07 | Wieso sollten Kühlpacks bei gebrochenen Nasen helfen?

Die Dresscode-Farbe war weiß. Langweilig. Ich hielt mich mit einem simplen Crop-Top daran, kombinierte dazu allerdings noch hellblaue Jeans und Sneaker. Ich sah vielleicht dämlich aus, aber ich hatte genau ein Paar weißer Hosen. Und ich wollte es ganz bestimmt nicht auf einer Party voller Teenager zerstören, denn das geschah schnell, wenn jemand auch nur ein wenig Cola oder Bier darauf verschüttete. So weit würde es nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen kommen. Das einzig Positive an der Farbe war, dass sie zu meinen Haaren passte. Denn die waren eine undefinierbare Mischung aus Erdbeerblond und Dunkelrot. Ich hatte es mittlerweile – naja eigentlich ja nicht – aufgegeben, die Farbe zu definieren, denn es war ohnehin zwecklos. Es hing immer vom Lichteinfall ab, wie meine Haare schlussendlich aussahen, was sie zu einer unberechenbaren Masse machte.

»Du siehst so aus wie immer«, komplimentierte mich Frankie. Sie hatte wohl noch weniger Lust auf diese Party als ich. Dafür hatte sie nicht einmal einen bestimmten Grund. Sie umging Menschenmassen für gewöhnlich. Es war schlimm genug, dass sie all diese Leute in der Schule sah, da musste sie nicht auch noch ihre Freizeit auf sie verschwenden. Ihre Worte, nicht meine.

»Danke. Du siehst aus wie eine Heilige.«

Sie trug ein hautenges Minikleid, welches unfassbar dünn war und nur wenig Platz für Fantasie übrigließ. Aber es stand ihr großartig und ihre dunklen Haare umrandeten ihr engelsgleiches Gesicht. Solange sie mochte, was sie trug, war es eigentlich nicht meine Aufgabe etwas dazu zu sagen. Aber Frankie nahm mir solche Kommentare nicht über, weswegen man mit ihr auch so scherzen konnte.

»Dann sehe ich wenigstens genug gut aus, um dein Outfit zu kompensieren.«

»Danke. Du bist heute sehr großzügig mit deiner Freundlichkeit. Womit habe ich das verdient?«, fragte ich neugierig. Ich nahm Frankie ihre schlechte Laune nicht übel. Ich wusste nämlich ganz genau, dass sie dafür einen guten Grund hatte. Das tat sie immer, obwohl sie ihre Gefühle nur selten offenlegte.

»Einmal abgesehen davon, dass Illian ein Idiot ist? Gar nicht.«

»Also gibt es Stress im Paradies?«

Frankie sah so aus, als würde sie mich am liebsten erwürgen, nahm allerdings die Hände nicht vom Steuer, sondern warf mir nur einen bösen Blick zu. Ich verschluckte mich an meinem Lachen und verzog das Gesicht.

»Hör auf mit deinen Witzen. Das ist nicht lustig, Dar.«

»Ich finde es superlustig. Frankie und Illian – zwei heilige im Paradies.«

Frankie seufzte und umklammerte das Lenkrad fester. Wahrscheinlich, um Wut abzubauen. Ich war eben ein bisschen gemein, aber teilweise konnte ich es einfach nicht zurückhalten.

»Du hast gar nichts zu sagen und das weißt du auch, Schätzchen. Solange du nicht erzählst, was du mit dem Emo in der Umkleide getan hast, geht dich ein freundschaftlicher Streit zwischen Illy und mir gar nichts an.«

Dabei betonte sie freundschaftlich besonders. Ja, klar. Das kaufte ich ihr direkt ab. Aber gut, wenn sie nicht darüber reden wollte, dann konnte ich sie nicht zwingen. Sie würde es mir schon erzählen. Hoffentlich.

»Du kannst behaupten, was du willst. Außerdem haben wir nur gestritten. War nicht so schön.« Ich wünschte, du hättest wenigstens eine gute Erklärung gehabt. Hallo, schlechtes Gewissen. Ich hatte dich beinahe vergessen. Ein Tag ohne war wohl zu viel verlangt. Dabei hatte River die Sache bestimmt längst schon vergessen und ich zerbrach mir nun über eine Unsinnigkeit den Kopf.

»Wie du meinst.« Sie glaubte mir also nicht.

»Du weißt, dass ich das hasse, Frankie«, ermahnte ich sie. Ich konnte es nicht ausstehen, wenn Leute eine Wahrheit verlangten und mir dann nicht glaubten. Wieso fragte man überhaupt, wenn man sich schon eine Meinung gebildet hatte und gar nicht mehr hören wollte, was die andere Person zu sagen hatte?

»Ich kann nichts dafür, dass du so unglaubwürdig klingst.«

»Du könntest mir glauben.«

»Hörst du dir selbst zu?«

Ich streckte ihr als Antwort nur die Zunge aus. Sie war gemein. »Na klar. Holen wir die Zwillinge eigentlich ab?«, wechselte ich das Thema. Denn wenn Frankie bezüglich Illian so gut gelaunt war, wollte ich lieber nicht erleben, wie die beiden den ganzen Weg im Auto stritten.

»Nein. Die gehen separat. Deli sagt, dass es ist, damit wir weniger trinken - als Gruppe und so.«

Dabei war es wegen Frankie und Illian, aber das sagte sie nicht. Nicht, dass es überhaupt nötig gewesen wäre, denn ich verstand es auch so.

»Okay. Sind wir bald da?«

»Bist du etwa ungeduldig? Wegen Prinz Sand-klebt-in-meinen-Haaren oder wegen seinem hübschen Bruder?«

»Ich dachte, dass du nicht auf dunkelhaarige Typen stehst?«, fragte ich neckend zurück. Was Frankie konnte, konnte ich schon lange. Und das bedeutete in diesem Fall, so lange wie möglich einer Antwort auszuweichen.

»Tue ich auch nicht. Ich kann River trotzdem schön finden. Er strahlt so etwas Bestimmtes aus und ich bin mir sicher, dass es dir auch schon aufgefallen ist.«

Meinte sie seine faszinierende Melancholie? Jepp, definitiv. Wie hätte mir das bitte nicht auffallen sollen? River versprühte sie förmlich. Obwohl ich nicht gerne an ihn dachte. Das Einzige, was ich mit ihm verband war mein schlechtes Gewissen und meine Liebe zu seinem Bruder. Und natürlich der Brief, den ich ihm dummerweise in den Spind gesteckt hatte. Teilweise war ich eben ein wenig unfähig. Fehler passierten selbst den besten Menschen.

»Naja, ist ja auch egal. Ich freu mich auf seinen Bruder. Ich glaube ohnehin nicht, dass River zu Partys kommt.«

Frankie zog eine Augenbraue in die Höhe. »Wieso? Man kann sich am besten verstecken, wenn man an einem Ort ist, wo es zu viele Menschen hat, als dass dich jemand entdecken könnte. River scheint ein Mensch zu sein, der sich gerne versteckt.«

»Er war mit uns in der Cafeteria«, hielt ich dagegen. Das hatte ohnehin fantastisch geendet. Nicht zuletzt wegen seiner guten Kommunikationsweise mit Frankie. Dass sie plötzlich so ruhig und gelassen über ihn reden konnte, verstand ich nicht. Oder den Fakt, dass sie zugab, dass er etwas Faszinierendes an sich hatte.

»Ja. Wo er die ganze Zeit komisch angestarrt wurde. Das hätte ich an seiner Stelle vermutlich nicht so witzig gefunden. Du doch auch nicht.«

Ich zuckte mit den Schultern. Irgendwie verstand nicht, auf wessen Seite Frankie war. Vielleicht war sie unentschlossen. So genau konnte ich das auch nicht sagen. Aber zu viel darüber nachzudenken bereitete mir Kopfschmerzen und das war das Letzte, was ich im Moment brauchen konnte. »Themawechsel«, beschloss ich daher.

»Mhm, okay. Wieso gehen wir zur Party? Das habe ich noch immer nicht verstanden.«

»Solidarität?«, schlug ich vor. So genau wusste ich es am Ende des Tages doch auch nicht. Frankie zog eine Augenbraue in die Höhe. »Soll ich dich aus dem Auto werfen? Dann musst du zum Arzt und ich kann aus Solidarität bei dir bleiben.«

Ich rollte mit den Augen. »Du bist echt unlustig. Hat dir das schonmal jemand gesagt?«

»Natürlich nicht. Sehe ich etwa so aus wie du?«

»Gemein bist du also auch noch. Wieso sind wir überhaupt befreundet?«, wollte ich in einem scherzhaft weinerlichen Ton wissen.

»Weil du mich liebst.«

»Du liebst mich mehr.«

»Teilweise habe ich das Gefühl, dass ich nicht einmal in der Lage bin zu lieben, Schätzchen«, seufzte Frankie. Die gute Stimmung kippte ein wenig. Ich wusste, dass sie damit Illian meinte. Ich sah ihr an, was er aus ihr machte, dass die beiden ständig irgendwelche Probleme zu haben schienen. Weder sie noch er sprachen gerne darüber, aber es lag in der Luft und man konnte es ihnen rasch anmerken, wenn man nur aufmerksam genug war.

»Jeder kann lieben. Auch du. Vor allem du. Du tust es vielleicht nur anders als Delilah, Illian oder ich.«

Frankie seufzte, sagte allerdings nichts mehr dazu. Stattdessen stellte sie die Musik lauter. Normalerweise hätte ich diese ausgemacht und sie ausgequetscht, aber ich wusste, dass sie etwas Freiraum brauchte. Jeder brauchte ihn manchmal und ich war nicht die Art von Person, die sich jemandem aufzwang. Also blieb ich still und lehnte meinen Kopf an die Scheibe. Ich tat es nicht gerne, aber ich konnte die Gedanken nicht aufhalten, welche mich beschäftigten. Ich hoffte, dass Bash kein Mädchen mitnahm. Ich war nicht dumm und ich wusste, wie Partys abliefen. Es machte die Sache dennoch nicht angenehmer. Ich hatte ein wenig Angst davor, was alles geschehen konnte, denn oftmals liefen die Dinge ein wenig aus dem Ruder, wenn Alkohol im Spiel war. Und ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass es Alkohol auf der Party geben würde.

»Wir sind da«, informierte mich Frankie einige Minuten später und ich gab mir Mühe ein wenig motiviert auszusehen.

»Sind Deli und Illian schon da?«, wollte ich wissen und richtete mich im Sitz auf, sodass ich mich einigermaßen normal abschnallen konnte.

»Keine Ahnung. Aber ich werde jetzt ganz bestimmt nicht nach ihrem Auto suchen. Wir gehen schonmal rein und amüsieren uns.«

Ich seufzte. »Frankie?«

»Ja?«

»Versprichst du mir, dass wir keine Partyspiele spielen?«

Die dunkelhaarige zog eine Augenbraue in die Höhe. »Das steht überhaupt nicht zur Diskussion. Ich würde mich nie auf einen derartigen sozialen Müll einlassen.«

Nun, das hätte ich mir eigentlich denken können. Ich nickte erleichtert und stieg aus.

»Und was machen wir jetzt?«

»Reingehen. Spaß haben.«

»Okay.«

Wir liefen von dem kleinen Parkplatz über eine Wiese. Ich wusste zwar, dass die Party in einem abgelegenen Haus stattfand, aber das bedeutete noch lange nicht, dass ich es verstand. Was war der Spaß daran, dass es hier draußen niemanden gab, der im Notfall etwas hören konnte? Das war sehr unheimlich. Wenigstens hatte es keinen Wald, denn sonst wäre ich schnurstracks wieder zum Auto zurückgegangen und hätte mich dort versteckt. Den ganzen Abend über. Vielleicht war das ohnehin nicht so eine schlechte Idee, denn dann konnte ich wenigstens tun, was mir passte und Musik hören, die mir gefiel.

»Was man nicht alles tut, um sich öffentlich betrinken zu können«, hörte ich Frankie leise murmeln. Ich wollte sie schon fragen, was sie damit meinte, aber die Villa vor uns wurde immer grösser. Sie bestand aus zwei Stöcken, zumindest sah es von außen so aus. Man konnte nie wissen, was alles unter der Erde lag. Davor hatte es eine Terrasse, auf welcher einige wenige Partygäste lungerten und rauchten. Sie sahen zwar nicht unglaublich freundlich aus, aber wenigstens sahen wir jetzt endlich Menschen. Die Musik war hier auch schon viel besser zu hören, wenn auch nur gedämpft.

»Der Spaß kann also beginnen«, redete Frankie weiter, aber ich hörte ihr gar nicht zu. Stattdessen hatte ich meinen Blick über die Terrasse schweifen lassen, auf der wir mittlerweile standen. River war dort. Er hatte seine Augen geschlossen und ein friedlicher Ausdruck ruhte auf seinem schönen Gesicht, während Rauchschwaden, die sich aus der Zigarette zwischen seinen Fingerspitzen erhoben, sich in seinen Haarspitzen verfingen. Ich wünschte mir, dass ich meine Kamera dabeihätte, denn er sah sehr attraktiv aus. Aber Frankie lief weiter und ich wusste, dass ich ihr folgen sollte. Sie hatte keine hohe Meinung von River und er sah so aus, als wolle er nicht, dass jemand seine Ruhe störte. Er war vermutlich ohnehin besser dran, wenn ich nicht ansprach. Auch wenn ich es im Hinterkopf behielt, weil ich ihm eine Entschuldigung schuldete.

Im Haus selbst herrschte das reine Chaos. Die Musik war hier so laut, dass ich den Reflex unterdrücken musste, mir die Ohren zuzuhalten. Es war stickig und stank nach billigem Deo und verschüttetem Alkohol. Sogar Joints und Zigaretten waren zu riechen. Igitt. Ich verzog mein Gesicht allerdings nicht, sondern folgte Frankie durch die Menge, die eher so gekleidet war wie sie als wie ich. Kurze Röcke, tiefe Ausschnitte. Das galt zumindest für die Mädchen. Das männliche Geschlecht sah so aus, als bevorzuge es gar keine Shirts, sondern nur Hosen, die viel zu tief auf den Hüften saßen. Ich konnte nicht sagen, ob es an dem Alkohol lag oder ob das hier war, wie die Dinge normalerweise abliefen.

»Wir holen uns erst mal was zum Essen und zum Trinken. Okay?«, rief mir Frankie über die laute Kulisse hinweg zu. Allerdings ließ sie mir keine Zeit zu antworten, sondern zog mich einfach mit sich durch den überfüllten Eingang. Wir kamen erstaunlich schnell vor einer modern gebauten und mit Marmor ausgestatteten Küche zum Stehen. Dort hatte es nämlich irgendwelche Spezialisten, die den Eingang versperrten. Oh Mann, bitte nicht. Sie sahen jetzt schon so aus, als wäre Koks ihr einziges Hobby, dabei hatten sie noch nicht einmal die High-School abgeschlossen.

»Der Eintritt in die heilige Küche muss bezahlt werden«, lallte einer von ihnen. Die anderen stimmten brummend mit ihm überein.

»Womit denn?«, fragte Frankie mit einem Augenrollen. Sie sah so aus, als würde sie ihm am liebsten ins Gesicht boxen. Es war schlimm genug, dass sie schon wegen Illian schlechte Laune hatte, aber das schien ihre Nerven ins Unendliche zu strapazieren.

»Na mit einem Kuss, ist ja logisch«, kicherte derjenige, der zuerst gesprochen hatte. Frankies Augenbraue wanderte noch weiter in die Höhe, allerdings breitete sich auch ein Grinsen auf ihren Lippen aus. Okaaaaay, das war merkwürdig. Die Frankie, die ich kannte, ließ sich nämlich nichts von einem Typen vorschreiben. Sie machte ihr Ding und dabei waren ihr die Meinungen anderer Leute egal – vor allem die Meinungen von männlichen Wesen.

»Frankie!«, zischte ich entsetzt, als sie sich tatsächlich vorbeugte. Das konnte jetzt nicht wahr sein. Aber anders als erwartet trafen ihre Lippen nicht auf seine, sondern sie knallte mit ihrer Stirn volle Kanne gegen seine. Verdammt, hatte sie etwa den Verstand verloren?

»AUA!«, brüllte der Kerl, der Frankies Opfer war. Sofort regte sich in mit Mitleid für den Typen, obwohl er sich diese Reaktion selbst eingehandelt hatte. Blut spritzte aus seiner Nase und er hielt sich sofort die Hand darauf und heulte schon wieder laut auf. Die rote Flüssigkeit landete direkt auf Frankies schneeweißem Kleid und meinem Crop-Top. Ach, das konnte doch nicht wahr sein! Ich mochte dieses Top sehr.

»Hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?«, keifte einer seiner Freunde weiter, doch Frankie lachte nur.

»Das war doch ein Kuss.« Ich sah sie verständnislos an. Wie nahm sich dieses Mädchen jemals das recht, mich als verrückt zu bezeichnen?

»Ein schwedischer Kuss«, erklärte sie stolz und ich schmunzelte. Sie hatte es definitiv zu wörtlich genommen. Aber die Nase des Kerls blutete noch immer und ich befürchtete mittlerweile, dass Frankie sie vielleicht gebrochen hatte. Er weinte sogar. Nicht, dass ich ein Problem damit hatte, aber die meisten Kerle in diesem Alter vermieden Tränen, weil es uncool war. Es musste also ernst sein, wenn ihm die gesellschaftlichen Normen egal waren.

»Hat es irgendwo vielleicht Eis? Das sollte die Schmerzen lindern. Außerdem sollte er vielleicht in ein Krankenhaus gehen«, sagte ich und sah rüber zu Frankie, welche sich im gleichen Moment umdrehte und durch die Menge lief. Großartig. Einfach nur großartig. Ich wollte schon nach ihr rufen, allerdings sah ich, wen sie entdeckt hatte und unterließ es sogleich. Es war schließlich auch wichtig, wenn sie sich mit Illian aussprach, den sie entdeckt hatte und zu welchem sie gerade ging. Also sah ich mich nach jemand anderem um, den ich um Hilfe bitten konnte. Die Kerle in der Küche waren definitiv zu betrunken, um brauchbar zu sein und die restlichen Anwesenden in der Nähe ignorierten uns einfach. Scheiße, was sollte ich denn nur mit dem blutenden Typ tun? Ich hatte das Gefühl, ihm helfen zu müssen. Zumindest brachte ich es nicht über mich, ihn hier in diesem Zustand allein zu lassen.

»Weißt du vielleicht, wo es Kühlpacks oder so hat? Oder kennst du jemanden, der uns fahren könnte?«, fragte ich ihn. Gleichzeitig wählte ich Delilahs Nummer, um letzteres selbst lösen zu können, aber sie ging nicht ans Telefon. Und Frankie, die andere Fahrgelegenheit, hatte sich verkrümelt. Ich würde definitiv noch ein Hühnchen mit ihr rupfen. Illian hin oder her, das hier war ihr Fehler und normalerweise badete man diese auch selbst aus. Das nannte sich Verantwortung übernehmen. So schwierig konnte das unmöglich sein.

Der Typ stöhnte schmerzerfüllt auf. »Keine Ahnung. Frag doch einfach Bradbury. Der sollte dir helfen können.« Bradbury? Aber wieso waren es denn immer die Bradbury Brüder? Ich wusste ohnehin schon, welchen ich erwischen würde. River. Denn Bash hatte ich bisher nirgends gesehen. Und mit River zu sprechen war etwas, auf was ich mich vorbereiten wollte. Aber das ging nicht. Vor allem nicht, wenn der Typ hier aussah, als würde sein ganzes Körperblut durch die Nase ausfließen. Er würde gleich bestimmt ohnmächtig werden und dann konnte ich ihn erst recht nicht hierlassen. Aber vor allem konnte ich ihn nicht allein irgendwohin transportieren.

»Okay. Ich bin gleich wieder da. Rühr dich nicht vom Fleck!«, befahl ich ihm deswegen und bahnte mir einen Weg nach draußen. Es war schwieriger, wenn ich nicht einfach jemandem folgte, sondern mich selbst durch die Menge begeben musste. Dieses Haus war grösser als in solchen Situationen angemessen war.

Draußen angekommen holte ich erst mal tief Luft. Auch wenn es hier nach Rauch stank, war es viel weniger schlimm und schon gar nicht stickig, so wie im Haus selbst. Ich schloss die Augen für einige Sekunden und wagte es erst dann, mich nach River umzusehen. Glücklicherweise hatte er seinen Platz nicht verlassen. Aber er rauchte noch immer, woraus ich schloss, dass er mittlerweile an einer neuen Zigarette zog. Ekelhaft. Hatte er etwa vor, den ganzen Abend hier zu sein und zu rauchen, bis er keine Zigaretten mehr dafür übrighatte?

Ich tippte ihm auf die Schulter, damit er mich ansah. Seine Lider öffneten sich flatternd und ich sah in kupferfarbene Augen, die mich ein wenig vernebelt musterten, sich nach einigen Sekunden aber wieder klärten. Ich sagte nichts, weil mich der Mut ein wenig verlassen hatte. Es tut mir leid. Ich sprach es nicht laut aus, aber ich wollte es so dringend sagen. Sein Blick streifte über mich und seine Augen wanderten in die Höhe.

»Ich dachte immer, dass das Blut bei Mädchen anderswo rauskommt«, brachte er schließlich hervor.

»Und ich dachte immer, dass die Scheiße bei Kerlen nicht aus ihrem Mund kommt«, schoss ich reflexartig zurück, obwohl ich ursprünglich ja nett sein wollte. Funktionierte bisher hervorragend. Als Antwort blies River mir den Rauch seiner Zigarette direkt ins Gesicht und ich hustete, weil es so ekelhaft war. Ich hatte kein Problem damit, wenn Menschen rauchten, aber ich konnte es nicht leiden, wenn man mir den Rauch direkt ins Gesicht hauchte, denn ich wollte weder eine Raucherin noch eine Passivraucherin sein. Das war nämlich meine Entscheidung und das sollte man akzeptieren können.

»Das ist unhöflich«, schimpfte ich und trat einen Schritt zur Seite, damit er dasselbe nicht schon wieder tun konnte. Am liebsten hätte ich laut auf den Boden gestampft, aber dann hätte mich River ausgelacht, was ich auf keinen Fall wollte.

»Nicht mein Problem.«

Ich schnaubte. »Wieso rauchen Typen wie du eigentlich ständig? Soll das heiß oder anziehend sein?«

River zuckte mit den Schultern und machte sich nicht einmal die Mühe, in meine Richtung zu schauen, obwohl es ihn nicht viel gekostet hätte. Vielleicht brachte er es nicht übers Herz, mich lange anzusehen. »Wenn ich heiß oder anziehend sein möchte, brauche ich dabei keine Hilfe von Zigaretten. Ist aber interessant, dass du das so siehst.«

Ich lachte rau auf. »Tue ich nicht!«, protestiere ich. Tat ich sehr wohl.

»Und wieso bist du dann hier, Darling? Zu viel Stress mit deinen engstirnigen, diktatorischen Freunden?«

Ich presste meine Lippen zu einem Strich, um nichts allzu Dummes von mir zu geben, bis ich mir die Worte zurecht legen konnte. »Meine Freunde sind weder diktatorisch noch engstirnig. Außerdem bin ich hier, weil ich deine Hilfe brauche.«

Darauf drehte River seinen Kopf in meine Richtung. Überraschung spiegelte sich in seinem Blick und ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Das schien seine Aufmerksamkeit also gefesselt zu haben. Interessant

»Brauchst du jemanden, der verirrte Briefe besser rausfischen kann als du?«

»Nein, ich brauche jemanden, der mir hilft ein Kühlpack zu finden und eventuell bereit ist, jemand anderes in ein Krankenhaus zu fahren.«

»Hast du jemanden verprügelt?«, fragte River höhnisch. Seine gute Laune war heute echt ansteckend. War das der Tag, an dem alle schlechte Laune hatten?

»Nein, Frankie hat vielleicht jemandem die Nase gebrochen.«

»Sehe ich so aus, als wäre das mein Problem?«

Nein, das tat er definitiv nicht. Aber ich brauchte eben Hilfe und ich wusste nicht, wen ich sonst darum bitten konnte. Irgendwelche Fremde Menschen anzusprechen, lag nicht drin, denn ich wusste wirklich nicht, wie ich die Situation jemandem erklären sollte. Es funktionierte nicht einmal bei River und mit ihm hatte ich immerhin schon ein paar Worte gewechselt.

»Genau. Tue ich nicht. Geh mir aus der Sonne.«

»Es hat keine Sonne«, hielt ich dagegen. River rollte mit den Augen.

»Hast du schon mal was von Redewendungen oder Zitaten gehört?«

Ich streckte ihm die Zunge aus, besann mich dann allerdings eines Besseren uns räusperte mich, ehe ich die Arme vor der Brust faltete. »Bitte, River. Ich brauche deine Hilfe.«

Er schwieg. Dann zuckten die Mundwinkel auf seinem äußerst attraktiven Gesicht.

»Meinetwegen.«

»Echt?«, hakte ich etwas verblüfft nach. Es war merkwürdig, dass er so schnell einwilligte.

»Ja. Du musst dafür nur mit mir befreundet sein. Sieh es als eine Erweiterung unseres Deals.«

Daher wehte der Wind also. »D-das geht nicht«, stammelte ich. Das hatten wir doch schon geklärt.

»Tja, dann solltest du dir jemand anderen suchen. Wie wäre es mit Frankenstein? Nachdem sie schuld an der ganzen Sache ist? Dann könnte sie zur Abwechslung vielleicht auch ihre eigenen Fehler ausbaden? Was lernt sie denn aus dieser Sache, wenn du es für sie tust?«

Ich schnaubte. Ich hätte eigentlich nichts anderes erwarten sollen. »Bitte, River-«, setzte ich wieder an, doch er unterbrach mich mit einem simplen Kopfschütteln. Unfassbar. Ich musste dem armen Kerl drin einfach helfen und wir wussten es beide. Dafür brauchte ich River und seinen blöden Deal. Aber ich hatte doch auch mit meinen Freunden abgemacht, dass ich nicht mit River sein und darauf eingehen würde.

»Es liegt nicht nur in deinem Interesse, wenn du einwilligst. Frankie kriegt dann vielleicht nicht so viel Ärger wie sie veranstaltet hat«, unterbrach River meine Gedanken. Das war dreist, denn er spielte mit meinem moralischen Kompass. Aber es war die einzige Möglichkeit. Und ein Pluspunkt war, dass ich meinen Freunden helfen konnte. Und auch mir selbst, wenn es als eine Erweiterung des Deals galt. Bashs Aufmerksamkeit hatte ich dank dieser Sache doch schon erlangt. Jetzt musste ich sie nur noch in die richtige Richtung lenken. Ich würde das hier sowas von bereuen. Wieso konnte ich nicht auch einmal so skrupellos sein und mit den Gefühlen anderer Menschen spielen, wie sie es alle bei mir taten? Das wäre doch nur fair gewesen.

»Fein. Ich willige ein, aber nur, wenn du aufhörst hier zu rauchen und den Typen auch in ein Krankenhaus fährst«, brachte ich widerwillig zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. River drückte seine Zigarette aus und grinste mich an. Zumindest schien sich seine Laune durch diese Sache erheblich zu bessern.

»Wofür brauchst du denn ein Kühlpack, wenn er ins Krankenhaus muss?«

»Vielleicht hat er sich die Nase gebrochen«, gestand ich und rümpfte dabei die Nase. Frankie hatte mit diesem schwedischen Kuss übertrieben. Was hatte sie sich dabei denn gedacht? Das konnte die Sache unmöglich Wert gewesen sein, zumal man betrachtete, dass niemand von uns schlussendlich die Küche betreten hatte. Sie war zu Illian gegangen und ich hatte versucht, Schadensbegrenzung zu begehen.

»Wieso sollten Kühlpacks bei gebrochenen Nasen helfen?«, fragte River ein wenig verwirrt weiter und marschierte an mir vorbei zur Haustür. Ich hätte schwören können, dass er merkwürdig ging. Damit sah er nicht aus, als wäre er betrunken, sondern als würde er sein Gewicht nicht auf beiden Beinen gleich verteilen. Oder vielleicht rührte das auch nur daher, dass eines seiner Beine länger war als das andere. Sehen konnte ich es nicht, aber ich hatte einmal einen Zeitungsartikel darüber gelesen. Viele Menschen machten deswegen eine Operation, um die Beine künstlich zu verlängern.

»Sehe ich so aus, als wäre ich eine Ärztin?«

»Du siehst aus wie jemand, der auf keinen Fall eine Ärztin werden sollte.« Vielen Dank auch. Ich streckte seinem Rücken die Zunge aus, fing mich dann allerdings wieder, seufzte und sagte, wo der Verletzte war. Als wir bei ihm ankamen, waren nicht einmal mehr seine Freunde bei ihm, stattdessen hielt der Kerl ein weiteres Bier in der Hand, obwohl er schon so genug betrunken war. Manchmal fragte ich mich, was sich einige Leute dabei dachten, wenn sie etwas derartig Hirnrissiges taten. Hatte er etwa das Gefühl, dass ihm so jemand helfen würde, wenn man ihn da auf dem Boden beinahe übersah?

»Emmet?«, hörte ich River überrascht fragen, als er sich neben den Kerl kniete. Sie kannten sich? Das war uncool. Wofür hatte ich zugestimmt, wenn River ihm wahrscheinlich auch einfach so geholfen hätte? Sie sagten sich irgendetwas, aber ich konnte es dank des ganzen Lärms nicht hören. Wunderbar. Tat ich eigentlich irgendwann einmal auch etwas, was nicht unnötig war oder mir schadete? Es konnte doch nicht sein, dass ich all diese Dinge tat, um mir am Ende des Tages damit selbst ins Fleisch zu schneiden.

River zog Emmet mühelos auf die Füße und tat das extra langsam und vorsichtig, vermutlich damit Emmet so nicht schwindlig oder schlecht wurde. Falls ihn diese beide Sensationen noch nicht erfasst hatten. Ich musste ihn und das viele Blut nur kurz ansehen und mir drehte sich beinahe der Magen um.

»Brechen wir auf?«, fragte mich River und sah mich dabei erwartungsvoll an. Ich nickte, sobald ich Emmet einen prüfenden Blick zugeworfen hatte. Er sah ein wenig benommen aus, aber wenigstens lief kaum mehr Blut aus seiner Nase. Das war doch ein positives Zeichen, oder? Es bedeutete nicht, dass er schon ausgeblutet war, oder? »Gut. Du kannst vorausgehen und den Weg weisen, damit der Kerl hier nicht auch noch einen Ellbogen ins Gesicht kriegt.«



Und damit ist der Deal (mehr oder weniger) schon besiegelt 😏

Habt ihr das erwartet?

Meinungen zur Party?

Oder zum Kapitel ganz allgemein?

Bleibt gesund & bis zum nächsten Kapitel
Ich hab euch lieb 💖

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