11. Ebbe und Flut

Meine Erinnerungen an das Geschehen waren ein verworrenes Chaos, die panischen Gedanken überall gleichzeitig und gefüllt von Angst und Sorge. Ich wusste, dass wir irgendwie sicher an Land ankamen, die Männer in Adrenalin und Erleichterung rufend und zitternd, als wir nicht allesamt von einer mystischen Schlange gefressen wurden. Mein Kopf war leer, die Augen ohne ein Ziel auf die aufgebrachte und stürmische See gerichtet, in der Wellen so hoch wie ganze Gebäude zornig tobten. Immer mal wieder drang ein zorniges Brüllen über das Wasser, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ und sämtliche Haare an meinem Körper zu Berge stehen. Man sah nicht wirklich viel von dem Geschöpf selbst, nur hin und wieder die Andeutung eines langen, schuppigen Leibes im tobenden Wasser.

Jongho musste mich über seiner Schulter vom Schiff tragen, um mich irgendwie dazu zu kriegen zu gehen und ich fühlte mich zu betäubt, um mich dagegen zu wehren, zu abgelenkt von der wahrlich einem Weltuntergang würdigen Szene, während in meinem Augenwinkel meine Kette aus meinem Kragen herausbaumelte, wie eine spöttische Erinnerung unter dem dunklen Himmel glänzte.

Ich wurde an Land sanft abgesetzt und fand meinen Platz an der Seite eines besorgten Seonghwas, der mir sofort Hongjoongs Jacke aus den gefühlslosen Händen nahm, um sie mir besorgt um die Schultern zu legen, ich hatte es gar nicht gemerkt, wie durchaus durchnässt und zittrig ich war.

Zu all dem begann es noch zu regnen.

Ich war stumpf zur Außenwelt hin, sagte nichts, als die Piraten weiter ins Landesinnere zogen, Daehyun mit einem erschütterten Thor am Arm und Jongho mit dem bewusstlosen Wooyoung über den Schultern.

Seonghwa verließ meine Seite nicht mehr, sein warmer Körper eng an meinem, während er mich am Ellenbogen führte, sanft um tückische Kuhlen und Steine im Feld dirigierte. Am Anfang hatte er noch leise auf mich eingesprochen, aber seine Stimme verlor sich schnell, als er begriff, dass ich seine Worte nicht registrierte.

Wir durchquerten die weiten Wiesen Cornwalls im strömenden Regen, der nicht zu versiegen plante, ließen Wellen und Sturm hinter uns, um auf die nächtbeste Unterkunft zu zu halten. Die Besitzerin schien nicht besonders erfreut über die Horde durchnässter Piraten in der Abenddämmerung an ihrer Schwelle, doch Daehyun erklärte die Siutation so geschickt wie möglich und sie öffnete uns ihre Türen.

"Ich werde eine Nachricht an Yongguk schicken. Es ist das Beste, wenn wir so bald wie möglich im Palast ankommen.", waren die ersten Worte, die ich wieder aktiv hörte, während die Wärme stechend in meine Glieder kroch, mich langsam wieder aus meiner tauben Trance weckte.

Daehyun saß mit mir, Seonghwa und Yunho bei Tisch und beriet sich gedämpft mit den anderen, während die bedrückten Stimmen der Piraten die Stube füllten, ich sah Mingi bei ihnen, die anderen waren wohl verschwunden, um sich um die Verletzten und Thor zu kümmern.

Ich lehnte schwer in der Seite des Vizekapitäns und sammelte mich auch sofort dort weg, als ich seine Körperwärme endlich als solche wahrnahm und setzte mich erschöpft auf, um meine Augen zu reiben, meine Haut salzig vom Wasser.

"Geht es dir gut?"

Langsam sah ich auf und bemerkte drei besorgte Augenpaare auf mir, in Daehyuns tiefen, braunen Augen der meiste Schmerz. Ich atmete einmal tief durch.

"Wir müssen ihn suchen gehen."

Daehyun zuckte beim Klang meiner verzweifelten und krächzigen Stimme zusammen, nur um dann sofort belegt den Bick abzuwenden, ich fasste stattdessen Seonghwa ins Visier.

"Wir können ihn da nicht lassen."

Seonghwa rieb sich erschöpft die Stirn, die dunklen Brauen in einer besorgten Linie, als er nach den richtigen Worten suchte. Ich wusste bereits ich würde sie nicht mögen, bevor er sie ausgesprochen hatte, aber ein kleiner Teil in mir hoffte dennoch.

"Es geht nicht. Wir sind nicht stark genug. Wir müssten warten, bis sich der Sturm gelegt hat und bis dahin..." Seonghwa verstummte, biss die Kiefer aufeinander, um sich selbst abzulenken.

Ich begriff nicht, wie sie ihn so einfach gehen lassen konnten. So blind vertrauen. Natürlich war das exakt ihre Beziehung zum Kapitän, aber hielt sie das von allen emotionalen Entscheidungen ab? Waren sie so darauf trainiert jederzeit mit seinem Tod zu rechnen? Gerade von Seonghwa kam das unerwartet.

Yunho schien mir die Gedanken auf dem Gesicht abzulesen, denn er gab sich die Mühe verzerrt zu lächeln, legte eine Hand schützend über die von Seonghwa.

"Wir schaffen das nicht. Seonghwa muss sich gerade um einen Haufen verschreckter Männer kümmern, eine sichere Unterkunft finden; sobald er wach ist, auch Wooyoung übernehmen und nebenbei eigentlich auch ein Auge auf das Schiff haben. Hongjoongs Entscheidung kam aus seinem eigenen Willen heraus und sich ihr zu widersetzen, bedeutet nicht nur eine derbe Respektlosigkeit, sondern sie nimmt ihm auch jeden Zweck dieses Opfers. Wir werden suchen, Tsukiko. Aber nicht, bevor wir nicht alles geordnet haben. Wir können nicht noch mehr verlieren."

So sehr mein Gehirn auch sein Anliegen begriff, so sehr verabscheute es auch den Gedanken Hongjoong zurück zu lassen, potenziell noch lebend und an der Küste gestrandet und erfroren oder verblutet, bis wir ihn fanden. Ich wusste nicht, was mich darauf brachte, dass er noch leben könnte nach all dem, aber mein Herz war zu stur, um so früh schon loszulassen.

Ich wurde still, sah stumpf auf die malträtierte Tischplatte herab, in der über die Zeit tiefe Kerben und Flecken ihre Spuren hinterlassen hatten, das Holz ergraut.

"Ich werde dich einschließen, wenn es dir hilft. Soll ich nachfragen, ob du dir das Zimmer mit einer der Mägde teilen könntest, um nicht allein sein zu müssen?" Seonghwas Stimme war unendlich sanft und hilfreich, aber ich vermisste dieses Lächeln so sehr, vermisste das empörte Keuchen, wenn er mal wieder nicht respektiert wurde und das tiefe Blau seiner Augen. Er fehlte mir.

"Ich denke nicht, dass ich Ruhe finden werde. Ich werde über Wooyoung wachen."

Seonghwa akzeptierte es mit einem Nicken und winkte dann Mingi zu sich herüber, um ihm leise Anweisungen zu geben, ihn dann seiner Wege zu schicken. Ich entschuldigte mich ebenfalls vom Tisch, um müde die Treppen hinauf zu gehen, mich von einem Piraten zu Yeosangs provisorischen Krankenzimmer weiterleiten zu lassen.

Yeosang verarztete drinnen diejenigen, die sich noch an Bord oder auf dem Weg verletzt haben könnten, nur kleinere Angelegenheiten, die sich dennoch nicht entzünden sollten. Wooyung lag bleich und ungewohnt kalt auf einem der Betten, das Gesicht entspannt, wenn er auch eindeutig geplagt schien.

Wer wusste schon, was vorgefallen war und wie San auf ihn reagiert hatte.

Zwischen mir und Yeosang wurde kein Wort gewechselt, als ich nur still an Wooyoungs Seite meinen Platz fand und begann seinen Puls und die Körpertemperatur zu checken, eine weitere Decke über ihm auszubreiten, als er mir entschieden zu kalt war. Danach ging ich Yeosang helfen, beschäftigte meine Hände, um meinen Kopf abzulenken und wieder herrschte Schweigen abgesehen von den gelegentlichen Fragen, wie der Patient sich fühlte.

Yeosang verließ mich später, um mit Seonghwa und Yunho Quartier zu finden, während ich im Schein einer einsam winkenden Kerze am Fenster saß und in die tiefe Nacht hinaus starrte. Der Sturm legte sich bald gänzlich und das Pfeifen unter den Läden verstummte, doch keine Gestalt überquerte die Wiesen, niemand klopfte mitten in der Nacht an den Pforten des Hofes.

Dieses Mal ging ich nicht zu Yeosang, während ich still weinte, musste nicht mit Hongjoongs Eifersucht rechnen.

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