Regentropfen eines Menschen

Es war das erste Mal, wo ich ihn alleine sah. Seine Haltung war ganz schlaff, als würde er jeden Moment zusammenbrechen, und all das fröhliche, schöne Leben, das er mit seinem hübschen Gesicht und seinem ganzem Körper widergespiegelt hatte, schien langsam zu verwelken. Wie die Blätter schien er seine Farbe zu verlieren und irgendwann würde er sich von seinem Ast lösen, völlig ausgestorben, und zu Boden fallen.

Ich fragte mich, ob es sich so für einen Menschen gehörte. Ob der Mensch sich genauso wie die Jahreszeiten verwandelte und sich der Umgebung anpasste, und ob er so kalt und trist wie der Winter werden würde, vor dem wir standen. 

Noch herrschte Herbst. Die Blätter starben und die Äste entblößten sich in ihrem bloßem Scham, während außerhalb des Waldgebiets sich Bäume mit roten, saftigen Äpfel präsentierten und die riesigen Berge grüne und lila Früchte trugen. Die Lebewesen um mich herum wurden sogar fetter und ein paar sammelten wie verrückt allerlei Nüsse, die die Bäume nur von sich schüttelten. 

Meine Mom hatte mal gesagt, dass der Winter für uns eine sehr gefährliche Jahreszeit wäre, weil wir uns den großen Bauen der Menschen nähern mussten, um Nahrung aufzutreiben.

Meine Mom hatte auch mal gesagt, dass Menschen uns töteten.

Aber ich war fasziniert von diesen riesigen Lebewesen, mit ihrem wechselhaften Fell und diese Art von Beweglichkeit ihres Mauls, wo sie all ihre Zähne zeigten und ihre Augen wie eine persönliche Sonne strahlten. Das war so schön, und ich wünschte mir, ich hätte das Maul eines Menschen.

Besonders dieser eine männliche Mensch hatte die schönste, persönliche Sonne, die ich je in meinem Leben gesehen hatte. Er faszinierte mich schon seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte, und jetzt war er auf einmal alleine.

Er lief über den schlammigen Boden, nass vom Regen, und mal dort oder mal da schlug eine Pfütze ihr Loch. Er setzte sich wie immer auf die Holzbank, die zwischen zwei Kirschbäumen stand und den atemberaubenden Blick über unseren Wald bot. Dieser lebte gerade in einem wilden, einzigartigen Farbenspiel – von rot, braun bis hin zu grün. Einfach herrlich.

Der Mensch versteckte sein oberes, wuscheliges, blondes Haar unter einem grauem Wollding, um seinen Hals schlang sich etwas blauschwarz-kariertes und er trug einen großen, schwarzen Pelz, der aber nicht wirklich Haare besaß, sondern wie aus einem glatten Stoff gemacht war, der mir nicht bekannt war. Vieles, was ich bereits über Menschen wusste, hatte ich entweder von meiner Mutter oder eben von den Menschen persönlich gehört.

Ich hielt gespannt meinen Atem an, tief versteckt in einem Gebüsch, und beobachtete interessiert, wie er aus seinem braunen, beutelartigen Ding dieses komische, weiße, viereckige Ding herauszog, auf diesem er immer etwas „zeichnete“. Das hatte immer der weibliche Mensch gesagt, der ihn bis zum heutigen Tag begleitet hatte und der nach langer Zeit ständig auf seinem weißen Ding aufgetaucht war. Grau, schwarz, weiß – ohne Leben allerdings. Aber es war auf eine Art und Weise sehr fasziniert gewesen, wie sehr sich das gemalte Leben dem echten Leben geähnelt hatte.

Wo der weibliche Mensch in diesem Augenblick nur wäre? Und was würde er jetzt malen?

Ich wünschte mir, er würde mich zeichnen.

So etwas sollte ich mir nicht wünschen. Überhaupt nicht. Es würde mich noch in die Hölle bringen, und doch war es ein wundervoller Gedanke, wenn er mein stilles Leben zu sich in seinen Bau nehmen und sich jedes Mal an mich erinnern würde, würde er es sehen. 

Damit sollte ich irgendwann mal aufhören.

Mir Dinge einzubilden, die gegen die Realität und den Vorschriften der Natur widersprachen.

Dinge, die mich sogar in den Tod führen könnten. 

Aber wie es meine Mom schon immer gesagt hatte: Ich war sehr naiv und von Neugier verfressen, dass es sie nicht wundern würde, würde ich früher als meine Geschwister sterben. Es waren nicht die nettesten Worten, doch trotz alle dem verhalfen sie mir ihren Ernst wahrzunehmen und die furchtbare Angst, dass aus ihren Wörtern Realität werden könnte.

Eigentlich sollte ich auch nicht hier sein. Wirklich nicht. 

Bloß zog mich dieser Mensch einfach zu magisch an. Genau das Gegenteil von dem, was die Vorschriften besagten. Normalerweise sollte ich mich vor ihm schrecklich fürchten und gar nicht auf die dumme Idee kommen, ihn zu beobachten. Nur musste ich mir wie jedes Mal eingestehen, dass ich Vorschriften noch nie ernstgenommen hatte.

Er faszinierte mich einfach zu sehr.

Er hatte etwas unbegreifliches Schönes an sich, das ich selbst nicht erklären konnte, und ich konnte mir auch nicht erklären, wieso ich er mir so vertraut schien. Seine Nähe ließ mich eigenartig wohl fühlen, und manchmal war das so komisch, dass ich mir wünschte, ich würde mich vor ihm fürchten.

Irgendwie konnte ich das nicht.

Vielleicht unterschied ich mich von den anderen Füchsen, genauso wie er sich von den anderen Menschen unterschied. Möglicherweise war diese plausible Erklärung ein guter Start dafür, auch dieser Vertrautheit seiner Gegenwart einen Grund zu geben.

Nun streckte ich meinen Kopf etwas in die Höhe, neugierig, warum der männliche Mensch mit so einem eigenartigen Ausdruck in seinem Gesicht das stille Leben von dem weiblichen Menschen betrachtete. In diesem stillen Leben strahlte der weibliche Mensch wunderbar, voller Glück und Liebe, und dann strich der andere Mensch zärtlich mit seinem Finger über das weibliche, strahlende Gesicht, eingerahmt von welligem Haar und mit großen Augen. Ich war schon immer auf die Schönheit dieses weiblichen Menschen eifersüchtig gewesen.

Plötzlich verließ ein Regentropfen die gequälten, braunen Augen des Menschen, und ich wich überrascht zurück. Ich hatte es nicht mal ansatzweise geahnt, dass die Augen von den Menschen regnen konnten. Aber er sah dabei so unglücklich aus, und dann hörte ich ihn schon winseln wie einer der kleinen Wolfswelpen, die das Rudel vor lauter Spielen verloren hatten.

Nein. Die Regentropfen fielen nicht einfach so aus seinen Augen. Er musste leiden sowie es immer die Rehe taten, wenn der Jäger eins von ihnen getötet hatte. Warum litt er nur? Wie konnte etwas so einen glücklichen Menschen zum Leiden bringen? Ich wollte es wissen, und vor allem wollte ich ihm dieses Leid nehmen, um seine einzigartige Sonne sehen zu können.

Aber dafür müsste ich mich zeigen. Mich ihm ausliefern sowie mich praktisch vor die Füße des Todes werfen. Ich war verunsichert darüber, ob ich mich wirklich opfern sollte.

Für einen Menschen.

Sein Winseln wurde lauter, quälender, und die Regentropfen fielen stürmischer zu Boden. Er hatte den Kopf bereits gesenkt und hielt sich seine Pfote an die Stelle, wo ich sein Herz vermutete, weil wenn der Schmerz am schlimmsten war, dann ging er meistens vom Herzen aus. Dort wucherte der Schmerz höllisch. Das konnte ich sogar aus seinem Gesicht lesen.

Also war es der Schmerz, der ihn so unglücklich machte. Selbstverständlich. Es war immer Schmerz, der die Freude des Lebens einfach so nehmen konnte, ohne sich dabei bemühen zu müssen.

Auch ich kannte den Schmerz, gemischt mit Sehnsucht und übertriebenen Wünschen.

Ich fühlte es förmlich, wie das Leid ihn umgarnte, und am liebsten würde ich die Schatten von ihm treiben, damit er wieder strahlen könnte.

Er musste wieder strahlen.

Für die Schwäche war ich schon immer ein Opfer gewesen, deswegen fiel es ihr nicht schwer, mich in diesem Augenblick zu überfallen, und dazu zu bewegen, aus dem Gebüsch hervorzukommen.

Jeder meiner Schritte stieß sachte auf dem Boden auf, während sich meine Krallen vor Anspannung zeigten und meine Rute gerade in die Höhe bog. Ich spitzte meine Ohren aufmerksamer, lauschend seinem Winseln, und ich zögerte kurz, als die erste Pfote ins Licht der Offenbarung trat.

Das Versteckspiel würde nicht länger existieren.

Ich stellte entsetzt fest, dass ich das schon immer tief in meinem Unterbewusstsein wollte – mich ihm zeigen und mit ihm die Umgebung beobachten, seine Sonne von Nahen sehen und ihn … berühren –, und nichts hinderte mich länger daran, es nicht zu tun. 

Er hatte mich bereits gehört, weil das Rascheln vom Gestrüpp immer jemand verraten würde, und ich blickte ihn ganz unschuldig an, als ich mich auf meine Hinterläufe direkt wenige Meter vor ihm hinsetzte. Ich drehte meinen Kopf etwas schräg, fragend, was mit ihm los war.

Sein Winseln verstummte auf der Stelle und er starrte mich so perplex an, als hätte er noch nie einen Fuchs gesehen. Mit Sicherheit hatte er schon einen gesehen, vielleicht nur nicht so nah wie in diesem Moment. Er schluckte angestrengt, dann glitt seine Hand von seinem Herz und traf auf das Kirschholz von der Bank. Dort blieben sie ruhig liegen.

Ich fragte mich, was er wohl dachte, was er noch tun würde und besonders, was er von mir dachte. Jedoch, seine Starre machte mich auf keinerlei Weisen nervös. Vielmehr entspannten sich meine Muskeln, denn er griff nicht sofort nach einem Gewehr, um mich zu erschießen. Nein. Seine Augen fingen an zu funkeln, als würde er direkt in die Sterne sehen, und sein Maul öffnete sich etwas, doch es kam nur heiße Luft heraus.

Er musterte mich mit vollem Staunen, und das gefiel mir. Offensichtlich faszinierten wir uns gegenseitig.

„Was für ein schöner Fuchs“, flüsterte er für meine Ohren verständlich, und Erleichterung in Form von einer unglaublichen Wärme stieg in mir auf. Wenn ich wohl ein weiblicher Mensch gewesen wäre, hätten sich meine Wangen genauso komisch rosa gefärbt wie die bei seiner Begleiterin, wenn er sie „hübsch“ oder „süß“ genannt hatte.

Allmählich löste er sich aus seiner Starre. „Du hast mich wohl weinen gehört, hm?“, fragte er vorsichtig. Viel zu vorsichtig, als befürchtete, ich würde wie ein scheues Reh wegrennen.

Aber ich war ein Fuchs. Ein naiver, neugieriger Fuchs, der vor ihm nicht länger flüchten wollte.

„Es tut mir leid, dass ich dich gestört habe. Bestimmt warst du auf der Jagd oder so gewesen.“ Er sprach weiter zu mir. Zuerst konnte ich es gar nicht wahrhaben, aber weil er mir direkt in die unsicheren Augen sah, ganz vertraut und liebevoll, konnte er gar nicht mit jemand anderes sprechen. 

Ich bewegte meine Ohren leicht hin und her, setzte ihm so ein Zeichen, dass ich ihm zuhörte und all seine Worte verstand. Erstaunlich wie ich ihn verstehen konnte, aber traurig, dass wir in Wirklichkeit eine ganz andere Sprache benutzten.

Er verzog seine Lefzen zu einem leichten Sonnenaufgang. „Es sieht echt niedlich aus, wie du mit deinen Ohren wackelst. Du hörst mir offenbar zu, was?“ Seine Augen wanderten zu dem weißen Ding in seiner Hand und schon leuchteten sie auf, als hätte er gerade Sterne in diese gefangen. „Darf... darf ich ein Bild von dir zeichnen?“ Er blickte mich auf einmal schüchtern an, und ich hätte nie von einem Menschen erwartet, dass er einem Tier wie mir gegenüber so sanft sein würde. 

Er seufzte, als ich ihn nur verwirrt anstarrte. „Aber wahrscheinlich wirst du sowieso gleich verschwunden sein, und ich sollte auch von keinem Fuchs erwarten, dass er mir versteht.“

Ich erhob mich nun und wagte es, einen Schritt näher auf ihn zu kommen, worauf er mich völlig überrascht ansah. Dann sah ich wieder den Sonnenaufgang in seinem Gesicht, diesmal aber breiter und schöner, und er widmete ihn nur mir. Mein Herz schlug ganz holprig und schnell.

Sein Gesichtsausdruck hatte etwas von Freude, aber auch Verwirrung und Träumerei, als würde er selbst nicht glauben wollen, dass das hier gerade tatsächlich passierte. Aber er war damit nicht alleine. Ich tat es nämlich auch nicht.

Oft fühlte ich mich wie in einem Traum gefangen; in einer Welt, in die ich eigentlich nicht gehören sollte, und mir fiel es manchmal schwer, zwischen Realität und Traum klarzusehen.

„Solltest du nicht lieber vor mir wegrennen, Fuchs?“, entgegnete er mir mit einem Ton von Witz und Verwirrung.

Ich ließ mich zurück auf den Hintern fallen, um ihn so zu verdeutlichen, dass ich fest entschlossen war, hier zu bleiben, und dass ich mich nicht vor ihm fürchtete. Warum sollte ich auch? Er hatte kein Gewehr bei sich.

Er gab ein Geräusch von sich, das sich wie ein klares Glockenspiel anhörte, laut und fröhlich, und es kam direkt aus seiner Kehle. Soweit ich mich erinnern konnte, nannten die Menschen das Lachen.

Während er die nächsten Worte behutsam von sich brachte, holte er einer diesen langen, komischen Dinge mit einer Spitze heraus, die ihm dazu verhalfen, stille Leben zu malen. Oder ein „Bild“ sowie er es gesagt hatte. „Okay. Ich habe verstanden, dass du eindeutig ein ganz anderer Fuchs bist. Erlaubst du mir es also, dich zu zeichnen? So ein schönes Wesen muss ich festhalten.“ Er hatte so eine ruhige, schöne Stimme, das selbst das morgendliche Gesang der Vögel zu dem nichts war.

Mit meinen Augen sah ich ihm bloß in seine, begeistert und glücklich, dass er mich wirklich malen wollte. Wenn ich genauso eine persönliche Sonne wie er hätte, hätte sie vermutlich noch breiter und heller vor Begeisterung geschienen als seine.

Es würde doch noch passieren. Er würde mich in einem stillen Leben als ein Teil seiner Erinnerungen annehmen, und es war so schön, dass Träume doch wahrwerden konnte, wenn man nur eine Hürde überwinden musste.

Aber sein Gesicht verzog sich tragischerweise wieder zur gequälten Maske und der komische Stock in seiner Hand zitterte. „Sie hätte dich bestimmt in einer ihrer Romane eingebaut, wenn... sie noch hier wäre“, winselte er und ein letzter Regentropfen verlor sich aus seinen Augen.

Es schmerzte, ihn wieder winseln zu sehen, weil das Beobachten fühlte sich so träge an, als würde die Befürchtung in der Luft liegen, dass es nur noch Regen geben würde. Dass die Sonne für immer verschwinden und der Regen die Welt übernehmen würde. Da war mehr als bloß Schmerz, was ich in diesem Augenblick empfand, aber das andere, belastende Gefühl kannte ich nicht. Ich hatte es noch nie gespürt, und deshalb überraschte es mich auch, wie machtvoll dieses war. Es nahm jeden Winkel meines Willens ein, verführte ihn mit falschen Illusionen, die eintreten könnten, würde ich diesen einen Drang befolgen, und ich war ihm ausgeliefert. 

Einerseits wollte ich es sogar, weil ich es auch bei Jonghyun so machte, wenn er einer seiner Anfälle bekam, andererseits schien da etwas zu sein, das mich stark beeinflusste. Etwas, das tief in mir drin sich verbarg, doch nie das Licht sehen wollte. Ich konnte es nicht kennen. So vertraut es sich auch anfühlte, war es mir trotzdem fremd.

In diesem Augenblick jedoch hatte ich keinerlei Macht dagegen, und meine Pfoten setzten sich erneut in Bewegung und dann zögerte ich kurz, direkt vor der Bank. Die Augen richteten sich nach oben, ihn forschend und unsicher anblickend, und meine Ohren trafen auf sein trauriges Winseln wieder. Er winselte stärker und furchtbarer. Ich hatte wirklich, wirklich noch nie, so sehr ein Wesen leiden gesehen wie er. Und auf einmal fühlte ich mich schuldig. Schuldig, weil ich ihm nichts sagen konnte, das ihn vielleicht hätte trösten können. Schuldig, weil ich sein Leid nicht stoppen konnte. Schuldig, weil er meiner Meinung nach nicht hierher passierte. In diesen farbenfrohen Wald, das exakte Gegenteil von seiner grauen, schlaffen Erscheinung.

Ich atmete tief ein und aus, den Schmerz entlastend, und blickte schließlich entschlossen zu ihm hinauf. Schon im nächsten Moment sprang ich auf das Holz, hielt ein weiteres Mal inne, um ihn verzweifelt zu mustern.

Er winselte einfach, als wäre es das einzige, was noch von ihm übrig geblieben wäre.

Nein.

Das durfte nicht sein. Das wäre nicht fair.

Ein Mensch wie er sollte nicht zum Winter werden.

Er sollte immer der Frühling bleiben, der all die Kälte, Tristheit und Einheitlichkeit des Winter vernichtete. 

Er sollte immer meine besondere Sonne sein.

Und so presste ich meinen Kopf gegen seinen Schoß, mitfühlend und hoffend, dass er wenigstens so meinen Trostversuch bemerken würde. Nicht nur das wäre mir diese gefährliche und doch warme Tat wert, sondern auch die Vorstellung, dass er danach wieder wie die Sonne scheinen würde. Dass er heller und wundervoller denn je scheinen würde – wegen mir.

Vielleicht war es auch Dummheit von mir, warum ich das tat. Doch dann wollte ich lieber ein dummer Fuchs sein als ein scheuer Fuchs, an den er sich nach einer Ewigkeit nicht mehr erinnern könnte. An mich sollte er sich für immer erinnern, weil ich wollte nicht vergessen werden.

Sein Körper zitterte wie das Laub, wenn der Wind es zum Fürchten brachte, und mein Kopf schmiegte sich wie automatisch an ihn. Ich schloss meine Augen, betete einfach meinem Kopf auf seinen Schoß ab und lauschte seinem Trauergesang. Mehr konnte ich als Fuchs nicht tun, und ich zweifelte daran, dass er sich freuen würde, würde ich ihm einen toten Hasen als Trost schenken. Menschen waren nun mal nicht wie wir Füchse.

Ich akzeptierte dies, aber manchmal hatte ich diesen dummen, zu großen Wunsch, ein Mensch zu sein. Eine Kreatur, die über alles und jenes stand und der keine Kugel einfach das Leben stehlen konnte, die nicht gejagt wurde und die alles dieser Welt erforschen konnte, ohne sich dabei in Gefahr zu geben. Manchmal glaubte ich, dass wir Füchse nur ein kleiner Teil dieser Welt waren, dazu geboren, um gejagt und getötet zu werden.

Mehr schienen wir dieser Welt nicht wert zu sein. Und deshalb sträubte ich mich gegen alle Regeln, weil ich wollte unvergesslich sein und etwas in dieser Welt sein, das andere veränderte. Ich wünschte mir, so groß und stark wie ein Mensch zu sein.

Der männliche Mensch verstummte plötzlich, als hätte ihn mein leises Winseln gestört, und ich spürte, wie er sich etwas bewegte. Sofort öffnete ich meine Augen, nur um direkt in seine Augen zu sehen. Er sah mich so ungläubig und starr an, als würde er mich für eine Illusion halten. Ein Machtwerk seiner bitterlichen Wünsche, nach dieser er sich in diesem Moment sehnte.

Ich blickte ihm einfach mit großen, einfühlsamen Augen an, ohne mich vor seiner Reaktion zu fürchten. Ohne um mein Leben zu bangen, weil ich vertraute diesem Menschen, dass er meine kleine, schwache Zerbrechlichkeit nicht verletzen würde und dass er von meiner Unschuld aus spüren würde, dass ich nur für ihn da sein wollte. Nicht mehr, nicht weniger.

Er blinzelte, um dieser Illusion offensichtlich zu entkommen, und ein Regentropfen landete direkt auf meiner Schnauze. Ich zuckte nicht, sah ihn weiter an und hoffte, mein Blick aus Wehmut und doch Sänfte würde ihn mehr sagen können als Wörter.

„Wieso kommst du mir so nahe? Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, sich vor Menschen fernzuhalten?“, fragte er irritiert und legte das weiße Ding samt Stock zur Seite. „Ich könnte ein Jäger sein. Ist dir das überhaupt bewusst, Kleiner?“

Als Antwort presste ich meinen Kopf enger gegen ihn und schloss bei seiner schönen Wärme die Augen, da sie mich so ruhig umschmeichelte, wie ein Zeichen, als gäbe es nichts, wovor ich mich fürchten müsste. Es wäre mir egal, wäre er ein Jäger. Erschreckend, aber die Wahrheit.

„Anscheinend ist es dir egal.“ Er hörte sich überrascht an, aber irgendwie auch froh. „Aber dafür scheint es dir nicht egal zu sein, dass ich weine, hm? Du bist wirklich ein süßer Fuchs.“

Diesmal öffnete ich meine Augenlider, um ihn intensiv anzusehen, und seine tiefbraunen Augen funkelten etwas, als würde er sich freuen. Seine Worte waren richtig gewesen. Er hatte meine Körpersprache genau richtig aufgenommen sowie ich es gehofft hatte. Es war schön, zu sehen, dass wir offenbar keine Wörter brauchten, um uns zu verständigen.

„Willst du wissen, warum ich weine?“ Meine Augen wurden größer, als er das fragte, auch wenn der Schmerz in seiner Stimme schrecklich war. Doch meine Neugierde brachte Sänfte in sein hübsches Gesicht. „Hörst du mir denn zu, wenn ich es tue?“

Um ihn darauf zu antworten, legte ich meine linke Pfote auf seinen Schoß und sah ihn entschlossen an. Er lachte knapp, aber es klang nicht so ehrlich und irgendwie schien er daran zu ersticken, weil er sein Blick von mir abwandte, um in die Ferne zu sehen. Seine Augen funkelten zwar wieder, doch auf eine traurige und einsame Weise. Er schien sich selbst verloren zu haben. Irgendwo zwischen den Sternen und dem Wald, nahm ich an.

Seine nächsten Worte hörten sich vollkommen verloren an, gefüllt mit erdrückender Trauer und einem Hauch von Selbstmitleid. „Kibum meinte ja, ich solle mit jemand darüber reden. Aber er hat nicht gesagt, mit wem oder was. Vielleicht hat er gehofft, dass er derjenige wäre, aber er versteht mich immer noch nicht. Aber vielleicht versteht mich dieser kleine Fuchs“, flüsterte er, dann wandte er seinen verlorenen Blick zu mir zurück und da traf ich auf die Hoffnung in seinen Augen. Ich erwiderte seinen Blick traurig und drückte meine Schnauze gegen seine Pfote, die er auf seinen Schoß legte.

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