Taeyong

Mein letzter freier Tag war ewig her. Kamen drei Wochen ungefähr hin? Vier? Vielleicht waren es aber auch fünf. Bei den ganzen Interviews, Trainings, Comebackplanungen und Reality Shows blieb kaum Zeit Luft zu holen. Selbst wenn ich ausschlafen könnte, wäre war ich schon um sechs Uhr morgens wach ... wenn ich denn überhaupt in mein Bett ging. Die meisten Nächte verbrachte ich in meinem Studio und versuchte einen Song auf Papier zu bringen – meistens erfolglos.

Wer hatte behauptet, dass man alles erreicht hatte, wenn man erst einmal ein Idol war? Die wahre Kunst bestand darin, im Gespräch zu bleiben. Bei der ganzen Konkurrenz und den verschiedenen Musikstilen war es leicht in Vergessenheit zu geraten. Genauso einfach, wie mit einer Kleinigkeit einen riesigen Skandal auszulösen.

Mein Leben war eine Autobahn und ich fuhr mit Vollgas auf der linken Seite, ohne mir Zeit zu nehmen die schönen Momente zu genießen.

Aber hier, im K-Pop House, war es irgendwie anders. Ich hatte endlich das Gefühl wieder Zeit für mich zu haben. Zeit zu atmen und zu entspannen.

Tagsüber trainierte ich mit meinen Membern und den Abend verbrachte ich mit meinen neuen Mitbewohnern. Dabei machten wir nicht einmal etwas Besonderes. Mal kochten wir gemeinsam, mal spielten wir Karten. Es war so einfach mit ihnen Zeit zu verbringen, zu reden und zu lachen. Es gab keinen Druck, obwohl die Kameras alle Momente festhielten. Ich wurde zum ersten Mal dafür bezahlt das zu tun, was ich wollte. Selbst wenn ich den ganzen Tag lang mit Mari und Jackson Filme schaute.

Nachdem mir Yuta damals von der Show erzählt hatte, lag ich die ganze Nacht wach und dachte darüber nach. Mir ging so viel durch den Kopf, immerhin musste für eine Weile aus dem Dorm ausziehen und da es eine Show war, durfte ich auch nicht den ganzen Tag mit Abwesenheit glänzen. Ich würde also nur halb so viel trainieren wie sonst und die Aufgaben des Leaders für einen gewissen Zeitraum an jemand anderen abgeben. Mir kam die Sorge, ob meine Member ohne mich zurechtkamen? Ob sie ohne meine Geduld morgens aufstanden und keinen ihrer Termine verpassten? Ich wäre nicht da, wenn sie von Hatern online angegriffen wurden und konnte ihnen keinen Mut zusprechen, wenn sie an sich zweifelten. Die Kontrolle abzugeben, die ich besaß und die mir gefiel, war wirklich schwer für mich gewesen. Und trotzdem wollte ich es machen. Ich wollte wirklich unbedingt in dieses Haus einziehen. Davon konnte mich nicht einmal Jaehyun abhalten, den ich am nächsten Morgen in der Küche traf und meine Gedanken offenbarte. Er saß an unserem großen Küchentisch über seinen Kaffee gebeugt. Völlig müde und wortkarg. Doch als ich das Thema ansprach, wurde er schlagartig wach und zog seine Augenbrauen nachdenklich zusammen, bis sich dort drei tiefe Falten bildeten, ehe er erwiderte:

„Du musst mit fremden Leuten unter einem Dach wohnen."

„Musste ich mit euch doch anfangs auch", hatte ich gekontert.

„Überall laufen Kameras."

„Wir werden doch auch ständig gefilmt."

„Alles was du sagst wird zerrissen."

„War doch bisher auch nicht anders."

Danach hatte er geschwiegen, genickt und schließlich spielerisch gejammert, dass der Dorm ohne mich im Chaos versinken wird und ich ihm fehlen würde. Ich hatte gelacht und geantwortet, dass er mich jeden Tag beim Training sah. Das war auch die Bedingung unseres Managers gewesen. Auf der einen Seite war K-Pop House eine gute Werbung für unsere Band und wenn ich alles richtig machte, würden wir mehr Fans auf uns Aufmerksam machen. Dafür musste ich allerdings auch so oft wie möglich beim Training erscheinen.

NCT sollte nämlich in drei Monaten auf Tour gehen. In acht Wochen würde ich wieder ausziehen. Aber daran wollte ich noch gar nicht denken. Jetzt würde ich die Zeit hier erst einmal genießen.

Ich rieb mir dem Schlaf aus den Augenwinkeln, der über Nacht meine Lider aneinandergeklebt hatte. Die Sonne schien strahlend in unser schlicht eingerichtetes Zimmer, direkt in meine Augen. Durch die verschwommene Sicht fiel es mir schwer meine Umgebung zuerkennen, doch mit jedem Blinzeln wurde es klarer, bis ich schließlich richtig wach war.

Ich griff nach der grauen Bettdecke und schlug sie beiseite. Mit dem Ellenbogen drückte ich mich nach oben in eine aufrechte Position und stellte fest, dass ich alleine war. Da sich Jungkook und Jackson das Doppelzimmer gekrallt hatten, teilte ich mir ein Zimmer mit Taehyung und Jin.

Ein Glück, fand ich, denn niemand wollte ein Idol sehen, dass vor laufender Kamera durchdreht und in die Irrenanstalt gesteckt wurde, weil sein Putzfimmel immense Ausmaße angenommen hatte.

Ein kurzer Blick auf mein Handy verriet mir, dass es gerade mal sieben Uhr morgens war. Da die Jungs nicht mehr hier waren, nahm ich an, dass sie bereits zur Arbeit aufgebrochen waren. Also kletterte ich von meinem Hochbett herunter und wuschelte mir mit einer Hand durch die roten verstrubbelten Haare, während ich in das Jungsbadezimmer ging.

Noch während ich mir mit einer Hand durch die Haare kämmte, griff ich mit der anderen nach meiner Zahnbürste und begann mir die Zähne zu putzen. Während ich mich so im Spiegel betrachtete, bemerkte ich wie fertig ich aussah. Der freie Tag kam genau richtig. Wie lange hätte ich noch so weitermachen können? Reichte dieser eine Tag überhaupt aus, um wieder völlig einsatzfähig zu sein? Ich beugte mich weiter über das Waschbecken und bemerkte die tiefen Augenringe und die ausgewaschenen roten Haare, die mir matt und langweilig ins Gesicht hingen. Es wurde mal wieder Zeit für eine Veränderung, dachte ich, während ich mit der freien Hand eine Strähne in meinen Fingern drehte. Langsam schielte ich zu Seite und sah das Haarfärbemittel für schwarze Haare. Ich hatte es gestern aus dem Impuls heraus gekauft, nachdem Mariko und ich vor einigen Tagen das Gespräch darüber hatten, dass sie Naturhaarfarben schöner fand, als gefärbte Haare. Die Farbe zu kaufen war eine Kurzschlussreaktion, die ich mir selbst nicht so recht erklären konnte. Schnell wandte ich den Blick ab und und drehte dem Spiegel den Rücken zu. Wieso war es mir so wichtig, was sie dachte. Warum gingen mir ihre Worte nicht aus dem Kopf? Ich hatte im Laufe meiner Karriere so oft die Farbe geändert, ohne mir vorher Gedanken darum zu machen. Die weißen Haare, waren einer meiner absoluten Favoriten. Aber jetzt plötzlich wollte ich das Rot loswerden.

Schnell schloss ich die Augen und schüttelte die Gedanken ab. Was war nur los mit mir? Also fragte ich mich, um mich abzulenken, was ich stattdessen heute tun könnte. Gleichzeitig fühlte ich wie meine müden Muskeln nach Bewegung verlangten. Eventuell sollte ich nachher joggen gehen, um sie etwas zu beruhigen. Sie sind das „Nichts tun" nicht mehr gewohnt.

Ratlos spuckte ich die Zahnpasta in das Waschbecken. Was fängt man mit einem Tag an, an dem man plötzlich so viel Entscheidungsgewalt hat?

In Jogginghose und Turnschuhen ging ich runter in die Küche, um mir eine Wasserflasche mitzunehmen, damit ich während des Joggens nicht dehydrierte. Doch als ich Lara an dem großen Küchentisch sitzen sah, blieb ich für einen kurzen Moment überrascht in dem Türrahmen stehen. Irgendwie hatte ich erwartet das Haus ganz für mich zu haben und so sie Lara mich anschaute, dachte sie es auch. Sie sah kurz auf und lächelte mir zu, ehe sie ihre Finger wieder in den dunkelbraunen Haaren vergrub und sich über ein leeres Blatt Papier beugte. Seit Tagen versuchte sie einen Song zu schreiben, aber jedes Mal, wenn ich sie sah, dann war es nur eine leere Seite Papier. Um sie herum lagen haufenweise zerknüllte Zettel, die sie aus Frust sogar bis in die Abwäsche geschmissen hatte, wo das aufgeweichte Papier nun in nassen Fetzen an den Tellern hing. Es tat mir leid, dass sie so viel Druck von ihrem Manager bekam. Ich wusste selbst, wie das war, aber wir hatten noch Songschreiber und Choreographen, falls wir es selbst nicht hinbekamen. Und nur weil wir einen Song schrieben, hieß es auch nie, dass wir ihn auch wirklich veröffentlichen durften. Deshalb bestand unser Druck mehr darin, dass wir die Songs und Tänze in einer kurzen Zeit lernen und perfekt beherrschen mussten.

Ich lächelte aufmunternd zurück und durchquerte dann die Küche, bis ich vor dem Kühlschrank zum Stehen kam. Mit einer schnellen Bewegung öffnete ich ihn, griff nach einer Wasserflasche und schloss die Tür wieder. Dabei knallte es lauter als beabsichtigt, denn Lara zuckte sichtlich zusammen. Erst jetzt erkannte ich ihre Augenringe, die noch tiefer und dunkler waren als meine.

„Ich glaube du hast eine Pause nötig", bemerkte ich und sah die Erleichterung in ihrem Gesicht. Das war es, was sie gebraucht hatte. Jemand der sah, wie es ihr ging und ihr die Pause bewilligte. Sie selbst konnte es einfach nicht. Dafür war sie zu ehrgeizig und ich wusste aus Erfahrung, dass ich bei Niederlagen und Frust nur noch mehr versuchte etwas hinzubekommen. Einfach, weil es unmöglich war dieses Gefühl zu ertragen den ganzen Tag ohne Erfolg verschwendet zu haben. In diesen Momenten half es wirklich nur eine Zwangspause einzulegen und den Kopf frei zu bekommen. Aber alleine schafft man es nicht. In diesem Punkt brauchte sie jemanden, der sie aus ihrem Loch zog. Und dieser Jemand war ich.

„Oh, das ist eine sehr gute Idee." Sie seufzte erschöpft und wies dann auf meine Kleidung. „Gehst du Joggen?"

Zur Antwort nickte ich nur und beobachtete sie dabei, wie sie mit wirren Haaren, wie die eines verrückter Professors, ihre ganzen Zettel zusammen klaubte und sie in den Mülleimer neben dem Kühlschrank warf.

„Was dagegen, wenn ich mitkomme?"

„Klar, wenn du willst." Ich war sicher, dass ihr frische Luft guttun würde. Außerdem tat es mir leid, dass Lara sich in den letzten Tagen von den anderen Mitbewohnern absonderte und Zeit alleine verbrachte. Das lag vermutlich nicht nur an dem Vorfall mit Lillian und Jungkook, sondern auch an den Kommentaren, die derzeit Twitter und Youtube fluteten. Ich war nur durch Zufall drauf gestoßen, als ich wissen wollte, wie die Zuschauer die letzten zwei Folgen gefielen. Doch was ich fand, waren haufenweise Hassnachrichten über Lara. Es war unmöglich, dass sie es nicht gesehen hatte.

Ja, Lara war selbstbewusst und taff, aber nicht einmal sie konnte dem Stand halten, ohne an sich selbst zu zweifeln.

„Ich gehe mich nur noch schnell umziehen", sagte sie und war auch schon aus der Küche verschwunden.

Es dauerte nicht lange, da stand sie in schwarzer Jogginghose und einem viel zu großen roten Hoodie wieder vor mir. Ihre hellbraunen Haare hatte sie zu einem Zopf gebunden und sogar keinen (wie sonst immer) roten Lippenstift drauf. Eine ganze neue Lara stand vor mir. Eine natürliche und wunderschöne Lara. Sie war sie selbst und es stand ihr sehr gut!

„Du solltest öfter so rumlaufen", grinste ich und öffnete ihr die Haustür, durch die sie mit einem Lachen trat.

„Du meinst schlabberig?"

„Ich meine, ohne Maske."

Sie drehte sich zu mir herum und lächelte geschmeichelt, während ich die Tür ins Schloss zog.

„Danke Taeyong."

Wir liefen bis zu einem Park in der Nähe unseres Hauses, durch den Park durch und wieder zurück zum Haus. Es war nicht spektakulär und wir unterhielten uns kaum, aber das war auch völlig okay. Ich fragte sie, wie sie mit dem Song vorankam und sie erzählte mir, dass sie nicht mal eine Grundidee hatte, worum es gehen könnte. Dann fragte sie mich, was wir tun, wenn wir kreative Tiefs haben und ich sagte ihr, dass wir meisten verrückte Spiele spielten, um die Spannung herauszunehmen. Mit ihr zu Reden war leichter, als ich anfangs erwartet hatte. Natürlich war mir aufgefallen, dass Lara sehr klare Vorstellungen von allem hatte und es wunderte mich nicht, dass sie sich deshalb mit Lillian einige Mal angelegt hatte. Jungkook und sie sprachen kaum miteinander. Und wenn sie es doch taten, dann stritten sie nur. Ich dachte also, dass es schwierig wäre, in ihrer Gegenwart nicht unterzugehen, aber das war es nicht. Lara und ich verstanden uns gut und wir waren auf einer Stufe. Ich freute mich, dass wir uns verstanden, denn ich hatte den Eindruck, dass sie bisher in diesem Haus alleine gekämpft hatte. Jetzt wusste sie zu mindestens, dass sie mit mir sprechen konnte, wenn sie etwas hatte. Es war mir wichtig, dass sich alle im K-Kop House wohl fühlten. Wenn ich so genauer darüber nachdachte, tat ich hier genau das Gleiche wie in unserem NCT Dorm. Ich passte auch hier auf alle auf.

Als wir völlig verschwitzt aus ausgepowert das K-Pop House betraten, fühlte ich mich gut und völlig fertig. Aber genau das hatte mein Körper gebraucht.

„Danke fürs ablenken", sagte Lara erschöpft und lächelte mich glücklich an. „Das hatte ich wirklich gebraucht."

„Wir sollten das öfter machen", schlug ich vor, als Mariko genau in diesem Moment an uns vorbeilief. Ihre Nachmittagskurse schienen ausgefallen zu sein, denn sonst war sie nie so früh zurück.

„Sehr gerne", antwortete Lara und grüßte Mari mit einem Nicken. Diese nickte zurück und musterte uns beide nachdenklich. Doch der Ausdruck in ihrem Gesicht verwirrt mich ein wenig. Wieso verzog sie keine Mine, als sie fragte:

„Habt ihr Sport gemacht?"

„Wir waren Joggen", sagte Lara und grinste mich wissend an, bevor sie zu Mari schielte. Ich schaute nur verwirrt zurück und wusste nicht so recht, was sie damit andeuten wollte, aber Mari anscheinend auch nicht, denn sie sah genauso verwundert aus.

„Ich gehe zuerst duschen", rief Lara fröhlich und war auch schon verschwunden. Marah sah ihr nach, zog dann die Augenbrauen zusammen und drehte ihren Kopf langsam wieder in meine Richtung. Sie sah aus, als wollte sie etwas sagen, doch ich unterbrach sie schnell, in dem ich meine Schuhe auszog und kopfschüttelnd sagte:

„Sie vergisst, dass wir zwei Badezimmer haben. Ich sollte auch duschen gehen."

Ich sah, wie Mari bereits den Mund öffnete, doch da war ich schon die Stufen nach oben verschwunden. Irgendetwas an ihrem Gesichtsausdruck ließ mich schnell die Flucht ergreifen.

Frisch geduscht betrat ich einige Zeit später den Freizeitraum, in dem Melissa zwischen einem Haufen Kissen saß und auf dem Laptop auf ihrem Schoß irgendeinen Anime sah. Chaewon saß neben ihr und lackierte sich die Fingernägel grün, während sie den Anime kommentierte. Das würde mich persönlich ja sehr stören, aber Melissa wirkte, als wäre es für sie okay. Zwischen den ganzen Kissen schaute nur ein Gesicht heraus. Beim genaueren Hinsehen, erkannte ich, dass es Taehyung war, der ebenfalls auf Melissas Laptop sah.

„Habt ihr Jackson gesehen?", fragte ich und drei Köpfe hoben sich an, als hätten sie mich erst jetzt bemerkt.

„Er ist im Tanzraum", sagte Chaewon, während sie die Abdeckung auf den Nagellack Behälter schraubte. Zufrieden betrachtete sie ihre Hand und wackelte mit den Fingern. „Er hat vorhin nach dir gefragt."

„Okay, danke." Ich lächelte die drei an und betrachtete ihre interessante Konstellation. Hier in diesem Raum hatten sich die drei größten Anime und Mangasfans zusammen gefunden, die es gab. Seit einigen Tagen schauten sie gemeinsam Serien oder machten sich einen Spaß daraus, die Geschichte aus den Büchern nachzustellen, in dem einer die Szene vorliest und die anderen beiden es nachspielen. Dieses Bild, dass sich mir gerade bot, war noch normal, im Vergleich zu anderen Situationen, in denen ich die letzten Male öfter hereingeplatzt war. Das Bild in dem Taehyung eine blonde, langhaarige Perücke trug und in Chaewons Armen lag, die sich mit Kajal einen Bart in ihr Gesicht gemalt hatte, würde ich wohl nie vergessen.

Also schloss ich die Tür wieder hinter mir, um sie ungestört weiter machen zu lassen.

Als ich den Tanzraum betrat, war Jackson bereits dabei zu trainieren.

„Da bist du ja, ich habe überall nach dir gesucht", grinsend legte ich mein Handy auf dem kleinen Tisch neben der Tür, damit es mich beim Tanzen nicht störte. Auch meine Jacke landete kurz darauf auf der Ablage, um so viel Bewegungsfreiheit wie möglich zu haben.

„Wir waren die ganze Zeit hier", antwortete Jackson fröhlich, stoppte in seiner Tanzbewegung und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Oder Mari?"

Mari?

Ich drehte mich verwundert zu der Ecke des Raumes, in dem sie saß und mich angrinste. In ihren Händen hielt sie ein Handy mit dem sie Jacksons Training filmte. Für einen kurzen Moment hob sie ihren Blick von dem Bildschirm und winkte mir zu. Ich erwiderte es, wenn auch perplex.

Sie war auch hier?

Etwa schon die ganze Zeit?

Mein Blick huschte wieder zu Jackson. Wieso trug er eigentlich immer diese Muskelhemden, wenn er tanzte? Konnte er nicht einfach mit einem Pullover oder wenigsten langen Klamotten trainieren? Neben ihm sah ich doch aus wie ein Strich in der Landschaft.

Mari war etwas rot um die Nase. Das konnte ich selbst aus der kleinen Entfernung sehen. Außerdem trug sie ein schwarzes Basecap, dass ihr wirklich gut stand. Sie sah damit sehr süß aus. Das dachte ich jedenfalls solange, bis mir auffiel, dass es eigentlich Jackson gehörte und der schmerzhafte Stich hinter meinem Brustbein mir die Luft zum Atmen nahm. Was war nur los mit mir? Wieso fühlte ich mich in ihrer Nähe immer so ... angreifbar.

Was auch immer hier ablief, es gefiel mir irgendwie nicht. Innerlich baute sich der Drang auf, ob ich nicht auch einfach in einem Muskelhemd tanzen sollte, aber das war eine blöde Idee. Es würde an mir herunterhängen wie ein zu großer Sack. Ich hatte zu meinem Bedauern einfach nicht die Figur dafür. Aber Jackson schon. Seine waren Arme viel beeindruckender als meine. Er hatte Muskeln und ich ... hatte etwas Ähnliches.

„Was stehst du da noch rum?" Jackson winkte mich hoch motiviert zu sich und gab Mari ein Zeichen die Musik abzuspielen. Ich trat an seine Seite und versuchte meine Komplexe und das Mädchen in der Ecke auszublenden.

Genau in diesem Moment, als die Musik einsetzte, war ich wieder das Idol, dass ich nach außen hin zeige. Dann gab es nur noch mich und sie. Den Rhythmus, den Beat und meinen Körper, der sich wie von selbst dazu bewegte. Ich schaltete die Welt um mich herum einfach aus und gab ihr die Kontrolle. Viele sagten mir, dass ich auf der Bühne ein völlig anderer Mensch war und es gefiel mir. Dort war ich auch ich selbst, nur eben auf eine andere Art. Mutiger, irgendwie.

Wir gingen die Choreo immer und immer wieder durch. Selbst dann noch, als Jackson sie bereits blind beherrschte. Er hatte einfach so große Angst einen Fehler zu machen, dass wir es weitere fünfmal wiederholten. In den kurzen Momenten, in denen ich eine kleine Pause hatte, sah ich zu Mari, die im Schneidersitz vor dem Spiegel saß und vor Begeisterung klatschte. Dabei sah sie mich nicht einmal an. Sie sah nur auf ihn.

Jackson verbeugte sich neben mir mit einem lauten Lachen und in mir stieg der Drang erneut auf, mir die Haare zu färben. Gleichzeitig schlug ich innerlich meinen Kopf gegen die Wand. Was dachte ich da?! So ein Unsinn! Es konnte mir egal sein, wenn sie anstarrte! Ich wusste selbst, wie gut Jackson tanzen konnte. Hier mit ihm zu trainieren war eine Ehre für mich! Ich sollte -

„Oh, tut mir leid." Lara steckte ihren Kopf durch die offene Tür in den Raum hinein. Als sie mich sah, lächelte sie strahlend und ich erwiderte es automatisch. Sie würde mir niemals glauben, wie dankbar ich über ihr auftauchen war. Zum ersten Mal seit zwei Stunden hatte ich das Gefühl, wieder einen klaren Gedanken fassen zu können.

„Komm rein", forderte Jackson freundlich und legte sich ein weißes Handtuch um die Schultern. Lara trat etwas unschlüssig in den Raum und hielt ihre Gitarre in die Höhe. Sie ließ ihren Blick schweifen und lächelte, als sie mich erkannte. Augenblicklich wirkte sie viel entspannter.

„Ich wollte den Raum eigentlich zum Üben nutzen, aber ich wollte euch auch nicht stören."

„Du störst nicht", versicherte Mari und klopfte auf die freie Stelle neben sich auf dem Fußboden. „Die Jungs üben gerade. Das solltest du dir ansehen!"

„Ui, klasse!" Lara quietschte aufgeregt und setzte sich zu Mari auf den Boden. Erwartungsvoll sahen uns die beiden an, bis Jackson meinte:

„Ich glaube die Pause ist vorbei. Es geht wohl weiter." Er klopfte mir auf den Rücken, bei dessen kräftigen Stoß, ich nach vorne stolperte. Es war mir peinlich, dass ich so schwach war, im Vergleich zu dem Got7 Member. Doch ich tarnte es in einem Lächeln und erwiderte.

„Kein Problem! Ich kann noch." Das war so gelogen. Ich brauchte dringend eine Pause, aber ich wollte auch nicht als Schwächling dastehen, also trank ich etwas aus meiner Wasserflasche und tanzte dann mit ihm eine weitere halbe Stunde. Ich sah die Mädchen ab und an tuscheln, woraufhin sie dann kicherten. Es verunsicherte mich etwas, da ich nicht wusste, worauf es sich bezog. Aber ich nahm es nicht persönlich. Ich konnte im Spiegel sehen wie gut Jackson und ich waren. Sogar sehr synchron. Wenn diese Folge ausgestrahlt wird, werden unsere Fans uns hoffentlich noch mehr mögen.

Lara strahlte mich immer aufmunternd an und sah so begeistert aus, dass ich das Gefühl bekam, sie war die Einzige in diesem Haus, die nicht auf Jackson stand. Damit wurde sie mir immer sympathischer.

Schließlich lagen Jackson und ich an Boden und versuchten, wieder zu Atem zu kommen, während Lara und Mari vor Aufregung jubelten.

„Autogramme gibt es später", sagte Jackson, ohne die Augen zu öffnen oder das Handtuch von seinem Gesicht zu nehmen. Ich wollte gerade einen weiteren flachen Witz hinzufügen, als die Tür erneut aufging und Jungkook den Raum betrat.

„Ach hier bist du. Ich suche dich schon im ganzen Haus." Ich hob den Kopf, um zu sehen, mit wem er sprach. Aber als Lara die Arme verschränkte und ihn mit zusammengekniffenen Lippen musterte, wurde mir klar in welche Richtung dieses Gespräch laufen würde.

„Nun, du hast mich gefunden", brummte sie und schaute ihn dabei nur argwöhnisch von ihrem Platz aus an. Sie hielt es nicht einmal für nötig aufzustehen. Ganz offensichtlich, wollte sie nicht mit ihm sprechen.

Ich rollte mich auf die Seite und stupste Jackson etwas umständlich mit meinem Fuß an, worauf er erst beim fünften Mal reagierte. Verwundert sah er mich an, als ich auf Lara und Jungkook und dann auf die Tür wies.

„Ich wollte gerne mit dir reden", fuhr Jungkook fort, als Jackson endlich verstand und Mari ein Zeichen gab, dass wir verschwinden mussten, bevor wir in etwas hineingezogen wurden, wo wir ganz sicher nicht mit drin hängen wollten.

„Ich wüsste nicht worüber." Laras Stimme blieb eiskalt.

„Ach bitte." Jungkook warf genervt die Arme in die Luft. „So kann das doch nicht weitergehen. Du verhälst dich kindisch. Wir lange willst du das noch durchziehen?"

„Wie bitte!?" Sie stemmte die Hände in die Hüfte, als Mari schlagartig auf die Beine sprang und rückwärts aus dem Raum schlich.

„Ich habe völlig vergessen, dass ich noch etwas Wichtiges erledigen muss. Lasst euch nicht stören."

„Ja, ich muss auch dringend noch ... den Pool reinigen." Jackson sah mich mit einem Was-zu-Hölle-rede-ich-da-für-einen-Unsinn?!- Blick an, ehe er Mari ebenfalls aus dem Raum folgte. Ich hatte gerade meine Sachen zusammengesucht und für den stillen Abgang entschieden, als Lara mich zurückhielt.

„Stehen geblieben! Ich brauche dich hier!", forderte sie und zeigte mit dem Finger, dass ich zu ihr kommen sollte. Ich erstarrte, nicht wissend, was ich tun sollte. Hier zu bleiben erschien mir als keine gute Idee.

„Ich will wirklich nicht stören", sagte ich leise und hoffte, dass sie verstand, wie unangenehm mir das hier war. Aber offensichtlich war es ihr egal.

„Du störst nicht." Dann wandte sie sich an Jungkook und stand von dem hellen Fußboden auf. „Was auch immer du zu sagen hast, kannst du auch vor Taeyong sagen!"

Jungkook sah genauso wenig begeistert aus wie ich, aber er beschloss mich einfach auszublenden. Um wenigstens ein bisschen Privatsphäre zu waren, hielt ich mich weitesgehend im Hintergrund.

„Was ich neulich sagte, tut mir nicht leid. Ich hatte es genauso gemeint", begann Jungkook langsam und holte tief Luft. Die Worte kosteten ihn viel Mut und Überwindung. Das hörte ich an dem Zittern in seiner Stimme. Doch Lara hörte es offensichtlich nicht, denn sie sah empört aus. Mit diesem Anfang hatte sie wohl nicht gerechnet. Jungkook atmete tief durch und sprach mit festerer Stimme als vorher fort:

„Aber ich habe es gesagt, weil ich es wichtig finde. Du kannst so nicht mit anderen Menschen umspringen. Ich meine, du hast Taeyong gegen seinen Willen befohlen hier zu bleiben!" Er wies auf mich und unterstrich damit seinen Standpunkt. „Sowas kannst du nicht tun!"

Damit hatte er Recht, das musste ich schon zugeben.

„Er ist freiwellig hier." Lara drehte sich mit einem Gesichtsausdruck in meine Richtung, der keine Widerworte duldete. „Oder!?"

„Naja ..."

„Das ist jetzt nicht der Punkt!", unterbrach mich Jungkook und fuhr sich nervös durch seine dunklen Haare. „Ich will damit sagen, dass ich nicht verstehe, wieso wir uns plötzlich streiten. Wir haben uns so gut verstanden und jemand musste dir doch sagen, dass du dich wie eine Zicke aufgeführt hast!"

„Hey!"

„So kann das nicht weitergehen. Wir wohnen zusammen und ich will nicht von dir ignoriert werden. Das muss aufhören!"

„Dann streite nicht ständig mit mir! Ich will das nämlich auch nicht. Ich dachte du wärst mein Verbündeter in diesem Haus und dann fällst du mir so eiskalt in den Rpcken." Sie wandte sich an mich. „Nichts für ungut."

„Schon okay", winkte ich ab.

„Das will ich doch auch sein! Und ich will, dass wir mehr miteinander unternehmen. Ich finde dich interessant Lara und ich möchte mehr von dir erfahren."

„Ich will auch, dass wir mehr unternehmen!"

„Es tut mir leid!"

„Mir auch!"

„Gehst du mal mit mir aus?", schrie Jungkook viel zu laut, weil ich mir sicher war, dass er es sonst nicht ausgesprochen hätte. Obwohl sie stritten, war dieses Gespräch eine Art Geständnis. Nur eben auf ihre eigene Weise.

Lara sah ihn mit großen Augen an. Sie schluckte und fragte nun leiser, fast ungläubig:

„Wirklich?"

„Ja. Das wollte ich schon lange fragen."

Okay, das war mein Moment nun wirklich zu verschwinden. Dieses Mal konnte ich abhauen, ohne dass mich jemand aufhielt.

Ich hätte mir eine Jacke überziehen sollen. Es war viel zu kalt hier draußen auf dem Balkon. Aber vielleicht half mir die Kälte auch, damit ich endlich schlafen konnte. Immerhin war es zwei Uhr nachts und ich starrte seit einer halben Stunde in den bewölkten Himmel über Seoul. Bevor ich hier rauskam, hatte ich mich eine Stunde im Bett hin und her gewälzt, bis Jin irgendwann genervt mit einem Kissen nach mir warf. Ich wusste nicht einmal genau, wieso ich nicht schlafen konnte. Das Einzige, was ich wusste war, dass mir Maris Blick nicht aus dem Kopf ging. Hatte sie wirklich Interesse an Jackson oder bewunderte sie ihn nur als Sänger und Tänzer? Und wieso machte ich mir darüber Gedanken? Sollte es mir nicht eigentlich egal sein? Verdammt dieser Blick. Ich wünschte, sie hätte mich so angeschaut und nicht ihn. Aber es war er. Er hatte ihre Aufmerksamkeit und nicht ich.

Er.

„Schmiedest du um diese Uhrzeit Mordpläne?"

Ich schaute zur Seite und sah Lillian, die sich neben mich an das Geländer lehnte.

„Du kannst wohl auch nicht schlafen, hm?", fragte ich und umklammerte mit den Händen das Geländer des Balkons, um mich daran abzustützen.

„Melissa schnarcht. Daneben kann niemand schlafen", sagte sie und zuckte mit den Schultern. „Was ist deine Ausrede?"

„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht", gab ich zu, weil ich es mir wirklich nicht ganz erklären konnte.

„Du lügst", bemerkte sie. „Worum geht es wirklich?"

Ich schaute in den Himmel, um sie nicht ansehen zu müssen. Lillian hatte Recht. Ich belog nicht nur sie, sondern auch mich selbst. Wenn ich ehrlich war, dann wusste ich die Wahrheit, aber ich wollte es mir selbst nicht eingestehen. Es würde nur alles komplizierter machen.

Lillian musterte mich eine Weile von der Seite, dann verzogen sich ihre Lippen zu einem amüsierten Lächeln.

„Da fällt mir ein, kannst du Jackson demnächst mal sagen, dass er sich nicht ständig ausziehen soll? Ich kann mich nicht konzentrieren, wenn er halbnackt durch das Haus rennt."

Als mein Blick überrascht zu ihr huscht, schaut sie mich selbstzufrieden an. Sie hat genau ins Schwarze getroffen und es gefällt ihr.

„Du stehst auf Jackson?", fragte ich schon etwas verwundert. Zuerst hielt ich es für eine Falle, um mich aus der Reserve zu locken, doch ganz offensichtlich hatte sie wirklich eine kleine Schwäche für ihn. Jedenfalls sagten das ihre Finger, die nervös an ihrem silbernen Armband spielten.

Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. NIEMAND hatte damit gerechnet! Doch Lillian zuckte nur mit den Schultern.

„Er sieht sehr gut aus. Das ist offensichtlich mehreren in diesem Haus aufgefallen." Sie verzog ihren Mund beim Grinsen nach rechts. „Mari ist es auch aufgefallen."

„Ich sehe auch gut aus." Na toll, wieso kann ich meine Gedanken nicht einfach mal für mich behalten?

Sie musterte mich von oben bis unten.

„Jackson ist größer. Seine Muskeln sind auch ausgeprägter. Und er hat diese dunkelbraunen, treuen Hundeaugen. Oh und er rappt -"

„Ja, okay! Ich habe es verstanden!"

„Du hast keine Chance bei ihr."

„Wir sind nur Freunde."

„Ja." Sie lachte. „Erzähl das wem du willst."

„Wirklich! Warum sollte ich lügen?"

„Ich habe Augen im Kopf, Taeyong. Ich sehe und höre alles. Aber schon verstanden, du willst nicht darüber reden. Also dann, gute Nacht." Sie hatte ganz offensichtlich Spaß daran mit ihrer Beute zu spielen. Lillian genoss es, dass sie alles wusste und am meisten mochte sie es, wenn sie Recht hatte.

„Nacht", brummte ich und krallte meine Finger fester um das Geländer. Sie konnte meine Antwort nicht mehr hören, da sie den Balkon längst verlassen hatte. Aber sie hinterließ in mir ein Welle der Gedanken, die ich bisher nicht zulassen wollte.

Es war mir doch egal, wie toll Jackson war. Meine Nctzen, liebten mich genauso wie ich war. Ich musste mich nicht verändern. Für niemanden! Und wenn Mari auf ihn stand, dann war das eben so.

Ach, es war so einfach sich selbst zu belügen ...


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Soo meine Lieben, ihr habt gevotet und Taeyong hat gewonnen! *Applaus*
Ich freue mich sehr, dass dieses Voting gut ankam und sagt mir bitte, ob ihr öfter mal die Entscheidung in die Hand nehmen wollt!
Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ich habe ihn halbwegs getroffem :D

LG eure Steffi  

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