Kapitel 10 - Der Mut

Neeeeiiiin! Lass mich los, du verdammtes Miststück! Mit Pfoten und Klauen wehre ich mich gegen den festen Griff, mit dem die Hexe mich am Nacken gepackt hat. Erbarmungslos zerrt sie mich aus dem Käfig.

Das ist falsch! Das ist ganz falsch! Sie müsste sich erst über eines der Kinder hermachen und das Ritual unter dem Blutmond vollziehen! Erst danach, frisch gestärkt, sollte sie mit dem anderen Kind einen neuen Familiar erschaffen. Wie bei mir damals. Nicht umgekehrt!

„Zeit Abschied zu nehmen, liebe Kitty!", krächzt es in meinen Verstand.

„Ach Fresse, Klaus!", gifte ich ihn durch unsere Verbindung an.

„Ich bin gespannt, ob es der Junge oder das Mädchen wird", grübelt der blöde Vogel und tippelt aufgeregt auf dem Regal hin und her.

Das bin ich auch, aber aus anderen Gründen als er! Hektisch versuche ich umzuplanen. Nadja hockt angekettet und wie versteinert auf ihrer Matratze, während Michael sich wieder ganz hinten an die Wand drückt. Beide wirken wie verwundete, in die Enge getriebene Tiere. Hoffentlich verhalten sie sich im richtigen Moment auch so!

Dem Mädchen traue ich es zu. Sie hat mehr Mut bewiesen, als ich je von einem Menschen erwartet hätte. Aber Michael hat sich die letzten Tage als Häufchen Elend zusammengekauert und kaum bewegt. Wenn die Hexe ihn rausholt, während seine Schwester angekettet bleibt, sind das erschwerte Bedingungen für unseren Plan!

Und dabei haben wir so schöne Überraschungen für Sabrina vorbereitet. Beim Brainstorming unter uns Mädels sind noch ein paar gute Ideen zusammengekommen, wie wir uns einen Vorteil verschaffen und das Monster schwächen können. Dafür braucht es aber die verlässliche Zweibeinerin!

„Kitty, Liebes. Bleib bitte hier auf dem Tisch sitzen." Sabrina knallt meinen Körper mit Wucht auf die Holzplatte und Schmerz explodiert in meiner Schulter. „Du kannst natürlich auch weglaufen. Es liegt an dir, wie langsam und schmerzhaft es wird."

Tut es nicht. Sie wird so oder so einen Weg finden mich leiden zu lassen. Aber für den Moment kauere ich mich flach auch den Tisch. Die Abdeckung liegt in der Mitte über dem Loch mit dem Kessel darunter. Sie braucht ihn jetzt nicht. Erst für das Blutmondritual, das ihr Leben verlängern und ihr neue Jugend schenken wird. Durch das milchige Glas des kleinen vergitterten Fensters sehe ich, wie die orangene Kugel sich langsam und riesig über den dunklen Wald schiebt. 

Um einen Gefährten zu erschaffen, braucht sie nur einen Trank, den sie einnehmen muss, und dann ist sie in der Lage, diese dauerhafte Verwandlung und die geistige Verbindung hervorzurufen. Da sie nicht mehr, als zwei dieser Verbindungen haben kann, muss sie mich direkt vor Vollendung der Verwandlung töten.

„So, Klaus. Möchtest du vielleicht Wünsche äußern? Wer soll dein neues Geschwisterchen werden?"

„Krruuuuaaa!", ertönt es aus seinem Schnabel und sein Kopf ruckt zu Michael hinüber.

„Das dachte ich auch. Mit Männern ist es einfacher, nicht? Gehorsam steht euch."

Wo sie recht hat. Ich sehe, wie Nadjas Atmung sich beschleunigt, als die Hexe den Käfig öffnet und den Jungen herauszieht. Er wehrt sich nicht mal, presst nur die mittlerweile eiternde und geschwollene Hand an seine Brust. Verdammter Mist! Er wird mit Sicherheit nicht in der Lage sein, die Kettenreaktion in Gang zu setzen. Dann muss ich das eben tun! Und nebenbei Nadja befreien, statt umgekehrt!

„Fuchs oder Wiesel?" Nachdenklich tippt meine Herrin sich an das Kinn und sieht auf den Jungen hinab. „Michael, leg dich bitte auf diese Seite des Tisches. Auf den Rücken."

Sie zieht ein kleines Fläschchen aus der rechten Tasche ihres smaragdgrünen Kleides und dreht sich zu dem Gestell um, an dem die gemeuchelten Tiere hängen.

„Ich glaube, Rotschwanz passt besser!"

Ja verdammt! Geh zu den armen Viechern! Sie muss weg von dem Jungen. Eigentlich wollten wir handeln, wenn sie bei dem Blutmondritual die Abdeckung vom Kessel zieht, aber das werde ich wohl selber tun müssen. Ich werfe Nadja einen bedeutungsvollen Blick zu und sie klammert sich an an etwas unter der großen Zudecke, bereit sie sich jeden Augenblick als Schutz überzuwerfen. Michael steht noch immer neben dem Tisch, unfähig der Anweisung meiner Herrin Folge zu leisten.

Gemütlich schlendert die Hexe zu dem Gestell und entkorkt ein filigranes Glasbehältnis. Die bräunliche Flüssigkeit darin schwappt umher. Mit spitzen Fingern zupft sie ein Haar von dem Pelz des Tieres ab und gibt es hinein. Unmittelbar erstrahlt das der Zaubertrank in goldenem Glanz und fast wirkt es, als ginge ein Leuchten von ihm aus.

„Mmmh, Fuchs hatte ich lange nicht mehr!" Sie drehte sich um, die Augen noch auf das Fläschchen gerichtet. „Ich freu mich schon darauf dich ..."

PENG

„Ahhhhhhh! Was zur ... Ahhhh!"

PENG BAM BAM BAM

Auch wenn es ihr dauerhaft nichts anhaben kann, reißt die Hexe die Arme nach oben, um sich vor dem Feuerwerk zu schützen, das wir entfesselt haben. Nadja pfeffert von ihrem Lager aus kleine Sprengkörper und ich hüpfe auf eine lange Kelle, die wir auf zwei Bücherstapeln neben dem Tisch positioniert haben. Ein Holzklotz darunter sorgt für die richtige Hebelwirkung und die Munition segelt durch die Lüfte. So springe ich von einem Katapult zum nächsten. Gebastelt aus Steinen, Löffeln und anderen Utensilien gebastelt und unauffällig im Chaos versteckt.

Bei dem roten Pulver in den kleinen Papierkügelchen handelt es sich um erschütterungsaktivierbares Verteidigungspuder. Die Explosivgeschosse detonieren, sobald sie auf ihren Körper treffen. Die Hexe hat das Zeug massig auf Vorrat, seit die Inquisition damals an ihre Tür geklopft hat. Wegen unserer Verbindung bin ich ebenfalls beeinträchtigt, aber im Gegensatz zu ihr bin ich vorbereitet. Nachdem ich das letzte Katapult ganz unten am Regal abgefeuert habe, sprinte ich halb geblendet und mit schmerzenden Wunden am ganzen Körper an ihrem Kleid hinauf. Kühn versenke ich meinen Kopf der weiten Tasche, bis ich mit meiner Schnauze den Schlüsselbund spüre.

„Du verfluchtes Drecksvieh!" Etwas trifft meine Seite und schleudert mich gehen das Gestell mit den Kadavern. Zum Glück lande ich auf einem fast verwesten Dachs, der meinen Aufprall bremst, und gleite langsam nach unten. Ja! Ich habe die Schlüssel! Mit Schwung schleudere ich den Bund zu Nadja, die noch immer mit beiden Händen die unscheinbaren Kügelchen feuert.

Über uns höre ich ein laute Kruuaaa und ducke mich gerade noch rechtzeitig, bevor Klaus mit seinen langen Krallen über mich hinwegschießt. Ein schneller Blick zu Michael zeigt, dass er sich wieder im Zwinger unter seiner Decke in Sicherheit gebracht hat. Ich springe geschwind auf den Tisch und schaue mein Frauchen herausfordernd an.

„Was glaubt ihr, was ihr hier tut?" Der Tonfall ihrer Stimme ist tödlich kalt und Nadja stellt das Feuer ein. „Ich habe mit einer raffinierten Flucht gerechnet. Vielleicht einem Selbstmord. Mit klugen Zaubern. Aber DAS IST LÄCHERLICH!" Ihr Blick bohrt sich voller Hass in mich. Zufrieden sehe ich, wie goldene Flüssigkeit aus dem zerbrochenen Fläschchen zu ihren Füßen rinnt. „Nicht mal ein Feuer bringst du zustande? Das hätte zumindest ein bisschen weh getan! Aber du kleines feiges Drecksvieh hältst nichts aus!"

Ich halte gelassen ihren Blick und weiche Schritt für Schritt auf dem Tisch zurück. Dabei achte ich darauf, das Spanholzbrett mit der linken Hinterpfote so weit es geht von dem Kessel herunterzuschieben. Nicht mehr lange und sie ist nah genug.

„So hätte ich wenigstens Respekt vor dir gehabt. Aber du bist zu feige ..."

Sie hält inne, als ihr Blick in den Kessel fällt. Nadja hat es geschafft, die Öffnung ein wenig in Richtung der Ecke zu drehen, die ihrem Lager gegenüber liegt, bevor wir den überdimensionalen Topf gefüllt haben. Messer, Glasscherben, Nadeln, vermischt mit kiloweise Sprengpulver.

Eine schmutzige Bombe für eine schmutzige Hexe, denke ich und ärgere mich, dass mir kein besserer Spruch einfällt. Als sich ihre Augen weiten, kann ich mir ein gehässiges Katzengrinsen nicht verkneifen. Ganz langsam schiebe ich eines der winzigen roten Kügelchen, die wir in dem Durcheinander auf dem Tisch versteckt haben, näher an die Öffnung.

Drohend mit geweiteten Augen starrt sie mich an. „Kitty ..."  

Wie ich es genieße. Diesen Hauch von Angst, den sie mit Wut zu überdecken versucht. Sie weiß, dass die Explosion sie nicht töten kann. Genau wie Feuer. Aber es wird verdammt weh tun. Uns beiden. Aber das ist es wert!

„Kitty, lass uns ..."

BOOOOOM

Die dumpfe Explosion lässt den ganzen Anbau beben und die Druckwelle wirbelt mich durch die Luft. Mit einem lässigen Stupser meiner Pfote habe ich das Bällchen in den Kessel gestoßen, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, wie es sich für eine gute Katze gehört. Der Sprung rückwärts hat mich nicht weit gebracht, aber das spielt keine Rolle. Schlitternd pralle ich gegen die Tür. Ich spüre es kaum, denn das grelle Feuer, das der Hexe die Haut in Fetzen reißt, überschattet alles, was mein eigener Körper empfindet.

„Iiiaaaauu!", kreische ich meinen Schmerz hinaus. Über das Klingeln, das die Explosion hinterlassen hat, höre ich ebenfalls die Schreie der Hexe und ein gequältes Krächzen. Mit hektisch ruckenden Bewegungen drückt sie ihren Kiefer wieder an die Stelle, an die er gehört und unmittelbar spüre ich den Heilungsprozess einsetzen.

Nadja hat sich inzwischen von der Kette befreit und rennt geduckt zu Michels Zwinger hinüber. Überall, wo sie vorbei kommt stößt sie die Behälter mit Flüssigkeit um, die wir bereitgestellt haben. Ihr Bruder hält noch immer die Decke über den Kopf gezogen.

„KRRUA!"

Verdammt, hätte es den dummen Vogel nicht erwischen können? Kläglich maunzend rolle ich aus dem Weg, als er auf mich niederstößt. Unbeirrt von den Schmerzen, die er haben muss, dreht er eine Runde und kommt zurück. Auch wenn ich noch zu schwach für einen Kampf bin und meine rechte Hinterpfote kaum zu gebrauchen ist, das ist meine einzige Chance! Und was er kann, kann ich schon lange! Mit schierer Willenskraft stoße ich mich mit den Hinterbeinen ab und kralle mich an seinem Flügel fest. Beiße und fetze alles kaputt, was mir in die Quere kommt.

„Lass mich los, du Mistkatze!" Mit dem scharfen Schnabel hakt er nach meiner Schulter und ich verdrehe dafür seinen Flügel nach hinten. Verflucht, ich habe seine Kraft unterschätzt! Wenn ich ihn loslasse ...

„MAAAUUU!" Seine Krallen haben mich am Auge erwischt. Meine Sicht färbt sich rot und im Gegensatz den Verletzungen der Hexe, die durch die Familiar-Verbindung übertragen werde, muss diese in normalem Tempo heilen.

„Lass sie los, du gefiedertes Scheusal!" Nadja taucht am Rande meines Blickfeldes auf. Sie hat einen Gehstock hoch erhoben und schwingt ihn wie ein Neuner-Eisen bei den Masters. Das wattige BONG, mit dem das Holz auf Gefieder trifft, ist Musik in meinen Ohren!

„Zeit Abschied zu nehmen, liebster Klaus!", wiederhole ich seinen eigenen Abschiedsgruß durch unsere Verbindung. Mit Anlauf bohre meine spitzen Zähne in seinen gestreckten Nacken und beiße mit voller Kraft zu.

„Neeeiiiiiiinnnnnn!", vernehme ich seinen letzten Gedankenschrei in meine Richtung. Ein leises Knacken verrät mir, dass der Rabe tot ist.

„AAAHHHHHH!" Sabrinas Schrei fährt mir durch Mark und Bein. Mit Klaus' Ableben verlangsamen sich ihre Regenerationsfähigkeiten sofort. Auch wenn nicht mehr viele Verletzungen übrig sind. Kaum mehr als ein paar tiefe Kratzer.

Michael ist hinter Nadja aufgetaucht, die den Stock nun in abwehrender Haltung der Hexe entgegenstreckt. Langsam kommt das Monster um den Tisch herum auf uns zu. 

„Das wird euch leidtun." Aus ihren Worten und dem mörderischen Blick spricht blanker, ungefilterter Hass. „Ihr glaubt, ihr habt eine Chance? Ihr glaubt, ihr habt euch einen Gefallen getan?" Sie bleibt stehen, und das Rot in ihren Wunden färbt sich mit einem Mal schwarz. Blubbernder Teer fließt aus den Rissen ihrer Haut und die Augen werden zu flammenden Kugeln. „IHR KÖNNT MICH NICHT BESIEGEN!"

Oh, sie ist sauer. Mittlerweile ist all der Schmerz, der von ihr übertragen wurde, verschwunden. Perfekt! Das bedeutet, sie nimmt ihre Urform an. Wird zu dem Ding, das sie durch Jahrtausende langem Missbrauch von Magie und Folter von unschuldigen Seelen geworden ist. Bestimmt verlässt sie sich auf ihre Tentakel und die Widerstandsfähigkeit dieser Form.

Wenn nur die Kinder die Nerven behalten! Michael scheint erstarrt, doch Nadja reißt sie Tür auf und schiebt ihn hinaus. Mit todesverachtender Gelassenheit in den Augen, zieht sie ein Feuerzeug aus der Tasche, geht in die Hocke und hält die Flamme auf den Boden. Rasend schnell frisst sich das lodernde Element seinen Weg über die Ölspur zu den Lachen, die Nadja vergossen hat und die Holzbalken hinauf. Nicht mehr lange und der Anbau gleicht einem Backsteinofen. Nichts wie raus hier!

„MAUAU!", erinnere ich die Kleine an das Kernelement unseres Plans und schiebe mich neben ihr rückwärts durch den Türspalt. Die drei Fläschchen! Ihre Hand zittert leicht, als sie in die Hosentasche greift. Grün. Sie zieht den Korken heraus, wirft das Glas auf den Boden und eine Wolke erhebt sich aus der kleinen Öffnung. Genau zwischen uns und der Hexe. Das Monster hat jegliche menschliche Tarnung fallen gelassen und die grauenvoll blubbernde Masse stakst, auf dem, was einmal Beine waren, immer näher. Keine drei Meter trennen sie von uns.

Hektisch zieht Nadja das zweite Fläschchen hervor. Ihre Hände beben immer stärker und sie bekommt kaum den Korken heraus. Beige. Bitte Mädchen, reiß dich noch eine letzte verdammte Minute zusammen!

Klirr

Diesmal ist es sogar zerbrochen. Eine helle Wolke pufft aus den Scherben heraus und vermischt sich mit der grünen. Das Feuer hat sich in wenigen Sekunden in ein flammendes Inferno verwandelt. Das Blumengitter, an dem die Kadaver hängen, fällt krachend um und der Gestank von verbranntem Fell erreicht uns in einem enormen Hitzeschwall.

Gerade als Nadja den Korken des dritten Fläschchens herauszieht, schießen plötzlich drei Fangarme auf uns zu. Mit einem Aufschrei hüpfen wir rückwärts durch die Tür und die Tentakel greifen ins Leere. Sie schnappen weiter nach uns und mit Entsetzen sehe ich, wie das Fläschchen Nadjas Händen entgleitet und auf den Boden des Flurs fällt. Ein schmaler Dampffaden beginnt aus der schmalen Öffnung zu entweichen, doch das Mädchen wirft sich in einer Kurzschlussreaktion gegen die Tür. Sie versucht die widerlich fleischigen Fangarme zurückzudrängen, die beginnen ihren Körper zu umschlingen. Die Dinger verstopfen mittig den Türspalt und dahinter sehe ich flammende Augen durch die glitzernde Wolke heranzucken. Das Feuer hat meine Herrin erreicht. Flammen züngeln an meinen Hinterbeinen. So schmerzhaft, dass ich einknicke, aber noch immer nicht tödlich! Die beiden Pulver funktionieren nicht! Wir brauchen das dritte! 

„MAU!", rufe ich nach Nadja und ziehe mich mühsam mit den Vorderpfoten zum Fläschchen! Doch sie hört mich nicht. Eine schwarze Schlinge hat sie fest gepackt und versucht, sie in den Spalt zu zerren.

„WAAHUAAAH!" Mit einem Kriegsschrei, wie ich ihn noch nie vernommen haben, stürzt Michael heran. Er hat sich von der gegenüberliegenden Wand gelöst und rennt mit weit aufgerissenen Augen und hektisch schwankenden Armen auf mich zu. Geschockt rolle ich mich zur Seite, als er nach mir tritt und beobachte, wie er die blau dampfende Flasche durch den Spalt, direkt in den wabernden Körper des Monsters kickt.

„IIIIIIAAAAAHHH!"

„MAAAAAAAAAAU!"

Mein Schrei überlagert sich mit dem der Hexe. Sie ergänzen ihre Klänge, vervollständigen sich gegenseitig zu einer schrillen, gepeinigten Symphonie des Todes. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Michael sich neben seiner Schwester gegen die Tür wirft, die Tentakel in den schwarzen blubbernden Körper zurückgerissen werden und sich der Spalt zur Hölle schließt. 

Ich fühle, wie Panik der Hexe steigt. Sehe durch ihre Augen wie sie verzweifelt versucht, der Hitze zu entkommen. Doch das Feuer scheint sie zu umarmen und nicht mehr gehen lassen zu wollen. Ihre Macht ist durch den Verlust von Klaus geschwächt und dieses verdammte Pulver klebt an ihr, frisst sich mit den Flammen in ihre Haut wie Säure. Die Seelen, die ihre Existenz so unnatürlich verlängert haben, schießen aus der nun porösen Hülle. Für den Bruchteil einer Sekunde glaube ich ein bekanntes Gesicht zu sehen, das sich glücklich und befreit in die Luft erhebt und auflöst. 

Es hat geklappt! Das ist der letzte rationale Gedanke, zu dem ich fähig bin. Dann gibt es nur noch Schmerz.

Die Luft ist heiß und dünn. Ihr Körper, seiner letzten Kraft beraubt, muss um jeden Atemzug kämpfen. Die Flammen tanzen um sie herum, während sie die Haut verzehren. Ihr Fleisch verbrennen. Und meines. Durch die unermesslichen Pain, der sich tief in das Gewebe und die sensiblen Nerven entlang frisst, sehe ich Gesichter. Kindergesichter. Panisch die Münder bewegend, doch ich kann sie durch die alles einnehmende Agonie und mein eigenes Kreischen nicht hören. Tötet mich! Bitte tötet mich doch! WARUM TUT IHR NICHTS? Wie konnte ich so dumm sein. Ich hätte sie einfach sterben lassen sollen. Weitere drei Jahrhunderte vor mich hinvegetieren! Ich könnte ein braves Haustier sein! ALLES war besser als das!

Plötzlich atme ich keine Luft mehr. Schnappe wie ein Fisch auf den Trockenen. Der Sauerstoff ist aufgebraucht. Das Sichtfeld wird dunkel und meine Glieder erschlaffen.

Ich darf gehen.

Endlich. 

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