[03]
Jisung PoV
Ich war viel zu perplex, um irgendetwas zu erwidern. Prinz Lee Minho hatte mich gerade zum Tanzen aufgefordert. Das war definitiv nicht mit eingeplant bei den unzähligen möglichen Abweichungen von Plan, auf die ich mich mental vorbereitet hatte.
"Ich bin kein guter Tänzer.", brachte ich stotternd hervor, ehe ich noch ein schnelles "Ihre Majestät." an meinen Satz hängte. Immerhin wollte ich nicht respektlos wirken, auch wenn ich der Familie, die ihr Königreich hungern ließ, nicht gerade viel Respekt entgegen bringen konnte.
"Ach, was. Das ist alles nur eine Frage der Übung.", erwiderte er und griff nach meiner Hand, um mich auf die Tanzfläche zu ziehen.
Das hier lief definitiv nicht nach Plan.
Er zeigte mir einmal die Schritte, bevor wir zusammen zu tanzen begannen. Ich spürte seine eine Hand an meiner Hüfte und seine andere in meiner, während wir uns mehr oder weniger rhythmisch und elegant durch den Saal bewegten.
"Siehst du, du kannst es doch.", lächelte er und brachte mich damit erneut kurz aus dem Konzept, weshalb ich ihm versehentlich fast auf den Fuß trat.
"Da wäre ich mir nicht ganz so sicher.", erwiderte ich. Es war mir ein wenig peinlich, dass ich so schlecht tanzte, aber andererseits machte es mir irgendwie auch Spaß und ich begann langsam in den Schritten und der Musik zu versinken.
"Kennen wir uns eigentlich bereits?", fragte er. Ich war also nicht der einzige von uns, der sich as gefragt hatte. "Du kommst mir sehr bekannt vor."
"Nicht, dass ich wüsste. Möglicherweise haben wir uns bei einem vorherigen Ball bereits gesehen?"
"Das mag sein. Ich bin jedenfalls Minho.", stellte er sich vor und schenkte mir dabei ein breites Lächeln.
Die Erkenntnis traf mich wie ein Blitz, als auf einmal das Bild eines kleinen Jungen in meinen Erinnerungen auftauchte, der sich mir mit genau dem gleichen Lächeln vorstellte. Das durfte nicht wahr sein... Wie dämlich musste ich denn sein, dass ich es nicht gleich realisiert hatte? Wir hatten uns als Kinder gekannt. Sein Kindermädchen hatte ihn manchmal mit in die Stadt genommen, wenn Markt war, und dabei hatten wir uns getroffen. Mit der Zeit hatten wir uns angefreundet und jedes Mal nacheinander Ausschau gehalten. Er hatte mir sogar beigebracht, wie man tanzte. Anscheinend war es bei Hofe wichtig, dass man das bereits mit 10 Jahren beherrschte.
Doch eines Tages war er nicht mehr gekommen. Ich hatte den ganzen Markt unzählige Male nach ihm abgesucht. Etliche Monate waren vergangen, bevor ich die Suche nach ihm aufgegeben hatte. Und jetzt war er wieder direkt vor meiner Nase, brachte mir das Tanzen ein zweites Mal bei und hatte mich anscheinend genauso vergessen, wie ich ihn aus meinen Erinnerungen verdrängt hatte.
In diesem Moment kam alles wieder hoch. Enttäuschung, Wut, Trauer, Einsamkeit und die unbeantwortete Frage, warum er mich in besagten Herbst verlassen hatte und nie wieder zurückgekehrt war, stürzten auf mich ein und schienen auf meine Brust zu drücken und mir den Atem zu nehmen. Ich spürte, wie sich Tränen in meinen Augen bildeten. Auf einmal fühlte ich mich nicht mehr wie das Genie, dass gerade dabei, die königliche Schatzkammer leer zu räumen und endlich der Armut ein Ende zu setzen, sondern wie das kleine Kind, dass am Ende des Markttages alleine nach Hause gegangen war, ohne den einzigen Freund zu sehen, den ich gefunden hatte.
"Tschuldige.", murmelte ich und löste mich von ihm. Er sollte nicht merken, was los war. Er sollte nicht wissen, wer ich war und er sollte gar nicht erst versuchen, mir zu erklären, was damals vorgefallen war.
Ich wollte eigentlich Richtung Eingang rennen, einfach nur hier weg und hoffen, dass Changbin und Felix das hier schon überstehen würden, doch genau in dem Moment sah ich die Wachen den Ballsaal verlassen. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
Die Panik ließ meine anderen Gefühle in den Hintergrund rücken. Ich musste schnell handeln, damit den beiden anderen nichts geschah. Dafür war ich schließlich hier.
Ich zog flink einen Dolch aus meinem Hosenbund, den ich extra zuvor hinter meinem Rücken positioniert hatte, in der Hoffnung, dass man ihn unter meinem Umhang nicht sehen würde, griff Minho und zog ihn an mich, nur um ihm den Dolch an die Kehle zu halten.
"Niemand geht hier irgendwo hin!", rief ich durch den Saal und versuchte dabei so zu klingen,, als wüsste ich nicht, dass den Prinzen als meine Geisel zu benutzen, nicht sonderlich gut für mich enden würde. Aber so war es vielleicht möglich, dass die anderen beiden zumindest mit einem Teil der beute hier rauskamen und mich später befreien konnten. Falls ich nicht vorher öffentlich hingerichtet werden würde.
"Sobald sich auch nur einer von euch bewegt, war's das mit eurem geliebten Prinzen und Thronfolger.", drohte ich und spürte, wie Minho sich gegen meinen Griff wehrte.
"Das gilt auch für dich.", ergänzte ich und drückte langsam die Klinge an seinen Hals, bis ich ein wenig Blut sah und ihn vor Schmerz aufzischen hörte. Dann stoppte ich. Das Bisschen musste reichen, um zu zeigen, dass ich es ernst meinte. Könnte ich überhaupt tiefer gehen? Immerhin war er mir immer noch irgendwie wichtig. Ich konnte doch nicht den ersten Freund töten, den ich jemals gefunden hatte. Auch wenn die Dinge heute anders standen als damals, war er doch immer noch ein teil von mir. Immerhin war es kein Zufall gewesen, dass er mich zum Tanzen aufgefordert hatte. Er hatte mich erkannt. Auch wenn er nicht wusste, wer ich wirklich war, hatte er jemanden gesehen, den er kannte und der ihm einmal wichtig gewesen war.
Unbewusst lockerte ich meinen Griff, was Minho natürlich sofort merkte und für sich nutzte, um sich zu befreien. Noch bevor ich mich wehren konnte, hatte er mich auch schon zu Boden gedrückt. Anscheinend hatte man ihm im jungen Alter nicht nur das Tanzen beigebracht, sondern auch Selbstverteidigung.
"So endet es also, alter Freund.", brachte ich hervor, bevor die Wachen hinüber gelaufen kamen und mich wegbrachten. Ein letztes Mal konnte ich noch in Minhos Gesicht sehen, ehe ich weggebracht wurde. Schock war ihm ins Gesicht geschrieben und alles, was ich mich fragen konnte, war, ob er mich erkannt hatte oder ob er sich den Rest seines Leben fragen würde, was aus dem kleinen Jungen geworden war, den er damals kannte.
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"When I return, I'll look for you, so listen for your name. If you can make it out above the roaring of the flames." - Bad Omens, 'Kingdom of Cards'
Ich habe endlich einen Laptop und musste einfach einmal ausprobieren, wie gut es sich hier drauf schreiben lässt. Die Antwort lautet: deutlich besser als auf meinem Handy xD Es kann aber sehr gut sein, dass dadurch die Formatierung etwas anders aussieht (mehr lange Blöcke Text), weil es auf dem Laptop alles breiter gezogen ist und dadurch nach weniger aussieht als auf dem Handy.
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