Kapitel 5 (Teil 1)

Kapitel 5

„Es gab einen Angriff auf den König."

Darauf folgte zunächst schockiertes Schweigen, denn keiner wusste so recht, was er dazu sagen sollte. Natürlich haben alle geahnt, dass etwas Schlimmeres passiert sein musste. Warum sonst hätte man ihnen Wachen zur Seite stellen sollen? Doch mit einem direkten Angriff auf den König schien keiner gerechnet zu haben. Toran bewegte sich etwas auf seinem Stuhl und suchte scheinbar eine angemessenere Position, während Luan den Stellvertreter des Königs scheinbar nicht aus den Augen ließ. Selbst Peer schien hierzu nichts sagen zu wollen und schaute lieber mit gerunzelter Stirn auf die blankpolierte Tischplatte vor sich.

Nachdem Killian sich von seinem anfänglichen Schock erholt hatte, warf er einen Blick zu Aidan. Dieser saß gefasst und ruhig am Tisch und wartete darauf, dass man fortfahren würde. Doch der Ältere konnte an seinen Augen erkennen, dass es in seinem Kopf arbeitete. Eine Beobachtung, die nur seine engsten Vertrauten und Freunde machen würden. Alle anderen sahen nur den beherrschten und konzentrierten Prinzen, der offenbar darauf wartete zu handeln, ein Prinz, der sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen würde.

Nachdem der stellvertretende König die Nachricht auf die Anwesenden hat wirken lassen, blieb sein Blick noch immer an Aidan hängen. „Er wird sich wieder erholen. Seine Verletzungen sind nicht lebensbedrohlich. Am meisten wird ihn wohl sein verloren gegangenes Vertrauen in seine Umgebung belasten."

Der Sohn des Königs nickte daraufhin leicht und suchte ebenfalls nach einer neuen Position auf seinem Stuhl, als die innere Anspannung offenbar nachließ. Als Killian ein kaum wahrnehmbares Schnauben hörte, wandte er seinen Blick von Aidan ab und blieb letztendlich bei Luan hängen. Dieser presste die Lippen etwas stärker aufeinander, hatte sich sonst aber nicht verändert. Würde Killian der Gedanke nicht unglaublich absurd vorkommen, so würde er denken, dass ihr Kamerad enttäuscht über die guten Nachrichten dieses Momentes war. Ihm war klar, dass der Andere dem Thron entgegenstrebte, doch konnte er sich nicht vorstellen, dass es ihn frustrierte, wenn er sein Wunsch nicht schnellstmöglich in Erfüllung gehen würde, ungeachtet der daraus folgenden Konsequenzen.

„Solange wir den Täter nicht ermitteln und einer gerechten Strafe zuführen können, wird es bei diesen verstärkten Sicherheitsmaßnahmen bleiben. Dies geschieht nur zu eurer Sicherheit." Bei den letzten Worten schaute der Mann die Anwärter einer nach dem anderen an und nickte schließlich. Das Gespräch schien damit beendet zu sein.

Er trat von dem Tisch zurück und verließ den Raum mit großen Schritten. Das Zuschlagen der Tür hinter ihm hallte durch den noch immer leisen Speisesaal.

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Nach dieser Ankündigung fand der Unterricht wieder statt, wenn auch in verkürzter Form. Zwischenzeitig wurde die Anzahl der Wachen auf dem Gelände erhöht. Es würde sowohl innerhalb, als auch außerhalb des Gebäudes Wachposten geben, um die wichtigen Personen im Inneren jederzeit schützen zu können. Die Anwärter behielt auch die ihnen zuvor zugeteilte Wachen und ebenso würden auch die Lehrer und die Bediensteten von Wachen begleitet werden.

Zusätzlich wurde die Regel erhoben, dass sie sich innerhalb des Anwesens und auf dem dazugehörigen Gelände frei bewegen konnten, solange es den Wachen möglich war ihnen zu folgen.

Während des Unterrichts fiel Killian auf, dass Aidan sich eher untypisch verhielt. Immer wieder wechselte er seine Position auf dem Stuhl, hatte seine Arme verschränkt und sah überall hin, nur nicht nach vorne zu dem Lehrenden. Auch schien er sich weder mit dem Unterrichtsinhalt, noch mit Aufzeichnungen oder Büchern auseinanderzusetzen. Es war offensichtlich, dass ihn etwas nervös und unzufrieden machte. Dies war auch der Grund, weshalb Killian nach Beendigung des Unterrichts gleich zu ihm ging.

„Wie geht es dir?", fragte er besorgt und versuchte dem Prinzen in die Augen zu sehen. Dieser schien daran aber wenig interessiert zu sein, beschäftigte sich lieber mit dem Richten seiner Kleidung und der Beschaffenheit des Bodens. Schließlich seufzte er etwas.

„Ich... nicht hier. Komm mit", er deutete mit dem Kopf zur Seite und setzte sich auch schon dorthin in Bewegung. Nur wenige Sekunden darauf erkannt Killian, dass der Jüngere wohl mit ihm zu ihren Schlafräumen gehen wollte. Seine Vermutung bewahrheitete sich, als Aidan in sein Zimmer trat und die Tür für ihn aufhielt. Kaum standen sie beide in dem Raum, schloss der Prinz die Tür und atmete hörbar aus.

Es war irgendwie beruhigend. Ihre Räumlichkeiten waren der einzige Bereich, in dem ihnen ein wenig Privatsphäre zugestanden wurde, denn die Wachen blieben vor der Tür stehen und würden nur auf Wunsch oder bei Verdacht auf Gefahr hereinkommen.

Killian noch immer nicht weiter beachtend, ließ sich der Jüngere erschöpft auf einen der Sessel fallen, stütze seine Ellenbogen auf den Knien ab und rieb sich mit den Händen über das Gesicht.

„Er ist mein Vater...", murmelte er schließlich hinter seinen Händen. Killian nickte verstehend, wohl wissend, dass Aidan diese Bewegung nicht sehen konnte. Er setzte sich ihm mit langsamen Bewegungen gegenüber und wartete ab. Er wusste, dass der Prinz von alleine Sprechen würde, er bräuchte nur Zeit, um seine Gedanken erst einmal zu sortieren.

„Ich weiß, dass er kein guter König ist. Trotzdem ist er mein Vater. Als ich klein war, hat er sich um mich gesorgt, wenn ich krank war. Er hat sich um mich gekümmert", langsam nahm er die Hände vor seinem Gesicht weg und strich sich stattdessen die Haare aus der Stirn. „Ich kann die Kritik der Leute verstehen. Wirklich! Ich hinterfrage seine Handlungen und Entscheidungen ja selbst kritisch, aber ich möchte trotzdem nicht, dass ihm etwas zustößt."

Killian hatte sich inzwischen soweit vorgelehnt, dass er dem Jüngeren seine Hand beruhigend auf die Schulter legen konnte. Er konnte sich vorstellen, was in ihm vorgehen musste, hatte wahrscheinlich die gleichen Gedanken.

„Er wird bald eines gewalttätigen Todes sterben, nicht wahr?" Traurig sah Aidan den Älteren kurz an, bevor er den Kopf hängen ließ und etwas in sich zusammen sackte, als er sich die Frage scheinbar selbst in Gedanken beantwortete.

Mitgefühl, für den sich sorgenden Sohn, ließ Killian seinen Platz verlassen. Er kniete sich vor den Jüngeren, um ihn vorsichtig in eine Umarmung zu ziehen. Kurz versteifte sich Aidan. Man merkte ihm an, dass er mit sich selber kämpfte. Kämpfte, um ein kleines bisschen Selbstbeherrschung, doch schließlich gab er es auf. Er hob seine Arme und legte sie um den Älteren, hielt sich an seinem Hemd fest. Seinen Kopf legte er auf der Schulter des Anderen und begann leise zu weinen.

Beruhigend strich Killian über den Rücken des zitternden Mannes in seinen Armen und gab ihm die Zeit, die er brauchte. Er schwieg, denn er wusste, dass keine Worte die Situation verbessern oder erleichtern würden. Der Ältere wollte ihm einfach nur beistehen und ihm zeigen, dass er nicht alleine ist und später auch nicht sein würde. Selbst nachdem sich der Prinz wieder beruhigt hatte, hielt er ihn weiterhin im Arm und strich tröstend über seinen Rücken.

Doch wieder einmal wurden sie durch ein Klopfen gestört. Sie hatten nicht einmal die Chance darauf zu reagieren, als die Tür auch schon aufgestoßen wurde. Wie auch bei den letzten Malen kam Peer herein. „Ich habe eure Wachen draußen stehen sehen...", fing er an, unterbrach sich jedoch selbst, als er die Beiden sah.

Aidan sprang sofort auf und dreht dem Jüngsten den Rücken zu. Killian hingegen konnte gerade noch der hektischen Bewegung entgehen und stellte sich nun auch wieder hin. Er ließ es sich jedoch nicht nehmen Peer dabei einen bösen Blick zuzuwerfen.

Schockiert weiteten sich dessen Augen leicht und nachdem er schnell die Tür geschlossen hatte, blickte er schuldbewusst zu Boden.

„Es tut mir leid. Ich habe nicht darüber nachgedacht, dass er ja dein Vater ist...", entschuldigt er leise sein unpassendes Verhalten.

„Schon gut", meinte Aidan nur. Seine Stimme hatte zwar bereits wieder einen festen Klang, jedoch drehte er sich nicht zu den anderen beiden um. Auch, dass er sich mit der Hand über seine Wange strich, verriet seine Verfassung und den Grund, sich nicht zeigen zu wollen.

„Weißt du denn, wie es deinem Vater inzwischen geht?" Man merke dem Jüngsten an, wie unangenehm ihm das alles war. Trotzdem versuchte er irgendwie Anteil an der ganzen Situation zu nehmen.

„Nein. Ich denke auch nicht, dass man von mir ein solch schwaches Verhalten, danach zu fragen, erwarten würde. Ich habe die Fassung zu wahren."

Plötzlich sah Peer entschlossen auf. Langsam ging er auf den Prinzen zu und legte ihm die Hand auf die Schulter, um dies kurz zu drücken.

„Ich hatte schon immer ein sehr gutes Verhältnis zu meinem Vater", begann er. „Es würde mich sehr mitnehmen, wenn ihm so etwas passieren würde. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann lass es mich wissen." Ihn so ernst zu sehen und zu hören war sehr selten. Doch dies ließ gut erkennen, wie wichtig ihm das Gesprochene war.

„Ich danke dir", sagte Aidan und sah ihn leicht lächelnd an.

So standen sie ein paar Momente schweigend nebeneinander da und gingen ihren eigenen Gedanken nach.

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