbedingt schwierigen Phase befindet?)
Frau M., ich bin es leid, Sie anzulügen, ich weiß nicht, wie der Rest der Klasse damit klar kommt.
Bis dato waren es Halbwahrheiten, die ich Ihnen aufgetischt habe, doch nun kann ich nicht mehr guten Gewissens sagen, dass es mir gut geht und ich kein Problem mit den Aufgaben habe. Deswegen schweige ich.
Mir geht es mental so schlecht, wie noch nie. Meine Gedanken sind ein einziger Sumpf, der mit jedem Tag wächst. Manchmal schrumpft er zu einer Pfütze, für kurze Zeit zumindest. Ich denke, diese Momente geben mir Kraft und Hoffnung, auch wenn sie verdammt schwer nachzuvollziehen sind, geht es mir nicht gut. Gestern war einer dieser Momente. Ich habe gemerkt, wie verdammt gut und komisch sich lachen anfühlt. Es ist nicht so, als würde ich nicht lachen, es ist einfach nur nicht so mitreißend. Entweder das müde Lächeln oder Gelächter, das nicht die Freiheit erreicht, die es haben sollte.
Doch Gestern war es ein Grinsen, das sich von einem Ohr über das andere erstreckt hat. Der Sumpf ist von Gasen überzogen, deren Zusammensetzung immer ein wenig anders ist. An manchen Tagen, in manchen Augenblicken ist es nur Nebel, doch dann füllt es sich mit Gift, drückt mich zu Boden und nimmt mir jegliche Willenskraft. Dann gibt es die Tränengas Momente, in denen mich jeder noch so kleine Windhauch umwerfen kann.
Ich habe den Sumpf eine Weile lang als meine Dämonen betitelt, aber irgendwie ist die Metapher hier anpassungsfähiger. Vielleicht gehören die Dämonen auch dazu. Die Angst vor Anderen, die Angst vor mir selbst und der kleine, unschuldige Junge, der immer wieder die Selbe Spieluhr aufzieht, bis er eine neue findet, deren Melodie einen noch kälteren Schauer hinterlässt.
Meine Gedanken sind ein Kreisel, die sich immer wieder wiederholende Melodie der Spieluhr, die Achterbahn in der endlosen Abwärtsspirale und ich, ich sitze in dem einzigen Wagon, mein Gurt ist gerade dabei sich zu lösen. Noch hält er, das weiß ich, doch wie lange wird er das noch tun? Darauf komme ich später zurück, erstmal zu meinen Gedanken.
Sie analysieren kleine, unbedeutende Themen, die ich mir viel zu sehr zu Herzen nehme, bis ich zu dem Punkt komme, dass es keinen Sinn ergibt, sich damit zu beschäftigen. Dann bleibt lediglich das Gefühl übrig, eine dichte Wolke, in der ich nicht mehr weiß, warum genau ich mich schlecht fühle.
Ich habe in letzter Zeit viel zu oft das Gefühl, nicht mehr richtig anwesend zu sein, verrenne mich in meinem Kopf und höre Sätze nicht, die ich sonst klar und deutlich verstanden hätte. Manchmal weiß ich nicht, was ich gesagt, und was nur gedacht habe. Ich habe kein Zeitgefühl mehr, weiß nicht, was wann war.
Ich mache tolle Personen schlechter, als sie sind und hasse mich dafür so verdammt doll. Ich frage mich, ob mein Körper, beziehungsweise mein Geist, einfach nicht dafür gemacht war, glücklich zu sein. Ist das überhaupt ein Mensch? Würde es nicht uns allen tausendmal besser ergehen, könnten wir uns mit dem zufrieden geben, was wir haben und müssten nicht alles hinterfragen und stetig nach mehr streben?
Ich habe unfassbar wundervolle Freunde um mich herum, die theoretisch alle für mich da wären, allerdings haben die alle ihre Probleme und ich fühle mich so unfassbar unwichtig und nervig neben ihnen. Wie ein kleines, zwölfjähriges Mädchen, dass sich die Aufmerksamkeit der Älteren wünscht und deswegen von ihren kleinen Schürfwunden erzählt, während die anderen im Krankenhaus liegen. Gleichzeitig realisiere ich immer öfter, in was für einem Zustand ich eigentlich bin. Und das macht mir Angst. Ich kann mit meinen Freunden theoretisch darüber reden, immerhin tun sie es auch, haben ähnliche Erfahrungen und Probleme. Nur komme ich da wieder an den Punkt, wo ich mich nervig und unwichtig finde. Das ist ein ganz komischer Grad zwischen je besser ich den Menschen kenne, desto schlimmer wird es und je schlechter, sodass das Los letztendlich immer wieder auf Vana fällt, die schon mehr als genug mit ihrem Leben zu kämpfen hat. (Die Anderen auch... nur will ich auch sie nicht belästigen und AHHHHHH)
Ich habe in der nächtlichen Ungewissheit ein Depressionstest gemacht (der verhältnismäßig seriös wirkte) und bekam 60 Punkte (schwer depressive Episode, insgesamt gab es 80 Punkte) als Ergebnis. Danach habe ich noch typische Symptome eine Depression gegoogelt und - siehe da - es traf größtenteils mehr oder weniger zu.

Und dann ist da noch die wachsende Überforderung und Demotivation. Ich schaffe es in letzter Zeit nicht einmal mehr meinem eigenen Vater zurück zu schreiben. Das ist schon verdammt traurig, wenn man darüber nachdenkt. Gleichzeitig hätte ich fast einen Heulkrampf bekommen, als ich realisierte, dass auch er Probleme in seinem Leben hat.
In Momenten, in denen es mir gut geht, scheint das Ganze auch okay zu sein, doch dann spricht meine Mutter es an und ich fange wieder an zu weinen. Ich war nie so. Warum jetzt? Sie hat mir einen Termin bei einer Psychologin besorgt, weil sie sich solche Sorgen macht. Einerseits fühle ich mich nach wie vor zu unbedeutend dafür, meine Probleme sind zu dumm, zu sinnlos. Doch auf der anderen Seite, denke ich - hoffe ich -, dass mir das Ganze helfen kann. Groß eine Wahl habe ich eh nicht, also sollte ich es einfach auf mich zukommen lassen.

Und dann ist da noch die Sache mit den Aufgaben, der Schule. Ich hatte immer Respekt vor dem Abi, dem MSA (mittlere Reife), allerdings, besonders beim MSA, ersterangig vor den mündlichen Prüfungen. Mittlerweile habe ich das Gefühl gar nichts mehr hinzubekommen. Ich habe Angst, dass ich mit den Aufgaben nicht mehr hinterher komme. Mein Gehirn ist einfach zu einem riesigen Schwamm geworden, aufgebraucht durch die Gedanken.

Es gibt Tage, an denen ist es extrem, es gibt Tage an denen ist es echt gut und Tage, an denen nur die Motivation fehlt. Ich habe das Gefühl, langsam nichts mehr einschätzen zu können und nur noch vor mich hin zu existieren. Zum Glück habe ich meine Freunde, meine Freundin, meine Mama, doch das alles bringt auch nichts, wenn ich mir selbst einrede, dass ich nerve, man mich nicht mag und ich zu unbedeutend bin, um Hilfe zu erhalten.

Falls Sie das noch lesen, wünsche ich Ihnen einen schönen restlichen Tag, in der Hoffnung ihn nicht zerstört zu haben.
trolli (beziehungsweise trollis echter Name xD)

Ich werde mich morgen hassen, aber ich muss gerade irgendwohin mit den Gefühlen.
Und wenn ihr das hier lest: Geht weg, los! Ihr müsst euch das nicht antun.

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