22.Der Mann auf dem Hügel
Samuels Umarmung war fest und warm, als würde man fest in eine Daunendecke gewickelt werden.
Es war ein seltsames Gefühl ihn so nah zu haben und zu wissen das man in zwei Tagen wieder Millionen von Seemeilen getrennt sein würde. Er klopfte ihm auf die Schulter. „Wir werden uns wiedersehen" Sebastian grinste. „Hoffentlich nicht am Galgen" Das Lächeln seines Bruders fiel und seine Miene wurde grimmig. „Darüber macht man keine Witze"
Aber Sebastian lachte nur. „Wenn man so lebt wie ich muss man darüber Witze machen" Damit schubste er seinen Bruder die Planke hinab. „Nun scher dich weg" Samuel winkte. „Bis bald Bruder" „Bis bald. Und wehe dir ich höre das du Selenia gegen ihren Willen verheiratest!" Samuel nickte, so wie Sebastian damals auf die Frage eines Lehrers genickt hatte und ging von Dannen, auf die kleine Stadt zu die sich hinter den Hügeln und Bergen abzeichnete.
Sebastian seufzte und wandte sich herum.
Die Holländer saßen an Deck, die Hände gefesselt und die Münder geknebelt. Er straffte die Schultern und war wieder von dem wunderbaren Gefühl den sein neuer Mantel mit sich brachte, berauscht. Er schaute sich um. Carlos, Harry und Tippins warteten, die Brauen erwartungsvoll gehoben. Sebastian nickte ihnen zu dann schaute er zu James. Jener stand auf der Schiffsbrücke, das Fernrohr an das rechte Auge gedrückt. Es war wohl noch kein Zeichen von ihrem Vermittler zu sehen. Dann, eine kleine Handbewegung James'.
Sebastian schaute selbst hinauf. Ein Mann war auf einem der Hügel erschienen und machte mit einem Winken auf sich aufmerksam. Sebastian atmete tief durch. Er musste nicht nervös sein, es war alles in Ordnung. Seine und James Blicke begegneten sich und plötzlich spürte er einen Wall von Selbstbewusstsein in sich aufkeimen. Er richtete seinen Kragen und nickte seinen drei Begleitern zu.
„Auf auf"
Sie zogen die Holländer hoch und bugsierten sie über die Planke, über die Wiese, den Hügel hinauf. Der Mann der dort wartete war fein angezogen und sprach akzentfreies Englisch. „Folgen sie mir bitte, ich werde sie nun zu dem Unterhändler der Familien führen" Sebastian nickte und tat was er sagte, die Hand jedoch noch immer auf dem Griff seines Säbels. Es war nie falsch misstrauisch zu sein auch wenn James versprochen hatte dass sein Kontaktmann oft bewiesen hatte wie vertrauenswürdig er war.
Doch sein Misstrauen wurde bald von der wunderschönen Aussicht getrübt. Das Grass war so grün das es zu schreien schien: „Hier! Sieh mich an!" Es war so grell und voller Farbe das es Sebastian ab und zu in den Augen schmerzte. Und dann die Blumen. Auch so grell und hell und bunt. Es waren mehr Farben dabei als Sebastian kannte und mehr Formen als die die ein englischer Lehrer ihm je hätte lehren können. Es war so viel und so schön das er seine Skepsis und sein Misstrauen vergaß.
Auch seine Begleiter wurden ruhiger. Ihre Schritte leichter, die Köpfe höher gehalten. Sebastian ging sogar soweit die Gefangenen zu entknebeln damit sie sich unterhalten konnten. Jedoch ließ er Tippins auf holländisch erklären dass, falls jemand schreien sollte, sie alle sterben würden.
Die Holländer schrien nicht.
Sebastians Misstrauen meldete sich erst wieder als ihr Führer stehen blieb und weit und breit nichts von einem Unterhändler zusehen war. Er wurde wieder nervös und legte die Hand wieder an den Säbelgriff.
„Sie müssten jeden Augenblick hier sein" „Sie ?" „Ja der Mann nimmt ein paar Begleiter mit, wie sie. Er hat ein wenig Angst, verstehen sie" Sebastian antwortete nicht. Er hatte den Kiefer hart zusammen gepresst und die Stirn in Falten gelegt. Sein steinharter Blick war auf das gegenüberliegende Waldstück gelegt.
Die Zeit verstrich und nach wenigen Momenten traten vier Männer hervor. Sie sahen ihren Gefangenen ähnlich, hatten dunkelblonde Haare, dunkle Augen und krausige Bärte. Auch ihre Kleidung war ähnlich.
Sebastian begrüßte sie mit einem knappen Nicken. „Englisch ?", fragte er woraufhin einer der Männer vortrat. „Ja kaum", sagte er. Sebastian seufzte. Er würde damit vorlieb nehmen müssen denn Tippens holländisch war längst nicht fließend wie er auf dem Hinweg erklärt hatte. „Wo ist das Gold ?", fragte er. Die Holländer schauten verwirrt. Sebastian seufzte. „G-O-L-D. Glänzend. Schön. Geld. Tippens was heißt Gel-" Doch die Holländer hatten verstanden. Sie förderten eine Art Seemeutel zu Tage und öffneten ihn. Edel leuchtendes Gelb funkelte ihnen entgegen. Sebastian lugte hinein. Es waren drei Stück, genauso viel wie sie gefordert hatten.
„Wir werden sie schnell austauschen. Ihr gebt uns die Barren und wir lassen sie frei" Der Anführer runzelte die Stirn und begann in erzürntem Ton drauf los zu schimpfen. Sebastian schaute überfordert zu Tippens der sofort für ihn übersetzte. „Er meint darauf könnte man sich nicht verlassen" Sebastian verdrehte die Augen. „Sag ihm das ist der beste Deal den er bekommt" Tippens sprach einige röchelnd und hohl klingende Worte. Der Anführer schüttelte den Kopf, nuschelte etwas unverständliches und zog seine Begleiter heran.
Wieder verstrichen einige Momente bis sie sich herum wandten und wieder mit Tippens redeten. Die Brust nun stolz nach vorn gestreckt. „Sie schlagen vor, sie Stück für Stück auszutauschen... Also sie geben uns einen Goldbarren und wir lassen einen frei" Sebastian nickte. „Gut, gut dann so, Ist mir Recht" Seine Geduld neigte sich dem Ende. Sie waren zu spät, sie verzögerten den Austausch und überhaupt schienen sie ihm ein unangenehmes Volk zu sein.
Sie hatten sich geeinigt. Sebastian ließ sich von Harry einen der Gefangenen geben. Der Anführer der Holländer trat einen Schritt auf ihn zu, einen Barren in der Hand. Sie sahen sich tief in die Augen, das Misstrauen und die Skepsis spiegelten sich. Die Spannung knisterte in der Luft, beraubte sie ihres ganzen Sauerstoffes.
Und dann ging alles ganz schnell.
Sebastian wurde zurück gerissen, das Gefühl des Erstickens schlug über ihm zusammen. Dann, ein eisiges Messer an seiner Kehle. Er griff nach seinem Säbel doch der war nicht an seiner Seite. Sein ganzer Gürtel war nicht an seiner Seite sondern lag in dem Gras. Panisch schaute er sich um. Carlos, Harry und Tippens schauten beunruhigt zu ihm und seinem Geiselnehmer. „Keinen Mucks. Oder der hier stirbt", sagte der Führer bedrohlich, sich mit mit Sebastian auf die Seite der Holländer bewegend. Eine Gänsehaut überzog Sebastians gesamten Körper. Das war eine Falle. Eine verdammte, riesige Falle!
„Hoch lebe Willhelm der Dritte!", rief einer höhnisch, und begann zusätzlich ein holländisches Kriegslied zu trällern in das die anderen schnell miteinstiegen.
Harry, Tippens und Carlos sahen diese Ablenkung als die Möglichkeit sich zu retten. Ohne einen Blick zurück zu werfen rannten sie als würde es um ihr Leben gehen, denn das tat es. Sebastian nutzte nun diese Ablenkung: Er warf den Kopf zurück und brachte seinen Geiselnehmer damit dazu das Messer von seiner Kehle zu nehmen. Er ergriff diese Chance und nahm nun auch die Beine in die Hand, die eigenen Gefangenen und das Gold vollkommen vergessen.
Auf dem Hinweg war ihm dieses Gras und die Blumen idyllisch vorgekommen doch jetzt schien es wie ein einziges, riesiges Hindernis. Der Wind schnitt ihm kalt in die Wangen und ließ seinen Mantel flattern. Die bunten Farben begannen unter ihm zu einem unübersichtlichen, beängstigenden Meer zu verschwimmen und noch mehr Panik und Angst machten sich in ihm breit. Vielleicht war das der Grund dafür das er nicht bemerkte dass es nun abwärts ging. Er trat in's Leere, verhedderte seine Füße und fiel ihn.
Er wollte sich aufrappeln, weiter laufen, zurück zu James, in seine beschützenden Arme, aber es war zu spät. Einer der drei Holländer zog ihn grob am Kragen hoch. „Nicht mehr weglaufen!", flüsterte er in sein Ohr, ihm einen Revolver in den Rücken drückend. Sebastian schloss die Augen.
Zu spät.
_..._
Als Harry auf dem Hügel auftauchte drehte sich James Magen um. Das war ein schlechtes Zeichen, ein sehr, sehr schlechtes. Gekonnt kletterte er die Strickleiter hinunter und rannte seinem Matrosen entgegen. Bei ihm angekommen musste Harry ersteinmal zu Atem kommen. Es schien als sei er mehrere Meilen in diesem Tempo gelaufen.
„Was ist passiert?! Wo ist Sebastian?! Und das Gold?!" Harry holte tief Luft. „Es war eine Falle! Diese Leute wurden vom holländischen König geschickt! Der Reiseführer war ein Verräter! Sie wollten uns gefangen nehmen aber ich konnte fliehen, die anderen...nicht" Er sank in das Gras während James Blick leer wurde. Benommen schaute er auf den Hügel, Sebastians lächelndes Gesicht vor Augen. Eine heiße, zerstörerische Flamme explodierte in James. Mit einem wütenden Aufschrei warf er seinen Dolch in das Gras dirket neben Harrys Hand.
Er fuhr herum, der rubinrote Mantel hinter ihm durch die Luft schneidend.
„Das werden diese dreckigen Holländer bereuen!"
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
hehe
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top