8.
Schweigend saßen die zwei Krähen jeweils links und rechts neben dem leblosen Körper und starrten diesen an.
"Warst du dir wirklich so sicher, dass er es ist? Jetzt siehst du, was wir davon haben!", schimpfte Hugin mit seinem Bruder.
Von dem einst attraktiven jungen Mann war nichts mehr zu erkennen. Nur noch wenige Fleischfetzen hingen an den Knochen dran und zogen sämtliche Fliegen aus der Umgebung an. Denn kaum hatte ihr König den Kreis verlassen und den toten seelenlosen Körper Yoongis zurück gelassen, hatten sich die Krähen auf diesen gestürzt und sich um das Fleisch gestritten. So sah nun auch der Boden der Lichtung am nächsten Morgen aus.
Die Glut des Feuers schwelte noch ein bisschen und der Boden war zusätzlich noch übersät von Blutflecken, Stofffetzen und ein paar wenige Fleischreste.
"Wenn ein Mensch jemals diese Lichtung sehen sollte, würde der sich auch was weiß ich denken...", murmelte Munin in Gedanken vor sich hin.
Ein wütendes Schnauben unterbrach ihn in seinen Überlegungen. "Ernsthaft? Der Mensch ist tot und du überlegst, wie dieses Bild hier auf andere wirken würde?! Was ist falsch bei dir?! Du machst dir keinen Kopf, dass er jetzt tot ist?! Ich hab gedacht, dass du auch Mitleid mit ihm hast und ihm helfen willst! Wie kann es dir jetzt egal sein, dass er jetzt tot und zerfleischt vor dir liegt?! Ach weißt du was? Du kannst dich diesmal selber darum kümmern das "Mahl" des Königs zu beseitigen! Ich verschwinde hier!"
Aufgebracht erhob sich Hugin und flatterte davon. Wortlos sah sein Bruder ihm hinterher.
Als dieser verschwunden war, sah die Krähe ein letztes Mal zu den Überresten, ehe er seufzte und sich ebenfalls in die Lüfte schwang. Doch anders als sein Bruder, schlug er die entgegen gesetzte Richtung ein.
Nach wenigen Minuten tauchte vor ihm eine Felsenwand auf, in der sich ein schmaler Spalt auftat. Ohne zu zögern flatterte er in die Dunkelheit. Aber kaum war er in dem Spalt, war er auch schon wieder draußen.
Auf der anderen Seite des Felsens offenbarte sich ein kleines verstecktes Tal, das von uralten knorrigen Eichen durchwachsen war.
Zielstrebig flog er auf den dicksten und somit ältesten Baum zu, wo er schon erwartet wurde. Seine Schwester wartete bis Munin neben ihr auf dem Ast gelandet war und sie fragend ansah.
"Wie erwartet. Er hatte die letzte Nacht kein Auge zugetan.", gab sie ihm die Auskunft.
Zögernd nickte er und warf einen Blick in Richtung Wurzelwerk.
"Und sonst?", hakte er nach und sah wieder zu seiner Schwester.
"Wir brauchen nur noch Ihn und seine Bestätigung, dass er das auch will. Ansonsten ist alles bereitet.", krächzte sie.
Munin nickte langsam. "Sehr gut..."
Er schüttelte sich und machte sich auf den Weg zu den Wurzeln des Baumes um seinem Herrn die nun wichtige Frage zu stellen, die ihm auf dem Herzen lag. "Dann mal los..."
.............
Langsam begann es im Wald zu dämmern. Die schwarzen Schatten wichen grauen, die sich auch immer mehr erhellten. Und auch die Tierwelt erwachte so langsam. Hasen hoppelten aus ihren Verstecken und auch die Rehe machten sich auf ihren Weg um Nahrung zu suchen. Der Tau benetzte ihre Felle und ließ sie trotz ihrem Fell erschaudern. Kaum eine Wolke war am Himmel zu sehen und die Verfärbung am Horizont ließ erahnen, dass schon bald die Sonne erscheinen würde.
In dem blassen Dämmerlicht flatterte ein schwarzer Vogel, eigentlich etwas zu groß für eine Krähe, zu einem gewaltigen knorrigen Eichenbaum, zu dessen Füßen eine kleine felsige Lichtung lag, durch die sich ein kleiner Rinnsal schlängelte.
Der große Vogel landete neben einer weiteren Krähe, die sich kurz duckte, um sich dann gleich wieder aufzurichten.
"Wie sieht es aus? Immer noch nichts?", fragte der Größere leise und etwas beunruhigt.
Sein Nebensitzer sah wortlos zu dem Wurzelwerk des Baumes hinab. Als auch nach einigen Sekunden noch immer keine Antwort kam, sackte der Größere zusammen.
"Was hab ich nur getan... es ist schon fast zwei Wochen her, dass...", klagte er wehleidig, als er von einer weiblichen Stimme unterbrochen wurde.
"Mein König! Seht doch!", die Krähendame deutete mit ihrem Schnabel aufgeregt nach unten.
Sofort sah der Größere ebenso nach unten.
Zwischen den Wurzeln, neben dem kleinen Rinnsal auf den Steinen, lag ein undefinierbarer schwarzer Klumpen, der sich tatsächlich etwas bewegte. Sofort kam Bewegung in den größeren Vogel und er flog nach unten. Doch seine dürren Vogelbeine erreichten nie den Boden.
Stattdessen trafen nackte menschliche Füße den kalten Stein und ein junger Mann kniete sich neben dem schwarzen Etwas nieder, dass eine ähnliche Größe wie er selbst hatte. Zitternd streckte er seine Hand aus und legte sie auch eine Erhebung im schwarzen Haufen.
Sofort wurden die Bewegungen ruhiger und das schwarze Etwas entfaltete sich.
Ein bleiches Gesicht tauchte aus dem Haufen empor, dass den knienden Mann aus müden schwachen Augen anblinzelte.
Dem Knienden stockte der Atem. Das Gesicht sah nun noch schöner aus, als er es in Erinnerung hatte.
"Ji... Jimin?", krächzte es verwirrt und etwas neben der Spur aus dem Haufen. Und genau das holte den jungen Mann wieder aus seiner Trance.
"Wie geht es dir?", fragte der Angesprochene etwas gefasster. Dennoch konnte er das leichte Zittern in seiner Stimme nicht verbergen.
Irritiert runzelter der am Boden liegende seine Stirn. "Ich... ich weiß nicht... Was... was ist passiert...?"
Mühsam rappelte sich der Liegende auf und offenbarte immer mehr von sich. Mit großen Augen verfolgte der König seine Bewegungen, bis sein Gegenüber saß.
Er schluckte trocken. Sein Gegenüber war noch viel schöner als er es in Erinnerung hatte. Ungläubig strich er eine schwarze Haarsträhne seines Gegenübers aus der Stirn hinter sein Ohr.
Mit großen Augen sah sein Gegenüber ihn an.
"Du bist so wunderschön...", hauchte der König. Sein Gegenüber öffnete ungläubig seinen Mund und seine Augen weiteten sich vor Schock.
"W... was?!...", flüsterte er vollkommen aus dem Konzept gebracht.
Da des Königs Hand noch an der Wange des andern verweilte, strich er sanft und beruhigend über diese.
"Min Yoongi.", sprach er den Namen seines Gegenübers sanft aber bestimmt aus. Sofort hielt sein Gegenüber in seinem Zittern, das er angefangen hatte, inne.
"Min Yoongi... Du brauchst keine Angst zu haben. Du bist in Sicherheit. Du... du bist ein toller Mensch... o... oder warst... jedenfalls hast du das Leben, dieses Leid das du erlebt hast nie verdient. Aber jetzt... jetzt ist es vorbei. Du bist frei von diesem erbärmlichen Menschenleben. Du... du bist jetzt einer von uns. Du bist frei...", ungläubig, aber gleichzeitig glücklich, dass es wirklich funktioniert hatte, lächelte der König ihn an.
Ungläubig starrte Yoongi den König an. "Was... was meinst du?", stammelte er unsicher.
Ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf die Lippen des Königs. Der junge Mann vor ihm, sah mit diesem verwirrten Hundeblick einfach zu süß aus.
Er stand auf und bot dem Schwarzhaarigen seine Hand an. "Komm. Ich zeig dir, was ich meine. Ich zeig dir von nun an, unsere Welt."
Zögerlich nahm Yoongi die Hand die ihm angeboten wurde und ließ sich hochziehen. Das letzte schwarze Etwas fiel von seinen Schultern und landete auf dem Boden.
Als er daraus hervortrat, stob das schwarze weiche Zeug auseinander. Verwundert sah Yoongi die schwarzen Federn an in den er bis eben gelegen hatte. Was hatte das zu bedeuten?
Er sah auf, als er spürte, wie sich Jimins Hand von seiner löste. Mit großen Augen starrte er Jimin an, der nun als Krähenkönig in seiner tierischen Gestalt vor ihm stand. Doch seltsamerweise wirkte er selbst als Krähe größer, als er selbst...
'Komm mit!', krächzte der König belustigt und seltsamerweise verstand Yoongi ihn ohne Probleme.
Etwas unsicher sah er dem großen Vogel hinterher, als dieser sich in die Luft erhob. Er sah an sich herunter. Wie sollte er als Mensch...
Erschrocken sprang er zurück und starrte auf seine Brust. Seit wann war seine Brust schwarzgefiedert?!
Er sah zu seinen Armen und starrte ebenfalls auf schwarze Federn. Er... er war nun auch eine Krähe? Wie war das möglich?
'Wie der König Leben nehmen kann, kann er auch unter bestimmten Vorraussetzungen Leben schenken...', krächzte es sanft von Yoongis rechten Seite.
Die eine Schwester von Hugin und Munin landete neben ihm und deutete in Richtung des Königs, der sich auf dem nächsten Baum niedergelassen hatte und auf Yoongi wartete.
'Du bist jetzt einer von uns, Yoongi. Na los, flieg zu ihm. Du weißt schon längst wie das geht.', forderte sie sanft ihn auf.
Zuerst blieb die junge neugeborene Krähe etwas verängstigt am Boden sitzen, doch als der König ihn mit einem Krächzen rief, schien Yoongi seine Angst überwunden zu haben und schlug mit seinen Flügeln, um sich in die Lüfte zu erheben.
Etwas ungeschickt schaffte er es aber und flog noch etwas wacklig zu dem Ast, auf dem der König ihn schon erwartete. Dieser empfing ihn begeistert und begann vorsichtig an Yoongis Federn zu knabbern.
Eine Gänsehaut lief über Yoongis Rücken und er stellte automatisch seine Federn auf, wehrte sich aber nicht dagegen, da es sich einfach zu gut anfühlte.
Die weibliche Krähe, die noch eben über Yoongi gewacht hatte, betrachtete die zwei mit einem Lächeln und flog dann weg, um den zwei ihre Zeit zu lassen. Sie wurde ab jetzt eh nicht mehr gebraucht.
Während er sich von Jimin putzen ließ, sah sich Yoongi um. So einen Ausblick hatte er noch nie gehabt...
Es war alles so unglaublich neu und unerwartet, was sich die letzten paar Minuten ereignet hatte. Doch seltsamerweise überforderte ihn das nicht so, wie man es hätte erwarten können.
Er verstand es nicht, was passiert war. Nicht mal ansatzweise. Aber er fühlte sich so, zum ersten Mal in seinem Leben wirklich frei. Er fühlte sich neben Jimin, neben seinem König, als wäre das genau der richtige Platz für ihn. Das Leben wirkte auf einmal so anders...
Er sah zur Seite, wo Jimin saß und ihn immer noch putzte. Er war sich sicher, das Jimin, auch wenn er der König war, bei ihm bleiben würde.
Er kannte nicht den Grund warum, aber er fühlte sich so verbunden mit ihm, dass er sich sicher war, dass er nun jemand gefunden hatte, der ihn nicht so einfach verlassen würde.
Er hatte von ihm, dem König der Krähen, ein neues Leben geschenkt bekommen, von dem er wusste, dass es gänzlich anders und bedeutend besser als sein bisheriges werden würde.
+++ ENDE +++
So... Geschichte ist jetzt auch mal zu Ende ^^°
Hoffe es hat euch doch gefallen ^^
Und sorry dass solang nichts kam... aber Arbeit kam dazwischen... 🙄
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