11. True Lies
|Sticks and Stones
could break my Bones
but anything you say
will only fuel my Lungs|
Wie betäubt starrte ich ein paar Sekunden lang in die rote Pupille, bevor eine Welle heftiger Kopfschmerzen mich überkam und ich die Augen zusammenkneifen musste.
Während ich mich krümmte und auf den Boden hockte, flackerten unscharfe Bilder von lachenden und kämpfen Menschen durch meinen Kopf, begleitet von leisem Stimmengewirr, aus dem nur ein einziger Satz klar herausstach.
"Wer bist du?"
Immer wieder wiederholte sich dieser Satz.
"Wer bist du?"
Die Stimme klang neugierig doch auch so freundlich und vertraut, dass mir Tränen in die Augen traten.
"Wer bist du?"
"Hör auf...", murmelte ich leise, jegliche Mordlust oder ähnliches hatte sich in Luft aufgelöst.
"Wer bist du?"
"Reiß dich zusammen!"
Erschrocken zuckte ich hoch und blinzelte kurz verwirrt, bevor ich begriff, dass es Tobi war, der vor mir stand und von oben mit leuchtendem Sharingan auf mich herabsah.
Als ich nichts erwiderte, seufzte er und zog mich am Arm auf die Beine, wo ich kurz strauchelte und ihn anschließend weiterhin verwirrt anstarrte.
"Was ist? Hast du die Schriftrollen?"
"Äh, was? Schriftrollen?", fragte ich verständnislos und konnte meinen Blick nicht von diesem roten Auge abwenden.
Tobi schien das zu bemerken, denn er drehte sich kurz weg und als er sich mir wieder zuwandte, war in seiner Maske wieder nur ein dunkles Loch zu sehen.
Mein Kopf pochte noch immer schmerzhaft und ich strich mir mit zittriger Hand ein paar Haare aus der Stirn. Dann atmete ich einmal durch und versuchte mich zu konzentrieren.
"Da drüben", meinte ich schließlich tonlos und deutete auf das kleine Häufchen Papier, welches neben dem abgetrennten Arm lag. Tobi nickte bloß und schritt an mir vorbei. Ein leichtes Kribbeln schoss meinen Arm hinab, als seine Schulter meine streifte und ich schloss kurz die Augen.
Irgendwas stimmte hier ganz und garnicht.
"Wo ist die sechste?", fragte Tobi, während ich mein blutverschmiertes Schwert im Gras säuberte und es zurück in die Scheide steckte.
Mein Blick schweifte zu dem zerstörten Leichnahm, welcher noch immer an einem Baum lehnte und mir drehte sich langsam der Magen um.
Was hatte ich schon wieder getan?
Warum passierte das in letzter Zeit immer öfter?
Auf einmal fühlte ich mich unheimlich müde und mit schleifenden Füßen tappte ich zu der Leiche und zog eine Grimasse, als ich meine Hand in seine Jackentasche steckte. Beinahe sofort berührten meine Finger das Papier der fehlenden Schriftrolle und ich stand auf, wobei ich tief Luft holte.
Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich den Atem angehalten hatte.
"Gut", meinte Tobi, nahm mir das Schriftstück ab und verstaute es mit den anderen zusammen in seinem Mantel. Seine Stimme war ruhig und tief und ein unangenehmer Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Das hier war eindeutig nicht die Person, die ich bisher gekannt hatte.
Ich blinzelte, meine Augenlider fühlten sich schwer an und ich folgte Tobi schweigend als er sich wortlos einen Weg zwischen den Bäumen hindurchbahnte, bis wir wieder auf der breiten Straße standen.
Die Sonne war nun fast komplett untergegangen, ihre letzten Strahlen warfen lange, verzerrte Schatten.
"Wir werden ein Lager hier in der Nähe aufschlagen", meinte Tobi knapp und ich nickte, zu abwesend, um etwas zu erwidern.
Dann trottete ich ihm erneut hinterher, ohne auf den Weg zu achten. Mein Kopf war fast komplett leer und trotzdem ging mir diese Stimme nicht aus den Gedanken.
"Wer bist du?"
Was war das für eine Frage? Warum würde jemand das wissen wollen?
Warum war dieser jemand so freundlich, obwohl er mich doch anscheinend nicht kannte?
Warum hatte er keine Angst?
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die Sonne war nun endgültig hinter den Bäumen verschwunden, hielt Tobi irgendwo auf einer kleinen, geschützten Lichtung an.
Mittlerweile fühlte ich mich völlig fertig, sowohl körperlich als auch mental und so beobachtete ich noch mit brennenden Augen, wie Tobi ein Feuer entzündete, bevor ich mich halb sitzend, halb liegend gegen einen Baumstamm lehnte und fast sofort einschlief.
"Hey, was ist mit deinen Augen?"
"Was soll denn damit sein?"
"Sie sind, naja... Sie sind rot."
"Ach das! Keine Sorge, das ist normal in unserem Clan. Man nennt es Sharingan. Es ist ein sehr mächtiges Doujutsu."
"Und was kann man damit machen?"
"Vermutlich würdest du das eh nicht verstehen. Ich erkläre es dir, wenn du ein wenig älter bist."
"Waas? Aber das ist fies! Ich bin doch kein kleines Kind mehr.
Und hör auf mir in den Haaren rumzuwuscheln, Baka!"
"Haha, du bist so niedlich, wenn du dich aufregst. Ich muss jetzt leider gehen, sonst bekomme ich noch Ärger. Bis später, Kleine!"
"Nenn mich nicht so!"
"Haha, entschuldige, Kleine. Mach's gut!"
Langsam öffnete ich die Augen und starrte regungslos auf die Unterseite der Baumkronenüber meinem Kopf.
Was für ein merkwürdiger Traum...
Wenn man das überhaupt Traum nennen konnte. Schließlich habe ich nur diese zwei Stimmen gehört und sonst nichts.
Aber trotzdem...
Ein Stechen machte sich in meinem Herzen bemerkbar, als würde ich etwas sehr vermissen, auch wenn ich nicht wusste, was das sein sollte.
Langsam setzte ich mich auf.
Anscheinend hatte ich nicht sonderlich lange geschlafen, es war noch stockdunkel, bloß das Flackern des Feuers auf der kleinen Lichtung ließ die Schatten der Bäume gespenstisch auf der Erde tanzen.
Meine Augen zuckten hin und her, ich war hellwach und es kam mir vor, als würde der finstere Wald sich mir nähern, mich umdrängen und mich im passendsten Augenblick verschlingen wollen.
Ich atmete tief durch und versuchte, mich zu beruhigen.
"Ohh, Saiko-chan ist ja schon wach!"
Etwas erschrocken zuckte ich zusammen. Tobi hatte so still an seinem Platz geruht, dass ich dachte, er würde noch schlafen, aber jetzt löste er sich aus dieser Position und stützte die Hände auf dem Baumstamm ab, auf dem er saß.
"Wie geht es Saiko-chan? Hat
Saiko-chan auch von flauschigen Katzenbabys geträumt? Tobi hat das nämlich!", teilte er mir aufgeregt mit.
Ich betrachtete ihn mit unverwandtem Blick.
Glaubte er, ich hätte vergessen, was vor wenigen Stunden passiert war?
Er hatte mich schon Mal mit dieser anderen Stimme angesprochen, aber nur kurz und ich hatte das nicht ernst genommen. Doch jetzt war ich mir sicher, dass er eindeutig nicht der Trottel war, der er vorgab zu sein.
"Hm? Stimmt etwas nicht,
Saiko-chan?"
"Wie lange willst du die Nummer noch durchziehen?", fragte ich mit kühler Stimme, meine Augen leicht zusammengekniffen.
Tobi gab ein überraschtes Geräusch von sich und legte fragend den Kopf schief.
"Wovon redet Saiko-chan? Tobi hat keine Nummer... Doch, Tobi ist natürlich immer die Nummer eins!"
Erneut reagierte ich nicht. Ich glaubte kein Stück mehr von seinem Schauspiel, auch wenn er es erstaunlich gut machte.
"Hör zu, ich weiß, dass du den Idioten nur vortäuschst. Halt mich nicht zum Narren, okay? Ich hätte gerne eine Erklärung. Wer zur Hölle bist du?"
Tobi war einen Augenblick lang still, dann hob er fragend die Hände und schüttelte irritiert den Kopf.
"Tobi hat keine Ahnung wovon-"
"Ach, halt die Klappe! Verarschen kann ich mich auch alleine", keifte ich und wurde dabei lauter als beabsichtigt. Dann machte ich eine Pause und zog die Beine zum Körper, um mich in einen Schneidersitz zu setzen.
"Du hast dich lange genug zum Affen gemacht. Aber wenn du weiterhin so tun willst, muss ich halt konkreter fragen. Also, woher hat jemand wie du ein Sharingan? Wie hast du es mit deiner angeblich nicht vorhandenen Kampfkraft geschafft, mich neulich zu retten oder die Ninja gestern zu besiegen? Wer, verdammt nochmal, bist du?", wiederholte ich und zum Ende hin ließ sich die Neugier in meiner Stimme nicht mehr komplett verstecken.
Tobi ließ die Arme sinken, sah mich an und schwieg. Anscheinend hatte er begriffen, dass ich ihm nicht mehr glauben würde.
"Ich hätte gerne eine Erklärung", wiederholte ich trocken.
Ein paar Herschläge lang starrten wir uns einfach nur an, dann wandte Tobi den Kopf zum Feuer, lehnte sich etwas zurück, sodass er nun aufrecht saß und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Na schön."
Ein Schauer lief mir über den Rücken.
Seine Stimme war ruhig, tonlos und tief.
Und auf eine merkwürdige Art und Weise sehr unangenehm.
"Du hast Recht. Ich bin nicht, wer ich vorgebe zu sein. Anscheinend war ich zu unvorsichtig, wenn selbst du es bemerkt hast."
'Selbst du?'
Ich verengte die Augen und ballte meine Hand langsam zur Faust.
Als Tobi nicht weitersprach, ergriff ich erneut das Wort.
"Schön. Und wer bist du nun?"
Jetzt sah er mich an.
"Ich wüsste nicht, warum das für jemanden wie dich relevant sein sollte."
Da war es schon wieder.
'Für jemanden wie dich.'
Meine Nägel krallten sich in den Stoff meiner Hose.
Wollte dieser Mistkerl mich verarschen?
"Ach, für wen wäre es denn relevant zu wissen?", entgegnete ich mit zischender Stimme.
"Das geht dich ebenfalls nichts an. Auch wenn du jetzt ein Teil dieses Geheimnisses kennst, musst du nicht die ganze Wahrheit wissen."
"Na schön, du arroganter Scheißkerl", meinte ich wütend, "ich wette, Pain und die anderen wären sehr erfreut, zu erfahren, dass der dämliche Tobi gar nicht so dämlich ist. Wie Deidara wohl reagieren würde, wenn er wüsste, dass du ein Sharingan hast? Oder Itachi und Sasuke erst?"
Keine Antwort.
Neugierig wartete ich, ob meine Drohung ihren Zweck erfüllt hatte.
"Das würde ich an deiner Stelle nicht tun."
Wütend presste ich die Zähne aufeinander.
Als Tobi weitersprach klang er nicht mehr so gleichgültig, stattdessen war jetzt ein bedrohlicher, fast schon angsteinflößender Ton in seiner Stimme.
"Du hast keine Ahnung, wozu ich im Stande bin. Wenn ich wollte, könnte ich dich auf der Stelle umbringen, ohne dass du dich auch nur ansatzweise wehren könntest. Solltest du jemand anderem gegenüber auch nur etwas andeuten, was hiermit zu tun hat..."
Er machte eine kurze Pause und sein Sharingan blitzte kurz aus dem Schatten seiner Maske heraus auf.
"...werde ich mich nicht zurückhalten."
Ich blieb kurz still und versuchte, so auszusehen, als hätten mich seine Worte nicht interessiert, was sich als gar nicht Mal so einfach herausstellte.
Was er gesagt hatte, hatte gesessen. Nicht wegen dem Inhaltlichen, aber wegen der Art, wie er es gesagt hatte. Dieser Mann, wer auch immer er sein mochte, ließ mich frösteln.
"Aber", setzte er wieder an und ich vermied bewusst den Blickkontakt, "vielleicht würde es mir ja sogar ganz gelegen kommen, wenn du die Wahrheit erfahren würdest, also hör zu."
Verdutzt blinzelte ich ihn an. Noch vor wenigen Sätzen hatte er doch das komplette Gegenteil gesagt, oder?
Aber diese Chance wollte ich mir nicht entgehen lassen, also verschränkte ich die Arme und nickte aufmerksam.
"Als erstes solltest du wissen, dass nicht Pain der Anführer von Akatsuki ist. Es stimmt, dass er die Organisation vor einiger Zeit gegründet hat, aber dennoch bin ich es, der sie lenkt und zu ihren Zielen führt. Wie du ja schon weißt, sammelt Akatsuki Bijuu-Geister. Dies dient allein dem Zweck, den Tsukuyomi-Plan, den Plan des Mond-Auges zu erfüllen, welcher ebenfalls durch mich entstanden ist. Was es damit auf sich hat, musst du jetzt noch nicht wissen, aber du wirst es bald erfahren.
Nun zu deiner Frage, da du doch so scharf darauf warst, zu wissen, wer ich bin. Mein Name ist Madara Uchiha."
Starr hörte ich ihm zu, jeder Muskel meines Körpers schien angespannt zu sein und mein Blick war nun wieder fest auf den maskierten Mann gerichtet.
Madara. Madara Uchiha.
Irgendwas klingelte da bei mir, der Name kam mir bekannt vor, aber im Moment fiel mir nicht ein woher.
Ich brauchte ein paar Sekunden um das alles zu verstehen und um meine Gedanken zu ordnen.
Erstens; Pain war nicht der Anführer, sondern Tobi, der eigentlich gar nicht Tobi war.
Zweitens; Tobi war eigentlich irgendein Uchiha, der irgendeinen Plan ausheckte um zu vollenden, was auch immer er eigentlich vorhatte.
Irgendwie kam mir das ganze ziemlich unwirklich vor, aber merkwürdigerweise zweifelte ich nicht eine Sekunde an Tobis Geschichte.
"Also", begann ich langsam, "du bist ein Uchiha, richtig? Sasuke hat mir erzählt, Itachi hätte den gesamten Clan ausgelöscht. Wenn es wirklich stimmt, was du sagst, warum bist du noch am Leben?"
"Das geht dich nichts an."
Ich stöhnte genervt.
Egal, wer der Typ nun war, ich konnte ihn genau so wenig leiden wie vorher.
"Ist ja gut, dann frag ich halt nicht weiter", erklärte ich übertrieben und drehte mich weg, ein leises "Idiot" konnte ich mir allerdings nicht vergleichen.
Tobi, Madara oder wie er nun hieß, sagte nichts mehr und so lehnte ich mich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen wieder gegen den Baum.
Das angespannte Schweigen machte die Atmosphäre so unangenehm, dass es sich anfühlte, als würde sie sich wie ein dunkler Schatten über uns legen.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit der ganzen Sache umgehen sollte.
Natürlich würde ich niemandem etwas erzählen.
Aber musste ich ihn Tobis Gegenwart jetzt so tun, als wüsste ich bin nichts?
Würde der Typ mich immer noch auf Schritt und Tritt verfolgen?
Oder musste ich jetzt jederzeit damit rechnen, von einem Uchiha mit Stimmungsschwankungen umgebracht zu werden, während ich schlief?
Da fiel mir noch eine Sache ein.
"Wenn du der Anführer bist, warum teilst du dir dann mit mir ein Zimmer?"
Stille.
"Damit ich dich im Auge behalten kann."
Unwillkürlich musste ich grinsen. Diese Antwort gefiel mir.
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