* 2. Kalt wie Eis *


*Pov. Mik*


"Und du hast sie alle Umgebracht? Wenn du deinen Titel nicht behältst, reiß' ich die Hexen in Stücke!"

Der schwarzhaarige Ghul leckte sich bei den Worten seiner Angebeteten über die spitzen Reißzähne.
"Natürlich werde ich meinen Platz behalten. Als ob mir jemals jemand das Wasser reichen könnte. Ich könnte schwören dort draußen sehnt sich schon eine arme Seele nach meiner Anwesenheit."
Das Lachen des Leichenfressers, des Totenschänders brannte sich in meine Sinne wie ein Mal und erneut wurde mir bewusst, wie sehr ich diesen Mörderkönig doch verabscheute.
Die meisten Unterweltler hatten damals gemeinsam beschlossen nur die zu töten, welche es auch bitter nötig und verdient hätten. Mörder, Vergewaltiger, Diebe mit bösen Absichten, doch dieses mordlustige Wesen vergriff sich an alles gute in dieser Welt. Vergriff sich an Kindern, Jugendlichen, Senioren. Alle die sich als leichte Beute herausstellten und ein reines Herz hatten.

"Sascha, sag', wer schmeckte am besten?" Die blondhaarige Werwölfin mit den riesigen Brüsten, welche mir einen Würgreiz hervorlockte, rieb sich mit ihrem Körper rhythmisch an dem Ghul und säuselte ihm leise ins Ohr. Sie saß auf seinem Schoß, während seine Hände wie automatisch über ihre leicht bedeckten Oberschenkel glitten.
"Lass mich überlegen..", grob nahm er das Kinn der jungen Frau in die Hand, drehte ihr Gesicht zu ihm und leckte ihr das übriggebliebene Blut von den Lippen.
"Da war so ein Mädchen, Rote wunderschöne Haare, volle Rosa Lippen und Saphirblaue Augen. Die Sommersprossen lagen ihr so gut in dem Makellosen Gesicht und es gab keine einzige Unreinheit. Nur eine große Narbe zierte ihr Schlüsselbein. Sie war nicht älter als 16 und ihr Blut roch nur so nach Liebe, Freundlichkeit und Gutherzigkeit. Ihr Herz hat nur vor Licht geströmt. Oh, sie wäre wirklich ein schöner Engel geworden", höhnisch lachte er auf und zog die Werwölfin noch enger an sich.
"Sie war mit ihren Freunden Abends auf dem Spielplatz und spielten Wahrheit oder Pflicht, als ihre Mutter sie anrief. Unter Tränen erzählte sie ihrer Tochter das ihr Vater auf der Arbeit schwer verletzt wurde und die Nacht wahrscheinlich nicht überstehen würde." Langsam breitete sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus. "Die Furcht in ihr, machte es nur noch besser für mich."

Mein Magen drehte sich bei der Vorstellung des Mädchen um und mit unwohlem Gefühl schaute ich von ihnen weg. Mein Blick ging wieder zu Annika und Becci, während der Junge mit der Maske schon längst wieder verschwunden war. Komischer Kerl. Noch nie hier gesehen und so versteift. Wieso er wohl diese Maske aufhatte? Wirklich wegen Komplexe? War er Hässlich?  Verunstaltet? Oder hat er vielleicht etwas in der Vergangenheit getan und will nicht, dass man ihn erkennt?

"Und Ratsch!"

Ich zuckte über das plötzliche Schreien von Sascha hinter mir leicht zusammen. "Die Kehle war durchgebissen. Ich erkannte diesen traurigen, hoffnungslosen Blick in ihren Augen. Die Angst um ihre Mutter und ihren Vater. Glaubt mir, wie sehr hat mich die kleine in dem Augenblick erregt!" Kurz darauf vernahm ich einen kurzen, lauten Schlag und das Stöhnen der Blondhaarigen.
Gänsehaut überzog meinen ganzen Körper, ja selbst die Wunden.
Ich hasste diesen Typen. Wie konnte man nur so ekelhaft und räudig als Ghul sein? Elendiger Leichenfresser!
"Ihr wisst gar nicht wie gut ihre Stimmbänder geschmeckt haben. Sie war wohl eine wunderschöne Sängerin. Glaubt mir, hätte ich sie nicht bis auf den Kopf gefressen und die Zeit gereicht, hätte ich mich noch an ihren zarten Körper beglückt."

Ein Schauer überfuhr meinen Rücken und meine Luftröhre zog sich zusammen. Atmen war nach diesem leider nicht über hörbaren Gespräch schwerer als gedacht. Noch länger ertragen konnte und wollte ich das nicht.
Ich wandte mich ohne wenn und aber ab und lief zu Annika. Mit einem verwirrten Blick sah sie mich an.
"Alles Okay bei dir?", fragte sie vorsichtig und legte ihre Hand auf meine Schulter. Die Erzählung von Sascha, welche ich heimlich mitgehört hatte wollte ich der Vampirin ersparen und deshalb nickte ich nur langsam. "Ich... brauch nur kurz frische Luft", "Mik, wir sind auf einem Berg?"

Ich gab nur ein kurzes Mhm von mir, ehe ich mich durch die Menschenmassen an Vampiren, Dämonen jeglicher Art und weiteren Wesen durchschlängelte.
Ich spürte innerlich wie das riesige Feuer meinen Körper wieder mit Kraft versorgte und nach einer guten Minute hatte ich es über den riesigen Berg geschafft.
Es waren viele Gestalten hier, von denen selbst ich nicht mal gehört hatte. Dabei war die Erde doch so winzig wie ein Stecknadelkopf im Vergleich mit dem verdammten Universum!

Das Schattenmeer der Kelpie, die Totenschlösser der Vampire, die Geisterwälder der Werwölfe und Wendigos. Das alles sind nochmal ganz eigene Planeten, Dimensionen- doch die Erde: Sie war der Schauplatz von alldem. Wie ein unausgesprochener Treffpunkt aller Fabelwesen der Schatten- und Lichtseite.

Fast über meine eigenen Füße stolpernd, lief ich ungleichmäßig den Berg Richtung Wald hinunter. Ich blinzelte etwas verwirrt, als gen Fuße des Berges sich eine Eisspur dem Gras entlang zog und kurz blieb ich stehen. Schnee im April?
Auch zwischen den Bäumen des Waldes ringsum des Berges sah man die Eisspur wie ein Lichtstrahl in der Dunkelheit und ohne zu wissen wieso ich es tat oder wohin es mich führte, lief ich den Berg hinunter. Bedacht darauf nicht auf der glatten Eisspur auszurutschen.
Der Geruch von Regen der letzten Tage, der Wälder und frischem Eis lag in der Luft, als ich über die kleinen Steine lief und auf der blanken Erde aufkam.

Im Hintergrund hörte ich das gegacker der Hexen, die Trommelschläge der Blutgnome und der Gesang der Nymphen, doch währenddessen zog mich die Eisspur des Waldes, wie der Ruf einer Sirene an. Wohlwissend das ich kein einziges mal auf diese abscheulichen Wesen hineingefallen bin, doch sag das mal einem lebenden Mann, der kurz darauf zum Geisterfahrer wird. Sei es im Meer oder auf der Autobahn. Man kann diesen Wesen nicht entkommen. Kein Lebender kann es.

"Ivy, bitte lass uns einfach gehen. Mach hier jetzt bitte nicht auf toten Hund, du weißt das das nichts bringt!"
Zögerlich drückte ich mich hinter ein paar Büschen hervor und erkannte den Maskenjungen, welcher sich zuvor als Kostas vorgestellt hatte. Zu seinen Füßen die Geisterhündin, welche auf der Seite lag und keinen Mucks von sich gab.
War er der Grund für das Eis?

Die kleinen weißen Rauchschwaden, welche eher wie der Dampf von Trockeneis erinnerte, schienen den Braunhaarigen mit den weißen Strähnen zu umschließen und mit einem deutlich genervten Schnalzen der Zunge raufte er sich die Haare.
Beim kurzen aufstampfen mit einem Fuß, sah ich wie ein Teil der Erde und der Grashalme unter ihnen nach und nach für einige Sekunden zu Eis erstarrte und kleine Schneeflocken in die Luft flogen. Man hörte einige Äste unangenehm knacken und auf den harten Boden fallen. Auch eine Osterglocke die neben mir wuchs, erstarrte und fiel wie tot zu Boden. 

Vorsichtig trat ich einen Schritt weiter zu ihnen, als auf einmal auch Kostas mich sah und sofort einen Fuß hinter sich platzierte. Es wurde schlagartig kälter und immer mehr knackte leblos. Die Hündin dagegen wedelte ruhig mit dem Schwanz und sah hechelnd zu Kostas und zu mir, ehe sie aus ihrer liegenden Position aufsprang.
"Ivy, fass!", giftete der Braunhaarige in meine Richtung und die Hündin rannte ohne zu zögern auf mich zu.

Erschrocken beobachtete ich die Begleiterin von dem Maskenjunge, hielt ich mir verschreckt die Arme vor dem Körper und taumelte wenige Schritte zurück, doch anstatt das sie mich umwarf und in Stücke fetzte, blieb sie vor mir wie angewurzelt stehen.
Schief sahen ihre großen Knopfaugen mich an und kurz schnupperte sie an meiner ausgestreckten Handfläche, ehe sie breit drüber leckte und wieder mit dem Schwanz zu wedeln begann. Ein einzelnes, helles Gebell entfloh ihr, als sie wieder zu ihrem Herrchen schaute. 

Verwirrt und wie von allen Geistern verlassen, sah Kostas' sich das Schauspiel an und schnaubte kurz, wobei sein Oberkörper zuckte.
Misstrauisch sank er seine Hand, während sich das Eis ganz langsam zurück zog.

Mit einem Auge weiterhin auf dem weißen Wollknäul ging ich einen Schritt an ihr vorbei, doch der Kapuzenträger ließ mich mit einem kurzen Blick wieder wie erstarrt da stehen. Sein Braunes Auge funkelte mir entgegen, während das weiße, ja vielleicht sogar Blinde Auge mir mit einer schaurigen Leere gegenübertritt.

"Wer bist du, Mik? Und was willst du?", fragte der Braunhaarige immer noch deutlich misstrauisch und lenkte die Hündin währenddessen wieder zu sich.
Sein Körper verspannt, seine Miene verdunkelt. Er würde mir am liebsten einen ganzen Schneesturm entgegenfeuern und mir jedes Feuer auspusten. Ja selbst, wenn es meine Existenz beenden würde. So viel Hass habe ich nie in einem ehemaligen Menschen gesehen. Doch war es kein Hass einer bösen Person. 

Und doch schlug der Schatten meines Herzens schnell, als ich jetzt ohne jeglichen Zwischenton seine Stimme in Empfang nahm und ich öffnete meinen Mund, ohne, das die Worte ihn verließen...

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