1. Schlechte Nachricht

Ihr Lächeln kann jemand heilen.
Es lädt ein, zu verweilen.
Doch wer schenkt ihr ein Lächeln,
wenn die Dunkelheit sie zu verschlingen droht.

"Bis Morgen, Darius."

Verabschiedete sich die getarnte erdbeerblonde Prinzessin.
Ein sanftes Lächeln bildete sich auf seinem – von einer großen Narbe entstelltes – Gesicht, als er Thea alias Athena verabschiedete. Sie war die einzige, welche dies zustande brachte. Es gehörte eine Portion Hartnäckigkeit dazu. Doch vor allem ihr Lebensmut hatte seine kaputte Seele ein Stück geheilt. Er freute sich immer, wenn sie kam, selbst nachdem er herausgefunden hatte, dass sie die Prinzessin ist.

"Pass dich auf, Thea."

Der grauhaarige Mann hob seine Hand zum Abschied und sah ihr nach. Athena setzte sich ihre Kapuze auf und machte sich auf den Weg zum Schloss. Sie führte ihre braune Stute auf einen kleinen Feldweg, welcher in den Wald führte. Bis zum Nachmittagsunterricht musste sie unbedingt wieder in dem Schloss sein. Ansonsten würde der Rat ihr verschwinden bemerken. An die Konsequenzen mag die junge Frau erst gar nicht denken.

Die Sonne stand im Zenit, als sie durch das Tor des Schlosses ritt. Ihr seichtes Lächeln, was ihr vollen Lippen die meiste Zeit umspielte, verschwand. Dante stand mitten auf dem Vorplatz und schien auf sie zu warten.
Kein gutes Zeichen.
Er wusste um ihre heimlichen Besuche im benachbarten Dorf. Doch kein einziges Mal hatte er bereits auf sie draußen gewartet. Unwillkürlich spannte sie sich an. Ihre Stute fing an, zu tänzeln.

Was war heute anders?

Dante hob seinen Blick. Seine blauen Augen waren emotionslos. Auf den ersten Blick. Doch Athena sah es, was er versuchte zu verbergen. Eine Gabe in das Herz anderer zu sehen, welche sie schon als kleines Kind hatte. Besonders bei ihr vertrauten Personen.
Ihr Magen zog sich zusammen, als sie den Kummer versteckt in seinen Augen erkannte. Es war was passiert. Etwas Schlimmes.

Dante hielt ihr seine Hand hin, als sie neben ihm zum Stehen kam. Sie nahm diese und übergab das Pferd einem Soldaten, welcher es wegführte.
Ihr Herz raste. Ihr Magen zog sich zusammen.
Ihre Augen huschten zum Pferd. Einfach abhauen? Doch konnte sie überhaupt entkommen von dem, was passiert war? Immerhin wusste sie nicht mal, was genau Dante Kummer bereitete.

"Komm."

Seine Stimme klang gedämpft und er sah sie nicht mehr an. Athena schluckte schwer. Seine Hand ließ sie nicht los und so gingen sie in das Schloss. Alle neigten ihre Köpfe als sie an ihnen vorbei schritten. Vor dem Thronsaal kamen sie zum Stehen. Dante blickte zu ihr und drückte sanft ihre Hand. Athena nickte ihm zu und atmete tief durch. Gemeinsam traten sie ein.

"Macht Platz für Prinzessin Athena und Herzog Gart!"

Sofort bildete sich eine Gasse und die Anwesenden hohen Beamten und Ältesten neigten ihre Köpfe. Athena schritt vorweg auf den Thron zu und stellte sich vor diesen. Dante stellte sich neben sie. Dichter als es die Etikette vorsah. Ein Verhalten, was für ihn nicht üblich war. Ihr würde dadurch nur noch flauer im Magen. Leicht bis sie sich auf die Unterlippe und blickte zu den Anwesenden. Welche nun zu ihr sahen.

Obermarschall Greenway trat vor und kniete sich direkt vor ihr hin. Seine Arme streckte er nach vorne und sein Haupt ließ er gesenkt. Athenas blaue Augen weiteten sich vor Entsetzen, als sie das Königsschwert in seinen Händen erblickte. Jenes Schwert, was schon seit Generationen dem jeweiligen König weitergegeben wurde. Doch wenn es nun hier war,  kann es nur bedeuten, dass... Sie schluckte und wollte einen Schritt zurücktreten. Eine Hand auf ihrem Rücken hinderte sie daran. Deswegen stand Dante so nahe bei ihr. Er hatte mit solch einer Reaktion bei ihr bereits gerechnet. Der Herzog kannte sie seit den Kindertagen. Sie waren praktisch wie Geschwister aufgewachsen. Sie war schon immer eher jemand gewesen, der versuchte Probleme zu verdrängen und davor zu fliehen. Doch hier durfte sie nicht fliehen.

"Verehrte Prinzessin Athena, zu dem Bedauern aller muss ich euch mitteilen, dass unser verehrter König - Euer Vater - gefallen ist. Nun liegt es an euch das Königsschwert zu verwahren bis der zukünftige König Lance Rosella befugt ist das Schwert zu erhalten."

Erstarrt blickte sie zu dem knienden Mann vor sich. Nicht dazu fähig, seine Worte in der Gänze zu erfassen. Ihr Hals schnürte sich immer weiter zu und nahm ihr die Möglichkeit zu sprechen. Ihre Beine fühlten sich schwer an und zugleich so weich an. Athena befürchtete, dass ihre Beine jeden Moment nachgegeben würden. Sie war kurz davor, ihre Fassung einfach aufzugeben. Sollen sie doch alle denken, was sie wollen. Ihr Vater war tot und nun sollte noch ein wild Fremder hier regieren?

Warum...? Ihr Blick ging zu Dante. Dieser schüttelte kaum sichtbar seinen Kopf und deutete auf das Schwert. "Prinzessin, das Schwert." Es war nicht mehr als ein Flüstern von ihm. Doch es half ihr, sich zu erinnern, welche Aufgabe sie hatte. Als Prinzessin durfte sie gerade jetzt keine Schwäche zeigen, nicht vor all den Männern. Frauen galten so schon eher als schwach in der Gesellschaft - gerade im Adel. Sie musste ihre Pflicht erfüllen. Auch wenn sie zu Trauern nicht als Schwäche ansah. Sie schloss die Augen und schickte ein Stoßgebet gegen Himmel.

Herr steh mir bei uns gib mir die nötige Kraft.

Ihre Augen öffneten sich. Sogleich fixierte sie das Schwert. Sie musste es doch nur greifen und dann könnte sie gehen. Sich ihrer Trauer hingeben.
Zögerlich streckte sie ihre Hand aus. Erst da bemerkte sie, wie sehr sie zitterte. Kurz bevor ihre zarten Finger das kühle Metall berührten, durch welches schon unzählige Menschen ihr Leben hatten lassen mussten, hielt sie inne. Obwohl es gefühlt ein enormer Kraftakt für sie war, atmete sie tief ein und aus. Ihre Hoffnung - dadurch entspannter zu sein. Doch es war vergeblich. Schnell fasste sie zu und drückte das Schwert an ihrer Brust.

Zeitgleich verminderte sich ihr Hörvermögen. Ihre Sicht würde verschwommen. Stück für Stück legte sich ein schwarzer Schleier vor ihren Augen. Nur noch gedämpft und als wäre die Stimmen hunderte Meter von ihr entfernt.
Dante rief ihren Namen. Normalerweise tat er es nur, wen die beiden alleine waren. Er klang so besorgt...

"Schnell, holt den Leibarzt. Und macht endlich Platz!"

Dante trug die bewusstlose Prinzessin in ihr
Gemach. Vorsichtig legte er sie in ihrem Bett. Das Schwert legte er auf dem Nachttisch. Ihre Kammerzofe war bereits anwesend und tupfte die Stirn ihrer Herrin mit einem feuchten Tuch ab. Ihr bereits faltiges Gesicht lag auf der jungen Frau. Sie wusste bereits vom Tod des Königs. Es traf sie ebenfalls tief. Doch die Sorge um die Prinzessin war größer. Der Schock war wohl zu viel gewesen. Es war niemals leicht, eine geliebte Person zu verlieren. Die Zofe war jedoch der Meinung, dass es gerade für die königliche Familie besonders schwer war, da sie ihre Trauer nicht so offen zeigen durften. Immer stets gefasst und auf die Etikette bedacht.

"Das Arme Ding... Ihr hättet sie darauf vorbereiten müssen. Ihr wisst doch, wie sensibel sie ist."

Die rehbraunen Augen der Frau lagen für einige Sekunden auf dem noch immer anwesenden Herzog.
Ihre Worte wahren mahnend. Doch sie entsprachen der Wahrheit. Allerdings war dafür keine Zeit gewesen. Dante seufzte und fuhr sich durch die Haare. Oder doch? Es hätte bestimmt eine gegeben.

"Verzeiht," Murmelte er.

Da betrat der Leibarzt das Zimmer und unterbrach jegliche Unterhaltungen. Dante machte ihm sofort Platz, damit er Athena untersuchen könnte. Es dauerte nicht lange und er konnte Entwarnung geben.

"Sie wird wieder. Lady Rina das Riechsalz"

Athena's Zofe reagierte sofort und reichte es ihm. Der Doktor hielt es der Prinzessin unter die Nase. Wenige Sekunden später fingen ihre Augen an zu flackern. Gefolgt von einem Schrei. Sofort drückte der Arzt Athena behutsam zurück in ihr Bett. Verwirrt und mit großen Augen sah sie zu ihm. Allerdings gehorchte sie ihm.

"Immer schön langsam, eure Hoheit. "Eine kurze Pause entstand, in der er ihr ein Becher reichte. "Hier trink das. Es beruhigt ein wenig eure Nerven. Ihr solltet nun etwas schlafen. "

Nur allmählich drangen die Erinnerungen der letzten Stunden wieder in ihrem Gedächtnis. Sie schluchzte auf und nahm mit zittrigen Händen den Becher. Ihr Leibarzt half ihr, während ihre Zofe Rina sanft über ihre Hand strich und sie an ihrem Rücken stütze.

"Und jetzt legt euch hin. Soll jemand euch Gesellschaft leisten?"

Athena sah zu ihrem Arzt und schüttelte den Kopf. Dieser nickte und bedeutete den anderen beiden zu gehen.
Plötzlich griff die Prinzessin die Hand des Herzogs. Verwirrt sah dieser zu ihr. Nur um festzustellen, dass sie ihren Blick zu Boden gerichtet hatte. So konnte er nur abwarten, bis sie sagte, was sie wollte. Die beiden anderen verließen unterdessen den Raum. Erst dann fing sie an zu reden.

"Dante..." Sie machte eine Pause und versuchte ihre Tränen zu unterdrücken. "Warum..." Dieses Mal unterbrach Dante sie und strich sanft eine Träne aus ihrem Gesicht. "Ich habe das Erbe abgelehnt." Athena sah ihn nun direkt an und konnte ihre Tränen nicht mehr unterdrücken. "Warum?" Dante seufzte und nahm sie in den Armen. "Es ist kompliziert. Du bist wie eine Schwester für mich." Er gab ihr einen Kuss auf den Kopf.

"Du solltest nun schlafen."

Athena legte sich hin und drehte sich von ihm weg. Still liefen ihr die Tränen über ihre Wangen. Es war einfach viel zu viel. Ihr Vater tot...Dante wurde nicht König...nein ein völlig Fremder und... Sie zog die Beine an. Ihr wurde bewusst, was für ein Ausmaß das ganze annehmen würde. Sie war immer noch die einzige Erbin. Über kurz oder lang würde sie den Fremden wohl heiraten müssen.

"Geh endlich!"

Nur schwer löste Dante seinen Blick von ihrer Gestalt. Es schmerzte ihm, sie so zu sehen. Doch er konnte einfach nicht der neue König werden. Er hoffte, sie würde es irgendwann verstehen und ihm verzeihen. Bis dahin wird er alles tun, um ihr zur Seite zu stehen. Er verbeugte sich und verließ das Zimmer.

Noch eine gefühlte Ewigkeit lag Athena weinend in ihrem Bett, ehe sie vor Erschöpfung einschlief und in einen unruhigen Schlaf verfiel.

(1650 Wörter)

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