Lightsaber [Exo || Kaisoo]
Zufrieden lehnte sich Kyungsoo zurück in das weiche Lederpolster. Seine schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht, doch es störte ihn nicht.
Er beobachtete seine Freunde. Es war schön, dass sie sich alle mal wiedersahen. Sogar Sehun und Baekhyun waren gekommen, obwohl sie in letzter Zeit deutlich Abstand von der Clique genommen hatten.
Wieso wusste keiner von ihnen. Es war auch nicht so wichtig. Jeder von ihnen hatte noch zu den Beiden Kontakt und wusste, dass es ihnen gut ging. Das war das einzige, was zählte.
Kyungsoo griff nach seinem Glas und führte es zu seinem Mund. Genüsslich leckte er sich über die Lippen, nachdem er einen großen Schluck daraus genommen hatte.
„Hier, probier mal!", kam es von rechts. Leicht wandte Kyungsoo den Kopf in diese Richtung. Breit grinsend blickte ihm Tao entgegen und hielt ihm sein Glas hin.
„Du weißt, dass mir dein Zeug nicht schmeckt", entgegnete Kyungsoo und schob die Hand des Jüngeren ein Stück weg. Dieser schob die Unterlippe vor und blickte beleidigt drein.
„Woher willst du das wissen? Du hast es doch noch nie probiert", meckerte der blonde Chinese trotzig und setzte sich wieder aufrecht hin.
„Gib endlich auf, Tao. Du weißt, dass Kyungsoo immer das gleiche dämliche Gesöff trinkt. Er hat einfach keinen Geschmack, was das hier angeht", ertönte Kris' Stimme. Er saß rechts neben Tao und strich diesem durch die blonden Haare.
Jetzt war es an Kyungsoo, beleidigt zu schauen. War ja klar, dass Kris sich einmischen musste.
„Laber keinen Scheiß! Nur weil ich mir nicht, so wie ihr zwei, alles in den Rachen kippe, heißt das noch lange nicht, dass ich keinen Geschmack habe", gab der Schwarzhaarige zurück und sah in eine andere Richtung.
Leise drang Kris' dunkles Lachen an seine Ohren. Von Tao hörte man nichts, was nicht verwunderlich war. Wahrscheinlich war Kris' Hand wieder unter das Oberteil des Jüngeren geschlüpft. Kein Wunder also, dass der Blonde zu nichts mehr fähig war im Moment.
Den Kopf auf die Knie gelegt, die Arme um die Beine geschlungen, saß er in der Badewanne. Er hatte sie nicht mit Wasser gefüllt, weswegen er auch noch seine Klamotten trug. Die Haare waren immer noch mit Gel zurückgestrichen.
Langsam hob Kai den Blick, strich sich kurz durch die Haare. Er vereinsamte, hatte niemanden mehr. Ein guter Freund hatte ihn vor ein paar Stunden angerufen und gefragt, ob er nicht doch kommen wollte. Wieder einmal traf sich die Clique, zu der er eigentlich gehörte. Kai war nicht hingegangen. Langsam aber sicher wurde er zu einer einsamen Blume. Schon lange hatte er seine Gefühle abgestellt. Sein Blick war kalt, vereist. Es war nicht so, dass Kai es gewollt hatte. Es war einfach passiert.
Früher hatte seine ältere Schwester immer zu ihm gesagt, dass Sternenlicht in der Tiefe verborgen war. Er hatte damals nie verstanden, was sie damit meinte. Jetzt tat er es allerdings. Das Sternenlicht, von dem sie andauernd sprach, war seine Hoffnung. Die Hoffnung darauf, dass die Dinge sich vielleicht noch ändern würden.
Kai glaubte daran nicht. Er hatte den Glauben schon lange aufgegeben. Wahrscheinlich würde der junge Mann wieder hoffen können, wenn man ihm aus seinem Dornröschenschlaf wecken würde.
Eine weitere Stunde war vergangen. Kyungsoo war etwas aufgefallen. Einer fehlte in ihrer Runde. Es war seltsam, dass er nicht da war. Sonst war er auch immer da, obwohl er sich, genauso wie Sehun und Baekhyun, von der Clique ein wenig abgeseilt hatte.
Zu gemeinsamen Unternehmungen war er aber trotzdem immer da, dachte der Schwarzhaarige jedenfalls. Irgendetwas stimmte da nicht. Kyungsoo wusste es. Immerhin handelte es sich hier um seinen besten Freund. Irgendetwas war im Busch.
„Suho?", rief der Schwarzhaarige. Der Angesprochene sah zu ihm. Sein Gesichtsausdruck war fragend.
„Wo ist Kai?", stellte Kyungsoo schließlich die Frage, die ihm die ganze Zeit schon im Kopf herumschwirrte. Augenblicklich lagen alle Augenpaare auf dem Schwarzhaarigen. Die Gespräche verstummten.
Ihnen allen schien erst jetzt aufzufallen, dass jemand von ihnen fehlte. Es war ein wenig traurig, immerhin gehörte Kai schon von Anfang an dazu. Andere von ihnen waren erst später dazugekommen.
„Jetzt, wo du es sagst ... stimmt. Wo ist Kai? Hat einer von euch was von ihm gehört?", fragte Suho in die Runde. Jeden einzelnen musterte er scharf. Es wäre nicht das erste Mal, dass einer etwas wusste, aber nichts sagte. Dies kam öfters vor, allerdings nur, weil sie dichthielten, wenn es einer von ihnen verlangte.
„Jetzt, wo das mal jemand erwähnt ... Kai war schon lange nicht mehr hier", murmelte Chen nachdenklich.
Sofort schoss Kyungsoos Blick zu Chen. Seine Augen weiteten sich leicht. Was? Kai war schon länger nicht mehr aufgetaucht?
„Er hat sich auch nie gemeldet, geschweige denn abgesagt, dass er keine Zeit hat", nickte nun auch noch Baekhyun und lehnte sich gegen Chanyeol.
Ein mieses Gefühl breitete sich in Kyungsoos Magengegend aus. Er war auch schon eine Weile nicht mehr mit seinen Freunden weg gewesen, was aber nur daran lag, dass er mit dem Studium so viel zu tun hatte. Außerdem gab es bei ihm Zuhause zurzeit ziemlichen Stress. Seine Eltern wollten ihn verloben, aber daran wollte der Schwarzhaarige gar nicht denken. Es war ein schwieriges Thema.
Müde strich er sich durch die Haare, richtete sich ein Stück auf. Der Kratzer auf seiner Wange brannte, genauso wie Verletzung an seinem Arm. Zudem spürte er immer noch den Restalkohol von letzter Nacht.
Kai hätte damals dem Licht folgen sollen. Es hätte ihn aus der Dunkelheit herausgeführt, ihn wieder fühlen lassen. Doch er hatte die Chance nicht ergriffen. Nun war er selbst schuld daran, dass er die Welt nie erreichen würde, die ihn zum Erwachen gebracht hätte.
Vielleicht war es auch besser so. Kai wollte seinen Freunden keine Sorgen bereiten, vor allem nicht Kyungsoo.
Schlapp stand Kai auf, stieg aus der Badewanne und stellte sich vor den Spiegel. Leicht neigte er den Kopf, um den Kratzer zu betrachten. Es war keine ernsthafte Verletzung. In spätestens einer Woche würde man davon nichts mehr sehen.
Er legte den Kopf in den Nacken und starrte die Decke an. Seine Kraft war aufgebraucht. Er konnte nicht mehr. Würde er seinen Stolz einmal vergessen, würde er sogar seinen besten Freund anrufen und ihm die Wahrheit sagen. Kai würde seine ausgestreckte Hand in der Dunkelheit annehmen. Kyungsoo würde ihn beschützen, wenn Kai ihn darum beten würde. Doch Kai war der Meinung, dass es dafür zu spät war.
Sein bester Freund war all die Jahre immer sein Retter gewesen, hatte ihm geholfen und ihn aufgefangen. Wieso Kai sich jetzt nicht helfen ließ, wusste er nicht einmal selbst.
„Wo gehst du hin?"
Fragend sah Lay zu dem Schwarzhaarigen auf. Kyungsoo trank gerade den letzten Rest aus seinem Glas.
„Ich gehe ihn suchen", antwortete er und griff nach seinem Handy. Schnell tippte er die Nummer seines besten Freundes ein und rief ihn erst mal an. Die Anderen sahen ihn abwartend an, hofften genauso sehr wie er selbst, dass Kai ranging. Doch er tat es nicht. Sein Handy war ausgeschaltet. Kyungsoo wurde unruhiger. Das passte überhaupt nicht zu seinem Freund.
Langsam ließ er den Arm sinken und sah die anderen fest an.
„Sein Handy ist aus. Ich gehe ihn suchen", informierte er sie und drehte sich gerade um, als Sehuns Stimme leise erklang.
„Ich glaube nicht, dass er das will."
Stille breitete sich wieder aus. Kyungsoos Atem stockte. Was wusste Sehun? Irgendetwas war hier doch faul. Nervös schweiften die Augen des Schwarzhaarigen zu Sehun. Dabei bemerkte er, wie Baekhyun Chanyeols Hand losließ und plötzlich ein Pokerface aufsetzte. Das tat er sonst nie.
„Was meinst du damit?", hakte Suho nach. Intensiv sah er den Jüngsten an. Sehun wich Suhos Blick aus. Stattdessen sah er zu Baekhyun, welcher den Blick des Jüngeren ruhig erwiderte.
Mit starrem Blick saß er auf dem Sessel am Fenster. Mit der Hand zupfte er an seinen Haaren herum, welche er zuvor mit Gel zurückgekämmt hatte. Kai war fertig für eine weitere Nacht in einem heruntergekommenen Club.
Langsam stand er auf, zog sich die schwarze Jacke über den weißen Pullover. Entspannt ging er ins Badezimmer und warf noch einen Blick hinein. Immer noch war Blut auf dem Boden, sowie ein paar Glasscherben. Er hätte vielleicht mal die Sauerei wegputzen sollen.
Kopfschüttelnd ging er zur Wohnungstür. Dass Kai sich schlapp fühlte, kam davon, dass er kurz zuvor eine Glasvitrine im Bad zerschlagen hatte. Er hatte die Wut in sich einfach rauslassen müssen.
Es war wie ein Rausch gewesen, als Kai sein Blut gesehen hatte. Es hatte sein gefrorenes Herz schmelzen und fließen lassen. So verrückt und krank es auch klang, für den jungen Mann war es befreiend gewesen.
„Was wisst ihr beide?", meldete sich Minseok zum ersten Mal an diesem Abend zu Wort.
„Baek?", flüsterte Chanyeol leise, als sein Freund nicht antwortete, sondern stur die Wand ansah. Sehun verhielt sich nicht anders. Er schien den Tisch ganz interessant zu finden.
„Was geht hier eigentlich ab? Was wisst ihr beiden?", mischte sich nun auch Luhan ein. Er klang überhaupt nicht nett. Man hörte deutlich raus, dass er wütend war, weil Sehun und Baekhyun schwiegen.
Kyungsoo schluckte hart. Irgendetwas war passiert, von dem nur die Zwei etwas wussten. Er hoffte wirklich, dass es nichts Schlimmes war.
„Kai... er...", stotterte Baekhyun unbeholfen vor sich hin. Möglicherweise hätte er sogar weitergeredet, hätte Sehun ihn nicht mit einem wütenden Zischen zurückgehalten.
„Baek, nein! Wir werden nichts sagen!"
Verwirrung machte sich unter den Anwesenden breit. Baekhyun biss sich auf die Lippe. Kyungsoo erschreckte sich, als er sah, dass die Augen seines Freundes glasig und wässrig wurden.
Was zur Hölle lief hier ab?
Das Licht im Gang flackerte. Es war totenstill. Nur Kais Schritte hallten von den Wänden wider. Er lief in einem normalen Tempo den Gang entlang Richtung Aufzug. Die Tür seiner Wohnung hatte er offengelassen, so wie er es schon seit längerer Zeit tat.
Oft kam er abends betrunken heim und war nicht mehr in der Lage, die Tür aufzusperren. Hier wohnten eh nicht viele Menschen, also würde kaum jemand seine Wohnung betreten. Und wenn schon, viel gab es dort nicht zu holen.
„Verdammt, verdammt, verdammt!"
Kyungsoo rannte die Straße entlang. Baekhyun hatte doch mit der Sprache rausgerückt. Doch es war alles andere als erschreckend gewesen. Kyungsoo war schockiert. Er wünschte sich, Baekhyun hätte es nie erzählt. Es machte alles viel komplizierter.
Schon von weitem sah der Schwarzhaarige das Hochhaus, in welchem die Wohnung seines besten Freundes war. Noch ein letztes Mal beschleunigte er seine Schritte.
Wenige Minuten später riss er die Tür auf und stürmte die Treppen hinauf. Auf den Aufzug zu warten, würde zu lange dauern. Er hatte keine Zeit. Jetzt nicht.
Kyungsoo musste einfach mit Kai reden. Sein bester Freund war ihm wichtig. Er war immer derjenige gewesen, der ihm geholfen hatte und immer ein offenes Ohr für ihn gehabt hatte. Nun musste Kyungsoo sich revanchieren. Es musste Kai wieder besser gehen.
Erschrocken wich Kai zurück. Mit geweiteten Augen starrte er ins Leere. Sein Herz pochte schon fast schmerzhaft gegen seine Rippen.
Warum war Kyungsoo hier?
Kai wollte ihn nicht sehen. Nicht jetzt. Seine Gedanken überschlugen sich. Kyungsoo hatte panisch auf ihn gewirkt. Er hatte die Tür laut aufgeknallt und war die Treppen hochgestürmt. Auch wenn Kai ihn nur kurz gesehen hatte, wusste er sofort, dass etwas passiert sein musste.
Ohne dass der junge Mann etwas dagegen tun konnte, setzte sich sein Körper von alleine in Bewegung. Nicht zu den Treppen, sondern zum Ausgang. Ein Stich durchfuhr ihn.
Schon jetzt plagte das schlechte Gewissen den jungen Mann.
Es war falsch zu gehen. Eigentlich sollte er wieder mit dem Aufzug nach oben fahren und nach Kyungsoo schauen. Immerhin war der Schwarzhaarige sein bester Freund.
Doch irgendwie traute Kai sich nicht. Es war ihm unangenehm, seinem Freund gegenüber zu treten, was nicht nur daran lag, dass er sich die letzten Wochen nichts von sich hören hat lassen.
Wütend schüttelte Kai den Kopf und beschleunigte seine Schritte. Er hatte jetzt keine Zeit für sowas. Eine neue Nacht brach an. Eine neue Nacht, in der Kai sich betrinken würde.
Ein ungutes Gefühl breitete sich in der Magengegend von dem Schwarzhaarigen aus. Die Tür zur Wohnung seines Freundes stand offen. Zwar nur einen Spalt, aber offen.
Hart schluckte Kyungsoo. Kai würde seine Tür nie offenlassen. Er hasste es, wenn Türen offen waren. In seiner Wohnung schloss er immer die Tür des jeweiligen Raumes, den er verließ. Irgendetwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.
Vorsichtig stieß Kyungsoo die Tür auf und betrat die Wohnung. Das Licht war an. Das schlechte Gefühl verstärkte sich.
Mit klopfenden Herzen ging er langsam den Gang entlang. Seine Augen waren erschrocken geweitet. Überall lag etwas auf dem Boden. Klamotten, Gegenstände und auch Möbel. Doch das, was den jungen Mann am meistens schockierte, waren die Glasscherben. Es waren viele. Verdammt viele.
Kyungsoo ging zum Badezimmer. Seltsamerweise war diese Tür geschlossen. Der Schwarzhaarige atmete tief ein. Er musste sich beruhigen, etwas runterkommen. Sein Herzschlag wurde ruhiger, war jedoch immer noch schnell. Trotzdem stieß er die Tür auf.
Seine Augen wanderten durch den Raum, blieben an einer Stelle hängen. Sein Körper erstarrte. Er atmete wieder schneller. In seinen Ohren pochte sein Herzschlag. Er konnte sein Blut rauschen hören.
Blut.
Überall war Blut.
Verdammt viel Blut.
Hart schluckte er. Die Alarmglocken schrillten in seinem Kopf. Beeil dich, schrie die Stimme in seinem Kopf. Er musste abhauen, doch er konnte nicht.
„Kai!", rief die Person, die auf ihn zukam. Seine Stimme war laut, spottend. Ein Schauer fuhr seinen Rücken hinab, ließ ihn frösteln.
Langsam drehte Kai sich um.
Gefahr.
Das einzige Wort, das sich im Moment in seinen Gedanken breitgemacht hatte. Er sollte abhauen. Es würde gefährlich werden. Seine Beine bewegten sich nicht. Sein ganzer Körper wollte nicht reagieren.
„Wer hätte gedacht, dass wir uns so schnell wiedersehen?", spottete die Person und kam ihm immer näher. Nur noch ein paar Schritte war er von ihm entfernt.
Kai schluckte hart, ballte die Fäuste. Er fing an, schneller zu atmen. Unangenehm pochte es in seinem Kopf. Sein Herz raste.
Kalter Schweiß bildete sich auf seiner Stirn.
Dann stand er vor ihm. Seine blond gefärbten Haare standen unordentlich ab. Kai kannte die Person von früher. Seine Schwester hatte immer von den Figuren des Lichts geredet und gemeint, dass der Blonde einer von ihnen wäre. Früher hatte Kai nicht verstanden, was sie damit meinte, doch nun wusste er es. Seine Schwester hatte damit gemeint, dass er ein treuer Freund war und Kai wohl für immer zur Seite stehen würde.
Sie hatte sich getäuscht. Der Blonde war nicht mehr eine Figur des Lichts, sondern verweilte mittlerweile in der Dunkelheit.
„Kyungsoo, beruhig dich doch!"
„Ist das dein Ernst? Wie soll ich mich denn beruhigen?", schrie er Suho an. Kyungsoo hatte ihn angerufen. Panik hatte sich in ihm breitgemacht.
„Es bringt aber auch nichts, wenn du jetzt Panik schiebst. Du weißt doch nicht mal mit Sicherheit, dass das Kais Blut ist!", schritt Chanyeol ein. Die Panik in Kyungsoo mischte sich mit Wut, die urplötzlich auftauchte.
„Wessen Blut soll es denn sonst sein?", gab er aufgebracht zurück und fuhr sich durch die Haare. Sein Blick wanderte hektisch im Raum umher. Seltsamerweise entgegnete keiner seiner Freunde mehr was. Kurz sah er auf sein Handy. Die Verbindung war noch da. Stumm schüttelte er den Kopf und legte dann einfach auf. Es brachte ihn nicht weiter, jetzt auch noch zu telefonieren. Er musste Kai finden und das so schnell wie möglich.
Kyungsoo machte sich Sorgen. Es war ihm egal, ob er die ganze Nacht seinen besten Freund suchen musste. Er würde erst damit aufhören, wenn er ihn fand.
Seine Faust traf seinen Bauch. Ein schrecklicher Schmerz durchzuckte Kai. Erschrocken keuchte er auf und taumelte zurück. Automatisch hielt er seinen Bauch.
„Ich habe dich gefragt, wo das Geld ist!", fauchte der Blonde und ging bedrohlich einen Schritt auf Kai zu.
„Ich habe es nicht", stotterte Kai ängstlich. Er wollte hier weg.
„Ach?"
Sein Gesicht war eine wutverzerrte Maske. Wieder holte er mit der Faust aus, traf seinen ehemaligen Freund im Gesicht. Kai schnappte nach Luft und taumelte erneut zurück. Ehe er reagieren konnte, wurde er auch schon am Kragen gepackt.
Der Atem des Blonden roch nach Alkohol. Heftig blinzelte Kai, versuchte die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Wo war er nur hineingeraten? Warum war es so weit gekommen?
Kyungsoos atmete schnappend. Seit einer Stunde suchte er nun schon seinen besten Freund, war dabei fast durch die halbe Stadt gerannt. Außer Atem ließ er sich auf einer Bank im Park nieder.
Der Park war der letzte Ort gewesen, an welchem Kai hätte sein können. Kyungsoo hatte wirklich alle Lieblingsorte von seinem Freund abgesucht. Er hatte Kai nicht finden können. Tränen der Verzweiflung bildeten sich in seinen Augen. Doch er hielt sie zurück.
Der Schwarzhaarige fühlte sich schuldig. Er war derjenige gewesen, der sich so in seine Arbeit vertieft hatte und nur noch selten den Kontakt zu Kai gesucht hatte. Es war seine Schuld.
Verzweifelt fuhr er sich durch die Haare und lehnte sich zurück. Seinen Blick ließ er über die Fläche vor sich wandern.
Hustend ging Kai zu Boden, hielt sich dabei die Schläfe. Er zitterte am ganzen Leib.
„Ich hoffe, das war dir eine Lehre", kam es von dem Blonden. Kai hörte, wie er wegging.
Er hatte Schmerzen. Vor seinen Augen flackerte es, weswegen er hektisch blinzelte. Kai wollte nicht das Bewusstsein verlieren. Nicht am Straßenrand, wo sonst wer ihn finden konnte.
Kai versuchte sich aufzurichten, klappte aber gleich wieder zusammen. Ihm war schwindlig und sein Bauch tat immer noch weh. Eigentlich sollte er ins Krankenhaus, aber was sollte er sagen?
Dass er verprügelt worden war, weil er in illegale Geschäfte hineingeraten war? Nein, das konnte er nicht. Er musste versuchen, das Geld bis nächste Woche irgendwie aufzutreiben.
Kai war verzweifelt. Er hatte keinen Job, da er seine Ausbildung vor einem halben Jahr hingeschmissen hatte. Seine Freunde, zu denen er den Kontakt abgebrochen hatte, dachten wahrscheinlich immer noch, dass er gut verdiente.
Wie konnte er nur so abrutschen?
Warum hatte er nicht mit Kyungsoo darüber geredet? Oder mit seinen Eltern?
Sein eigentliches Problem war nämlich, dass seine Eltern ihn verloben wollten, Kai aber für jemand anderen etwas empfand. Warum hatte er es zugelassen, deswegen abzurutschen?
„Jongin!"
Erschrocken zuckte Kai zusammen, riss die Augen auf. Nein. Das konnte nicht wahr sein.
Was machte er hier?
„Jongin!", schrie Kyungsoo, als er seinen Freund am Straßenrand sah. Panisch rannte er auf ihn zu. Angst machte sich in ihm breit, als er Kai so sah. Sein Freund kniete auf dem Asphalt und presste die Hand gegen seine Schläfe. Mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck starrte er nach vorne. Immer wieder blinzelte er hektisch.
Vorsichtig berührte Kyungsoo Kai an der Schulter. Wie ein Reh zuckte der Jüngere zusammen und starrte Kyungsoo erschrocken an.
„Geht es dir gut?", fragte der Schwarzhaarige besorgt nach und kniete sich neben ihn. Ein ungutes Gefühl überkam ihn, als er bemerkte, dass sein bester Freund sich den Bauch hielt. Er zitterte am ganzen Körper. Seine Augen wurden wässrig.
„Yah Jongin! Was ist passiert? Rede mit mir!", rief Kyungsoo verzweifelt.
Der Schwarzhaarige wurde langsam panisch. Wurde Kai verprügelt?
Kai antwortete nicht, sondern wandte den Blick ab.
Warum war Kyungsoo hier? Warum ausgerechnet jetzt?
Er sollte wieder gehen. Es wäre besser für ihn.
Kai wandte den Blick ab und biss sich auf die Lippe. Ein metallischer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Sofort leckte er sich über die Lippen. Sein ganzer Körper schmerzte.
In seinem Brustbereich stach es unangenehm. Kai hoffte, dass sein ehemaliger Freund ihm keine Rippe gebrochen hatte. Er wollte gar nicht wissen, wie sein Körper morgen aussehen würde.
Erschrocken zuckte er zusammen, als Kyungsoo sein Kinn anhob und ihn dazu zwang ihn anzusehen. Seine Augen weiteten sich, als er dem besorgten, mit Wut vermischten, Blick begegnete.
„Rede mit mir!"
Kyungsoo sagte es nachdrücklicher. Kurz machte sich ein Glücksgefühl in ihm bemerkbar, verschwand allerdings wieder so schnell, wie es gekommen war.
„Es ist nichts. Mir geht es gut", murmelte Kai mit heiserer Stimme.
„Verarsch mich nicht!", fauchte der Schwarzhaarige und kniff die Augen zusammen.
Kai wollte den Blick wieder abwenden, doch Kyungsoo ließ es nicht zu. Fest, jedoch nicht so, dass es wehtat, hielt er Kais Kinn fest.
„Jongin ... bitte, erzähl mir was los ist. Ich mache mir Sorgen um dich ... ", flüsterte der Schwarzhaarige leise.
„Es ist nichts."
Kais Antwort machte Kyungsoo wütend. Wäre sein Freund nicht schon verletzt, hätte der Schwarzhaarige ihn wahrscheinlich einen ordentlichen Tritt verpasst. Er hasste es, dass Kai nicht mit ihm reden wollte. Es machte ihn verdammt wütend, dass sein Freund behauptete, alles sei in Ordnung.
Wen wollte er hier für einen Narren halten?
Nichts, absolut gar nichts war in Ordnung. Kai wurde verprügelt, das sah selbst ein Blinder.
Ein schmerzhaftes Stöhnen ließ Kyungsoo wieder zurück in die Realität kommen. Besorgt sah er seinen Freund an, welcher sich zusammengekrampft hatte und noch stärker zitterte als zuvor.
Augenblicklich ließ Kyungsoo sein Kinn los und zog sich seine Jacke aus. Er wusste, dass Kai nicht nur wegen den Schmerzen zitterte, sondern auch wegen der Kälte. Immerhin war es Herbst.
Behutsam legte er dem Jüngeren die Jacke um die Schultern und nahm dann sein Gesicht in seine Hände. Still musterte Kyungsoo seinen Freund. Er ließ es nicht zu, dass Kai den Blick abwandte. Deswegen schloss der Jüngere die Augen.
„Wir sollten zu mir gehen. Ich werde dir ein Bad einlassen und dann können wir reden", murmelte Kyungsoo und wollte gerade aufstehen. Jedoch packte sein Freund ihn am Ärmel und hielt ihn davon ab.
Überrascht sah der Schwarzhaarige zu seinem Freund. Mit Erschrecken musste er feststellen, dass sich Tränen in dessen Augen gebildet hatten. Kai versuchte sie zu vertreiben, dass merkte Kyungsoo sofort.
„Meine Eltern ... sie wollen mich verheiraten", kam es brüchig über seine Lippen. Kais Sicht verschwamm. Ein Druck baute sich in seinen Augen auf. Die Tränen wollten freigelassen werden, doch der junge Mann wollte das nicht zulassen.
Er wollte nicht weinen. Nicht vor Kyungsoo.
„Ich weiß nicht, was ich tun soll", krächzte Kai, als sein Freund nichts erwiderte.
„Liebst du jemand anderen?"
Die Frage kam so plötzlich, dass Kai erstarrte. Mit geweiteten Augen sah er Kyungsoo an, konnte nicht glauben, dass dieser ihn das gefragt hatte.
„Woher ...?", flüsterte er ungläubig.
Das kleine Lächeln auf den Lippen seines Freundes irritierte ihn. Sein Herz raste, aber nicht vor Angst. Nein. Aufregung machte sich in ihm breit.
„Ist nicht wichtig. Komm, verstreuen wir Sterne – trotz der Dunkelheit", sagte Kyungsoo sanft. Seine Hand legte er auf Kais.
Kai fing an zu zittern. Fest biss er die Zähne zusammen, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Das waren Worte gewesen, die auch seine Schwester gesagt hätte. Kyungsoo hatte sie auch gekannt und hatte ihre rätselhafte Wortwahl beinahe schon bewundert.
Kyungsoo konnte das Lächeln auf seinen Lippen nicht verschwinden lassen. Auch wenn es in dieser Situation komisch war, aber er war glücklich. Glücklich, weil Kai doch noch mit der Sprache rausgerückt hatte. Zwar hatte sein Freund ihm nicht alles erzählt, jedoch einen Teil, der ihn belastete.
„Kyungsoo", wimmerte der Jüngere und ballte die Hand zur Faust. Sein ganzer Körper verkrampfte sich. Fest hatte er die Lippen aufeinandergepresst.
Vorsichtig löste Kyungsoo seine Faust und verschränkte seine Finger mit denen seines besten Freundes.
„Lass es raus, Jongin", murmelte er leise und strich dem Jüngeren mit der anderen Hand durchs Haar.
Sicherheit und Wärme breitete sich in Kai aus. Die Schmerzen waren zwar noch da und wurden mit jeder Minute, die verstrich, schlimmer, doch Kai bemerkte sie gar nicht mehr. Er blendete sie einfach aus. Er schauerte, als der Ältere ihm durchs Haar strich.
Er wollte nicht weinen, doch dank Kyungsoos Worten konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Seine Wangen wurden nass. Kai sah fast nichts mehr. Ein paar Sekunden versuchte er noch die Schluchzer zurückzuhalten, doch er schaffte es nicht.
Der erste Schluchzer verließ seinen Mund. Dann der zweite. Beim dritten schlang Kyungsoo die Arme um ihn und drückte Kai an sich. Verzweifelt krallte Kai sich am Oberteil seines Freundes fest.
Er verstand die Worte nicht, die der Schwarzhaarige ihm zur Beruhigung ins Ohr flüsterte. Sein Kopf pochte immer noch. So lange hatte Kai seine Gefühle unterdrückt.
Es war nicht gut, dass jetzt alles auf einmal aus ihm herauskam und dass auch noch in dem Zustand, in dem er sich befand.
Verzweiflung, Erleichterung und Wut durchbrach die Mauern, welche er um sich herum aufgebaut hatte.
Beruhigend strich Kyungsoo seinem Freund über den Rücken. Es erschrak ihn schon fast, Kai so zu sehen. Der Jüngere weinte nicht oft und wenn schon, dann nicht so heftig wie in diesem Moment.
Wie lange hatte er schon seine Gefühle in sich hineingefressen?
„Kyungsoo?"
Sofort war der Schwarzhaarige aufmerksam.
„Ja? Was ist?", hakte er sogleich nach. Kai sollte wissen, dass er ihm half und bei ihm war. Er musste das nicht alleine durchstehen.
„Die Person, in die ich mich verliebt habe ...", hauchte er, brach dann aber wieder ab. Leicht lächelte Kyungsoo. Er wusste, worauf er hinauswollte.
„Bin ich. Ich weiß", beendete er den Satz von Kai.
Augenblick verkrampfte sich Kai in seinen Armen. Kyungsoo war einen Moment verwirrt über seine Reaktion. Dann verstand er.
Noch näher als ohnehin schon, drückte er seinen Freund an sich. Er konnte sich vorstellen, was in dem Jüngeren vorging. Wahrscheinlich hatte er Angst davor, dass Kyungsoo sich von ihm abwenden oder es ihn anekeln würde.
Doch dem war nicht so und das würde Kai noch früh genug erfahren. Jetzt war der falsche Zeitpunkt, es ihm zu sagen.
„Wir kriegen das hin, okay? Du bist nicht alleine", murmelte der Schwarzhaarige sanft und strich seinem Freund weiter über den Rücken.
„Aber ich -"
„Du bist nicht alleine mit deinen Gefühlen", unterbrach Kyungsoo ihn.
Ruckartig sah Kai nach oben. Weit riss er die Augen auf. Sein Herz stockte einen Moment, schlug dann schneller als zuvor weiter.
„Was?", hauchte er.
Kai konnte nicht glauben, was er da gerade gehört hatte. Er musste träumen.
„Du bist nicht alleine mit deinen Gefühlen", wiederholte der Ältere nochmals. Sein sanftes Lächeln und das liebevolle Funkeln seiner Augen trieben Kai abermals Tränen in die Augen. Glücksgefühle durchströmten seinen Körper und übertönten den Schmerz.
Laut schluchzte er auf und warf sich zurück in die Arme von Kyungsoo. Seine Arme schlang er um den dünnen Körper seines Freundes.
„Es wird alles gut", versuchte der Ältere ihn zu beruhigen und schlang die Arme ebenfalls um Kai.
Kai schenkte seinen Worten sofort glauben. Kyungsoo gab ihm mit seinen Worten die Hoffnung zurück. Das erste Mal seit Monaten hatte der Jüngere das Gefühl, dass alles wieder so wie zuvor werden würde.
Er würde wieder glücklich werden, das beschloss er innerlich.
Kyungsoo war bei ihm und unterstützte ihn. Alles würde wieder gut werden. Kai würde die Hürden überwinden mit der Hilfe Kyungsoos.
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