1. Die Ankündigung
Teo:
Der Fernseher funktioniert. Unser Alter wurde weggeschafft, er war kaputt.
Der Neue sieht cooler aus und funktioniert.
Früher wurde uns immer gesagt, das Kapitol hätte nicht genug Geld, um uns neue Technik zukommen zu lassen.
Wir wussten schon immer, dass das eine Lüge war. Umso überraschender, dass heute Hovercrafts landeten, die vollgepackt waren mit neuen Fernsehern.
Die Friedenswächter passten auf, dass jeder einen bekommt. Nur einer pro Haushalt ist erlaubt.
Außerdem wurde uns gesagt, dass wir ihn immer anlassen müssten, eingeschaltet auf dem KapitolsKanal.
Andere Programme gibt es aber sowieso nicht, in der Hinsicht waren die alten Fernseher also besser.
Auf dem KapitolsKanal läuft gerade keine Sendung, der Bildschirm ist blau mit dem Wappen des Kapitols im Hintergrund. Aber die Friedenswächter haben gesagt, wir sollen die Geräte keine Sekunde aus den Augen lassen, weil uns über den Kanal eine wichtige Ankündigung erreichen würde.
Wir haben keine Ahnung, worum es genau gehen soll.
Jedenfalls sitze ich jetzt hier vor dem Fernseher, neben mir mein kleiner Bruder Tommy. Er ist fünf Jahre alt und starrt wie gebannt auf den Bildschirm vor uns.
Dieser flackert einmal und wird dann schwarz. Ich bin kurz davor, wieder nach draußen zu gehen und Bescheid zu sagen, dass unser Fernseher jetzt schon kaputt ist, als eine Melodie ertönt.
Eine Hymne.
"Mama!", ruft Tommy aufgeregt. "Da ist wer im Fernseher."
Meine Mutter kommt ins Wohnzimmer und setzt sich neben uns. Sie kann nicht mehr reden, warum weiß ich nicht. Ihre Zunge hat sie jedenfalls noch.
Aber wir kommen damit klar.
Auf dem Bildschirm erscheint jetzt das Gesicht des Präsidenten, Cohen Snowdown. Seine Augen sind eisblau, stechend und kalt. Obwohl er nur auf dem Bildschirm ist, zitter ich leicht.
"Mein Name ist Präsident Snowdown.", beginnt er, seine Stimme hallt erstaunlich laut durch das Zimmer. "Wir haben Distrikt dreizehn zerstört und möchten nicht, dass noch ein anderes Distrikt eliminiert werden muss. Um die Distrikte an aufmüpfigem Benehmen zu hindern, werden wir eine neue Tradition erschaffen: Die Hungerspiele.
Aus jedem Distrikt wird ein Mädchen und ein Junge zwischen 12 und 18 Jahren gewählt. Die Jugendlichen werden ins Kapitol gebracht und dort vorbereitet auf die Spiele. Sie werden trainiert und zurechtgemacht, in nur wenigen Tagen. Anschließend kommen sie in die Arena und versuchen dort als einzige zu überleben.
Die Betonung liebt hierbei auf "einzige". Lasst eure Gegner tot hinter euch, bevor sie euch schaden.
Morgen, am Tag der Ernte, werdet ihr euch alle Versammeln. Wir werden die mutigen Jugendlichen auswählen, die in der Arena aufeinandertreffen werden.
Es ist eine Ehre, ausgewählt zu werden. Vielen Dank!"
Wieder ertönt die Hymne. Ich sitze wie erstarrt vor dem Bildschirm.
Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren.
Ich bin fünfzehn, heißt das, ich kann in diese Arena geschickt werden?
Was sollen das überhaupt für Spiele sein? Warum sollten wir unsere Gegner töten?!
Ich spüre eine Hand auf meiner Schulter, meine Mutter sieht mich sorgenvoll an.
Tommy sieht verwirrt hin und her: "Warum Hungerspiele? Werden die da Hunger haben? Weil, da wurde ja Tot gesagt, aber nicht hungrig. Also warum nicht Totspiele?"
"Ich weiß es nicht.", antworte ich leise.
Meine Mutter schüttelt traurig den Kopf und redet, ohne ein Wort zu sagen. Wir lesen es ihr an den Lippen ab.
"Mama sagt, dass die Hungerspiele dafür da sind, uns in Schach zu halten, damit wir nicht kämpfen. Als ob wir noch mal kämpfen würden, aber das Kapitol war ja schon immer dumm!", übersetzte ich für Tommy, der größere Probleme mit dem Lippenlesen hat als ich.
"Darf ich mitspielen?", fragt Tommy, der mich ahnungslos ansieht. Ich fange gleichzeitig langsam an zu begreifen, was da gerade angekündigt wurde.
Wir sollen anfangen uns gegenseitig abzustechen. Oder zu erschießen. Oder was weiß ich!
Dabei habe ich gerade erst angefangen, unsere neue Lage zu verstehen. Hier in Distrikt 1 stellen wir Luxuswaren her, meine Mutter ist die beste darin, Schmuck zu reparieren. Sie bekommt Sachen von überall her geschickt, damit sie sie schöner macht.
Ich hätte wahrscheinlich eine Ausbildung bei ihr gemacht, denn meine Mutter würde viel Geld verdienen.
Würde.
Sie arbeitet als Freiwillige, hilft beim Versorgen einiger Verletzter. Das kostet viel Zeit, in der sie dann nicht arbeiten kann.
Mein Vater ist gestorben, er war einer der Rebellen. Ich habe nichts mehr von ihm gehört, seit der Krieg vorbei ist, irgendwann wurde uns dann ein Brief geschickt, in dem stand, dass mein Vater nicht mehr lebt.
Wir haben nicht gekämpft in diesem Krieg. Mama hat sich mit uns versteckt, wie die meisten aus Distrikt 1. Unsere Lage war schon immer ganz in Ordnung, eigentlich.
Bis auf die schlechte Qualität der Fernseher.
Meine Mutter tippt mich wieder an und sagt lautlos: "Ich glaube nicht, dass das Kapitol den Teilnehmern wirklich wehtun wird!"
Sie lügt, definitv. Dem Kapitol waren wir schon immer egal.
"Darf ich jetzt mitspielen?", widerholt Tommy. "Ich will mitspielen!"
"Das ist kein Spiel, Tommy!", sage ich gereizt.
"Aber es heißt das Hungerspiel. Bekommt man da was zu essen?"
Ich bin kurz davor meine Augen zu verdrehen, lasse es aber. Es ist nicht Tommys Schuld, dass er es nicht versteht.
"Tommy, das heißt nur "Spiele", aber es ist ein Wettkampf. Die schicken uns in eine Arena, wo wir einander umbringen sollen. Gleichzeitig müssen wir darum kämpfen, überhaupt zu überleben. Ich schätze also, dass es dort nichts zu essen gibt.
Und du wirst nicht teilnehmen, weil du nämlich glücklicherweise zu jung dafür bist!", erkläre ich Tommy aufgebracht.
"Oh.", sagt Tommy leise. "Musst du teilnehmen?"
Ich schlucke, mein Mund ist auf einmal ganz trocken: "Ich weiß es nicht Tommy."
"Du kannst ja einfach sagen, dass du nicht mehr mitspielen willst. Wie bei einem normalen Spiel.", schlägt Tommy vor und hüpft auf dem Boden herum. "Ich habe Hunger!"
Meine Mutter steht auf und nimmt Tommy an der Hand. Zusammen gehen sie in die Küche.
Ich sage ihnen, dass ich nachkomme. Ich muss nachdenken.
Was, wenn ich wirklich in diese Arena muss? - Ich bin nicht besonders kräftig und kann auch nicht mit Waffen umgehen, wie sollte ich also überleben?
Andererseits bin ich immerhin fast 1,80 Meter groß, dass ist bestimmt nicht schlecht.
Ich werde wütend, wenn ich an mögliche Gegner denke. Distrikt 2 stellt Waffen her, die werden garantiert gewinnen.
Oder müssen die sich dann wenn es hart auf hart kommt gegenseitig umbringen?
Was ist, wenn zwei Geschwister aus demselben Distrikt genommen werden?
Würden sie wirklich ihren Bruder oder ihre Schwester töten?
Können Jugendliche sich überhaupt gegenseitig umbringen?
Dann fällt mir wieder ein, dass ich ja nicht der einzige Jugendliche in Distrikt 1 bin. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich gezogen werde ist wirklich winzig.
Also sollte ich wohl einfach aufhören, mir Sorgen zu machen.
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