Kapitel 9 (Teil 1)

Kapitel 9

Ein wenig hilflos stand Killian in seinen neuen Räumlichkeiten herum. Bedienstete hatten ihn vom Innenhof hier her gebracht, mit der Aussage, der Stellvertreter des alten Königs würde in Kürze zu ihm kommen und mit ihm alles weitere besprechen. Damit war er alleingelassen worden und der junge König fragte sich langsam, wie man das Wort ‚Kürze' hier im Palast wohl interpretieren würde.

Im Groben hatte er sich bereits umgesehen. Er befand sich in dem Gebäudeflügel, in dem er zusammen mit Aidan gewesen war, als dieser seinen Vater besucht hatte. Genau genommen, befand er sich sogar auf dem gleichen Korridor und bewohnte ab sofort die gleichen Räume. Nun stand er in dem großzügigen und gemütlich, sowie edel aussehenden Wohnraum, welcher in der Nähe seines Schlafzimmers lag. Dieses war jedoch nicht der gleiche Raum, in dem der alte König sich bei seinem letzten Besuch aufgehalten hatte. Doch darüber konnte er sich noch immer Gedanken machen, wenn man sich ihm zunächst einmal angenommen hatte, um ihm zu erklären, wie es nun weiter gehen würde.

Mit langsamen Schritten ging er zu der großen verglasten Doppelflügeltür, welche auf den Balkon führte. Darunter schien sich ein großzügiger Garten zu befinden. Säuberlich angelegte Wege und Beete mit ein paar großen Bäumen täuschten eine Idylle vor, welche nicht herrschte.

Als sie sich in der Kutsche befunden hatten, da hatte sein Blick sich kaum von deren Boden gelöst, doch nahm er in den wenigen Sekunden, in denen er aufblickte, wahr, dass das Volk ihre Kutsche argwöhnisch beäug hatte, auch wenn sie sich friedlich verhalten hatten.

Eine Weile blickte er durch das Glas der Tür und hing einfach nur seinen Gedanken nach, als er schließlich ein leises Räuspern vernahm. Da er abgelenkt und tief in seinen Gedanken versunken war, zuckte er erschrocken zusammen, doch durchzog ihn auch gleich darauf die Freude, als er ein bekanntes Gesicht ihm Türrahmen sah. Liam, welcher bereits früh am Morgen zum Palast aufgebrochen war, damit man ihn in seine neuen Aufgaben einweisen konnte, stand ihm lächelnd gegenüber und verbeugte sich respektvoll. Sofort verzog der junge König ein wenig das Gesicht, konnte sich bisher noch immer nicht an ein solches Verhalten ihm gegenüber gewöhnen. Wäre er an der Stelle seines Freundes, wäre es ihm wohl leichter gefallen, eine solche Verhaltensweise an den Tag zu legen. Gleichzeitig war ihm natürlich bewusst, dass es von Liam äußerst unhöflich wäre, hier im Schloss diese Verhaltensweisen nicht an den Tag zu legen.

„Ob ich mich wohl je daran gewöhnen werde?", fragte Killian mit einem zaghaftem Lächeln seinen Kammerdiener, als dieser sich wieder aufrichtete.

„Ich mache es einfach so oft, bis du es nicht einmal mehr merkst", meinte Liam zwinkernd. „Es freut mich zu hören, dass du zumindest noch nicht bei der neuen Höflichkeitsform angekommen bist", schmunzelte der junge König und war wirklich erleichtert darüber.

„Zu dieser würde ich wechseln, wenn wir nicht mehr alleine oder wir nur unter Freunden sind. Wenn es Eurer Majestät so angenehm wäre." Ein Grinsen schlich sich auf die Züge des Bediensteten, konnte er schon ahnen, dass Killian dem bereitwillig zustimmen würde.

„Ich bitte darum!", kam auch schnell darauf die Antwort, wenn auch lachend.

„Mein Zimmer befindet sich übrigens in unmittelbarer Nähe von dir, damit ich dir stets zu Diensten sein kann", erklärte Liam und zeigte wage über die Schulter, in Richtung von Killians Schlafzimmer, was diesen auch dazu veranlasste, seine Stirn fragend in Falten zu legen.

„Mein Zimmer grenzt an dein Schlafzimmer, mit direktem Zugang", wurde dem jungen König daraufhin grinsend erläutert.

„Verdeckte Türen?" Killian hatte sich den Raum zwar nur oberflächlich angesehen, doch eine zusätzliche Tür wäre ihm mit Sicherheit aufgefallen.

„Damit du dich der andauernden Präsenz deiner Bediensteten nicht bewusst sein musst." Liam deutete erneut eine leichte Verbeugung an und wollte damit wohl andeuten, dass er sich dem ohne weiteres fügt, doch der Andere konnte darüber nur den Kopf schütteln und fragte sich, ob er wohl wirklich irgendwann ein Problem damit haben würde, seinen Bediensteten, in seinen privaten Räumen, wahrzunehmen.

„Hinter einem, Teil der Wandpaneele?", fragte er daher belustigt.

„Der Wandteppich."

„Natürlich, der Teppich! Wo denn auch sonst?"

Schweigend standen sie danach da. Killian fühlte sich nicht wohl, hatte nicht das Gefühl gut vorbereitet für diesen Tag zu sein. Alles war neu und befremdlich für ihn. Er dachte, dass Regieren würde das Schwierigste werden, was wohl auch so sein würde, doch dachte er auch gleichzeitig, dass das hier im Palast die einzige neue Hürde wäre, die er nehmen müsste, doch nun musste er feststellen, dass diese ganze Welt völlig neu für ihn war. Es war natürlich bereits eine große Veränderung gewesen, als er von seinen Eltern zu den Anwärtern kam, doch hätte er nie gedacht, dass der Sprung vom Anwesen zum Palast nochmal ein viel größerer war. Vielleicht war er zu naiv an die Sache herangegangen, doch gleichzeitig fragte er sich auch, ob man die Anwärter nicht besser darauf hätte vorbereiten können.

„Weißt du, warum ich nicht das gleiche Schlafzimmer, wie es der ehemalige König hatte, erhalten habe?", fragte der junge König schließlich und unterbrach somit das Schweigen, das sich immer schwerer auf seinen Schultern angefühlt hatte.

„Du hast das Schlafzimmer der vergangenen Königin zugeteilt bekommen, weil das andere wohl noch nicht hergerichtet wurde. Dieses würde dann an deine Königin gehen."

„Inwiefern muss der andere Raum noch hergerichtet werden? Musste es dieser nicht?" Killian kam das komisch vor.

„Tut mir leid, das weiß ich nicht, man hat mir nur nahegelegt, den anderen Raum zu meiden und nicht weiter zu beachten", erklärte sein Freund und hob hilflos die Schultern.

Mit einem lauten Geräusch wurde die Tür zum Flur geöffnet, was die beiden Anwesenden erschrocken zusammenfahren ließ. Nach einem kurzen Augenblick sahen sie den ehemaligen Stellvertreter des Königs auf sie zukommen. Er wirkte ein wenig gestresst und begann zu sprechen, bevor er überhaupt richtig in dem Wohnraum angekommen war. „Die Verspätung tut mir leid, mein König! Ich weiß, ich hätte euch bereits unten im Hof willkommen heißen sollen." Mit Beendigung des Satzes war der Mann auch schließlich zum Stehen gekommen und verbeugte sich tief vor Killian. Doch bevor der junge König sich überhaupt dazu äußern konnte, hatte der Andere sich bereits wieder aufgerichtet und sprach weiter.

„Ich schlage vor, dass ich Euch als Erstes den Palast zeige, damit ihr euch hier schnell zu Recht finden werdet."

Erleichtert, dass nun endlich etwas passierte, stimmt Killian gleich zu und ging quer durch den Raum zu dem ehemaligen Stellvertreter. Als er an Liam vorbeiging, verbeugte dieser sich zum Abschied und sprach leise ein paar Höflichkeitsfloskeln, bevor der junge König auf den Flur trat. Dort drehte sich der ehemalige Stellvertreter lächelnd zu ihm um und deutete auf die Tür, über die der junge König geradeeben bereits mit seinem Bediensteten gesprochen hatte.

„Ich weiß nicht, ob man Euch schon etwas zu dem Raum mitgeteilt hat, doch möchte ich Euch bitten, diesen Raum zunächst zu meiden. Ihr müsst Euch den Raum wirklich nicht ansehen, denn nach dem Tod des Königs, ist dieser noch nicht wieder aufgeräumt worden. Es wurde noch sehr lange nach Hinweisen gesucht, die uns zu seinen Gegnern führen könnten."

Killian bekam gar nicht erst die Chance dazu etwas zu sagen, denn der Mann lief gleich weiter, hinaus auf den öffentlichen Gang, auf welchem auch seine Wache wartete. Doch würde er das Thema im Hinterkopf behalten und den Älteren zu einem anderen Zeitpunkt darauf ansprechen.

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