Kapitel 8 (Teil 1)

Kapitel 8

Die Anwärter hatten am heutigen Morgen wieder Diplomatieunterricht. Erneut wurde der Unterrichtsinhalt wenig abwechslungsreich und schon regelrecht lustlos vorgetragen, was es Killian auch heute wieder schwer machte dem Ganzen zu folgen. Dazu kam, dass er von Aidan abgelenkt war. Etwas dümmlich grinsend saß er glücklich auf seinem Platz und schaute immer wieder zu dem Jüngeren, starrte ihn zwischendurch regelrecht an. Wenn der Blick des Prinzen ab und zu, zu ihm hoch glitt, dann ließ dieser sich von dem Grinsen anstecken, was ihn aber ebenso dazu veranlasste seinen Blick schnell wieder auf seine Notizen zu lenken und zu seinem ernsten Ausdruck zurückkehren ließ. Aber das machte Killian nichts, denn immerhin schien Aidan ebenso glücklich zu sein wie er, dass sie die Distanz zwischen sich überbrückt hatten.

Leider war das Resultat des Morgens, dass Killian wie schon beim letzten Mal, kaum etwas mitbekommen hatte. Gleich nachdem sie aus dem Unterricht entlassen wurde, wandte er sich wieder einmal an Toran, um ihn darum zu bitten ihn über die heutigen Inhalte aufzuklären. Er hatte seine Frage noch gar nicht ganz beendet, da warf ihm der Älteste auch schon einen tadelnden Blick zu. Trotzdem half er dem Jüngeren ohne Wiederworte aus.

Während Killian versuchte sich auf Toran zu konzentrieren, bemerkte er, dass Luan zu Aidan hinübergegangen war. Schon den ganzen Vormittag war er ihm aufgefallen. Er hatte immer wieder Aidan und Killian mit abschätzenden Blicken bedacht und ab und zu vernahm man sogar ein verächtliches Schnauben von ihm in Kombination mit einem verzogenen Gesicht.

Als Luan sich nun zu dem Prinzen neigte und ihm leise etwas sagt, konnte Killian es nicht verhindern, dass er immer wieder einen verstohlenen Blick zu ihnen warf. Spätestens nachdem sich Aidans Augen vor Schock geweitet hatten, war es ihm dann unmöglich sich auf Toran zu konzentrieren.

Worüber sprachen die beiden? Ihr stummer Beobachter ging davon aus, dass unter anderem er Bestandteil des Gespräches war, denn Luan sah immer mal wieder zu ihm.

Letztendlich schien das Gespräch beendet. Luan nickte kurz und wandte sich dann zur Tür. Der Prinz blickte ihm sprachlos und irritiert nach. „Denk an meine Worte!", wurde diesem noch zugerufen, bevor der Andere aus der Tür verschwand.

Toran hatte durchaus bemerkt, dass er scheinbar nicht weiter von Bedeutung war und pausierte seine Ausführungen. Auch dauerte es nicht lange, bis er den Grund für Killians Ablenkung gefunden hatte und etwas genervt nun darauf wartete, dass ihm wieder Beachtung geschenkt wurde. Der Jüngere schien ihn aber gar nicht mehr wahrzunehmen und völlig vergessen zu haben. Er beobachtete nun lediglich den Prinzen und erhoffte sich eine Reaktion von diesem zu erhalten.

Schließlich erhielt er auch eine, allerdings nicht die Erwünschte. Aidan sah etwas verwirrt zu ihm und zuckte hilflos mit den Schultern, bevor er zögerlich nach seinen Sachen griff und langsam den Raum verließ.

„Nun, da Aidan gegangen ist, könnte ich ja eventuell deine Aufmerksamkeit wiederbekommen", machte der Älteste nun leicht genervt klingend auf sich aufmerksam.

Zusammenzuckend drehte Killian sich zu Toran, welchem er auch sogleich schuldbewusst einen entschuldigenden Blick zuwarf. „Es tut mir leid. Luan hat sich nur schon den ganzen Vormittag so... so... auffällig verhalten", entschied der Jüngere sein Verhalten zu erklären.

„Luan war nicht der Einzige, der sich diesen Vormittag auffällig verhalten hat." Der Älteste blickte ihn ein wenig Vorwurfsvoll an. Man sah ihm sofort an, dass ihm das Ganze nicht gefiel. Fragte man sich nur, ob es die Tatsache war, das sich zwischen Aidan und Killian alles geklärt hatte oder das er eben schlicht und einfach vergessen worden war, obwohl man ihn um Hilfe gebeten hatte.

„Tut mir leid", entschuldigte sich der Jüngere. „Wenn du bereit wärst mir den Unterrichtsinhalt noch immer zu erklären, dann würde es mich freuen und natürlich lasse ich mich auch nicht noch einmal ablenken."

„Wie auch, wir sind die Letzten hier", meinte Toran lediglich trocken und setzte seine Erklärungen fort.

- - - - -

Killian und Toran waren wie erwartet die Letzten beim Mittagessen und dazu noch recht spät. Ein paar der Anderen waren bereits fast fertig. Schnell bedienten sie sich an den aufgetischten Speisen, um nicht noch mehr ihrer freien Zeit zu verlieren. Es dauerte nicht lange und Liam kam zu ihnen, um zu fragen, ob noch genügend Essen vorhanden war oder ob irgendjemand noch Wünsche hätte. Da dem nicht so war, wollte er bereits wieder zurück zur Küche gehen, doch Peer hielt ihn auf. „Sag Liam, was gibt die Gerüchteküche so her?"

Interessiert schauten nun auch die Anderen zu ihm. Er sah kurz zur Seite und zog die Stirn kraus. Eine Weile in seinen Gedanken versunken, setzte er sich auf einen der freien Stühle, bis er schließlich zu einer Antwort ansetzte. „Es gibt zwar Gerüchte, aber leider nichts Konkretes. Einige Sachen widersprechen sich, andere wiederum sind viel zu verworren, als dass ich glaube, dass sie stimmen könnten. Doch angeblich soll man den Verantwortlichen für den Angriff auf dem König langsam auf die Schliche kommen." Ermutigend lächelte Liam dem Prinzen am Ende seiner Aussage zu welcher dieses ebenfalls mit einem Lächeln quittierte. „Außerdem wird gemunkelt, dass die Anwärter, sowie auch die Anwärterinnen für diesen Umstand", dabei deutete er auf die Wächter, die ihren Platz neben der Tür eingenommen hatten. „entschädigt werden sollen."

Die Augenbrauen von Luan zuckten augenblicklich interessiert nach oben. „Gibt es auch Gerüchte darüber, wie eine solche Entschädigung aussehen könnte?"

„Es gibt verschiedene Vorschläge. Aber ich denke, für euch wäre es wohl am interessantesten, wenn ihr Mal wieder in die Stadt gehen könntet. Mal wieder andere Menschen sehen, als immer nur die Gleichen hier." Grinsend sah er dabei in die Runde und erhielt die eine oder andere Zustimmung.

Als die Lage um den König noch ruhig war, durften sie des Öfteren als Gruppe in die Stadt gehen, um Beispielsweise den Markt zu besuchen. Doch umso unruhiger das Volk wurden, desto seltener durften sie gehen. Man konnte sagen, dass sie regelrecht eingesperrt wurden, um sie hier zu schützen. Sie konnten sich zwar nicht beklagen, so versorgte man sie mit allem Lebenswichtigen und während ihrer begrenzten Freizeit stand es ihnen selbstverständlich frei sich auf dem Gelände der Burg frei zu bewegen, doch war dies natürlich nicht das Gleiche. Der Garten war groß und wunderschön angelegt zudem hatten sie auch zu jeder Zeit freien Zugang zu ihrer Bibliothek, doch ersetzte auch die Gesellschaft der anderen Anwärter nicht die Konversation mit anderen. Sie hatten nur wenig Kontakt zu ihren Familien und zu ihren Freunden aus der Zeit bevor sie Anwärter wurden, aber auch neue Kontakte, die ihnen womöglich in ihrer Zukunft helfen könnten, konnten sie nicht wirklich knüpfen.

„So ein Ausflug wäre schon etwas Feines. Ich würde ganz klar mal wieder die Gesellschaft von Frauen bevorzugen", murmelte Luan und schien bereits in Gedanken in der Stadt zu sein.

„Ich bleibe da lieber meinen Büchern treu. Bestimmt gibt es in der Buchhandlung die eine oder andere neue Geschichtenerzählung, die wir hier in unserer Bibliothek noch nicht haben", lachte Killian und ging gar nicht erst weiter auf die Aussage seines Kameraden ein. Er hatte schon immer die Buchhandlung geliebt und ihr möglichst oft einen Besuch abgestattet. Auch wenn sie hier zwar nach Lust und Laune alle möglichen Bücher fanden, so freute er sich doch trotzdem über jedes Buch, welches in seinen Besitz überging.

Toran hingegen äußerte nur, dass er gerne den Markt besuchen würde. Er war immer interessiert an neuen Waren aus den Nachbarstädten oder wenn sich mal die Gelegenheit bot, auch die Waren aus anderen Ländern.

Liam lachte nur leise, als er die ausgesprochenen Überlegungen hörte. „Dann weiß ich ja Bescheid. Ich kann ja mal durchblicken lassen, dass dieser Vorschlag bestimmt auf Begeisterung treffen würde." Damit stand er von seinem Stuhl auf und wandte sich zum Gehen. Scheinbar gab es keine weiteren lohnenswerten Gerüchte, von denen er gerade berichten konnte oder wollte. Bei der Küchentür angekommen drehte er sich aber doch nochmal zu ihnen um. „Ich habe außerdem noch gehört, dass ihr bald auf die Anwärterinnen treffen sollt. Aber ich weiß nicht, wie viel Wahrheit in dem Gerücht steckt." Damit winkte er ihnen nochmal kurz lächelnd zu und verschwand durch die Tür. Dies tat er nicht ohne Grund. Er hatte mit ihren Reaktionen darauf wohl bereits gerechnet. Diese waren sehr verhalten und keiner wollte so recht darauf eingehen, weshalb alle begannen wieder ihren eigenen Gedanken nachzugehen.

Wenn sie auf die Anwärterinnen treffen würden, dann hieße das, dass sie anfingen die Wahl des Königs, beziehungsweise der Königin vorzubereiten. Vorher versuchte man, dass sie sich nie über den Weg liefen, um mögliche Sympathien, die womöglich von Nachteil werden könnten, vorzubeugen. Ein solches Treffen diente dazu, allen zu zeigen, wer der potenzielle Ehepartner werden könnte. Natürlich würden sie auch beobachtete werden, ob es womöglich eine große Abneigung zwischen Zweien geben könnte. Große Auseinandersetzungen wollte man natürlich verhindern, denn das Regieren sollte an vorderster Stelle für das neue Königspaar stehen und nicht irgendwelche Meinungsverschiedenheiten, aufgrund von unterschiedliche Idealen oder ähnlichem.

Doch, auch wenn das zukünftige Paar sich auf Anhieb verstehen sollte, wollte man sich wirklich vorschreiben lassen, wen man wann zu heiraten hatte? Selbstverständlich gehörte dies zu den Themen, über die sie vor Antritt ihrer Ausbildung aufgeklärt worden waren, doch das hieß nicht, dass sie davon auch überzeugt und begeistert sein mussten.

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