Geheimnisaustausch
»So, dann lasst uns unsere schmutzigen, intimen Geheimnisse erzählen. Ich bin schon echt gespannt!«, trällert Tine drauf los.
Ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll, was ich darauf sagen soll, wie ich zu reagieren habe?!
Äh, alles klar bei dir? Ich kenn dich doch gar nicht?! Wieso sollte ich dir eins meiner intimsten Geheimnisse anvertrauen? Gehts noch?
Das wäre auf jeden Fall die Wahrheit, doch die Höflichkeit gebietet lediglich freundlich zu nicken und bloß innerlich mit voller Hose rumzulaufen.
Wer kommt eigentlich auf solche hirnlosen Ideen?! Und wieso muss ich da mitmachen?
Derweil sitze ich mittendrin in diesem Haufen.
Was soll ich nur von mir geben, wenn ich dran bin? Ach du Hühnerhaufen-Kacke.
Da verabschiedet sich auf einmal Patti. Sie muss sich erst einmal noch etwas Neues zu Trinken besorgen und ja dann natürlich auch Line, die brauch Snacks und das geht so weiter, bis alle anderen außer mir wieder aufstanden, um sich irgendetwas zu holen.
Ich sollte mich nicht aufregen, sie verschaffen mir mehr Zeit. Die ich nutzen sollte. Dafür mir etwas zu überlegen, was ich nur von mir preisgeben könnte. Was nicht zu übel ist, aber dennoch in die Sparte Haha und krasses Abenteuer sowie intimes Geheimnis passt.
Wieso bin ich noch mal hier? Wie konnte ich nur auf so einem Frauenabend landen? Was ich bisher stets mied? WIESO? Ach ja, Monja meinte, mich überreden zu müssen. Das bedarf definitiv Klärung!
»Na. Alles gut?« Tine ist als Erste zurück.
»Passt schon.« Meine Antwort. Jetzt überkommt mich auch das Bedürfnis, die Küche oder das Bad oder beides erneut aufzusuchen. Kommt vielleicht nur komisch. Auf Toilette war ich erst. Mein Trinken ist kaum angerührt und mein Sandwich steht unangetastet vor mir. Hm ... Kacke.
»Let's go-o-o«, schrillt Dana, während sie den Raum betritt und macht eine ausschweifende Bewegung mit ihren Armen, die mich beinahe zum Kotzen bringt. Die oder der piepsige Ton.
Oka-a-ay ... Let's go-o-o ... mache ich sie in meinem Kopf nach und rolle – nur gedanklich – mit meinen Augen. Je schneller, desto eher komme ich auch wieder nach Hause. Immerhin. Positiv denken!
Bei wem sind wir hier noch mal? Ist eigentlich auch egal. Scheint zumindest so. Wir sind nicht bei Monja und auch nicht bei mir. Mit Monja muss ich dringend nachher quatschen. Nächstes Mal komme ich nicht mit. Nein. Auf keinen Fall. Nichts und niemand bringt mich erneut in so eine quietschende Runde.
Zurückversetzt wie in einem Stuhlkreis in der Schule fühle ich mich gerade. Nur das wir auf einem Sofa sitzen – ein wirklich Großes und Breites, das an beiden Seiten eine Ottomane hat, – vor uns einen Tisch mit allerlei komischen Snacks haben und wir auch nicht in einem geschlossenen Kreis hocken. Ja, okay ... Aber das Gefühl ist irgendwie das Gleiche. Und ich mittendrin und dabei – Juhu ... Äh nein. Und warum sitze ich eigentlich mehr oder weniger in der Mitte?
»So als Gastgeberin beginne ich dann einfach mal«, ertönt es links von mir. Tine wohnt also hier. Ach nö, wenn es nach dem Uhrzeigersinn geht, bin ich ja die Letzte ... Puh ...
Na dann ... Viel Spaß, Mädels ...
»Na, dann erzähl mal dein schmutziges Geheimnis«, reagiert Patti prompt von schräg gegenüber.
»Gut. Aber erzählt es nicht weiter und vor allem verurteilt mich nicht.«
Vielleicht habe ich die Frauen hier ja doch falsch eingeschätzt und jetzt kommt hier der totale Kracher.
Die anderen nicken ihr zu.
»Also gut, Mädels. Letztens, da konnte ich nicht schlafen. Und ich bin aus dem Bett geschlichen, um ...«
Sie wedelt wild mit den Händen umher. Hatte sie eine Panikattacke? Das wäre aber traurig oder tragisch, nicht schmutzig.
»Um in die Küche zu tapsen. Da habe ich mir ... oh je ... also ich habe mir eine ganze Tafel Schokolade – mitten in der Nacht – reingefuttert.«
OH NEIN! Ich bin erschüttert. Wie konnte sie nur? Hä?! Bin ich die Einzige, die das für ziemlich egal hält?
»Oh nein, aber du weißt doch, gerade in der Nacht. Und dann noch eine ganze Tafel?!« Und die anderen schließen sich der Aussage von Dana an.
Ja, ich bin wohl die Einzige.
»Dann bin ich jetzt wohl dran«, meint Monja und darauf bin ich wirklich gespannt. Ich befürchte, sie erzählt auch nur so etwas à la, was ein Kind witzig finden würde. Dafür kenne ich meine Schwester nun auch zu gut. Ich muss mir wirklich abgewöhnen, auf sie zu hören.
»I-i-ich habe letztens heimlich die Serie von Tim und mir ohne ihn weiter geschaut. Aber pscht.« Monja scheint über sich selbst sehr erschrocken zu sein und in der Tat, das hätte ich von ihr nicht gedacht! Aber ... ach na ja.
Die Frauen hier um mich herum haben ihren Spaß. Sollen sie ja auch. Sie gackern und grinsen. Noch. Bis ich dran komme.
»Das ist mir doch unangenehm, aber wie soll ich sonst mit euch mithalten? Also ... Wie so oft war ich im Park spazieren und auf einmal habe ich aus Versehen gepupst«, macht Patti direkt weiter und ihr schießt direkt rote Farbe ins Gesicht, als wäre es jetzt gerade passiert.
Dass es eine menschliche Reaktion des Körpers ist, wollte ich gerade sagen, aber die anderen kamen mir schon entgegen, dass es ja total peinlich wäre und sie verstehen. Dana greift sogar nach ihrer Hand und tätschelt sie. Ah ja.
Dana zieht ihre Hand wieder zurück, macht schon wieder eine ausladende Geste vor sich, als würde sie zeigen 'seht her'. Vom Auftreten her finde ich sie anstrengend. Etwas. Zügel dich, ermahne ich mich selbst. Ein Grinsen lege ich auf und schaue sie an.
Nach einer theatralischen Pause beginnt sie. Ach Mist, mir fällt gerade auf, dass ich danach dran bin.
»Wie Patti eben schon sagte, ihr habt echt mutige Geschichten erzählt.«
Wieder eine glänzend eingelegte Unterbrechung. Na, komm schon.
»Nun zu mir. Ich ... Und ... Also wirklich, das ist mir extrem peinlich, dafür schäme ich mich. Ich habe vor Kurzem eine Woche lang den Müll nicht rausgebracht. Puh.«
Okay. Ja, ist immerhin schmutzig. Aber kann passieren. Oder?! Wie viele Leute sind die denn, dass sie es öfter machen muss? Aber hätte ich, ehrlich gesagt, von Dana nicht erwartet, dass sie so was aussprechen würde. Sie bekommt mal ein Pluspünktchen.
Ich blicke mich in der Runde um, sie scheinen schockiert oder eher angewidert zu sein. Tja, keine Sorge, Dana. Gleich bist du diese Bürde los. Bin ich mir sicher.
Ich nehme meinen Mut zusammen. Was soll schon passieren?! Meine Freundinnen sind es eh nicht, Monja hat selbst schuld, wenn sie mich hier mit her schleppt. Trotzdem würde ich ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn sie Clinch mit ihren Freundinnen bekommen würde.
»Ihr habt da wirklich alle etwas rausgehauen. Hm ... Was soll ich da erzählen?!«, beginne ich, wodurch ich Dana von den Blicken erlöse.
Ich übernehme dafür ihre tragische, gekünstelte Pause, um noch einmal zu überlegen, in meinem Hirn zu kramen ...
Ah ja, das nehme ich. Ist wenigstens nicht ganz so schocking, hoffe ich.
»Also, ich war letztens ausgegangen. Ich habe da jemanden kennengelernt und dachte, hey, der ist ganz nett und wir sind noch in eine nette Bar weitergezogen. Ja, eins kam zum anderem und ich bin mit zum ihm. Wir hatten es ja nett miteinander. Also warum nicht? Am nächsten Morgen bin ich nicht neben ihm aufgewacht, sondern neben seiner Ma. Hah, das war schon irgendwie witzig. Also in dem Moment war ich natürlich sehr verwirrt. In der Nacht zuvor, wollte ich mich noch einmal frisch machen, bevor wir, na ja, ihr wisst schon, und hab mich in der Tür verirrt. Und bin dann wohl ziemlich schnell eingeschlafen.«
Schweigen. Keine sagt einen Ton. Ich blicke zu Monja. Die hat ihren Kopf gesenkt. Alles klar. Selbst diese recht harmlose Geschichte war zu viel. Puh ...
Line, die sich anscheinend umgesetzt hatte, stimmt sie war noch gar nicht dran, sagt dann auf einmal: »Na, sie erzählt immerhin etwas Intimes. Dann bin ich jetzt dran. Ich war letztens mit Jimmy in einem Swingerclub und da haben wir uns richtig verwöhnen lassen.«
Hat sie das gerade wirklich gesagt?! Line, die bis eben gerade so unscheinbar wirkte?
Ich muss anfangen zu lachen. Wie geil ist das denn?
Den anderen scheint der Mund vor lauter Staunen offen stehen zu bleiben.
»Du bist cool«, bringe ich nur raus.
Könnte ja doch noch lustig werden.
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