22. Die Wunde

Teo:

Es wird dunkel.

Ophelia und ich sitzen in einem Busch, einem der wenigen hier, die keine Dornen haben. Hin und wieder zwitschern Vögel.

Vielleicht sind es auch nur Lautsprecher, die das Geräusch abspielen, aber das ist mir in diesem Moment ziemlich egal.

Ich bin satt. Wirklich satt.

Nach dem Popcorn habe ich noch einen Apfel mit Zuckerguss und kleine rote Früchte mit cremiger Schokolade gegessen. Danach fühlte ich mich irgendwie hyperaktiv und Octavia hat mir das Prinzip eines Zuckerschocks erklärt.

Deshalb hat sie noch ein Kaninchen erlegt. Ein Messerwurf und das Tier war tot. Ich musste kurz an Tommy denken - der hätte um das Kaninchen geweint. Aber Tommy isst auch Schweine, und nur weil Kaninchen flauschiger sind, haben sie nicht mehr Recht auf Leben.

Das heißt, sie haben schon ein Recht auf Leben, aber ... egal. Das heißt, nicht egal.

Aber momentan ist mir mein eigenes Leben wichtiger als das eines Kaninchens. Obwohl, jetzt wo ich darüber nachdenke: Was, wenn es Familie hatte?

Eine Familie, die jetzt auf das Kaninchen wartet, ohne zu wissen, dass das Tier niemals zurückkehren wird, weil irgendwelche Menschen es getötet haben?!

"Teo?", sagt Octavia leise. Ich zucke zusammen: "Hm?"

"Alles okay? Also, abgesehen davon, dass wir in einer Arena sitzten in der wir jederzeit umgebracht werden können?"

Ohne es zu wollen fange ich an zu Lächeln. Immerhin bin ich nicht alleine.

"Ja. Abgesehen davon geht es mir besser als je zuvor.", antworte ich und lehne mich an den Baumstamm hinter mir.

Ich werde immer müder, wie gesagt, ich bin sehr satt.

Und dann schreit jemand auf. Die Stimme ist nicht weit entfernt, sie ist sogar ziemlich nah. Octavia springt sofort auf, zieht eins der Messer aus ihrem Gürtel und rennt los. In ihrem Gesicht sehe ich Angst - wobei, nein. Eigentlich ist es eher Sorge.

Aber nicht um sich selbst, eher ... ich sollte aufhören nachzudenken und ihr hinterherrennen. Also tue ich genau das, ich springe auf und laufe ihr hinterher.

Octavia ist schneller als ich, natürlich. Ich höre, wie etwas durch die Luft fliegt, ohne Zweifel das Messer.

Und dann höre ich Octavia aufschluchzen. Es klingt erstickt und so traurig, dass auch ich heftig schlucken muss.

Ich wische mir über die Augen und schiebe die letzten Blätter zur Seite.

Das Mädchen. Das Mädchen aus dem Trainingscenter.

Das Mädchen mit dem Codewort. Blau.

"Was ist passiert?", wispert Octavia und kniet sich neben das Mädchen. Ihr Gesicht ist schmerzverzerrt, auf ihrem T-Shirt breitet sich langsam ein roter Fleck aus.

Mein Magen dreht sich, aber ich zwinge mich, sie weiterhin anzugucken.

"Er wollte mich erst quälen und dann -", das Mädchen fährt sich mit dem Finger an der Kehle entlang. Ihre Stimme klingt schwach und zittrig. "Du hast ihn verjagt. Danke."

"Also, dafür musst du mir wirklich nicht danken.", sagt Octavia, lächelt kurz und sieht besorgt auf die Wunde. "Kann ich sie mir ansehen?"

Das Mädchen scheint zu zögern: "Es tut so weh."

"Ich beeile mich, versprochen.", sagt Octavia. Das Mädchen nickt und Octavia hebt den Stoff des T-Shirts an.

Jetzt gucke ich doch weg, das was ich für einige Momente gesehen habe reicht mir als Eindruck.

An Octavias Gesichtsausdruck erkenne ich, dass das Mädchen keine Chance hat zu überleben.

"Es tut so weh.", flüstert sie wieder, in ihren Augen stehen Tränen. "Wie schlimm ist es?"

"Du wirst verbluten.", sagt Octavia, ihre Stimme klingt fast noch heiserer als die des Mädchens.

"Wie lange?"

"Eine Stunde, höchstens. Wir können versuchen es abzubinden, aber ich habe keine Verbandssachen und-".

Das Mädchen legt ihre Hand auf die von Octavia: "Das halte ich nicht mehr aus."

Und dann passiert das, wovor ich Angst hatte. Sie sieht mir fest in die Augen und sagt nur ein einziges Wort: "Blau."

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Kurze Frage: Liest das überhaupt noch irgendjemand?!

Also, ich werde das Buch vermutlich aus Prinzip zu Ende schreiben, aber es wäre doch gut zu wissen, ob auch irgendjemand noch wissen will, wie die ganze Sache endet.

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