Zwölftes Kapitel
Am nächsten Morgen wurde ich von quietschenden Bettfedern geweckt, und als ich meinen Kopf hob, war Xantor gerade aufgestanden. Er blickte erst mich an, dann wandte er sich um zu dem niedrigen Schränkchen, auf dem unsere wenigen Habseligkeiten lagen.
„Ich wollte dich nicht wecken, tut mir leid", brummte er.
Ich ließ mich wieder in meine Kissen fallen und erntete dafür ein bösartiges Knarren des Bettgestells. „Nicht schlimm."
Ich streckte mich, gähnte herzhaft und wälzte mich in meinem Bett herum wie ein kleines Kind. Dann sprang ich auf und bändigte das Wasser aus dem Eimer, der in unserem Zimmer stand, um mir das Gesicht zu waschen, und anschließend trank ich noch ein bisschen.
Die Tatsache, dass ich mich nicht im Tempel befand und daher nach Herzenslust bändigen konnte, nutzte ich voll und ganz aus. Xantor unterdrückte ein Schmunzeln, was ihm nicht ganz gelang, doch ich war mir nicht sicher, was ihn dazu gebracht hatte.
Wir packten unsere Sachen zusammen, verließen das Zimmer und gingen in die Gaststube. Dort bestellten wir uns Frühstück, was wir gemütlich aßen, bevor wir wieder aufbrachen.
Im Hinterhof war schon einiges los. Zwischen aufgeschreckten Hühnern und einem Hahn, der panisch heiser krähte, rannten der Wirt und sein Sohn aufgebracht herum und wedelten mit den Armen, und mittendrin – ich traute meinen Augen kaum – die erschrockene Luna. Die Männer versuchten verzweifelt sie einzufangen, doch mein Pferd wehrte sich tüchtig. „Ruhiig!", brüllte ich und sprang mitten in den Tumult. Als Luna mich erkannte, wurde sie augenblicklich still, und ich entschuldigte ihr Verhalten vor den Männern.
„Normalerweise macht sie sowas nicht. Tut mir wirklich leid für den Aufwand, den Ihr habt und hattet."
„Schon okay", meinte der Wirt, winkte schweratmend ab und der Sohn wischte sich die Schweißperlen von der Stirn.
Ich legte Luna eine Hand auf den Hals und führte sie zu ihrem Stall, in dem ich sie aufzäumte. Währenddessen schimpfte ich mit ihr. Was hast du dir nur dabei gedacht? Das kannst du doch nicht machen! Die Menschen kriegen Angst, wenn du frei herum läufst!
Beschämt senkte sie den Kopf. Das hatte ich vergessen.
Wir können uns nicht so viele Ausrutscher leisten!
Darob schwieg sie.
Ich blieb ebenfalls still und zog an den Riemen, ab und an half mir auch Xantor. Dann zogen wir unsere Pferde auf die Straße und saßen auf.
Schweigend ritten wir gen Norden, und als die Sonne am höchsten stand, machten wir eine Pause, um etwas zu essen. Zwar brauchten wir hier auf der Erde, wo es deutlich wärmer war, nicht so viel Nahrung zu uns zu nehmen, aber es war natürlich gesünder und kräftestärkender, als wenn man nur wenig und unregelmäßig aß. Und da ich bei Kräften bleiben musste, um mich im Kampf um die Freilassung Calebs Aaron stellen zu können und auch die Wanderschaft in den Norden kein Zuckerschlecken war, war dies sehr anzuraten.
Nach dem Mittagsmahl wanderten wir weiter. Wir durchquerten ein Flussdelta, eine Art Sumpflandschaft, und ich freute mich und bändigte aus Spaß das stehende Wasser im Boden.
Luna und Ramosch gefiel es ebenso, und wir blieben mehr als einmal stehen, damit sie planschen konnten.
Im Endeffekt kamen wir nicht gut voran, und wir rasteten, als die Sonne noch hoch im Westen stand, an einem verlassenen, alten Steg an einem Fluss. Aber das hatte natürlich einen Grund, denn Xantor wollte mich lehren im Bändigen und vielerlei anderer Dinge, die ich hier auf der Erde zu beachten hatte. Und dazu benötigten wir Zeit.
Stundenlang standen wir am Flussufer und übten Angriffs- und Kampfstrategien, die auch gegen Feuerbändiger effektiv waren, und perfektionierten sie. Luna und Ramosch unterdes grasten friedlich und ließen sich nicht von uns stören. Später, als dann die Sonne schon hinter die Horizontlinie gesunken war, saßen wir an einem knisternden Lagerfeuer und der alte Mann lehrte mir wichtige Dinge über das Leben auf der Erde. Gedankenverloren lauschte ich und spielte ab und zu mit Feuerbällen und kleinen Flämmchen. Irgendwann, als es endgültig stockduster wurde, legten wir uns auf ein paar Decken auf den Steg und schlummerten ein.
Das Wecken am nächsten Morgen erfolgte unsanft durch Luna und Ramosch. Zwei Männer waren im Anmarsch, über ihren Schultern hingen lange, dünne Zweige mit einem fast durchsichtigen Faden am Ende. Rieben wir uns im ersten Moment noch müde den Kopf, waren wir im zweiten richtig wach, räumten eilig das Feld und suchten das Weite.
Unsere Wanderung am heutigen Tage verlief insgesamt recht ruhig, wir durchquerten einen Waldstreifen, hinter dem sich eine Ebene anschloss. Vor uns wurde das Land hügeliger und am Horizont konnten wir schon die Berge erkennen – scharfe Silhouetten zeichneten sich deutlich vor dem zartblauen Himmel ab. Die Berggipfel wurden von seltsamen, schwarzen Vögeln umkreist, bei dessen bloßem Anblick es mir kalt den Rücken hinunterlief. Sie würden uns doch nicht aufhalten, oder? Aber wir würden noch ein paar Tage brauchen, bis wir die rauen Höhen erreicht hatten.
In den Stunden des Wanderns wurde das Land trockener und die Vegetation zusehends karger. Nur gedrungene Büsche, Gräser und Kakteen wuchsen hier. Ich blickte verwirrt zurück und fand es wirklich komisch, dass das Land einen Tagesmarsch zurück mit Wasser nur so vollgesogen war und hier schon seit Wochen eine Dürreperiode zu herrschen schien.
Heute machten wir wieder relativ früh Rast und übten uns erneut in verschiedensten Techniken des Bändigens. Die Fläche war weit und frei, man konnte weit blicken und gleichzeitig entdeckte man ringsum keinen Hinweis auf Zivilisation. Genau richtig für uns. Im Laufe des Tages waren Wolken aufgezogen. Sie verursachten eine drückende Hitze, weshalb Ramosch und Luna schweifschlagend unter einer Platane standen, die in der offenen Steppe ein wenig Schatten spendete. Irgendwann später begann es zu gewittern, was unsere Reittiere erfreute und uns nicht weiter störte. Die Wolken färbten sich dunkelgrau und bäumten sich im auffrischenden Wind auf wie wilde Pferde. Als sie die ersten Tropfen entließen, prallte das Wasser noch von dem ausgedörrten, aufgesprungenen Boden ab und rann in reißenden Miniatur-Strömen hinab zu der niedrigsten Stelle, bald aber schon bald schien das Land sich wie beim tiefen Einatmen aufzurichten und jeden der wertvollen Kristalle in sich aufzusaugen wie ein Schwamm. Inzwischen hatten wir mit dem Training aufgehört.
Ich stand einfach nur im Regen und freute mich. Die Tropfen platschten laut in den mit Wasser gefüllten Tontrog, welchen Xantor schon bei unserer Ankunft gebändigt hatte und ich hatte Wasser erzeugt und hinein gefüllt, für die Tiere zum Saufen. Prinzipiell konnte jeder mithilfe Spirits, des fünften Elements, das er von Geburt an in sich trug, sein Element erzeugen, man musste es nur trainieren, aber viele taten dies nicht.
Ich wandte mich zu Xantor um, der inzwischen eine Halbhöhle aus Erde gebändigt hatte, in der man auch ein Feuer entfachen konnte. Und nun wartete er nur, dass ich kam und dies tat. Eilig lief ich zu ihm und ließ mich im Schutz des Erdhügels nieder. Der alte Mann bedeutete mir, ein Feuer zu entzünden, und ich gehorchte ihm. An dem teilweise nassgewordenen Holz züngelten kleine, dünne Flämmchen hinauf und erzeugten gehörig Qualm, den ich mit dem Element Luft aus der Halbhöhle vertreiben musste, wenn wir nicht geräuchert werden wollten. Ich hatte mit zwei Elementen ganz schön zu tun, und ich merkte, wie meine Augen zu glühen anfingen. Auf meinem Rücken prickelte Wärme über das Zeichen des Elements Feuers und das der Luft. Kurze Zeit später brannte es so ziemlich von alleine, und ich musste mich nur darauf konzentrieren, es am Leben zu halten. Auch bändigte ich ein Schild um uns herum, um den steten Regen abzuhalten.
Heute erklärte mir Xantor, was ich im im Umgang mit anderen zu beachten hatte, insbesondere während der Kommunikation. „Wenn dich jemand fragt, wo du herkommst, wozu es zwangsläufig kommen wird, wenn man häufig in den Kontakt mit Menschen tritt, mache auf keinen Fall den Eindruck, als ob du darüber nachdenken müsstest. Sag' einfach das, was dir zuerst einfällt. Oder nein, sage es nicht. Da wirst du den Eindruck machen, als wüsstest du es nicht genau. Am Anfang ist es vielleicht besser, wenn du mir das Reden überlässt. Aber du musst lernen zu schauspielern und zu lügen. Sonst bist du nirgends sicher."
„Ich konnte noch nie gut schauspielern", meinte ich bedrückt und verzog mein Gesicht zu einer Grimasse.
Aber statt auf meinen Spaß einzugehen, blieb er ernst. „Dann wirst du es lernen müssen. Solange du mit mir wanderst, kommst du aus Mastoque, der Siedlung, von der wir aufgebrochen sind. Sag' immer das, wenn man dich fragt, Aaron weiß, dass du hier bist, und seine Spitzel sind überall. Keiner weiß genau, in welcher Form sie auftauchen, und das macht es nicht gerade ungefährlicher. Wenn jemand nach deinem Namen fragt, was viele tun werden, dann bist du am sichersten, wenn du einen erfindest, zum Beispiel Maria. Ja, nutze am besten ihn, er ist unverfänglich. Du darfst niemandem vertrauen. Hab' Acht vor denen, die ihre Machenschaften im Dunkel der Nacht verbergen und vor denen, die ihren Namen durch Lügen am Leben halten. Sei wachsam bei denen, die ihre Macht missbrauchen und ihre Taten nicht verantworten können. Aber vor allem hüte dich vor all jenen, die deinen Namen nicht kennen, Klara." Die ganze Zeit hatte ich ihm aufmerksam zugehört und bei jedem Satz zustimmend genickt, war doch alles nur so wahr. Doch ich war etwas verwirrt darüber, wie sich zu Ende seiner Rede seine geduldige und liebevolle Stimmlage in eine so ernste verwandelt hatte, und auch sein Blick hatte sich verändert, von einem fast väterlichen ihn einen überaus kühlen und ermahnenden. Erneut war ich irritiert von seiner Benutzung des Namens Klara, nicht Stella, wie ich ihm genannt hatte. Es war nicht einmal mein Deckname. Oder?
„Was ich... noch nicht ganz verstanden habe, ist Maria mein Deckname oder Klara?"
„Bei Sacritas, sage auf keinen Fall den Namen Klara zu irgendjemandem! Ja Kind, weißt du denn nicht, wofür er steht?" Der alte Mann wirkte sehr erzürnt. Beschämt senkte ich den Blick und schüttelte den Kopf. „Das ist dein Name, genauer gesagt einer der vielen. Hast du nicht gewusst, dass jedes der fünf Elemente in dir einen eigenen Namen trägt? Bei allen Elementarbändigern ist es so, und auch bei normalen Bändigern. Luft heißt Leah, Wasser heißt Kira, Feuer heißt Sophol, und Erde heißt Calink. Spirit, das fünfte Element, trägt den Namen Klara oder Klarenz und dieser, der fünfte Name ist geheim und nur die kennen ihn, die sich mit der Kultur der Bändiger beschäftigt haben. Du sollst niemandem trauen, der nicht weiß, mit wem er redet." Ich verstand noch immer nicht ganz.
"Aber ist es nicht gut, wenn mein Gegenüber nicht weiß, wen er vor sich hat?", erkundigte ich mich unsicher.
„Auf den ersten Blick mag es so scheinen, ja, doch derjenige wird nicht wissen, warum und worüber er besser schweigen sollte, und damit könnte dich derjenige unwissentlich verraten. Ja, für dich ist es sicherer, wenn du nur denjenigen traust, die dich kennen. Im Moment zumindest, bis du gut genug deine Identität verstecken kannst." Verstehend nickte ich.
Der Regen hatte etwas nachgelassen und es war dunkler geworden, ich wusste aber nicht, ob es von den regenschweren Wolken kam oder von der späten Tageszeit. Luna und Ramosch standen schon dösend am Wassertrog. Ihr Vorbild gutheißend fragte ich: „Ähh... wollen wir jetzt schlafen gehen?"
Er überlegte eine Weile, und fast dachte ich schon, er würde dies verneinen, doch dann nickte er nur. „Ja, wir müssen bei Kräften bleiben. Besonders du."
Also richteten wir unser Schlaflager, breiteten die Decken auf dem kühlen Boden aus und legten uns nieder. Die kojenartige Halbhöhle würde uns vor weiteren Regenfällen in der Nacht schützen, sofern die Wolken noch ein paar Tropfen entließen. Außerdem hatte es sich ganz schön abgekühlt, eine steife Böe blies über die Steppe und wir wollten nicht, dass das Feuer ausging. Kurz starrte ich an die langweilige, größtenteils ebene braune Fläche über mir und schlief bald darauf ein.
Am nächsten Morgen wurde ich von einem regelmäßigen ‚Plopp' geweckt. Verschlafen öffnete ich meine Augen einen Spalt – es dauerte eine Weile, bis ich scharf sah – und blickte nach draußen, wo die Tropfen auf den schon wieder relativ trockenen Boden fielen. Einen Moment gefiel mir das Bild so gut, dass ich liegen blieb und es eine Weile beobachtete. Ich kuschelte mich tiefer in meine Kissen, obgleich dieser Platz auf dem Boden nicht sonderlich bequem war, und genoss die frische, nach Regen duftende Luft, die der Wind in unsere Höhle hineintrieb. Dann setzte ich mich vorsichtig auf, da Xantor noch schlief, und kroch langsam hinaus. Luna und Ramosch standen mit triefendem Fell und hängenden Ohren an derselben Stelle wie gestern Abend. Anscheinend regnete es schon länger. Aus Mitgefühl bändigte ich einen Luftschild um unseren Lagerplatz, unter dem auch sie trocken standen. Augenscheinlich freuten sie sich über diese Tatsache.
Danke, meinte Ramosch über die elementare Verbindung Erde, die erste Kommunikation mit dem Zengal, seit er zu uns gestoßen war.
Überrascht hielt ich in der Bewegung inne. Keine Ursache.
Und du bist die Elementarbändigerin?
Richtig, ich heiße Stella.
Unwillig schlug er mit dem Schweif. Und warum bist du dann hier?
Verwundert schaute ich zwischen Luna und der Halbhöhle hin und her, als erwartete ich, dass in dem Moment der alte Mann aus unserem Unterschlupf und mir zu Hilfe kam. Doch so war es natürlich nicht. Ich schütze Korelan, und ich soll und werde einen entführten Halbbändiger suchen und finden.
Was allerdings nicht die primäre Aufgabe eines Elementarbändigers ist.
Ich weiß, und doch soll ich sie nur allzu oft übernehmen.
Das ist wider den Wille Spirits. Ramosch schnaubte entrüstet und tänzelte herum.
Ich zuckte die Schultern. War ja schließlich nicht meine Idee.
Trotzdem wird dir diese Schande anhaften, solange du lebst.
Skeptisch zog ich meine Augenbrauen hoch. Seit wann ist es eine Schande, Gutes zu tun?
Du denkst vielleicht, es ist gut, schnaufte Ramosch, aber du übernimmst damit die Aufgabe des anderen Halbbändigers.
Es ist meine Schwester, verdammt! Für sie tue ich das! Langsam wurde ich zornig.
Das spielt keine Rolle. Die Fähigkeiten von Halbbändigern wachsen mit ihrer Aufgabe, und somit verhinderst du, dass deine Schwester stark wird. Wenn du sie liebst, kannst du sie gerne bei ihrer Aufgabe unterstützen, dagegen spricht nichts, aber nimm sie ihr nicht ab.
Ich war so wütend, dass ich zitterte, und doch wusste ich nicht, was ich erwidern könnte. Meine Schultern und mein Brustkorb hoben und senkten sich heftig unter meinem keuchenden Atem. Meine Schwester ist schon stark, war das einzige, was mir einfiel. Außerdem weiß ich überhaupt nicht, wo sie ist. So wie ich sie kannte, war sie nicht in dem behelfsmäßigen „Versteck" geblieben.
Dann such' sie! Es ist ihre Verantwortung, nicht deine. Fliege sofort los, ich sage Xantor Bescheid. Der Wallach scharrte mit dem Huf.
In meinem Kopf ratterte es, ob ich es ernst nehmen sollte, doch es klang schon ziemlich überzeugend und logisch. Also nickte ich bekräftigend und rief Luna zu mir. Eilig verwandelte sie sich und ich schwang mich auf ihren Rücken.
Der Falbe warf den Kopf nach oben. Flieg', Stella, als hättest du noch nie etwas anderes getan!
~~~
Schnell flog die Landschaft unter uns entlang. Nun tastete ich pausenlos das Gebiet nach Lebensformen ab. Einen Bändiger dürfte ich sofort bemerken. Wer hätte gedacht, dass diese Gabe einmal so wichtig sein würde?
Es war inzwischen heller Tag, und wir flogen so hoch, dass die Lebewesen hier uns für einen Vogel halten sollten. Trotz der Tatsache, dass es Tag war, war es trüb und bewölkt. Immerhin hatte es aufgehört zu regnen, sodass wir kein Schild mehr brauchten, das erstens Konzentration verbrauchte, die ich eigentlich für das Aufspüren von Lebensformen benötigte und zudem beeinträchtigte es meinen „Radar" etwas.
Nach gefühlten drei Sekunden sahen wir in der Ferne schon die großen Wasser. Ich seufzte. Es war, als wenn ich wieder ganz zum Anfang zurückging.
Über den dunklen Wassern senkten wir unsere Flugbahn, da wir hier niemandem begegnen sollten. Der Wind blies stark über der See und mehr als einmal landete eiskalte, salzige Gischt in meinem Gesicht. Die Wellen schlugen aneinander und ziemlich hoch in dem Himmel, sodass wir vorsichtshalber wieder ein Stückchen höher flogen, und die kräftige Brise spielte mit ihnen, kräuselte die Wasseroberfläche und wie eine Lunge hob und senkte sich das Meer. Die salzige Luft haftete sich in Lunas Fell und meine Kleidung. Auf einmal spürte ich eine Lebensform. Hier?! Ich konzentrierte mich.
Dieses Wesen war noch zu weit weg, um sicher zu sein, doch es schien, als wäre es ein Bändiger.
Ich spüre eine Lebensform. Wir müssen uns weiter südlich halten, meinte ich zu Luna.
Kommentarlos korrigierte sie ihre Richtung und wir näherten uns der Lebensform. Doch das Seltsame war, dass ich niemanden sehen konnte, obwohl ich einen recht weiten Blick hatte.
Auch Luna drehte irritiert ihre Ohren. Ich sehe, rieche und höre niemanden. Wir hielten an und blieben über der Stelle in der Luft stehen. Einen Moment war es ganz still. Warte, ich höre etwas. Es klingt, als wäre es unter Wasser!
Unter Wasser? Das konnte nur ein Bändiger sein. Schnell war eine Entscheidung getroffen.
Los, Luna, tauchen wir hinunter!
Ohne zu zögern stürzte sich Luna in die Wellen – doch wir wurden nicht nass, weil wir uns in einer Luftblase befanden, die ich bändigte. Luna spitzte ihre Ohren.
Weiter unten begegneten wir – Überraschung! – Saphira und Kylla, die wie ein Pfeil durchs Wasser schossen. Immerhin waren sie jetzt buchstäblich in ihrem Element.
Als sie uns bemerkten, bremsten sie und kamen auf uns zu. Das Wasser um uns fing an zu glühen, als wir auf der elementaren Ebene zu sprechen begannen.
Ich habe dich gesucht. Schön, dich zu sehen.
Die Freude ist meinerseits, Schwester. Aber du bist sicher nicht gekommen, um mir zu sagen, dass du dich freust, mich zu sehen.
Richtig. Ich habe in Erfahrung gebracht, dass Caleb zu suchen und zu befreien alleine deine Aufgabe ist. Das muss ich respektieren und kann dich dabei nur unterstützen, fing ich an.
In Erfahrung gebracht? Was genau heißt das?
Das heißt ich habe es von jemandem, der Ahnung davon hat. Langsam wurde ich ungeduldig. Was fragte sie denn überhaupt?
Mehr Ahnung als du? Hier? Wer soll das denn sein? Skeptisch runzelte sie die Stirn.
Ramosch, der Zengal. Ich habe ihn in Begleitung eines Erdbändigers getroffen.
Saphira schlug sich eine Hand vor den Mund und sprang von Kylla in meine Luftblase. „Sag' mal, bist du nur von Sinnen?", rief sie in der gemeinen Sprache. „Wenn er hier ist, heißt das, er ist verbannt, und das bedeutet, er ist vielleicht gefährlich! Wie kannst du ihm nur so unüberlegt vertrauen?"
„Beruhige dich, Saphira. Alles ist unter Kontrolle. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Und jetzt sind wir ja auch zu zweit", redete ich auf sie ein.
Aber Saphira ließ sich nicht so leicht beruhigen. „Nichts ist unter Kontrolle. Er hätte dir etwas antun können!"
Ich seufzte demonstrativ und biss mir auf die Unterlippe, um meine Wut zu unterdrücken. Nun riss mir endgültig der Geduldsfaden. „Ja ja, das hätte er in der Tat. Aber er hat es nicht getan! Spricht das nicht für sich?"
Das blondhaarige Mädchen vor mir schüttelt nur den Kopf. Also, wo müssen wir hin?
Folge mir, meinte ich schlicht und trieb Luna Richtung der einsamen Sonnenstrahlen, die sich an der Oberfläche brachen.
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