17. Unausgesprochene Worte

Ein bisschen längeres Kapitel als sonst, weil ich es nicht trennen wollte, seid bereit.

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Es war bereits spät in der Nacht und meine Augen kündigten sich bereits als sehr erschöpft an, baten mich vorsichtig darum bald Ruhe zu finden. Ich hatte Yongguk inzwischen in der Menge verloren, irgendwann während den Tanzpartnerwechseln hatte er sich zum rot gekleideten Himchan gesellt und ich fand mich stattdessen an Daehyuns stabilen Arm wieder, unterhielt mich mit ihm, wenn nicht gerade die halbe Männerschaft in der Halle einen Tanz mit mir forderte.

Daehyun wurde nicht müde, rückte aber regelmäßig ab, um mit dem Buffet zu liebäugeln und auch von dort wurde ich irgendwann auch an Seonghwa weitergereicht, blieb allerdings nicht lange dort, bis mir beinahe von selbst die Augen zu fielen.

"Ich glaube ich werde mich langsam zurückziehen.", raunte ich ihm durch das stete Murmeln der Halle zu, einige Leute schienen jetzt erst so wirklich wach zu werden, während der arme Junhong aussah wie ein hilfloses Baby, das jemand vergessen hatte in sein Bett zu bringen. Seonghwa hatte die Etikette des Abends erstaunlich schnell aufgenommen und behielt einen höflichen Abstand, als er sich zu meinem Ohr beugte, die freie Hand warm über die meine an seinem Arm legte.

"Ich werde dich begleiten. Morgen wartet noch ein Haufen Papierkram auf meine Aufmerksamkeit."

Damit begannen wir also uns von allen zu verabschieden, sammelten traurige Abschiedsgrüße und hier und da ein gesäuseltes Kompliment, wie gut wir beide doch zusammen passten (ich ignorierte es, wie die gleichen Damen mich zuvor mit Yongguks Verlobten verwechselt hatten).

Seonghwa umging derlei Zuspruch geschickt, wusste immerhin genau über meine Beziehung zu seinem Kapitän Bescheid und empfand ebenso, dass er und ich nichts dergleichen ineinander sahen. Das war allerdings der höfischen Damenschaft sehr gleich.

Irgendwann schafften wir es aus der wogenden Menge heraus und die breiten Treppen hinauf, irrten eine Weile durch die leeren Gänge, während im Hintergrund noch immer das rege Plaudern und die Musik der Halle unsere Ohren füllten.

Seonghwa verabschiedete sich leise von mir, bevor er in sein Zimmer eintrat, ich in meinen Raum seinem gegenüber verschwand. Froh allein zu sein.

Nun war ich sehr bereit einfach in mein kuschelig weiches Bett zu fallen, nur würde das wohl oder übel direkt an meinem Kleid scheitern. Ich musste also zuerst durch den langen Prozess des Ausziehens gehen, spielte für einen Moment mit dem nicht besonders damenhaften Gedanken Seonghwa um Hilfe zu bitten.

Aber nein. Wie ich Seonghwa kannte, war er direkt ins Bett gefallen und schlief bereits tief und fest.

Ich ging zuerst los das Fenster öffnen, um meine erhitze Haut etwas herunter zu kühlen, kickte im Gehen die Schuhe von meinen Füßen, um weiche Teppiche und die Seide meines weichen Kleides an meinen Zehen zu spüren.

Mit dem Mond groß und voll am Himmel und der frischen Nachtluft kühl auf meiner entblößten Haut, hob ich gerade die Hände, um mein Diadem aus meinen Haaren zu ziehen, als es leise und verhalten an der Tür klopfte, der Laut beinahe nicht hörbar hinter dem Zirpen der Grillen im Feld.

Wie es aussah, kam Seonghwa selbst nicht aus seinen Klamotten raus. Großartig. Ganze Arbeit von seinem Stylisten.

Mit einem neckenden Spruch bereits auf den Lippen ging ich los die Tür öffnen, vergaß ihn dann allerdings sofort wieder, als es nicht Seonghwa vor mir war.

Zuerst war ich verwirrt, wen ich überhaupt vor mir hatte, war ich mir doch relativ sicher dieses rote Haar in meinem Leben noch nicht gesehen zu haben, aber es klärte sich dann mit einem Blick in sein Gesicht.

Hongjoong lächelte sanft, die Augen sehr wach und gesund, die Haut wieder in einem gesunderen Ton als zuvor.

Wann bitte war sein Haar rot geworden? Und... es war kurz. So war es sicherlich noch nicht gewesen, als ich ihn vor einigen Tagen am Strand gefunden hatte.

Er gab mir die Zeit verwundert an ihm herab zu sehen, an dem feinen roten Seidenheimd das er trug und das eindeutig zu viel von seiner Brust zeigte, bis hin zu dem schwarzen Lederkorsett, das um seine zierliche Taille geschlungen war, mir die Illusion versetze, dass er noch viel dünner geworden war. Er trug ebenso schwarze und sündhaft enge Lederhosen und hohe Stiefel, stand mindestens 5 Zentimeter über mir, statt wie normal auf meiner Höhe zu sein. Er wirkte eher ungefähr so groß wie Seonghwa.

Ich stand eine sehr lange Zeit mit offenem Mund vor ihm, während er sich die Zeit nahm mich ebenfalls eingehend zu mustern, sehr lange an der Kette um meinem Hals zu verweilen.

Jede Müdigkeit vergessen sah ich danach wieder zu ihm auf, blickte hastig den Gang hinab, von dem noch immer Musik kam, auf dass es keiner sah wie eine Adelige mitten in der Nacht mit einem Piraten in ihrer Tür stand.

"Dir habe ich erfolgreich alle Sprache verschlagen, hm?", klang seine neckische Stimme, nachdem ich keine Worte fand und ein protestierender Laut kam aus meiner Kehle, ich hatte immerhin meine Hände genug im Griff, um hilflos an ihm auf und ab zu gestikulieren. Hongjoong grinste nur sehr selbstgefällig, hob herausfordernd eine Braue, wie als wartete er nur darauf, dass ich mich auf ihn warf, wie es die Mädchen in den Dörfern immer wieder gerne taten.

"Seit wann bist du wach?", war dann das einzige, das ich nach langer Zeit heraus brachte und er lehnte mit einer Schulter im Türrahmen, verschränkte so die Arme vor der Brust, dass es das tiefe V seines Hemdes nur tiefer zog, mehr glatte Haut entblößte. Ich versuchte nicht zu offensichtlich hin zu starren.

Ah, Sekunde...

Ich hob die Augen wieder, musterte für einen langen Moment sein Gesicht, seine zarten und reinen Züge, dann fasste ich ihn mir am Arm und zerrte ihn in mein Zimmer, sperrte die Tür hinter uns ab.

Sein breites Grinsen sprach Bände, aber ich zögerte keine Sekunde, um zu meinem Schwert zu greifen, es binnen einer Sekunde zu ziehen und ihm unter das weiche Kinn zu legen, warnend dort zu halten. Er war sehr ruhig, stand mir nur gefasst gegenüber, wenn auch seine Augen strahlten.

Ich war vorsichtig, behielt ihn pausenlos im Blick, während ich noch einmal checkte, mit der Spitze meines Rapiers sogar den Stoff seines Hemdes leicht beiseite schob, aber nichts. Keine Narben. Nicht einmal in seinem Gesicht.

"Seonghwa sagte, dass du das tun würdest. Ich hätte vielleicht auf ihn hören sollen und mich schminken.", stellte wer auch immer das eigentlich war achselzuckend fest und ich ließ das Schwert an seiner Brust, hoffte nur, dass ein potenzieller Kampf nicht Seonghwa wecken würde.

"Ich weiß nicht, was hier los ist. Ob du schon wieder San bist, eine Art Golem oder ein Untoter, wer weiß das schon. Aber ich werde mich von diesem Gesicht nicht davon abhalten lassen es notfalls herausfinden zu müssen, wenn du nicht sprichst." Ich sprach drohend, ließ keinen Raum für Diskussionen offen und nun hob er defensiv beide beringte Hände, neigte fragend den Kopf auf eine sehr Hongjoong Art.

Ich war so verwirrt.

"Ich bin der Echte. Solltest du eine Bestätigung brauchen, kann ich entweder Seonghwa wecken, die deine gesamte peinliche Piratengeschichte erzählen oder auch direkt in deine Klinge laufen, aber davon würde ich gerne absehen." Er klang ernst, aber ich traute ihm noch immer nicht, Sans Täuschungen waren stets tadellos. Wo waren die Narben?

"Dann sprich dich aus. Was ist da draußen geschehen? Warum lebst du noch, nachdem du direkt in den Tod gesprungen bist? Wo sind die Narben, Hongjoong?"

Er ließ die Hände wieder fallen, um nach meiner Klinge zu greifen, sie mit Daumen und Zeigefinger sanft von sich weg zu drücken. Ich wollte protestieren, aber seine Augen ließen die Worte in meinem Hals ersterben. Sie waren zu ehrlich, zu sehr die, die ich kannte, um falsch zu sein. Aber dennoch stimmte etwas nicht.

"Hast du wirklich vergessen, wer ich bin, oder muss ich von ganz vorne anfangen?" Er blieb still, selbst als ich misstrauisch das Schwert sinken ließ, das Gesicht ernst. Mit Bedacht wählte ich meine Worte.

"Du bist Ryujin. Ein japanischer Gott, der über das Meer und seine Bewohner gebietet."

"Drachengott, Tsukiko. Ich bin ein Drache. Deswegen die plötzliche Heilung, keine Verletzungen, das Leben. Denkst du wirklich ich hätte eine gigantische Seeschlange mit bloßen Händen bekämpft?"

Das Puzzle setzte sich augenblicklich mit einer erschreckenden Klarheit zusammen. Natürlich hatte Seonghwa mir das verschwiegen - er ging davon aus, dass ich es gewusst hatte. Deshalb war die Crew so vertrauensvoll. Darum war er unversehrt und auch nicht vergiftet. Er war zum Drache geworden. Es war Teil seines Wesens, ebenso wie Falke und Bär das von Yunho oder Schlange das Apeps.

"Als Drache heile ich anders, deswegen habe ich jetzt auch noch eine Weile geschlafen... Ich war kein Drache mehr seit dem hier, meine Magie hatte einiges zu tun." Er gestikulierte schwach zu seinem Gesicht herauf, während ich mich noch immer selbst schalt, wie ich das vergessen haben konnte. Deswegen hatte Yongguk so ausgesehen, als wüsste er mehr als wir. Er hatte gemerkt, dass ich es vergessen hatte.

"Wir haben darüber geredet. Du kannst nicht sagen, dass-" Hongjoong verstummte, als ich das Schwert seufzend wieder in seiner Ecke platzierte, mir so unendlich müde die Augen rieb.

"Ich habe es vergessen. Tut mir leid. Ich hätte vermutlich mehr darauf gezählt, dass du plötzlich stürmisch in unseren Hallen aufzutauchst, wenn ich daran gedacht hätte. Ich hatte Angst.", gestand ich ihm leise und für einen langen Blick musterte er mich nur, sah mühelos hinter die Maske der Prinzessin und in meine müden und gejagten Augen.

"Das hast du tatsächlich. Du dachtest wirklich ich sei einfach so offen in meinen Tod gesprungen."

Von einem Moment zum nächsten sah er unglaublich schuldig aus und mit zwei langen Schritten war er bei mir, schloss mich eng in seine Arme, um mich an seine warme und sehr lebendige Gestalt zu ziehen, zuzulassen, dass meine Hände zittrig Halt an seinen Schultern fanden.

"Verzeih mir. Ich wusste nicht, dass ich dir damit so viel Kummer bereitete."

Ich bebte in einem stummen Schaudern gegen seine Gestalt, ließ mich einfach halten und zu, dass er leise seine süßen Versicherungen, dass es ihm gut ging und er in der Tat lebte in mein Ohr flüsterte. Seine Hände hielten mich schützend, wie als wollte er mich nie wieder loslassen und immer mal wieder glitt eine neugierig durch mein kurzes Haar, strich Diadem und nach und nach auch alle Zöpfe hinaus.

Meine Finger juckten ebenfalls danach nach seinem Haar zu greifen und es zu erkunden, aber ich beließ es dabei nur meinen Kopf in seine Schulter zu pressen, wieder von seinem Sein eingenommen zu werden, denn es ging ihm gut.

Das war das wichtige.




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