Geschockt starrte ich auf das Papier in meiner Hand.
Ein 2+... das ist schlecht, sehr schlecht.
Es war die letzte Stunde am Freitag und wir hatten unsere Chemie Arbeit zurückbekommen und mit meiner Note war ich nicht zufrieden, überhaupt gar nicht.
,,Ich hätte es besser machen müssen. Warum machst du immer solche Leichtsinnsfehler? Du bist eine Enttäuschung, du verdienst es nicht, dich zu beschweren. Deine Eltern denken doch auch nur das gleiche von dir", sprach eine Stimme  ganz hinten im meinem tiefsten Unterbewusstsein. Ohne es richtig realisiert zu haben, begann ich zu weinen und zog damit die Aufmerksamkeit meiner Umgebung auf mich. Natürlich wurde ich daraufhin angesprochen, was denn los seie.
Doch mit meiner Antwort gab sich fast niemand zufrieden. Sofort bekam ich diese Antworten zurück:
Das ist doch nicht schlimm.
Stell sich doch nicht so an.
Das ist doch voll gut, warum beschwerst du dich? Ich habe eine 3!
Es war immer das gleiche und immer wieder tat ich die selben Sachen, selbst mit dem Wissen, dass mir niemand zustimmen würde. Vielleicht war es in den Augen der anderen eine gute Note, aber das hieß noch lange nicht, dass es für mich eine war. Meine Ansprüche an mich selber sind halt höher und außerdem hätte ich es doch auch besser gekonnt. Meine mündliche Note ist eine 1 und selbst mein Chemielehrer meinte, dass es selten vorkommt, dass man mündlich besser ist als im schriftlichen. Zu meinem Pech musste schriftlich nun auch mehr zählen als mündlich.
,,Du dummer Loser... wegen deinen eigenen dämlichen Fehlern lässt du es an anderen aus. Sag mal, schämst du dich nicht?", wieder sprach die Stimme zu mir.
,,Warum existierst du überhaupt, du machst den Leuten in deiner Umgebung doch sowieso nur Ärger", die Gedanken, von denen ich dachte, nicht mehr heimgesucht zu werden tauchten wieder auf. Manche, ach was redete ich da, viele, sehr viele fanden meine Reaktion übertrieben und das ich ein übertriebener Streber, aber ich kam davon nicht von Leistungsdruck, den ich mir selbst machte, weg. Es war das gleiche, wie in vielen anderen Fächern. Ich konnte es besser, ich hätte es gewusst, nur mache ich dann diese Flüchtigskeitfehler und ruiniere mir damit meine Note im Zeugnis.
Der Grund für meinen extremen Drang auf eine 1 kommt, wahrscheinlich von meiner Erziehung. Schon als ich klein war gab sich meine Mutter nie mit einer Note zufrieden, die keine 1 war. Mit der Zeit nahm es dann irgendwann zurück, doch dieses denken auf die 1 blieb mir im Kopf. Ich hatte noch das Glück, dass es bei mir irgendwann aufgehört hatte. Bei vielen Asiatischen Kindern war das nämlich nicht der Fall und anstatt meine neu gewonnene Freiheit zu genießen, machte ich mir nun selbst den Druck.
Bevor ich aber noch tiefer in meine negativen Gedanken sinken konnte, wurde die Stunde beendet und alle stürmten förmlich nach draußen. Als ich dann auch rausging, legte sich eine Hand auf meiner Schulter. Es war meine beste Freundin, die mich aufmuntern zu lächelte. ,,Hey... mach dir keinen Kopf draus", begann sie, ,,es ist eine 1,75. Vergiss das nicht. Du kommst locker auf die 1." ,,Warum solltest du das wissen? Es war nicht die einzige zwei, die ich geschrieben habe. Und meine beste Note war ein 1-2. Woher willst du jetzt wissen, dass ich eine 1 haben sollte? Meine mündliche Note wird mir hier nicht viel weiterhelfen.", fuhr ich sie an. Kurz seufzte sie und sprach dann weiter:,, Ach kommt schon. Musst du alles immer so pessimistisch sehen? (Natürlich tu ich das *Augenrollen*) Schriftlich bist du nun auch nicht mal so schlecht. Du hast eine super mündliche Note, also mach dir keinen Kopf. Es ist besser als du denkst. Außerdem... Wenn du jetzt aufgibst übst nicht mehr mitmachst, wirst du definitiv die 2 bekommen. Also Reiß dich zusammen, wenn du es jetzt nicht schaffst, dann halt nächstes Jahr. Verstanden?!" Streng sah sie mich an und ich musste leicht Lächeln. Sie wusste immer, wie man mich aufheitern konnte. Selbstsicher antwortete ich ihr mit einem großen Lachen.
Was würde ich in solchen Momenten ohne dich tuen.