10.3: F L A S H B A C K

"Harry, bitte wach auf", hauchte Louis verzweifelt. Schon seit mehreren Stunden saß er neben seinem ohnmächtigen Freund. Seine Nerven lagen blank. Er wusste, dass sie ein gewisses Berufsrisiko hatten, doch er hätte niemals gerechnet, dass in einem öffentlichen Supermarkt mit einem Messer auf seinen geliebten Lockenkopf losgegangen werden würde. Ein leises Schluchzen entwisch seinen Lippen, als er sich weiter in die blasse Hand des Jüngeren krallte.

"Lou? Wie geht es Harry?", fragte Maya, die leise den Raum betreten hatte.

"Er hat viel Blut verloren, aber es wurde nichts wichtiges getroffen. Sie sagen, dass er sich bloß erholen musste", hauchte Louis, den Blick nicht von den geschlossenen Augen des anderen nehmend.

"Wir haben alle Kameras gecheckt. Man kann nirgendwo einen Verdächtigen erkennen. Ich habe dir Ausdrücke von allen im Laden anwesenden Personen mitgebracht, vielleicht kennst du jemanden und kannst ihm eine Identität zuordnen. Ansonsten ist Harry unsere einzige Hoffnung", gab Maya ungerne zu. Sie hasste es so verloren zu sein. Und die Situation hätte nicht schlimmer sein können.

Die Kommissare hatten in ihrer Karriere schon für so viele Menschen einen Krankenwagen rufen müssen, dass sie wussten, dass die Ärzte im Normalfall fast jeden wieder heilen konnten. Menschen aus so Hoffnungslos aussehenden Situationen konnten sie wiederherstellen. Doch sie waren eben auch Menschen, auch sie machten mal Fehler und übersahen etwas. Zwar hatte Louis so einen Fall noch nie miterlebt, aber er hatte Angst, dass dies bei Harry passieren würde. Dass die Ärzte irgendetwas übersehen hatten. So gering die Wahrscheinlichkeit auch war.

"Danke", murmelte Louis bloß abwesend, konnte seinen Blick nicht von dem blassen, knochigen Gesicht lösen.

"Ich habe dir Kaffee mitgebracht. Und ein Brötchen, du musst etwas essen", sagte Maya mütterlich, wie sie eben war.

"Ich muss auf Harry aufpassen", entgegnete Louis bloß ruhig.

"In anderthalb Stunden fängt die Nachtruhe an, dann darf kein Besucher mehr hier sein. Vor der Tür wird ein Kollege sitzen und aufpassen. Ich konnte sie überreden, dass du hier drinnen aufpassen darfst. Aber Lou, sobald du müde bist, dann sagst du Bescheid. Dann kommt noch jemand zur Unterstützung, du musst nicht gehen. Aber wir können nicht riskieren, dass dir und Harry etwas passiert. Wir brauchen euch", flehte Maya eindringlich, woraufhin Louis bloß nickte.

Seufzend ging Maya wieder zur Tür, sie wusste, dass sie nicht an ihn dran kommen würde. Seine Gedanken drehten sich einzig und alleine um Harry, das war ihr klar.

"Sieh dir die Bilder an", sagte sie noch, bevor sie die Tür hinter sich verschloss.

"Bitte Harry, lass mich nicht alleine. Ich brauche dich", murmelte Louis voller Verzweiflung. Immer lautere Schluchzer entwischen seinen Lippen. Ihm wurde wieder bewusst, wie sehr er den Mann vor sich liebte.

"Ich habe Angst, dass er oder sie nochmal kommt, um dir weh zu tun. Ich werde mir die Bilder jetzt ansehen, okay. Aber ich bleibe bei dir", flüsterte er leise und legte die Fotos, die Maya ihm gegeben hatte vor sich auf das Bett. Zögernd sah er ein Bild nach dem anderen an, bis er den Mann sah, der die selben Klamotten anhatte, wie die Person, die er Flüchten gesehen hatte.

"Maya? Dieser eine, ich hab dir ein Foto von ihm geschickt. Der Täter hatte die selben Klamotten, ich konnte ihn nur von hinten sehen, aber das war er ziemlich sicher", sagte Louis ins Telefon, als er seine Kollegin angerufen hatte. Seine Hand war wieder mit der seines Freundes verschränkt, auch wenn dieser den Händedruck nicht erwiederte.

"Das ist schon einmal etwas, dankeschön. Kennst du ihn?", fragte Maya beruhigt nach. Endlich hatte Louis eingesehen, dass er etwas tun musste, dass sie ohne ihn nicht weiterkamen. Er war der einzige Zeuge.

"Ja. Die Gesichtszüge sagen mir was. Aber vermutlich kenne ich nur seinen Bruder oder so. Ich kann ihm keinen Namen oder so etwas zuordnen, aber ich denke ich habe ihn schon einmal gesehen", sagte Louis nachdenklich.

"L-Lou", hauchte die schwache Stimme seines Freundes auf einmal.

"Harry", rief er begeistert und wollte ihm in die Arme fallen, doch dieser öffnete noch ein weiteres Mal seinen Mund.

"J-ames-s S-St-Sterling", brachte Harry stotternd heraus, bevor seine Augen wieder zu flatterten.

"Scheiße ja. Maya, bist du noch dran?", fragte Louis sofort an seine Kollegin gerichtet.

"Ja", antwortete dieser überrascht.

"Der Mann, das ist James Sterling. Er hat mit seiner Freundin Emily Drogen verkauft. Die beiden waren Harrys und mein erster Fall. Kannst du dich noch daran erinnern? Als Harry und ich uns kennen gelernt haben. Alec war auch dabei, der findet die Akte bestimmt schnell", sagte Louis und legte dann auf. Er wusste, dass Maya und Alec sich um den Rest kümmern würden.
James Sterling würde niemals hier auftauchen. Er würde damit rechnen, dass sie ihn nicht erkennen. Er konnte ja nicht mit Harry rechnen, dachte Louis stolz.

"Ich liebe dich", flüsterte Louis und drückte dem Lockenkopf einen Kuss auf die Stirn.

"Auch", nuschelte dieser gerade so verständlich und schmiegte sich näher an seine große Liebe.

-818 Wörter.

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Hey
Das war mal eine kürzere Reihe, ich hoffe sie hat euch gefallen🙊
Die nächste kommt vermutlich erst in den Osterferien, also im April. Denn bei mir fängt nach Karneval die Klausurenphase an, deswegen habe ih vermutlich wenig Zeit.

Nelo❤❤❤

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