der Wunsch nach einer Veränderung
Es rührt mich sehr dass sie so lange auf mich gewartet haben aber ich weiss, das ist nicht mehr mein Leben. Genauso radikal, wie ich mein Leben vor drei Monaten geändert habe werde ich es wieder ändern!
Wir machen uns auf den Heimweg, die anderen reden viel während ich meinen Gedanken nachhänge. Morgen werde ich meinen Tanzlehrer und meine Volleyballtrainerin aufsuchen, mich entschuldigen und fragen ob sie mir noch eine Chance geben. Ich bin zu müde um mir darüber Gedanken zu machen folge den anderen zufrieden in Julias Zimmer. Nur ein flaues Gefühl habe ich im Magen, was ich aber ignoriere.
In den Kleidern lassen wir uns alle in das riesige Himmelbett fallen und schlafen sofort ein.
Am Morgen früh wache ich auf und steh leise auf, um niemanden aufzuwecken. SO beginnt mein neues Leben, sonst war ich immer die letzte die aufgestanden ist!
Ich gehe eiskalt duschen und leihe mir anständige Kleider von Julia, lange blaue Hosen und ein weisses T-Shirt. Meine schmutzigen Sachen vom Vorabend werfe ich in den Abfall, so etwas werde ich nicht mehr anziehen. Ich schreibe meimen Freundinnen einen Zettel dass ich früher gehen musste und etwas ausgeliehen habe.
Ungeschminkt und mit nassen Haaren verlasse ich das Haus und mache mich auf den Weg zur Turnhalle, wo immer Training und Aufführungen sind und meine ehemaligen Trainer ihr Büro haben. Hoffentlich sind sie da, denke ich während sich mein Magen immer mehr verkrampft und mir übel wird. Es war kein sauberer Abgang damals, mein Tanzlehrer und einige Freundinnen aus dem Verein hatten den ganzen Samstag durch versucht, mich zu erreichen und waren sehr wütend als sie über jemanden herausfanden dass ich feiern war und nicht krank. Noch wütender wurden alle, als sie erfuhren dass ich gar nicht mehr kommen würde. Viele Auftritte waren geplant und es war schwierig, mich, eine der besten zu ersetzen.
Beim Volleyball war es auch nicht viel besser, ich habe schlicht und einfach vergessen meiner Trainerin zu sagen dass ich nicht mehr komme, ihre Anrufe habe ich nicht beantwortet weil ich ihre Nummer nicht gespeichert hatte und dachte, es wären irgendwelche Verehrer, oder, noch schlimmer, Hohlbecker. Von meiner Mannschaft ging niemand in meine Schule oder wohnte in der Nähe, und weil ich es sowieso mit niemandem von da gut verstanden habe hat mir auch nie jemand von denen geschrieben. Es endete damit, dass Frau Anderson eines Tages einfach vor der Haustüre stand und eine ziemlich unschöne Szene machte, welche die ganze Nachbarschaft mitbekam. Aber ich werde es wieder gut machen, sage ich mir, jeder macht im Leben Fehler. Und sonst war ich immer ihr Liebling also kann sie mir ja wohl eine zweite Chance geben, denke ich angespannt.
Die Uhr vor der Turnhalle zeigt erst halb acht Uhr an, deshalb gehe ich zu einem Kiosk in der Nähe und kaufe mir heissen Kaffee und ein Brötchen, von dem ich aber keinen Bissen runterkriege. Nervös laufe ich hin und her, kassiere einige komische Blicke von Passanten an denen ich schon zum soundso vielten Mal vorbeigegangen bin. So oft, dass ich es nicht mehr weiss. Zum ersten Mal verspüre ich den starken Drang nach einer Zigarette. Sonst hatte ich einfach eine geraucht wenn mir jemand eine angeboten hat oder einfach so mal ohne Grund. Aber jetzt, wo ich nervös hin und her laufe schreit mein Körper nach einer Zigarette. Ich beginne meine Tasche hektisch zu durchsuchen und werde immer wütender und verzweifelter. Vor mir sehe ich zwei gutaussehende junge Männer, die gerade eine Zigarette rauchen. Ich frage sie nach einer Zigarette und derjenige, der ein bisschen besser aussieht nimmt sofort seine Zigaretten raus, gibt mir zwei und schenkt mir ein Feuerzeug. Ich bedanke mich, wir lächeln und verlegen an und ich gehe weiter damit ich nicht noch nervöser werde. Schnell zünde ich mir eine Zigarette an und inhaliere den Rauch ganz tief und genüsslich.
Viel zu schnell stehe ich wieder vor der Turnhalle. Am liebsten würde ich gleich die zweite rauchen, aber ich gebe diesem Drang nicht nach. Stattdessen gehe ich hinein und zuerst auf die Toilette wo ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritze und mir gut zurede. Mit erhobenem Kopf mache ich mich auf den Weg, zuerst zum Büro des Tanztrainers, aber alles kommt anders als geplant. Als ich um die Ecke komme steht er da mit einer meiner ehemaligen Freundinnen ins Gespräch vertieft und verstummen, als sie mich sehen. Auch ich bleibe wie erstarrt stehen weil ich nicht damit gerechnet habe und das mich völlig aus dem Konzept bringt. Aber bevor ich den Mund aufkriege beginnen beide durcheinander zu reden, schreien mich an was ich hier verloren habe und dass ich mich hier nicht mehr blicken lassen soll. Auch wüste Beschimpfungen kommen mir zu Ohren aber das ist es nicht was mich so schmerzhaft trifft, sondern dass nun endgültig geklärt ist, dass ich hier nicht mehr erwünscht bin und mir jetzt schon klar ist dass es sehr schwer wird, mir wieder ein neues Leben aufzubauen, das dem alten gleicht. Wortlos drehe ich mich um und verlasse die Turnhalle, mein Herz schmerzt so sehr, dass ich mich setzen muss und zusammengekrümmt sitzen bleibe. Aber es kommen keine Tränen. Da bin ich stark, das letzte Mal habe ich vor fünf Jahren geweint als mein Grossvater gestorben war. Als meine Augen gefährlich feucht werden setze ich mich aufrecht hin und zünde mit zitternden Händen meine Zigarette an. Ich darf jetzt auf keinen Fall weinen, weil ich sonst nicht mehr aufhören kann und auch, weil ich auf keinen Fall Schwäche zeigen will. Viel zu schnell ist die Zigarette fertig geraucht und ich beginne wieder zu zittern und krümme mich zusammen.
„Alles in Ordnung?", höre ich eine Stimme und sehe in die schönsten braunen Augen, die ich je gesehen habe. Es ist der junge Mann, der mir die Zigaretten und das Feuerzeug geschenkt hat. Er setzt sich neben mich und sieht mich aufmerksam und besorgt an. Ein eiskalter Windhauch zieht lautlos an uns vorbei und ich beginne immer stärker zu zittern. Es fühlt sich an, als würde ich bis in meinem tiefsten
Inneren zittern. Etwas schweres, warmes legt sich über meine Schultern, es ist die verwegene schwarze Lederjacke meines Retters.
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