Kapitel 24 (Teil 2)

Auch hier wurde Killian nicht fündig.

Er hatte den gesamten Garten durchsucht. Aidans Lieblingsplätze, Plätze, an denen sie gemeinsam Zeit verbracht hatten, sowie Ort, die sehr abgelegten waren, doch von dem Prinzen fehlte jede Spur.

Der Anwärter merkte bei seiner Suche gar nicht das Voranschreiten der Zeit und auch nicht, dass er eigentlich bereits im Unterricht hätte sitzen sollen. Es war ihm auch nicht wichtig. Er wollte einfach nur wissen, ob es Aidan gut ging und wo er war. Seine Sorgen waren mit jeder vergangenen Minute größer geworden und er wünschte sich, dass diese Ungewissheit ein Ende hatte. Möglichst lange hatte er den Gedanken, es könnte ihm etwas passiert sein, verdrängt. Doch da es Angriffe auf den König gab, warum sollte dessen Familie dann sicherer sein? Was war, wenn man nun auch den Prinzen ins Visier genommen hatte?

Diese Art der Gedanken stiegen immer mal wieder in ihm auf und sie halfen nicht gerade dabei, ruhig zu bleiben.

Nach einer ganzen Weile entschied er, dass es nichts mehr bringen würde hier draußen noch weiter nach dem Jüngeren zu suchen und so machte er sich wieder auf den Weg zurück in die Burg.

In der Nähe ihres Übungsplatzes kam Toran auf ihn zu und hob kurz die Hand, um auch wirklich seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die Hoffnung, der Ältere hätte neue Informationen über den Aufenthaltsort des Prinzen ließ er erst gar nicht zu.

„Ich habe dich schon die ganze Zeit gesucht.", sagte Toran auch sogleich als er bei dem anderen Anwärter zu stehen kam und diesem eine Hand auf die Schulter legte, scheinbar um sicher zu gehen, ihn nicht sofort aus den Augen zu verlieren. „Wir werden wegen einer wichtigen Besprechung nicht in die Bibliothek gelassen. Ich kenne den Grund zwar nicht, aber vielleicht ist Aidan ja ein Teil dieser Besprechung, wenn er sagte, dass er etwas ändern wollen würde."

Bei dem Gehörten schöpfte Killian nun doch ein klein wenig Hoffnung und zwang sich zu einem kleinen Lächeln. „Ich hoffe du hast Recht."

„Selbst wenn nicht, Aidan wird schon wieder auftauchen und es wird im gut gehen. Da bin ich mir sicher und nun komm'. Wir gehen rein und schauen mal, was wir dort herausfinden."

Somit gingen sie schweigsam zu besagtem Raum und als sie dort ankamen konnten sie auch gleich eine Person vor der verschlossenen Tür stehen sehen. Es war Luan, welcher sich mit hängendem Kopf gegen die Wand gelehnt hatte. Als er jedoch ihre Schritte hörte, sah er kurz zu ihnen.

„Gibt es schon etwas Neues?", fragte Toran ihn, als sie nahe genug waren, ohne die Besprechung dadurch zu stören.

„Nein.", sagte Luan eher desinteressiert und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. „Ich habe weder etwas gesehen, noch gehört."

„Und Peer? Wo ist er abgeblieben?", fragte der Älteste weiter und sah sich kurz suchend auf dem Gang um.

„Zurück ins Bett. Er wollte die Zeit sinnvoller nutzen als hier einfach nur herumzustehen."

„Weißt du, ob Aidan mit da drin ist?", fragte Killian ihn kurzerhand. Auch wenn sie kaum noch ein Wort miteinander sprachen, so erhoffte er sich nun doch eine Antwort von dem Anderen.

„Nichts gesehen und nichts gehört, schon vergessen", sagte der Gefragte schnippisch und zog eine Augenbraue hoch. „Ist es nicht eigentlich deine Aufgabe auf dein Herzchen aufzupassen?"

„Vielen Dank, Luan, für deine nicht hilfreiche Antwort.", meinte Killian nur gespielt lächelnd und wandte sich anschließend wieder Toran zu. „Ich hoffe nur, dass er keine Dummheiten macht."

Der Angesprochene nickte nur zustimmend und stellte sich dann an das Licht spendende Fenster, stützte seine Arme auf dem Fensterbrett ab und ließ seinen Blick nach draußen gleiten. Killian hingegen setzte sich in dessen Nähe auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. So warteten sie noch eine ganze Weile, bis etwas passierte.

Ohne weitere Vorwarnung öffnete sich die Tür der Bibliothek und zum Vorschein kam tatsächlich Aidan, welcher den Raum verließ und sich davor gleich zu der Lehrkraft hinter ihm umdrehte. Erschöpft und blass sah er aus, als er scheinbar auf weitere Anweisungen wartete.

„Wir beraten uns nun.", sagte er an den Prinzen gewandt, bevor er seinen Blick über die anderen Anwärter schweifen ließ, deren Aufmerksamkeit nun auf ihm lag. „Bitte wartet alle im Speisesaal." Damit drehte er sich schon wieder um und schloss die Tür von innen. Nach einem kurzen Moment der Sprachlosigkeit sprang Killian förmlich auf seine Füße und ging die paar Schritte, die ihn von seinem Prinzen trennten, auf diesen zu. „Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?", fragte er besorgt und versuchte Aidan in die Augen zu sehen.

Traurig lächelnd sah dieser ihn schließlich von alleine an. „Das wirst du nachher wahrscheinlich noch erfahren." Damit wandte er sich ab und wich den Händen des Anderen aus, der ihn am Arm fassen wollte. Seine Schritte folgten dem Weg zum Speisesaal.

Killian, welcher kurz Sprachlos auf den verwaisten Platz sah, beeilte sich zu ihm aufzuholen. „Aidan...", fing er an, wurde aber durch eine abwehrend gehobene Hand unterbrochen.

- - - - -

Gemeinsam waren sie zum Speisesaal gegangen, nur Toran verließ die kleine Gruppe auf dem Weg um Peer aus dem Bett und zu ihnen zurückzuholen.

In dem großen Raum nahmen sie alle am Tisch Platz, vorbei Aidan ein wenig Abstand zur Gruppe einnahm, um erneut seinen Gedanken zu folgen. Killian versuchte es nicht noch einmal mit ihm zu sprechen. Vielleicht würde er ja tatsächlich erfahren um was es da heute in der Bibliothek ging und wenn nicht, dann würde er am Abend den Jüngeren nochmal versuchen zu befragen. Immerhin waren sie dann alleine und der Andere vielleicht ein wenig zugänglicher.

Nachdem ihr ältester Anwärter mit dem jüngsten im Raum auftaucht war, welcher ausgesprochen träge wirkte, wurden sie vom Küchenpersonal ein wenig mit Essen und Trinken versorgt. Da Killian durch seine Suche noch kein Frühstück hatte, kam ihm dies sehr gelegen. Aidan hingegen verschmähte das Essen gänzlich und die restlichen Anwärter schienen mehr aus Langweile zuzugreifen, als aus Hunger. Zwischendurch führten sie kleinere Gespräche. Diese waren jedoch eher belanglos und dienten auch eher dem Zweck, der langweiligen Wartezeit zumindest kurz zu entfliehen.

Gegen Mittag war es dann schließlich so weit. Ihre Lehrkräfte betraten geschlossen den Saal und positionierten sich am Kopf des Tisches um mit den Anwärtern sprechen zu können.

Als erster ergriff ihr Diplomatielehrer das Wort. „Es tut uns sehr leid, dass ihr so lange warten musstet. Wir haben uns lange beraten müssen. Uns sind heute die Augen geöffnet worden, denn von einigen Umständen haben wir bisher nichts bemerkt. Dafür möchten wir uns selbstverständlich in erster Linie entschuldigen, da wir ganz offensichtlich in dieser Hinsicht Verfehlungen einräumen müssen..." Ihre Lehrkraft sprach eine ganze Weile, ohne jedoch wirklich etwas auszusagen. Immer wieder deutete er etwas an, nur um dann doch wieder zurück zur Anfangsansprache zu gelangen. Irgendwann hörte man zwischendurch ein genervtes Schnauben von Luan. Peer hingegen war nicht ganz so ruhig wie seine Kameraden. „Hätte ich das gewusst, dann hätte ich auch noch weiterschlafen können.", murmelte er irgendwann zwischendurch und Killian hätte ihm nur zu gerne zugestimmt. Sie hätten wahrscheinlich schon längst mit dem Gespräch durch sein können, würde ihr Lehrer nicht ständig nur um den heißen Brei herumreden.

Doch zum Glück stimmte er nicht zu, denn für den unbedachten Kommentar des Jüngsten handelten sie sich bereits einen weiteren Vortrag darüber ein, wann etwas angebracht wäre und wie wichtig die derzeitige Situation doch war. Es war schließlich kein Platz für Scherze.

Letztendlich folgte dann doch ein Satz, bei welchem jeder außer Aidan, welcher an die gegenüberliegende Wand starte, wieder aufmerksam wurde. „Aidan hat uns heute von Vorkommnissen berichtet, von denen wir nichts ahnten."

Sofort wurde Luan hellhörig und zog interessiert eine Augenbraue hoch. Killian hingegen war ein wenig verwirrt. Das der Prinz etwas zu sagen gehabt hatte, war wohl klar gewesen, doch über welche Vorkommnisse hatte er gesprochen? Ein fragender Blick seinerseits zu dem Jüngeren blieb unbeantwortet, da die Wand noch immer äußerst interessant zu sein schien.

„Man berichtete uns von einem Angriff auf den Prinzen und dass man massiv Kritik an diesem geäußert hatte.", ihr Diplomathielehrer legte eine Pause ein, wohl, damit alle das gehört wirklich aufnehmen und verstehen würden. „Wie anfangs bereits erwähnt haben wir lange darüber beraten und sind folglich zu einem Entschluss gekommen. Mit sofortiger Wirkung wird Aidan von der Ausbildung bei den Anwärter ausgeschlossen."


Ende Kapitel 24

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