1.Vergib mir Vater ich habe gesündigt
Er knallte seinen Becher auf den morschen Thresen. Man hörte es kaum. Draußen wütete ein Sturm und die Wände dieser Taverne waren nicht besonders dick.
„Noch mal aufüllen, bitte" Das junge Mädchen reichte ihm gleich die ganze Flasche und lächelte entschuldigend. „Tut mir Leid, es ist heute so viel los", sie zuckte mit den Achseln und verschwand zwischen den Tischen um dort die Bierkrüge aufzufüllen. Kurz sah er ihr nach. Sie war noch viel zu jung für diese Art von Arbeit und zusätzlich zu schön. Seufzend nahm er einen Schluck aus der noch halbvollen Schnapsflasche.
Diese Welt war doch verflucht.
Betrunkene Seemänner sangen und prügelten sich hinter ihm, aber er hörte es kaum. Es war als wäre er hunderte Meilen davon entfernt. Seine Gedanken beschäftigten sich mit seinem momentan größtem Problem. Er brauchte neue Vorräte. Sie waren sehr knapp und das Geld um neues zu erwerben ganz besonders. Und seine Investoren wollten ihm kein neues geben... Seine Mannschaft war dazu noch sehr unzufrieden. Sie hatten schon länger keinen Piraten mehr gefasst. So wie es im Moment aussah würde er von seinen Männern bald abgesetzt werden.
Er wollte gerade einen weiteren Schluck nehmen als jemand ihn mit dem Ellenbogen anstieß. Mit hochgezogener Braue, und einem wütenden Wort auf der Zunge sah er auf.
Doch seine ernste Miene legte sich wieder schnell.
„Mister Hawkins, Sie grinsen so breit, was ist geschehen?"
„Gerüchte, Käpt'n Gerüchte" Er zwinkerte und beugte sich ein wenig vor. „Ich war im Brothel und -" „Zu viel des Guten mein Lieber" Sein Quartiermeister lachte, fing sich jedoch relativ schnell wieder um die Geschichte weiter zu erzählen. „Eine der Huren erzählte mir von einem Piraten der vor einigen Tagen bei ihr war. Sie hatte ihn gefragt unter wem er segelte und er hat gesagt;"
Mister Hawkins schaute ihn mit leuchtenden Augen an und machte eine Kunstpause.
„Unter James Moriarty"
Der Kapitän Moran sprang von seinem Hocker. „Was?!" Der rundliche Mann nickte. „Ja! Er meinte sie würden sich bald wieder nach New Providence aufmachen, der Käpt'n wolle das Schiff überholen lassen" „Das ist großartig, Hawkins, großartig!" „Also brechen wir auf ?", fragte er gespannt, die Hände unruhig auf dem morschen Holz der Theke. Sein Kapitän wollte schon begeistert „Morgen bei Sonnenaufgang", rufen doch das Problem mit den Vorräten kam ihm wieder in Erinnerung.
„Ich fürchte wir werden uns erst Vorräte beschaffen müssen" Hawkins sprang nun auch von seinem Hocker. Er war ungewohnt gelenkig für einen Mann seiner Statur. „Ich werde sehen was ich tuen kann" Moran nickte ihm zu. „Sehr gut. Und fragen Sie auch die anderen, vielleicht hat jemand einen hilfreichen Einfall"
Mister Hawkins salutierte. „Aye, aye, Käpt'n Moran"
_..._
„Und du bist dir sicher das sie deine Cousine ist ?" Robbie schob die Hände in die Taschen seiner ausgeleierten Leinenhose welche er bis zu den Knien hochgeschoben hatte. Es war warm heute, nichts wies noch auf den gestrigen Sturm hin. In die Sonne blinzelnd sah er auf. „Ich glaube ja, Sir"
Moran widerstand dem Drang die Augen zu verdrehen.
„Dran glauben musst du wenn die Engel dich holen vorher weißt du nur Dinge", sagte Mister Hawkins, die Hände in die Seite gestemmt. Robbie senkte den Blick auf den sauberen Gehweg auf dem sie standen. Einige ältere Damen auf der anderen Straßenseite beäugten sie unter ihrem Sonnenschirm hervor, interessiert. Nicht alle Tage standen ein Piratenjäger und zwei Mitglieder seiner Mannschaft in ihrer Straße. Sie fragten sich was sie wohl hier zu suchen hatten...
„Ich kann es doch mal versuchen... Oder haben wir eine andere Möglichkeit?" Herausfordernd sah er die beiden Älteren an die einen Blick tauschten.
Der Kapitän klopfte dem Jungen väterlich auf die Schulter. „Versuch' das Beste 'raus zu schlagen" Robbie nickte und wandte sich zu der weißen Villa.
Als er noch bei seiner Familie lebte hatte er oft mitbekommen wie sein Vater über seine Cousine Arabella, sprach. Sie hatte wohl einen Seemann namens Jack geheiratet und sich in North Carolina niedergelassen. Sein Vater hatte das missbilligt. Wahrscheinlich hatte Robbie's Schwester es ihrer Cousine deswegen gleich getan und hatte einen armen Mann aus Amerika geheiratet. Soweit Robbie wusste lebte sie in einem kleinen Dorf hundert Meilen von New York entfernt. Er hatte sie schon länger besuchen wollen, doch es ergab sich nie eine Gelegenheit.
Robbie hoffte das der Junge von der Besatzung der ‚Arabella' Recht hatte.
„Och das. Er hat das Schiff wohl nach seiner Frau benannt. Sehr nette Dame. Einer der Sklaven meinte mal das es ihre Idee mit dem Lebensmittelhandel war, aber was weiß ich schon... Wo sie wohnen? Na du stellst Fragen... Wenn du wissen willst ob sie wohlhabend sind; ja das sind sie ganz bestimmt. Bin hier aufgewachsen als die hierher kamen, haben sich sofort ein Haus in der Marble Street gekauft, sehr kostenschwer dort drüben. Die alle mit ihren weißen Villen... Der alte Herr hat mal was von geerbt geredet als mein Kumpel Henry ihn gefragt hat, aber was weiß ich..." Damit war er zurück an Bord gegangen um die restliche Ladung zu löschen.
Robbie war sich nicht sicher ob es seine Arabella mit den wilden Locken und großen Augen war, die in der Taverne ihres Vaters gearbeitet hatte bis sie mit besagtem Seemann durchgebrannt war oder eine andere Frau, doch einen Versuch war es seiner Meinung nach Wert. Wenn sie es nicht war konnte sie nichts schlimmeres tun als nach ihm zu treten und ihn als Taugenichts zu beschimpfen.
Höflich klopfte er.
Nun wurde ihm doch ein wenig schwummerig. Er wollte schon zurück gehen doch da hörte er schon schnelle Schritte von drinnen. „Ja ?"
Er konnte sie nur anstarren. Sie sah aus wie eine richtige Madame. Vornehm, mit Korsett und Kleid mit Über-und Unterrock. Er hatte nicht viel Ahnung von Mode aber wenn er sich nicht täuschte trug sie Brokat auf ihrem Kleid. Sie war gepudert und ihre kastanienfarbenen Locken waren zu einer kusntvollen Frisur geflochten in der er echte Perlen schimmern sehen konnte.
„Robert?" Er lächelte sein bestes Zahnlückenlächeln wovon seine Mutter immerzu geschwärmt hatte.
„Oh Robbie!" Schon wurde er in ihre Arme gezogen. Sie hatte Kraft und davon eine ganze Menge. Er fragte sich ob das alle richtigen Ladys hatten.
Eilig und mit begeistertem Gebrabbel schloss sie die Tür hinter ihm.
Sebastian Moran und Mister Hawkins sahen dem Jungen sorgenvoll nach. Er war nicht der charmanteste an Bord und riskierte oft eine dicke Lippe. Außerdem hatte er grauenvolle Manieren.
„Ich frage mich wie jemand wie er mit einer Dame verwandt sein kann die hier lebt", überlegte Hawkins laut, um sich auf die vornehme Gegend deutend. „Auch mit einem ehemaligen Seemann, mir kommt das doch ein wenig spanisch vor", fügte Moran hinzu, die Damen auf der gegenüberliegenden Straßenseite misstrauisch musternd. „Hoffen wir mal das wir auch so enden wie er" Moran nickte. „Wenn wir Moriarty erstmal in unserer Gewalt haben sind wir reich, das versichere ich Euch"
Hawkins schaute zu ihm auf und sah den Blick seines Kapitäns.
Er war dunkel und in die Ferne gerichtet. Ein kalter Schauer lief seinen Rücken hinunter. So hatte er den Mann noch nie gesehen. Er wusste das Moriarty ein großer Fisch war, vielleicht sogar der größte der sieben Weltmeere, doch dieser Blick ließ nicht auf Geld oder Stolz deuten. Er zeugte von Hass, purem Hass. Hawkins senkte den Blick. Aber woher kam dieser Hass ?
„Oh Jack, sieh' wer uns besuchen kommt! Mein Cousin Robbie!", rief Arabella in den mit Bildern behängten Korridorr hinunter. „Oh ihr werdet euch ganz wunderbar verstehen, Jack ist auch so ein amüsanter Geselle wie du" Sie schaute auf und erblickte ihren Mann wie er durch die Tür ihres Wohnzimmers trat. Es erinnerte sie an die dunkele Gewitternacht in der sie sich kennengelernt hatten.
Auch Robbie hob den Blick. Der Mann war eindrucksvoll.
Groß und schlank, jedoch nicht mager sondern stattlich. Er trug Hemd, Kniebundhosen, Schnallenschuhe und an jedem Finger mindestens einen Ring. Seine dunklen Haare waren ordentlich mit einer Samtschleife im Nacken zusammengebunden. Das einzige was auf einen ehemaligen Seemann hinwies war sein wettergegerbtes Gesicht und sein gebräunter Hautton.
Robbie wollte augenblicklich so sein wie er.
Jack Sawyer lächelte und Robbie konnte einige Goldzähne sehen.
„Ich wusste gar nicht das du einen Cousin hast" Arabella lachte und schob Robbie vorwärts in Richtung ihres Mannes. „Ehrlich gesagt hab ich ihn selbst ganz vergessen, bis er gerade vor der Tür stand"
Sie wuschelte ihm durch die Haare.
„Du bist ja so groß geworden!"
Breit lächelnd stolzierte Robbie zwei Stunden später aus der Tür der weißen Villa.
Sowohl Kapitän Moran als auch Mister Hawkins standen an derselben Stelle wie zuvor, als hätten sie keinen Fuß bewegt. Fragend schauten sie ihn an.
„Er wird gleich einen Boten senden um Zwieback, Fleisch, Bier und Rum in Fässer zu verstauen" Hawkins schlug dem Jungen auf den Rücken. „Du bist'n guter Junge Robbie!"
Auch der Kapitän nickte anerkennend. „Gut gemacht"
_..._
Zufrieden beobachtete Moran wie seine Männer die Vorräte die Robbie's Cousine ihnen geschickt hatte an Deck verstauten. Es würde haargenau in den Laderaum der Ambrosia passen, das hatte er seinen Finanzmeister ausrechnen lassen. „Wir sind fast fertig Käpt'n", meldete Nicholas, eine breite Kiste mit Zwieback auf den Armen. Moran richtete seinen Hut und nickte. „Gut, dann mögen wir noch heute in See stechen" Nicholas strahlte und ging weiter. Dieser Tag wurde immer besser.
Es war nun erst einen Tag her das sie vor der Villa gestanden hatten. Swayer's Bote war schnell gelaufen und die Lagermänner ebenfalls.
Er wandte sich Hawkins zu. „Weißt du bis wann Moriarty hier war ?" „Nun ja angelegt hat er hier ja nicht also..." Moran schnaubte. „Würde mich aber auch interessieren wie er das gemacht hätte...Nun sag schon! Weißt du etwas darüber?" „Ich vermute zwei Tage vor unserer Ankunft Sir", gab Hawkins nüchtern zu. Moran fluchte. „Wir müssen ihn noch erwischen bevor er anlegt!" „Ich weiß Käpt'n wenn wir noch heute los segeln schaffen wir es auch!", sagte sein Quartiermeister hastig, seine Nervösität offen darlegend. Sein Kapitän funkelte ihn an. „Wenn das Wetter mitspielt" Wütend starrte er hinauf in die Wolken. „Aber ich habe das Gefühl das Gott mir die letzten Tage nicht gut gesinnt ist. Vielleicht sollte ich eine Kirche aufsuchen..."
Hawkins sah sich unauffällig um. „Nun jetzt wäre die beste Zeit dafür denke ich" Einen Augenblick überlegte Moran noch, dann verabschiedete er sich.
Er war nicht die gläubigste Seele auf dieser Erde doch wenn er verzweifelt war suchte er doch des öfteren den Glauben.
Schnellen Schrittes eilte er durch die Stadt bis er die Kirche fand. Ironischer Weise stand diese einem Brothel gegenüber. Er hielt einen Moment inne bevor er das Gotteshaus betrat. Überlegte ob er es überhaupt noch betreten konnte, nach alldem was er getan hatte.
Dann schüttelte er den Kopf.
Gott würde jedem verzeihen.
Langsam drückte er die Klinke. Schleppend und schleifend öffnete sich die Tür. Es waren nicht viele anwesend. Nur drei alte Frauen in schwarzen Gewändern die eine vierte trösteten und einige Kinder die sich die Statuen ansahen. Leise kniete Sebastian sich in die letzte Reihe. Ganz außen an die kalte Steinmauer.
„Parce mihi Pater quia peccavi der deus", murmelte er, die Hände gefaltet, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen.
„Vergebe mir für meine schlechten Gedanken, meine grausamen Taten und meinen Gelüsten denen ich nachgab. Vergib mir all das Leid was ich verbreite, all die Tränen die ich beschwor und all die Flüche die ich sprach" Er sank noch ein wenig weiter in sich zusammen. „Vergib mir all die Tode Unschuldiger die ich auf meinem Rücken trage und vergib mir all die Morde die ich beging"
„Ich habe eine aufregende Fahrt hinter mir und eine noch aufregendere vor mir, jedoch scheint es als ob du oder das Schicksal uns nicht gesühnt seid. Meine Männer brauchen das Geld und ich ebenso. Sie sind nicht immer stark doch sie haben ein gutes Herz. Uns verfolgt das Pech und der Teufel sucht uns heim, doch Moriarty verdient es so schnell wie möglich die Hölle zu betreten und ich wäre glücklich darüber ihm dafür meine Hand zu reichen" Sebastian schaute hinauf zu der hohen Decke.
Jesus sah auf ihn herab.
„So bitte ich dich um Beistand und gutes Geleit"
NOTES:
wordcount; 2003
Updates immer Freitags <3
Thoughts?
XoXo
-Mavis
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