Taehyung
Eigentlich war es völlig normal.
Ja, okay Melissa und ich lagen auf dem Sofa. Ihre Augen waren geschlossen und das Gesicht in meinem Pullover vergraben. Und ja okay, ich hatte meine Nase in ihrem hellbraunen Haar vergraben. Ich musste mich stark zusammen reißen nicht mit den Fingern ihre Sommersprossen zu berühren, die sich schwach um ihre Nase hervorhoben. Sie lag mit dem Rücken zur Sofalehne und eigentlich war es nicht geplant gewesen mich neben sie zu legen. Aber sie hatte mich mit ihrem niedlichen Lächeln darum gebeten und es war auch nicht das erste Mal. Im Laufe der Woche haben Melissa und ich öfter gekuschelt, als ich zählen konnte. Entweder auf dem Sofa, in meinem Bett oder aber wir standen einfach nur da und haben uns umarmt – Minutenlang. Sie war ein sehr kuschelbedürftiger Mensch und ich war es auch! Seit diesem einen Abend, zog mich ihre Nähe geradezu magisch an. Ich konnte mich einfach nicht beherrschen und es war sogar total jugendfrei. Meistens ging es sogar von ihr aus. Sobald niemand mehr in der Nähe war, wollte sie von mir umarmt werden – Selbst für wenige Sekunden.
Ich horchte etwas auf, aber niemand war zu hören. Wir waren alleine im Haus. Andere Jungs würden jetzt auf völlig falsche Gedanken kommen, aber so war ich nicht. Mir reichte es einfach sie in meinem Arm zu halten und das Gefühl zu haben, dass dieser Moment ganz uns gehört. Ich atmete ihren Geruch tief ein und zog sie noch enger an mich heran. Melissa seufzte und schmiegte ihre Wange an meine Brust.
Eigentlich war es doch völlig normal.
Wir waren Freunde. Was war schon dabei? Es passierte ja nichts.
„Wir sollten langsam aufstehen", nuschelte ich widerstrebend in ihre Haare. „Die anderen kommen sicher bald nach Hause." Ich wollte es eigentlich gar nicht. Mir war es egal, ob uns die anderen sahen, aber ich verstand auch, wieso Melissa es nicht wollte. Ich hatte auch keine Lust auf die nervigen Fragen, was denn zwischen uns lief. Die Wahrheit wäre gewesen: GAR NICHTS!
Nicht, dass ich es mir nicht ein klein bisschen wünschen würde ... Aber wie ich schon sagte: Wir waren NUR Freunde – Für sie. Melissa hatte ja keine Ahnung wie wuschig mich ihre Nähe machte und sie sehr sie mich durcheinanderbrachte. Es war nichts Halbes und nichts Ganzes. Ich mochte dieses verschwommene nicht. Ich brauchte klare Linien!
Melissa knurrte leise an meinem Pullover.
„Lass uns noch fünf Minuten liegen bleiben. Das ist wirklich sehr bequem."
Also zog ich die noch enger an mich heran und genoss den Moment.
Keine Ahnung wie lange wir hier lagen, doch sobald ein Schlüssel ruckartig in das Schloss der Haustür gerammt wurde, trat mich Melissa vom Sofa, ehe ich freiwellig aufstehen konnte.
Mit schmerzverzehrtem Gesicht sah rieb ich mir die Stirn, die frontal auf den weißen Teppich knallte, während mein Knie sich ebenfalls beschwerte, da es sich am Couchtisch gestoßen hatte. Melissa richtete sich auf und fuhr sich durch die Haare. Ihr Gesicht wurde knallrot – Das war irgendwie süß. Nein, aus! Wir waren nur Freunde, krieg das endlich in deinen verdammten Schädel, Taeyhung! Du empfindest nicht mehr für sie!
Ich setzte mich ordentlich hin und versuchte halbwegs so auszusehen, als wäre ich nicht gerade brutal vom Sofa gestoßen worden. Melissa schaltete den Fernseher an, damit es aussah, als hätten wir einen guten Film gesehen – Es liefen Teleshopping.
Aber als Jungkook das Wohnzimmer betrat und sich mit einer Schüssel Müsli zu uns setzte, schiene er keinen Verdacht zu haben. Das war gut. Sehr gut. Aber was sollte er auch verdächtigen?
Eigentlich war ja alles in Ordnung.
In dieser Nacht schlief ich ziemlich schlecht. Mein Kopf wollte einfach nicht ruhig sein und führte eine ernsthafte Diskussion mit meinem Herzen. Ich wühlte mich unruhig von einer Seite auf die andere, bis Jin mir ein Kissen an den Kopf warf, damit ich endlich aufhörte. Ich würde ja gerne! Aber ich kann es nicht! Mit geballter Kraft versuchten mein Kopf und ich mein Herz zum Schweigen zu bringen und krampfhaft an etwas anderes zu denken. Für einen kurzen Moment, dachte ich auch, dass ich gewann. Aber dann tauchte ihr Gesicht erneut in meinem Kopf auf.
Melissa.
Okay, keine Panik, Taehyung! Offensichtlich bist du ein bisschen verknallt. Das ist okay, immerhin ist eure Bindung in letzter Zeit etwas enger geworden. Aber trotzdem waren wir nur Freunde! Das hatte sie klar und deutlich im Bad klargemacht. Okay, das konnte ich! Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht in den Griff bekäme. Ich hatte weibliche Freunde und da funktionierte es ja auch. Ich drehte mich erneut auf die andere Seite, als Jin mit einem weiteren Kissen abwarf.
„Mein Gott, Tae! Wenn du nicht schlafen kannst, verlass das Zimmer!"
Ich seufzte, denn ich wusste, dass er Recht hatte. Mich weiterhin kopflos hin und her zu wühlen würde auch nichts bringen. Also stand ich schließlich auf und verließ so leise wie möglich das Zimmer.
„Was tust du da?" Ich setzte mich mit meiner Tasse warme Milch auf das Sofa. Lara hatte mich gar nicht bemerkt, bis ich sie angesprochen hatte. Sie saß auf dem Fußboden im Wohnzimmer und schrieb völlig im Wahn ein Blatt Papier voll.
„Ich hatte einen Geistesblitz und jetzt muss ich das aufschreiben!" Sie schaute nicht einmal auf, als sie mir antwortete und schrieb so angestrengt weiter, dass die Miene vom Bleistift abbrach. „Ach Mist!", beschwerte sie sich genervt, warf den Stift quer durch das Zimmer und schnappte sich einen Kugelschreiber, der in Reichweitelag.
„Es ist drei Uhr nachts."
Dunkle Augenringe hatte sich unter ihren braunen Augen gebildet, aber sie selbst strahlte. Ja, sie war völlig in ihrer Welt als sie schrieb – Immerhin wartete sie seit dem Einzug auf das Ende ihrer Schreibblockade. Aber während sie schrieb, war sie so in ihrem Element, dass sie einfach nur wunderschön war. Jetzt in diesem Moment sollte Jungkook sie sehen! Er wäre hin und weg! Aber ich konnte ihn ja schlecht aus dem Bett zerren.
Nachdem wir eine Weile schwiegen und ich Lara beim Arbeiten beobachtete, schien sie sich dann jedoch etwas unwohl zu fühlen und legte den Kugelschreiber beiseite.
„Ist etwas, Tae? Möchtest du über etwas reden?"
„Nein." LÜGE! Ich konnte nicht aufhören an Melissa zu denken. Sie schwirrte ununterbrochen in meinem Kopf herum. Jetzt konnte ich nicht einmal mehr ohne sie einschlafen. Wo sollte das noch hinführen?
„Sicher?", fragte sie nicht ganz sicher, ob sie mir glauben sollte, nach.
„Ja." LÜGE!
„Du siehst aus, als würde dich etwas beschäftigen. Warum wärst du sonst wach?"
„Taeyong schnarcht." LÜGE! LÜGE! LÜGE!
„Na schön." Lara nickte geistesabwesend und schrieb dann an ihrem Song weiter.
Ich sah ihr dabei zu, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Ihr dabei zuzuschauen, machte es mir leichter abzuschalten und endlich hatte ich das Gefühl, dass ich wieder atmen konnte. In jemanden verknallt zu sein war nichts Neues für mich. Als ich noch in die Schule ging war ich auch schon verknallt gewesen. Das hier würde ich auch überwinden. Irgendwann schlief ich auf dem Sofa ein.
Als ich wieder aufwachte, schien die Sonne in das Wohnzimmer und erstrahlte alles. Ich kniff die Augen zusammen und fühlte mich wie ein Vampir, der kein Sonnenlicht vertrug.
Lara kam gerade aus der Küche wieder und setzte sich mit einem breiten Grinsen vor mir auf den Boden, während ich mich in eine aufrechte Position begab.
„Wie spät ist es?", fragte ich mit tiefer Morgenstimme und rieb mir über das ganze Gesicht. Lara wirkte völlig erschöpft, lächelte aber glücklich.
„Sechs Uhr."
Okay, wow. Ich hatte nur drei Stunden geschlafen. Na großartig. Ich betrachtete Lara genauer. Ihre Augenringe waren noch tiefer geworden und in ihrem blassen Gesicht waren lauter rote Flecken.
„Hast du überhaupt geschlafen?", fragte ich etwas besorgt, während mein Blick zu den Zetteln in ihrer Hand abschweifte.
„Nein." Ihr Lächeln wurde noch breiter. „Aber dafür ist mein Song endlich fertig. Kann ich ihn dir vorsingen und du sagst mir ganz ehrlich was du davon hälst?"
Ich nickte wortlos und fuhr mir durch die Haare. Lara holte tief Luft und sah mich erwartend an, ehe sie die ersten Töne ansang.
Ihre Stimme war wirklich schön. Sie kam von ganz tief nach ganz hoch und hatte etwas ganz Besonderes in ihrer Stimmfarbe. Der Refrain war eingängig und die Strophen verschafften mir Gänsehaut. Wie alle ihrer Songs war auch dieser hier Stark und strahlte die Macht der Frauen aus. Selbstbewusst, unabhängig und gleichzeitig wunderschön.
Als sie endete, sah sie zu mir hoch und ihre Augenbrauen bewegten sich nervös in die Höhe.
„Und?", fragte sie ungeduldig. „Was sagst du?"
„Wow! Er ist .... Den hast du wirklich selbst geschrieben?" Mir fehlten die Worte. Ich hatte dieses Talent schon immer bei Namjoon, Yoongi und Hoseok bewundert aber mir selbst fiel es schon schwerer ein Lied auf die Beine zu stellen. Klar, ich hatte auch welche selbst geschrieben, aber ich schüttelte sie nicht so aus dem Ärmel.
„Jap. Komplett erschaffen von mir." Sie strahlte stolz. „Also findest du ihn gut?"
„Er ist unglaublich, Lara!"
Wenn möglich strahlte sie noch breiter.
„Wie heißt er?"
„Brain Shaker."
Kraftvoll. Ein passender Titel zu einem starken Song.
„Wow, das klang wirklich gut! War das dein Song, Lara?" Melissa hatte das Wohnzimmer betreten. Ungeschminkt, zerzauste Haare, weiter Pullover und Jogginghose, als wäre sie gerade aus dem Bett gefallen,
Ich liebe dich! - Ach, verdammt! Ich war verloren ...
Wir saßen alle beim Frühstück und unterhielten uns über Laras neuen Song, als es plötzlich an der Haustür klopfte. Na nu? Hatte es gerade wirklich an die Tür geklopft? Wir hatten noch nie Besuch!
Ich schaute mit großen Augen zu Taeyong, der sich mit fragendem Blick erhob und zur Haustürging.
„Guten Morgen!", flöteten zwei mir bekannte Stimmen. Ich konnte sie nur gerade nicht genau einordnen.
„Taeyong, ich bin so froh, dass du deine Haare gefärbt hast! Das schwarz steht dir richtig gut!"
„Ist das Steffi?", fragte Mari mit großen Augen und ich sah wie Jackson mit seinem Stuhl nach hinten wackelte, um eine bessere Sicht in den Flur zu bekommen.
„Hör nicht auf sie!", sagte die zweite Stimme abwinkend. „Deine roten Haare sahen auch echt heiß aus."
„Und das klang nach Agnetha", sagte Melissa mit großen, neugierigen Augen. Gott, wieso war sie so wunderschön! Argh!
Kurz darauf kam Taeyong mit den beiden Mädchen in die Küche. Die beiden Moderatorinnen strahlten uns an.
„Guten Morgen", riefen sie erneut synchron.
„Guten Morgen", erwiderten wir, wie brave Schüler.
„Wir haben eine Überraschung für euch", verkündetet Steffi aufgeregt. „Wir haben in der letzten Sendung so viel von Ateez geschwärmt, dass uns der Manager anrief und uns Konzertkarten schenkte." Sie stupste Aga leicht an. „Zeig ihnen die Karten."
„Tadaaaaa!", rief ihre beste Freundin und hielt die Karten in die Höhe. „Es ist mit Backstage und sie sind für morgen Abend! Ich hoffe ihr habt alle noch nichts vor."
Das Gejubel, dass ausbrach, war einfach unvorstellbar. Natürlich hatten wir bereits von Ateez gehört! Sie waren die Newcommer des Jahres! Die Band von acht Jungs existierten erst seit Oktober 2018 und hatten vor kurzen zwei Siege errungen mit ihrer neuen Single „Wave".
„Okay, wir wollen auch gar nicht weiter stören." Steffi zerrte etwas an Agas Arm, da diese sich unauffällig immer dichter auf Taeyong zubewegte. „Wir sehen uns dann morgen Abend, denn die Moderatoren wurden auch eingeladen."
„Bis morgen!", rief Aga fröhlich und verließ mit ihrer Freundin zusammen das Kpop House.
Wie ich schon sagte, eigentlich war alles völlig normal.
Eigentlich.
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