Kapitel 1
Die Natur ist ein Teil des Lebens. Sie umgibt einen, versorgt einen und behütet einen. Doch sie bringt auch tiefe Gefahren mit sich, ist unberechenbar. Seit langer Zeit hatten sich die Menschen von dieser zurückgezogen, die einst innige Verbindung war verblasst. Früher war die Verbindung so stark gewesen, dass die Menschen sich ihrer gewaltigen Kraft hatten bedienen können. Sie hatten die Elemente, die die Natur beherrschte, nutzen können. Diese Fähigkeit war verloren gegangen und die Menschen haben sich ihren selbstgeschmiedeten Waffen zugewandt. Heute gab es nur noch wenige Blutlinien, die eine Verbindung zur Natur aufbauen konnten, und von diesen nur ausgewählte Mitglieder.
Tief im Wald in der Nähe eines Sees war ein Haus. Die Wände aus massiven Stein und auch die Tür aus Stahl, der Angriffen standhalten konnte. Dieses Haus war kein Zuhause, es war ein Gefängnis. In diesem Haus lebte ein junger Mann namens Ace. Er hatte blaue Augen und platinblonde Haare, eine Haarfarbe, die er von seinem Großvater geerbt hatte.
Der Grund, weshalb er sein Dasein in diesem Haus fristete, war das Erbe, das ihm sein Großvater hinterlassen hatte – das Eis. Ace war der Letzte aus seiner Blutlinie, der eine Verbindung zum Element Wasser im Speziellen zum Eis hatte. Sein Großvater, der vor zwölf Jahren gestorben war, hatte ihn nicht mehr ausbilden können. Weil er seine Fähigkeiten nicht hatte kontrollieren können und ihm niemand mehr Einhalt gebieten konnte, hatte man ihn kurz darauf in das Haus verfrachtet. Er war gerade mal fünf Jahre alt gewesen. Zwar kamen täglich Angestellte, die sauber machten und Essen brachten, doch niemand wagte sich in seine Nähe, weshalb er meistens draußen im Wald oder am See war, las.
Heute war Ace' achtzehnter Geburtstag und trat seine Volljährigkeit an. Er hatte die letzten Jahren daran gearbeitet, seine Fähigkeit zu kontrollieren und war guter Dinge. Endlich kann ich zurückkehren. Denn das würde er tun. Er war bereit, zu seiner Familie zurückzukehren und seinen Platz als Kronprinz dieses Reiches einzunehmen. Mit geballter Faust packte er seine Sachen und machte sich auf den Weg, auf den Weg nach Hause.
Er lief den See entlang, lief zu den großen Schlossmauern, die das Anwesen einschlossen, in der seine Familie lebten. Sie waren so nah und doch so weit entfernt gewesen. All die Jahre hatten sie ihn nie besucht. Wie sie wohl reagieren werden, wenn er ihnen gegenüber stand? Er freute sich auf ihre herzlichen Gesichter. So lief er weiter.
Als er an der Mauer ankam, berührte er diese leicht und eine Treppe aus Eis bildete sich an dieser entlang. Schritt für Schritt lief er diese nach oben und auf der anderen Seite wieder hinunter. Er landete im großen Garten, die Dämmerung setzte bereits ein. Dieser sah dunkel und bedrohlich aus und doch hatte Ace keine Angst. Er erinnerte sich, wie er als Kind durch diesen getobt war.
Seine Füße trugen ihm zur riesigen Eingangstür, die aus zwei großen Toren bestand. Dunkles Holz mit Eisenbeschlag, zahlreiche Steinstatuen, die die weiße steinerne Treppe zu diesen zierten. Als er vor diesem stand, klopfte er mit dem schweren Eisenring dagegen. Kurz darauf öffnete sich eine kleine Holztüre rechts neben dem Tor und ein Diener schaute überrascht heraus. Als er Ace erblickte, wurde er bleich. Ace begrüßte ihn und sagte freundlich: „Guten Abend. Bitte bringt mich zu meinen Eltern."
Der Mann mittleren Alters nickte stumm und lief steif zurück. Ace folgte ihm und betrat die große Eingangshalle. Zahlreiche Säulen und Gemälde verzierten die hohen Wände. Bilder seiner Familie, seiner Geschwister. Wieso ist keines von mir dort zu sehen? Vermutlich lag es daran, dass sie von ihm als Kind keines hatten anfertigen lassen.
Er folgte dem zitternden Diener den Gang entlang, der ihn zum Speisesaal brachte, in dem seine Eltern und seine drei Geschwister bereits saßen. Sie speisten heute früher, denn sie erwarteten später noch Gäste.
Als Ace vor diese trat verstummten alle Gespräche. Fünf Augenpaare blickten ihn an, zwei davon mit Entsetzen.
„W-Wie bist du hierhergelangt?", erklang die ängstliche Stimme seiner Mutter.
Wieso fürchtet sie sich? Freuen sie sich nicht, mich wiederzusehen?
„Wer ist das?", fragte ihn seine jüngste Schwester Fallia.
Ace wollte antworten, doch der König kam ihm zuvor. „Das ist niemand. Er hat sich hierher verirrt. Bitte geht dorthin zurück, wo Ihr hergekommen seid", sprach dieser mit kalter Stimme.
Die Kälte breitete sich in Ace' Innern aus. Ich bin nicht willkommen? Sie wollen, dass ich verschwinde? Er hatte sich einen warmen Empfang ausgemalt. All die Jahre hatte er an dem Gedanken festgehalten, dass er in dem Haus war, um Kontrolle zu lernen, dass sie ihn so sehr vermissten, wie er sie. „A-Aber... ich habe die Kontrolle gelernt und bin bereit, zu unserer Familie zurückzukehren. Ich-"
Doch er wurde unterbrochen. „Du bist kein Teil dieser Familie, also geh. Du bist nicht willkommen, du Monster", sagte seine Mutter, die Abscheu in ihren Augen deutlich zu sehen.
Monster. Ace' Hand zitterte und er schaute zu Boden. Eine Träne rollte über seine Wange. Monster. Seine Tasche mit seinen wenigen Habseligkeiten fiel zu Boden und er drehte sich um. Er lief schweigend aus der Tür, zum Tor hinaus in den Garten. Seine Füße trugen ihn auf die hohe Schlossmauer. Erst als er dort angekommen war, setzte er sich auf diese. Es war dunkel und nur der Mond spiegelte sich in dem See wider, der so lange sein stummer Freund gewesen war.
Ich bin nicht willkommen. Sie wollen mich nicht. Ich bin ganz alleine auf der Welt. Der Gedanke, der ihn bisher hatte durchhalten lassen, der ihn am Leben gehalten hatte, war nur eine Lüge gewesen. Mit diesem verlor er auch den Sinn, weiterzuleben. So saß er auf der Mauer, wartete bis die Sonne aufging, denn er wäre sein letzter Sonnenaufgang. Als diese den Horizont überquert hatte, schloss er die Augen. An der Stelle, an der er saß, schloss der See direkt an die Mauer an.
Ohne ein Wort ließ er sich fallen und kehrte zu seinem einzigen Freund zurück. Er wurde von den Wassermassen verschlungen und sank. In diesem Moment brach alles aus ihm heraus. Er schrie und das Eis brach hervor. Der gesamte See begann zu gefrieren und große, spitzige Eissäulen schossen aus diesem hervor. Der Himmel verdunkelte sich und es begann zu schneien. Schnee in einem Land, das diesen seit hunderten Jahren nicht gesehen hatte. Eine eisige Kälte überzog das Königreich und nahm ihm die Sonne.
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