Satellit!
Er lachte und dachte überhaupt nicht an all seine Sorgen. Für ihn zählte gerade nur das Lachen von unserem kleinen Mädchen. Unser kleines Mädchen, welches wusste, dass es mich mal gab, aber sich nicht mehr an mich erinnern konnte. "Papa, jetzt komm.", rief sie und lief weiter weg. "Ich komm ja schon.", meinte er und folgte ihr. Die weiße Schäferhündin war immer bei ihnen und es machte mir Spaß sie zu beobachten. Ich hatte nie an ein Leben nach dem Tod geglaubt, doch ich wurde eines besseren belehrt. Es war nicht genau das, was die Religionen einem immer erzählen wollten, aber ich habe ein Bewusstsein. Es ist, als würde ich schweben. Ich sehe auf die Menschen herab, die mich mein lebenlang begleitet haben und passe auf sie auf. Für mich war die Erde nun ein kleiner Fleck. Kostas lebte immer noch in der Wohnung, die wir nach unserer Rückkehr aus London bezogen hatten. Sie war groß genug für uns alle gewesen. Mittlerweile fing es an zu dämmern und Kostas sah etwas traurig zum Himmel. "Hope, jetzt komm. Wir müssen wieder zurück.", sagte er und die Kleine kam zusammen mit Ivy auf Kostas zugerannt. "Aber warum denn?", wollte sie wissen. "Weil es bald dunkel wird und der Wald im Dunkeln nichts für kleine Mädchen ist.", erklärte er lächelnd. "Aber wenn ich groß bin, dann bleiben wir länger im Wald.", stellte sie klar. "Natürlich.", versprach er und ich musste lachen. Sie konnten mich nicht hören, aber ich glaubte daran, dass sie spürten, dass ich da war.
Als sie zu Hause ankamen, machte Kostas etwas zu essen und Hope durfte eine Stunde Fernseh schauen. Gerade, als er die Teller auf den Tisch stellte, hielt er einen Moment inne und betrachtete das Bild. Ein Bild von uns Beiden. Eine kleine Träne lief über seine Wange. "Papa, soll ich dir helfen?", fragte Hope plötzlich. Er schütttelte den Kopf und sah sie an: "Nein, ist schon gut. Setz dich schon mal.", meinte er und holte nun endlaich das Essen aus der Küche. Hope erzählte während des Essens von ihrer Serie und erklärte Kostas im Detail, warum der Bruder von der Hauptfigur doof war und sie selbst ganz froh war, keine Geschwister zu haben. Kostas lächelte gequält, als sie das sagte, denn eigentlich hatten wir uns immer mehr als ein Kind gewünscht, aber dann war ich krank geworden. Nach dem Essen setzte sich Kostas mit der Kleinen auf die Couch. Es machte unheimlich Spaß die Beiden zu beobachten. Klar gab es noch mehr Leute, die mein Leben schön gemacht hatten, aber am liebsten beobachtete ich einfach sie. Nach dem die letzte Folge aus war, stand Kostas auf, machte den Fernseher aus und sah unsere Tochter an: "So jetzt aber los, Schlafanzug an, Zähne putzen und dann ab ins Bett." Hope hörte brav und sauste in ihr Zimmer. Warum hieß sie überhaupt Hope? "Sie ist ein Zeichen der Hoffnung, dass vielleicht bald alle Paare in Deutschland dieses Glück haben.", hatte Kostas damals gesagt und ich weiß noch wie fasziniert ich von seinen Worten gewesen war. "Bin fertig.", kam es aus dem Schlafzimmer und Kostas ging zu ihr, um ihr noch etwas vorzulesen und ihr eine gute Nacht zu wünschen. "Ich hab dich lieb, Papa.", murmelte die Kleine im Halbschlaf. "Ich dich auch.", gab er zurück und deckte sie ganz zu, bevor er aufstand und sie allein ließ.
Er legte sich in sein Bett und nahm seinen Laptop auf den Schoß. Ich beobachtete besorgt, wie er YouTube öffnete und sich alte Fanvideos ansah. "Warum musste das Schicksal uns trennen?", fragte er und Tränen liefen nun in Sturzbächen über meine Wangen. Drei Jahre lang durfte ich jeden Abend dieselbe Szene beobachten. Er, wie er weinend in alten Erinnerungen schwelgte. Das war immer der Moment, wo ich ihn am liebsten in den Arm genommen hätte. Ihm gesagt hätte, dass alles gut wird und dass ich ihn niemals verlassen würde. Doch ich konnte nicht. Er konnte mich nicht hören. Nach einer Weile schaltete er den Laptop aus und sah sich im Zimmer um. Sein Blick blieb an dem Buch hängen, welches seit meinem Tod, jede Nacht neben ihm lag. "Vertraute dir..." hatte ich mit 16 geschrieben. Es war mittlerweile ziemlich lange her und doch war es eine Sache, die immer noch ein Teil seines Lebens war. "Du hast immer gekämpft. Warum musstest du ausgerechnet den um Leben und Tod verlieren?", schluchzte er nun und weinte unaufhörlich. Er legte sich hin und weinte sich in den Schlaf.
Am nächsten Tag stand er wieder auf und machte das Frühstück fertig, als sei nichts gewesen. Er weckte Hope und achtete darauf, dass sie rechtzeitig fertig war. Danach brachte er sie in die Schule, die gerade einmal 500 Meter entfernt war und auch wenn sie den Weg allein gehen konnte, nutzte er die Zeit um mit Ivy rauszugehen. Nach dem er dann die Runde mit Ivy komplett beendet hatte, fuhr er in unser Büro und setzte sich an die Arbeit. "Kostas, hast du den Schnitt schon fertig?", wollte Myriam wissen. "Noch nicht ganz, aber ich denke, dass ich es vor der Mittagspause schaffe.", meinte er und sah sich kurz um. Sein Blick bleib an dem Schriftzug an der Wand hängen. darkviktory Animation! Myriam folgte seinem Blick. "Er fehlt dir immer noch, oder?", hakte sie vorsichtig nach. "Dir etwa nicht?", gab Kostas zurück. "Doch, aber er hätte nicht gewollt, dass wir so lange trauern. Er wollte, dass er nicht so leicht vergessen wird und das hat er geschafft. Er ist und bleibt darkviktory und die Animationsfirma hat er ja noch aufgebaut und wir müssen jetzt alles daran setzen, dass es ein Erfolg bleibt und dass die Menschheit ihn niemals vergisst.", sagte Myriam und lächelte. "Du hast ja Recht, aber ohne ihn ist alles so schwer. Ich hab das Gefühl, dass mir alles zu viel wird.", meinte Kostas. "Ach Koschti, du weißt, dass du nicht allein bist. Egal um was es geht, du kannst uns immer fragen.", stellte sie klar. "Ich weiß, Möhre, ich könnte Hope auch zu Miks Eltern bringen, wenn ich mal ein Wochenende für mich brauche. Aber ich will das doch gar nicht. Ich will mich doch um Hope kümmern, aber...", er unterbrach sich selbst. "Aber du weißt manchmal einfach nicht wie du das alles händeln sollst. Stimmt 's?", hakte Myriam nach. Kostas nickte. "Du musst das nicht allein schaffen. Wir sind immer für dich da.", versprach sie und ging dann. Kostas drehte sich wieder zum PC und stützte seine Ellbogen auf den Tisch. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und versuchte die Tränen zurück zu halten. Es brach mir das Herz, ihn so zu sehen.
Gegen Mittag machte er sich auf den Weg nach Hause. Er kam kurz vor der Kleinen zu Hause an. Sie setzte sich an den Tisch und kramte ihre Schulsachen raus, während Kostas sich ans Essen machte. Er dachte daran, was Myriam gesagt hatte. Vielleicht brauchte er wirklich mal ne Pause. Natürlich brauchst du das!, flüsterte ich. Das Essen stand nun auf dem Herd und Kostas lehnte sich auf die Anrichte und schaute Hope so gut es ging über die Schulter. "Hey Prinzessin.", sprach er sie an. Sie löste den Blick von ihren Schreibübungen und sah ihn. "Hättest du Lust das nächstes Wochenende mal wieder zu Oma und Opa zu fahren?", fragte er. Hope strahlte ihn an. "Ja! Dann kann ich wieder reiten!", rief sie und sprang freudestrahlend auf. "Okay, dann ruf ich mal an und sag Bescheid.
Für mich war es nun einfach! Ich musste nur den Kopf etwas drehen und sah schon im nächsten Moment, wie meine Mutter zum klingelnden Telefon lief. "Roeder.", begrüßte sie den Anrufer. "Hallo, hier ist Kostas, ich hab hier so 'ne 6-Jährige, die gerne mal wieder reiten würde? Wäre es okay, wenn wir übers Wochenende zu euch kommen?", wollte er vorsichtig wissen. "Aber natürlich. Du kannst sie auch gerne hier lassen und mal endlich wieder zu deinen Freunden fahren. Wir kümmern uns gerne um sie.", meinte meine Mutter. "Ich weiß das doch. Aber ich will mich um sie kümmern. Sie ist alles was ich noch von ihm habe.", flüsterte Kostas traurig. "Ach Kostas, das ist erstens nicht wahr und zweitens ist es doch völlig normal, dass du mal Zeit für dich brauchst. Wenn er noch leben würde, würdest du sie auch allein bei uns lassen.", merkte sie an. Er seufzte: "Du hast ja Recht, aber was soll ich denn machen. Ohne ihn weiß ich einfach nicht mehr, wie es weiter gehen sollte. Er hatte immer einen Plan. Er wusste immer was er wollte. Ich hab einfach immer spontan gehandelt und alles auf mich zu kommen lassen und mich immer vor meinen Gefühlen versteckt, bis er kam und mir gezeigt hat, wie es ist sich seinen Gefühlen zu stellen.", erklärte er. Meine Mutter seufzte: "Ja, er hat aber auch immer mit seinen Gefühlen zu kämpfen gehabt. Auch wenn er nach außen hin immer taff und selbstsicher wirkte, tobte in ihm das Chaos. Wie gesagt, du kannst dir auch einfach mal ein bisschen Zeit für dich nehmen.", schlug sie wieder vor. "Okay, vielleicht fällt mir ja noch was ein, was ich machen könnte. Ich bring sie dir dann am Freitag.", sagte Kostas und stellte nebenbei den Herd ab und lächelte, als er sah, dass Hope mit Ivy spielte. "Ist gut. Dann bis Freitag.", bestätigte meine Mutter und legte auf. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht.
Kostas kümmerte sich weiter um Hope und den Haushalt. Bis es wieder Zeit war ins Bett zu gehen. So wiederholte sich jeder Tag, bis Freitag. Hope hüpfte aus der Schule und kam direkt auf das kleine silberne Auto zu. "Na bereit?", fragte Kostas. Hope nickte hastig und stieg ins Auto. Während der Fahrt erzählte sie, dass sie allen ganz begeistert von den Pferden erzählt hat und alle ganz doll neidisch waren. Kostas lachte und trotzdem sahen seine Augen traurig aus. Ich wusste ganz genau, dass er sich gerade wünschte, dass ich neben ihm sitzen würde. Er wünschte sich gerade, dass ich da wäre, um mit Hope über Pferde zu reden. "Magst du eigentlich auch Pferde?", wollte Hope nun wissen. Er lächelte: "Nein, aber Mik hat Pferde geliebt.", meinte er und konnte nun die Traurigkeit nicht verstecken. "Warum ist Mik überhaupt im Himmel?", wollte Hope nun wissen. Kostas seufzte: "Das habe ich dir doch schon ganz oft erklärt. Mik war krank und hat den Kampf gegen die Krankheit nun einmal verloren." "Aber warum er? Warum hat Gott denn ihn zuerst genommen?", hakte sie nach, was mich jetzt wieder lachen ließ. Sie konnten mich nicht hören, aber an Kostas Blick konnte ich erkennen, dass er wusste, dass ich über so einen Satz lachen würde. "Na ganz einfach, stell dir vor, du stehst auf einer Wiese mit ganz vielen Blumen. Welche pflückst du zuerst?", stellte er die Gegenfrage. "Na die Schönste.", antwortete Hope grinsend. "Siehst und Mik war der schönste Mensch der Welt. Er war einfach immer da, wenn ich ihn brauchte oder wenn ich mal wieder durchdrehte. Er hat uns beide bedingungslos geliebt und ich hab ganz ehrlich keine Ahnung, was nach dem Tod auf einen wartet, aber ich hoffe einfach, dass er uns sieht und wenn er das tut, dann wird er vermutlich jetzt lächeln und egal was du aus deinem Leben später machst, solange du Spaß daran hast, wird er stolz auf dich sein. Er war der beste Vater, den du dir nur hättest wünschen können.", erzählte Kostas und bog in die Straße, in der meine Eltern wohnten ein. "Aber du bist auch ein toller Vater.", stellte Hope fest. "Danke, ich versuche mein Bestes und genau wie Mik, werde ich dich immer bedingungslos lieben.", versprach er und lächelte dabei. Auf dem Hof angekommen, sprang Hope sofort aus dem Wagen und lief zu den Pferden, die auf der Koppel stand. "Hey Kleine, erst Reitsachen anziehen und dann darfst du zu den Pferden.", kam es vom Haus. Sie drehte sich um und sah, wie ihre Großmutter aus dem Haus kam. "OMA!", rief sie und lief auf sie zu. Kostas beobachtete das Ganze grinsend. Meine mutter schloss Hope in die Arme und drückte sie an sich. "Kommt rein! Ich habe was zu essen gemacht.", sagte sie und nahm auch Kostas in den Arm. Beim Essen redeten sie über alles mögliche. "Ich hab mir gedacht, dass Hope und ich vielleicht in eine andere Wohnung ziehen. natürlich nicht zu weit weg, weil sie ja Freunde in ihrer Schule hat, aber halt einfach aus der alten Wohnung raus. Vielleicht kann ich dann ja damit abschließen.", erzählte er, als Hope gerade nach oben rannte und sich aus ihrem Zimmer, welches meine Mutter extra für Hope eingerichtet hatte, ihre Reitsachen holte. "Wenn es dir dann besser geht. Aber du weißt, dass du auch zu uns könntest. In dem Alter ist es für Kinder nicht ganz so schlimm umzuziehen.", schlug sie vor. "Nein, ich möchte schon in Potsdam bleiben, aber halt nicht mehr in der Wohnung. Dort erinnert mich alles an ihn. Außerdem kann ich nicht aus Potsdam weg. Die Animationsfirma ist dort. Natürlich könnte ich mit Hope hier her kommen, aber dann müsste ich jeden Tag eine Stunde hin und zurück fahren. Ich arbeite schon halbtags, da kann ich mir nicht auch noch leisten ständig im Stau zu stehen oder zu hoffen, dass der Verkehr mitmacht.", erklärte er und meine Mutter nickte. "Gut, das kann ich verstehen. Bleibst du jetzt hier oder fährst du übers Wochenende woanders hin?", fragte sie nun. "Ich fahr zurück nach Potsdam. Melissa hat am Wochenende Geburtstag und hat mich eingeladen, aber keine sorge, ich werd es nicht zu bunt treiben.", lachte Kostas. "Das hoffe ich doch. Ich bring sie dir dann am Sonntag zurück.", meinte meine Mutter und packte Hope, die gerade an den Beiden vorbei flitzen wollte, kurz am Arm. "So ich fahr dann jetzt. Wir sehen uns am Sonntag.", verabschiedete sich Kostas von der Kleinen. Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und rannte dann direkt nach draußen.
Kostas war wieder zurück gefahren. Nun stand er auf dem Parkplatz des Friedhofs. Langsam ging er durch die Wege, die zu meinem Grab führten. Er blieb wie angewurzelt stehen, als er sah, wer dort stand. Ich ignorierte es gekonnt, dass er dort stand und trauerte. Er hatte selbst Schuld, dass es vorbei war. "Eric?", sprach Kostas ihn nun an. Eric hob den Kopf und sah zu ihm. "Was machst du denn hier?", fragte Eric verwirrt. "Na was wohl? Ich kümmere mich um das Grab von meinem Mann. Aber was willst du hier? Es ist fast zwanzig Jahre her, dass du mit ihm zusammen warst.", stellte Kostas fest. "Ich weiß es nicht. Ich wollte einfach nur, dass er weiß, dass es mir leid tut. Ich hab mich immer versteckt und er hatte den Mut zu sagen, dass er schwul ist. Er war immer ein besserer Mensch als ich.", gab Eric zu. "Das fällt dir aber ziemlich spät ein. Er war nicht nur besser. Er war perfekt.", sagte Kostas und ich wollte widersprechen, doch er konnte mich ja nicht hören. Ich war alles andere als perfekt. "Warum ist er jetzt tot?", wollte Eric wissen. "Er hatte Krebs.", sagte Kostas und war schon wieder den Tränen nah. "Eric, würdest du mich jetzt bitte allein lassen?", bat Kostas ihn leise. Eric nickte und ging weg. Kostas starrte den Stein an. Er wirkte komplett geistesabwesend. Das war der Moment, wo ich es schaffte zu ihm durchzudringen. "Mik, ich vermisse dich.", hauchte Kostas. "Musst du doch gar nicht. Ich bin doch hier.", antwortete ich. "Das ist nicht dasselbe.", Tränen liefen über sein Gesicht. "Nicht weinen. Es geht mir gut. Bleib stark.", versuchte ich ihn zu beruhigen. "Leichter gesagt, als getan.", meinte er mit einem Lächeln. "Mach dir nicht so einen Kopf.", beruhigte ich ihn. Er löste den Blick von dem Stein und lächelte. "Tschau Couchman.", flüsterte er und sah noch mal zu dem kleinen eingarvierten Couchman auf meinem Stein. "Irgendwann kommt noch ein Fungu dazu.", hauchte ich und beobachtete wie er nach Hause fuhr, um dann den Blick ein wenig abzuwenden und meiner Tochter zuzuschauen, wie sie auf ihrem Lieblingspferd ritt und einfach glücklich ist.
Ich pass' von oben auf dich auf
Dein Satellit, dein Kosmonaut
Umkreis die Welt für dich
Flieg' mit Lichtgeschwindigkeit
Vergiss nie, du bist nicht allein
Umkreis die Welt für dich
Das war es mal wieder. Inspiration hatte ich diesmal von dem Buch "Two Boys Kissing" und dem Lied "Satellit" von WarumLila.
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