Kapitel 2

,,Sehen wir uns morgen?", raunt mir eine männlich Stimme von hinten zu. Ich drehe mich herum und sehe Tom vor mir stehen.

,,Morgen ist Samstag.", erwidere ich verwirrt. Der Junge, der gut zwei Köpfe größer ist als ich, beugt sich nun zu mir herunter. ,,Ich weiß welcher Tag morgen ist. Wir könnten uns doch treffen." Der Geruch von Schweiß  steigt mir in die Nase und der Drang mich von ihm abzuwenden überkommt mich, doch ich bleibe tapfer und antworte: ,,Ne ich muss lernen." Eine Hand schließt sich fest um meinen Oberarm und zieht mich aus der Stinkzone. ,,Oh Gott, danke Kate.", sage ich als wir so weit von Tom entfernt waren, dass er uns nicht mehr hört. ,,Was wollte er denn von dir?...Äh schon gut, ich kann es mir vorstellen.", erwidert sie und verzieht angewidert das Gesicht. Tom ist dafür bekannt, dass er sich an jedes Mädchen ran mach, mit ihr schläft und das dann in ein Buch einträgt, welches er bis zu den Sommerferien voll bekommen möchte. 

Kate und ich gehen zu den Fahrradständern und schließen unsere Räder auf.

Kräftig in die Pedalen tretend, radeln wir bis zur Tankstelle, an der sich unsere Wege trennen.

,,Tschüss, wir schreiben nachher nochmal.", verabschiedet sich Kate von mir und biegt links ab. Mein Weg führt mich weiter geradeaus in die Feldmark.

Der Schotter unter meinen Reifen knackt und das Roggenfeld an meiner rechten wiegt sich im Wind. Links von mir grasen ein paar braune Kühe, welche träge zu mir herüber schauen als ich an ihnen vorbei fahre.

Das Feld endet und auch der Zaun der die Kühe umkreist, kommt in Sicht, der Feldweg wird immer schmaler, bis er schließlich nur noch ein dünner Pfad ist. Die Kühe bleiben hinter mir zurück und ein Wald ragt vor mir auf. Die hohen Baumkronen rascheln und werfen dabei ein paar Blätter ab, die vom Wind fort getragen werden.

Kleine Dornenbüsche reißen an meiner Hose, doch das stört mich nicht, auch das Wetter, welches sich von einer strahlenden Sonne in eine dunkle Wolkendecke verwandelt hat, versaut mir nicht meine gute Laune, im Gegenteil, die kühle Luft und der schwarze Schatten der sich über den Wald gelegt hat, verbessert sie nur. Seit Tagen war es warm und stickig, die Luft war dünn und die Sonne knallte unerbittlich auf uns herab.

Die ersten Tropfen berühren meine Stirn, kullern über meine Wange hin zu meinem Kinn und von dort aus auf den Boden. Es dauert nicht lange, bis meine Haare klitsch nass mein Gesicht umrahmen und meine Kleidung trieft. Ein leises Knacken erweckt meine Aufmerksamkeit, ich bremse mein Fahrrad und drehe mich um. Ein Reh steht auf dem schmalen Pfad und schaut mich neugierig an. Rehe sind doch eigentlich sehr scheue Tiere, warum läuft es also nicht weg? In dem Moment, in dem mir dieser Gedanke in den Kopf kommt, setzt sich das zierliche Tier in Bewegung. Doch es flieht nicht vor mir, denn es rennt an mir vorbei, streift mich, wodurch ich das Gleichgewicht verliere und mit meinem Fahrrad in den Dornen lande. Doch das war nicht mein größtes Problem... Wovor rennt das Reh weg? Der einzige Feind wäre doch ein Jäger, doch der läuft dem Reh doch nicht hinterher oder? Vielleicht hat er es nur angeschossen, und versucht jetzt noch es zu erwischen. Oder ein Fuchs? Nein Füchse vergreifen sich nur an Kitzen, nicht an ausgewachsenen Rehen oder? Möglicherweise ist es auch ein entlaufender Hund, oder ein Jagdhund, der auf Nachsuche ist.

Mühevoll richte ich mich und mein Fahrrad auf, dann schaue ich noch einmal in die Richtung aus der das Reh gekommen ist. Fast falle ich vor Schreck zurück ins Gebüsch, das heißt wenn ich mich bewegen könnte, doch ich bin wie gelähmt. Es ist kein Fuchs und definitiv auch kein Jäger.

Es ist ein Wolf.

Ich habe schon öfter gehört, dass wieder ein paar Wölfe gesehen worden sind, aber das war noch relativ weit entfernt. Doch das vor mir ist ein Wolf, oder?

Der kalte Wind zerzaust sein schwarzes Fell, dass einzige was nicht zu seinem Körper passt, sind die leuchtend blauen Augen. Gibt es Wölfe mit blauen Augen? Oder ist dies vielleicht doch nur ein großer Hund? Ein sehr großer Hund. Oder es ist eine Mutation, denn selbst für einen Wolf wäre er eigentlich zu groß. 

Langsam und qualvoll kommt er auf mich zu. Leckt sich über die Zähne und setzt eine Pfote vor die Nächste.

,,Sitz?", versuche ich es fragend, meine Anweisung zeigt zwar nicht das gewünschte Ergebnis, doch immer hin ist es etwas, denn er ist stehen geblieben und beobachtet mich.

Ein lauter knall lässt mich zusammen zucken und ein schmerzverzerrtes Jaulen kommt von dem Tier. Rotes Blut tropft von seiner Schulter und er schaut sich um, als würde er nach dem Schützen suchen.

Mit einem tiefen Knurren, verschwindet er hinkend im Unterholz und lässt mich vollkommen verdattert zurück.

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