23. Wie eine Kugel durch den Kopf

Teo:

Das Mädchen sieht mich bittend an.

"Blau.", wiederholt sie zitternd. "BLAU!"

"Das ist ein Codewort, oder?", flüstert Octavia mir zu. Ich nicke.

"Wofür steht es?"

"Wenn sie ,blau' sagt, dann ... dann. Also, wenn es ihr nicht mehr gut geht und alles, dann ... dann-"

"Kürz es ab."

"Was?"

"Sag einfach."

"Ich soll sie töten." Octavia wendet den Blick wieder von mir auf das Mädchen.

"Vielleicht können wir die Blutung stoppen?", schlage ich nervös vor.

"Hey. ", flüstert Octavia dem Mädchen zu. "Wie sehr tut es weh?"

"Es ist ...", sie schluchzte. "Ich halte das nicht mehr aus!"

"Auf einer Skala von eins bis zehn? Und so etwas wie ,elf' gibt es nicht!"

"Zehn."

Octavia zieht scharf die Luft ein und guckt dann zu mir. Ich knie mich ebenfalls neben das Mädchen: "Bist du dir sicher?"

Sie nickt: "So sicher wie der Himmel blau ist."

Ich nicke ihr zu: "Du weißt schon, dass ... der Tod ist nicht mehr rückgängig zu machen!"

"Ich weiß, wie der Tod ist. Mein Teamkollege ist tot. Er ist auch nicht zurückgekommen.

Wenn man Tot ist, ist alles vorbei. Für immer. Und ich will, dass es endlich endet!
Ich weiß, dass der Tod keine Lösung ist, weißt du?
Sonst hätte ich mich von Anfang an hier umgebracht. Ich habe eine Waffe, ich hätte es geschafft. Aber ich wusste, dass ich noch Leben konnte, ich wollte mein Leben noch nutzen.

Und das habe ich. Irgendwie.

Ich habe etwas gegessen, ich habe geschlafen, ich habe gelebt. Aber jetzt ... jetzt werde ich sterben. Und es gibt nur noch zwei Möglichkeiten:

Entweder ich liege hier noch eine Stunde lang und muss diese Schmerzen ertragen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr das wehtut!

Ich müsste hier noch eine ganze Stunde liegen, nur auf den Tod wartend. Das macht mir Angst.

Oder aber du bringst mich um. Ganz schnell. Dann ist es vorbei: Und ich werde nicht noch mehr gefoltert."

Octavia sieht mich an: "Ich kann dir eins meiner Messer geben."

Ich nicke wie betäubt und spüre das kühle Metall in meiner verschwitzten Hand.

Dann stehe ich wieder auf: "Wo ... wo muss ich es hinstechen?"

Das Mädchen fängt an zu zittern und schließt die Augen.

"Du darfst nur ein einziges Mal stechen, sonst ist sie von den Schmerzen her wirklich bei elf.", sagt Octavia. Jetzt erst sehe ich in ihren Augen die Tränen stehen. "Und ... ins Herz."

Ich zucke zusammen: "Ich ..."

Das Mädchen sieht mich flehend an: "Ich werde es fast nicht spüren."

Hinter mir schluckt Octavia heftig.

"Okay.", wispere ich und hebe das Messer etwas über ihr Herz. Ich führe es langsam hinunter, gleich werde ich ihr T-Shirt durchschneiden. Das Messer geht durch den Stoff, sie fängt an die Zähne zusammenzubeißen, einen Schrei zu unterdrücken ...

"Teo hör auf.", sagt Octavia plötzlich.

"Was ist-?"

Sie nimmt mir das Messer aus der Hand: "Das wird ihr zu sehr weh tun. Lass es ... ich mache es."

Erleichtert stolpere ich wieder zurück. Sie kann das. Sie hat garantiert schon Leute getötet.

Sie ist bereit dafür, ich nicht.

"Leb wohl. Okay?", wispert Octavia sanft, das Mädchen nickt, schwer atmend.

"Wie eine Kugel durch den Kopf.", murmelt Octavia und streicht dem Mädchen eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Und dann stößt sie das Messer. Das laute, schwere Atmen des Mädchens verstummt augenblicklich, vorsichtig gucke ich zu ihr. Die Kanone ertönt.

Octavia hat sich bereits von dem Mädchen abgewandt: "Lass uns gehen."

"Aber ... willst du nicht das Messer - ? Warte!"

Sie ist an mir vorbei gelaufen, das Messer ist immer noch in dem kleinen Mädchen. Sie hat es zurückgelassen.

"Octavia!", sage ich laut und packe sie am Arm. Über ihre Wangen laufen Tränen: "Bitte. Können wir einfach ... laufen?!"

"Willst du das Messer zurücklassen?"

"Willst du ein Messer aus einem toten kleinen Mädchen ziehen?", zischt sie.

Und dann verstehe ich: "Du hast noch nie einen Menschen getötet, oder?"

Sie schüttelt stumm den Kopf: "Natürlich nicht. Aber ... du hast sie verletzt Teo. Ich ... ich habe es für sie getan.

Weißt du eigentlich, wie furchtbar das ist? Ich werfe Messer, ich führe sie sonst nicht. Es ist ..."

Ihre Stimme bricht und sie flüster: "Können wir einfach bitte laufen? So schnell wie möglich weg von hier?"

Ich sollte sie umarmen, ihr Trost bieten. Aber natürlich tue ich es nicht. Stattdessen fangen wir an, durch den Wald zu rennen.

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