Das Ende

Jede Geschichte hat einen Helden, doch diese ist anders. Diese Geschichte hat keinen Helden. Nicht mehr, nachdem ich sie alle losgeworden bin.

Ich weiß nicht, was ich mir davon erwartet habe. Klar, ich wollte mein Ziel erreichen, ich wollte herrschen. Doch...das war es irgendwie nicht. Schon nach den ersten paar Tagen habe ich mich so leer gefühlt. Es war, als hätte ich keinen Sinn mehr und das obwohl ich Königin über ganz Oblivio bin. Und eines Tages war alles still. Alles. Nicht ein einziges Wesen in ganz Oblivio rührte sich mehr. Kein Vogel sang, keine Blume blühte, kein Mensch sprach. Seit jenem Tag ist die Welt versteinert, eingefroren. Und so oft sitze ich hier auf den Mauern und starre in den nie enden wollenden Sonnenaufgang. Was ist bloß los?

Habe ich nicht nur die Helden ausgelöscht, sondern das ganze Reich? Ist es wahr, was sie gesagt haben? Sie wollen Oblivio retten? Warum fühle ich mich so leer? Als ich den letzten meiner Widersacher tot wusste dachte ich, ich müsse mich gut fühlen. Siegreich, erfüllt. Aber ich fühlte mich nur einsam. Vergessen. Es war, als wäre es meine einzige Bestimmung gewesen, diese Menschen zu verfolgen und nachdem ich meine Berufung erfüllt habe ist jetzt nichts mehr übrig. Wo sind die Helden hin? Kann ich nicht der Held sein? Ich dachte immer, ich wäre im Recht, aber in den letzten Tagen ist mir klar geworden, dass ich das nie war. Diese Geschichte hat keinen Helden mehr. Und ich werde nie einer sein.

Mein Blick schweift über die vom Sonnenuntergang rot leuchtenden Dächer der Stadt. Für nur einen Moment scheint alles wieder normal zu sein. Fast schon glaube ich, dass ich hinter mir die Schritte der Wachen hören werde. Langsam stehe ich auf und schreite die Mauern entlang. Vorbei, an den versteinerten Rittern, vorbei an der Krähe, die seit jenem Tag versucht loszufliegen. Sie hat die Flügel schon ausgebreitet, aber sie steht noch auf dem Helm des Soldaten und dort wird sie auch immer bleiben. Mein Kleid schleift leise über den Boden und ich sehe mich wieder bei meiner Krönung. Damals war alles noch laut. Der Saal war voll mit Menschen, die jubelten als ich langsam zum Thron schritt. Zumindest habe ich es so in Erinnerung. Und nur das ist mir geblieben. Erinnerung. Sonst nichts.

Ich warf einen Blick auf den Garten, der einst in den buntesten Farben blühte. Schmetterlinge und Vögel flogen umher und ich hasste den Anblick, wie sie so unbeschwert und leichtfertig umher sausten und wie sie alle mit so viel Glück erfüllten. Ich wollte den Garten abreisen lassen. Ich wollte ihn vernichten. Und all die schönen Vögel und Schmetterlinge mit ihm. Jetzt wäre ich mehr als froh, wenn er wieder zum Leben erwachen würde. Irre ich mich, oder ist alles ein wenig grauer geworden? Sind nicht die kräftigen Farben der roten Blüten verblasst? Schimmerte das Wasser nicht vor kurzem noch in grelleren Farben?

Und es ist alles nur wegen den Helden. Ich weiß es. Ganz tief in mir. Der Tag, an dem ich den Baron Liv losgeworden bin war der letzte, an dem ich glücklich war. Es war der letzte, an dem ich noch etwas fühlte. Seitdem, nur nichts. Warum ist niemand mehr gekommen? Warum hat es niemand mehr probiert? Mein Leben bestand aus dem Kampf gegen meine Feinde und jetzt, jetzt habe ich kein Leben mehr.

Dies ist eine Nachricht. Wenn du sie liest, dann komm. Komm und hilf mir. Ich brauche einen Helden. Ob er kommt, um mich zu retten oder ob er kommt um mich zu vernichten. Oblivio braucht wieder einen Helden. Ich brauche einen.

Wenn du diesen Brief bekommst, dann hilf mir.

(Für
Blutkralle)

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