02 | Blutroter Rubin

Leicht zerknitterte das beschriebene Stück Papier, als ich es, mehr oder weniger vorsichtig, in meinen kleinen Lederrucksack steckte und diesen schließlich schloss. Ein Seufzen kam über meine Lippen, einerseits aus Erleichterung, da der Einberufungsbefehl aus meinem Sichtfeld verschwunden war, andererseits aus Verzweiflung, da mir genau bewusst war, dass ich ihm dennoch würde nachkommen müssen.
Mein Blick fiel auf meine Verlobte, welche friedlich in ihrem Bett lag, als wäre alles okay, und nichts würde sich je ändern.
Ihre roten Haare lagen, fast schon geordnet, auf dem Kissen, während sie mit ihren Armen und Beinen die Decke umschlang, da sie daran gewöhnt war, mich neben sich zu haben. Ihre langen, schwarzen Wimpern berührten beinahe ihre Wangen und ein zufriedenes Lächeln lag auf ihren Lippen.
Leise schlich ich mich an unser Bett und setzte mich zu ihr, ehe ich meine Hand sanft durch ihre Haare gleiten ließ, wobei ich diese ein wenig durcheinander brachte.
Sie war die schönste Frau dieser Welt, selbst wenn sie wütend wurde oder weinte, so wie sie es getan hatte, als ich den Brief von der Armee bekommen hatte. Uns war beiden längst bewusst gewesen, dass irgendwann auch die Dörfer nach möglichen Soldaten für den tobenden Krieg durchsucht werden würden, nur hatten wir inständig gehofft, dass es nach unserer Hochzeit passieren würde.
Die Rothaarige hatte sich wie ein Kind auf die bevorstehende Feier gefreut, da es der schönste Tag ihres Lebens werden sollte.
Doch das würde er nicht werden.

Mit Tränen in den Augen griff ich an meinen Hals und löste den Verschluss der kleinen Kette, die meine Verlobte mir vor zwei Jahren geschenkt hatte. Sanft wiegte ich den glänzenden, in den Anhänger eingebauten, Rubin in meiner Hand und betrachtete ihn. Es war, als würde mir die rote Farbe des Edelsteines Kraft geben, Mut für die mir bevorstehende Verzweiflung. Ein kleines Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als ich die Halskette schließlich auf mein Nachtkästchen legte, und mich zu meiner Geliebten hinunterbeugte, um ihr einen letzten Kuss auf die Wange zu hauchen.
Niemals könnte ich sie wecken, auch wenn ich wusste, dass das ihr Wunsch war. Ich wollte sie nicht weinen sehen, nicht schon wieder aus demselben Grund. Deshalb hatte ich mich dazu entschlossen, mich in der Stille der Nacht von ihr zu verabschieden.
Leise, mit Tränen in den Augen, schulterte ich meinen Rucksack und schlüpfte in meine Schuhe, um schließlich das Haus zu verlassen und meiner Heimat Lebewohl zu sagen.

Die Kette ließ ich liegen, als Abschiedsgeschenk an meine große Liebe. Denn, auch wenn ich geschworen hatte, das Schmuckstück nie abzulegen, wollte ich nicht, dass der rote Edelstein, welcher mir mehr bedeutete als mein Leben, in meinem Blut getränkt sein Ende finden würde.

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