9|Escort-Service: Callie Jones

"Ich verstehe nicht ganz. Das musst du mir genauer erklären."

"Wenn du mich ausnutzt, fühle ich mich nicht so schlecht, dich auszunutzen." 
"Das verstehe ich schon, du Nuss. Aber Nummer eins, ich hatte noch nie, und habe auch nicht plötzlich das Bedürfnis dich für irgendetwas zu nutzen. Den Punkt habe ich ja schon mehrfach klargestellt. Und Nummer zwei, was lässt dich so sicher sein, dass ich mich ausnutzen lassen werde?"

"Es geht um Weihnachten." Verdammt, er hatte mich am Haken. 
"Ich bin ganz Ohr." Ich setzte mich zum ersten Mal seit drei Tagen gerade in einen Schneidersitz hin, auch wenn es eine Menge Kraft benötigte, die ich gar nicht wirklich besaß. Dann stützte ich meine Ellenbogen auf meine Knie und presste meine Fingerspitzen vor meinem Mund zusammen.

"Ich hatte keine Wahl. Du bist dummerweise die erste und einzige Person gewesen, die mir einfällt, wenn ich das Wort 'Weihnachtsfanatiker' höre. Ich muss glaube nicht darauf eingehen, warum." Theoretisch nicht, da ich durchaus der perfekte Beispielmensch für diese Bezeichnung war. Ich verstand bloß nicht ganz, wieso er überhaupt einen Beispielmenschen brauchte.

Coda schien einzusehen, dass er mit der ganzen Wahrheit rausrücken müsste, damit ich ihn nicht mit letzter Kraft aus meiner Wohnung schmiss. Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und ließ sie über seinen Augen verweilen, während er detaillierter erzählte.

"Die Jungs und ich wurden zu einem Event eingeladen, was dummerweise an Weihnachten stattfindet. Ich hab keine Wahl und muss hingehen. Aber ein paar sehr wichtige Leute wollen, dass ich mit einer Begleitung auftauche und um mein Leben ganz besonders schwer zu machen, muss mein Plus One 'den Geist der Weihnacht bis in die Zehenspitzen fühlen'. Das waren ganz offensichtlich nicht meine Worte, aber das Kriterium, was erfüllt werden muss. Und da kommst du ins Spiel."

Sein Blick war nun wieder auf mich gerichtet und ich blinzelte ihn langsam an. 

"Du fragst mich also nach einem Date."

Coda riss seine Augen auf und hob abwehrend seine Hände.

»Ein Date würde ich das nicht nennen. Ich brauche dich bloß als Begleitung. Bilde dir nichts darauf ein, es ist rein geschäftlich! Super professionell und keinesfalls romantischer Herkunft!«

Ich nickte für eine lange Zeit und genoss jede Sekunde, die mein Gegenüber innerlich verschrumpelte, während ich ihn zappeln ließ.
"Keine Ahnung, wieso du so krass defensiv reagierst. Date ist nur ein Wort. Und dummerweise genau die passende Beschreibung, für die Stelle, die du mir gerade andrehen willst."

"Fein. Es wäre also ein Date, bist du jetzt zufrieden?" Coda sah mich ungeduldig an und ich grinste, auch wenn mein Kopf pochte, als würde ich mir schöne Muster in die Schädeldecke meißeln. 
"Nicht so ganz. Ich sehe noch nicht so viele Vorteile für mich."
"Es ist ein Weihnachtsevent. Ist das nicht gut genug? Und du wirst einen Haufen bekannter Leute sehen. Meine Bandmates sind auch dabei."

"Die Leute interessieren mich nicht. Und auch wenn es um Weihnachten geht, ist das nicht ausreichend, um deine charmante Gesellschaft wett zu machen. Vor allem, weil ich anhand deines riesigen Enthusiasmus schon sehen kann, dass du die ganze Veranstaltung über ein Griesgram sein wirst. Das kann ich nicht einfach umsonst auf mich nehmen. Ich brauche eine Entschädigung."

Coda sah mich genervt an, doch ich sah nur unschuldig zurück und klimperte dramatisch mit den Wimpern. 
"Deine Freundin und du seid echt gut im Bestechen. Ihr passt zusammen."

Halb lachend, halb hustend, ließ ich mich wieder in eine weniger anstrengende Position zurück fallen. 
"Du bist aber auch komischerweise echt ständig auf unsere Hilfe angewiesen." Kichernd sah ich zu, wie der Drummer seine Zähne zusammenbiss und sich frustriert gegen den Oberschenkel boxte. 
"Was willst du denn haben, damit du mitkommst?"

Summend ließ ich mir seine Frage durch den Kopf gehen. Zum Teil war es auch ein bisschen Show. Wenn ich ehrlich war, hätte ich sofort zugesagt. Aber Coda hatte es meiner Meinung nach gar nicht verdient, dass ich mich so leicht seinem Willen unterwarf. Außerdem würde ihm auch nicht direkt ein Zacken aus der Krone brechen, wenn er mich für meine Dienste bezahlte. 

"Mhh, lass mich überlegen. Du willst mich also als Escort-Dame buchen... das wird nicht billig." 
"Bitte sag das nicht so!" Entsetzt schaute mich Coda an.
"Du hast selbst gesagt, dass es rein geschäftlich sein wird. Außerdem ist an diesem Beruf überhaupt nichts schlimm."

"Das sage ich auch nicht. Aber wenn du das zufälligerweise laut vor anderen aussprichst, dann schadet das nicht nur meinem Ruf, das wäre auch gegen die Regeln." Ich war wirklich neugierig, welche einflussreiche Person diese 'Regeln' aufgestellt hatte. Vor allem, da sich Coda ja sehr daran halten wollte, obwohl er doch so ein guter Regelbrecher war. Aber das könnte ich auch noch einen anderen Tag rausfinden. 

"Falls wir uns einig werden und du mich begleitest, dann gehen wir als... Freunde." Das Wort schien ja nicht gerade das zu sein, was Coda sonderlich gefiel. Nicht mein Problem. Es amüsierte mich schließlich schon, wenn etwas gegen seinen Strich ging. Er hatte was an sich, was meinen kleinen sadistischen Nerv kitzelte.

"Wird es was zu Essen geben? Und damit meine ich eher á la carte oder Buffet mit echtem Essen und nicht nur diese kleinen Canapés. Zum Notfall ginge das auch noch." 
"Woher soll ich das wissen? Ich organisiere das Event nicht." Coda und ich schauten uns mal wieder nicht sehr begeistert an, doch am Ende war er es, der nachgab.

"Ich werde mal nachfragen und falls es nichts gibt, was gut genug für deine ausgeprägte Palette ist, kümmre ich mich drum, dass du was ordentliches zu Essen bekommst." 
Zufrieden grinste ich und nickte.
"Sehr schön. Das klingt doch fabelhaft."

"Also ist es abgemacht. Ich lasse dir alle nötigen Informationen zukommen. Zwecks Garderobe, lasse ich dir freie Wahl, solange es Black Tie ist." Coda betrachtete mich kurz von oben bis unten und rümpfte dann die Nase. 
"Falls du nicht weißt, was das ist, schau im Internet nach." Er stutzte, und dann, nach einer weiteren kleinen Pause: "Ich schätze, du hast kein Geld für die richtige Bekleidung... lass mir einfach die Rechnung zukommen."

Coda setzte bereits an, aufzustehen, doch ich ließ mich in letzter Sekunde über das Sofa fallen und schnappte mir seinen Arm, bevor er die Flucht ergreifen konnte. In meine Decke eingepackt, lag ich nun vor dem Superstar, welcher mich misstrauisch in einer halb stehenden Position begutachtete. 

"Nicht so schnell, Mister. Das Essen ist eine reine Förmlichkeit. Das ist keinesfalls die gerechte Bezahlung! Ganz besonders dann nicht, wenn es von jemand anderem organisiert wird."

Das fiese Grinsen, welches sich nach meinen Worten auf meinem Gesicht breit machte, schien Coda leicht zu verstören und Böses ahnen lassen. Zurecht. Mir fiel just in diesem Moment die perfekte Idee ein. Sie würde nicht nur die Welt verbessen und ein scheinbar eiskaltes Schlagzeuger-Herz erwärmen. Zusätzlich könnte ich mich auch noch an dem Wissen laben, dass Coda für meine Gesellschaft die wohl schwerste Aufgabe seines Lebens meistern musste.

»Ich hab's! Es ist nur fair, das von dir zu verlangen, wenn ich mich einen Tag lang mit dir abgeben muss.« Ich fühlte mich, wie ein kleiner Bösewicht, als ich da rumlag und meine Decke mühselig höher um mich zog, bis ich wie eine Babuschka aussehen musste. 

»Sag schon, was es ist, damit ich weiß, ob ich mir jemand anderen suchen muss.«
»Also gut. Damit ich dich aushalten kann und du mir mein Weihnachten nicht versaust, musst du ganz typisch weihnachtliche Dinge tun. Eine To-Do-Liste abarbeiten. Ich kann dich zwar nicht zwingen, die tatsächlichen Wunder der Weihnacht ehrlich zu fühlen, aber ich bin mir auch sicher, dass du im Handumdrehen Weihnachts-Fan sein wirst, wenn man dir das richtige Rezept in die Hand drückt. Also mache ich mir da gar keine Sorgen. Falls du am Ende immer noch dazu in der Lage sein solltest, mir das Fest der Wünsche zu zerstören, dann nehme ich diese Schande auf mich.«
Coda sah mich entgeistert an und schüttelte augenblicklich seinen Kopf.

»Das kannst du vergessen. Ich suche mir jemand anderen.« Ich konnte nicht mal rechtzeitig seinen Ärmel loslassen, da rannte er auch schon aus meinem Wohnzimmer und ein paar Sekunden später aus der Haustür. Da er mich quasi halb von der Couch mitgeschleppt hatte, rollte ich mich schnaufend auf den Boden. Für einen Moment überlegte ich, ob ich mit meiner Forderung übertrieben hatte. 

Ich schüttelte den Kopf und verwarf die Idee schnell wieder. Ich konnte nichts Schlimmes bei dem Gedanken finden, die Wunder der Weihnacht zu erleben. Es gab kaum etwas, was ich nicht an dieser Jahreszeit mochte. Doch da der Superstar anscheinend doch noch andere Möglichkeiten hatte, eine Begleitung zu finden, schüttelte ich die Ereignisse der letzten halben Stunde von mir und machte mich langsam auf den Weg, zurück zum Bett.

Während ich einen kurzen Trip an der Küche vorbei machte, um mir eine Tasse Tee aus meiner Thermosflasche aufzugießen, zog ich das Taschentuch aus meiner Nase und murmelte eine Liste von Dingen, die ich demnächst in Angriff nehmen musste. 

1. Herausfinden, welcher meiner Kollegen eingeknickt war und Elena's Kontakt rausgegeben hatte. (Ich war mir ziemlich sicher, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Trevor und Tracy werden würde.)
2. Elena mit einer Socke verprügeln, weil sie nur ein bisschen Social Media Fame und ein paar lumpige Konzert Tickets erpresst hatte. 
3. Fit werden, damit ich mich auf Weihnachten konzentrieren konnte.

Mit meiner Tasse bewaffnet, schlich ich mich zurück zu meinem Bett. Ich spürte, wie mich meine schweren Glieder näher und näher unter meine Decken lockten und ich hatte keinerlei Bedürfnis, dem nicht nachzugehen. 

Mit einem lauten Ächzen, ließ ich mich in die Laken sinken, war bereit, das heute Erlebte als einen Fiebertraum abzuhaken und meine Augen kein weiteres Mal zu öffnen, bis der Kopfschmerz verblasste. 

DING DONG

Ich presste meine Augen doller zusammen.
»Nein.«

DING DONG

»Wärst du nicht weggerannt, hätten wir uns das ersparen können!« Mürrisch blinzelte ich meine Zimmerdecke an. Was hatte ich nur in meinem früheren Leben getan, um so entlohnt zu werden?

DING DONG

Mit einem wütenden Aufschrei sprang ich aus den Federn und stampfte zurück zum Eingang. Mein Ärger ließ sogar für einen Moment die Schmerzen und Müdigkeit in den Hintergrund rücken. 

Etwas aggressiver als nötig, riss ich die Tür wieder auf. Coda stand da, als hätte ich ihn zu lange draußen in der Kälte frieren lassen. Als wäre ich diejenige gewesen, die sich kindisch verhalten hatte. 
»Hast du es dir zu deiner Aufgabe gemacht, mich aus meinem Bett zu klingeln? Und falls du zurück gekommen bist, damit wir an meinem Ultimatum feilschen können, dann kannst du gleich wieder gehen.« Scheinbar bemerkte er, dass sein Verhalten nicht gerade die feine Art und Weise gewesen war. Mit einem etwas weniger angespannten Gesichtsausdruck, schob er seine Hände in die Hosentaschen und tippelte von einem Fuß zum anderen.

»Sorry. Ich wusste nicht, dass du dich sofort wieder hinlegen würdest.«

»Das machen Leute, die krank sind, normalerweise. Sich ausruhen und bestenfalls nicht aus dem Bett geklingelt werden, weil sich ein unschlüssiger Kerl nichts weiter dabei dachte.«
»Hätte ja sein können, dass du auf mich wartest, bis ich wieder zurückkomme.«, meinte er kleinlaut. Ich konnte gar nichts Ironisches darauf sagen, sondern hielt schnell meine Nase in die Luft, als ich merkte, wie sich eine kleine Schleim-Lawine in Richtung Nasenloch bewegte. Panisch klopfte ich meine Pyjama Hose nach einem Taschentuch ab und versuchte die Katastrophe nach oben zu ziehen. 

"Was soll das werden?" Ich konnte Coda's Verwirrung beinahe verstehen. Ich musste aussehen, wie ein männlicher Vogel in der Balzzeit, der seiner Auserwählten mit ein paar wilden Moves seine Überlegenheit zeigen wollte. Doch eigentlich versuchte ich nur alles, damit nicht plötzlich ein Klumpen Rotze aus meiner Nase geschossen kam.

Nicht, dass ich einen besonders guten Eindruck bei meinem Gegenüber hinterlassen wollte. Das war sowieso schon zu spät. Aber ganz so eklig, musste ich mich ja trotzdem nicht präsentieren.

»Ich suche nach einem Taschentuch.", sagte ich trocken, während ich weiter eine schlechte Variante des Schuhplattelns vorführte. Mit großer Freude, fand ich ein Überbleibsel in meinem Hosenbund und putzte mir eilig die Nase. 

"So, jetzt, wo das auch erledigt ist... Ich kaufe nichts, schönen Tag noch." Zuckersüß lächelnd, fing ich an, die Tür zu schließen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich es nur als Witz machte, kam ich sowieso nicht weit. Coda hatte blitzschnell seine Hand gegen das Holz gestemmt und sah mich empört an.

»Was soll das denn jetzt?"
"Noch nie was von Spaß gehört, was?" Grinsend machte ich die Tür wieder weiter auf und lehnte mich dagegen. "Rück schon raus. Wieso bist du zurück gekommen?"
"Ich mach's. Die To-Do-Liste." Ich zog semi-überrascht meine Augenbrauen nach oben. "Wenn wir mal ehrlich sind, bist du ganz offensichtlich meine einzige Lösung. Wäre mir jemand anderes eingefallen, wäre ich gar nicht erst hierher gekommen."

"Super! Klingt, als hätten wir einen Deal. Und an den wird sich diesmal hoffentlich auch gehalten. Ich werde eine Liste fertig machen und sie Elena geben. Die kann sie dir dann schicken. Du musst aber auch alles machen, was ich hinschreibe, sonst ist das nicht fair. Ich erwarte Beweisfotos von jedem abgearbeiteten Punkt."

»Das wird nicht nötig sein. Kann ich nochmal reinkommen?«

»Wieso das denn?« Die Frage galt beiden Sätzen.
»Sagen wir es so... ich mach das nicht alleine. Was auch immer du dir für komische Sachen einfallen lässt... Du wirst sie mit mir zusammen machen.«

Erstaunt starrte ich den Schlagzeuger an, der sehr überzeugt von seiner Bedingung schien. Es sah fast so aus, als dächte er, dass eine Liste voller weihnachtlicher Dinge sehr gruselig werden könnte (vor allem, wenn sie von mir kam) und musste sich dafür schnell moralischen Beistand besorgen.

"Hast du dir das auch gut überlegt?" Ich war so nett und gab ihm die Möglichkeit, sich umzudrehen und zu gehen. Doch er nickte nur bestätigend mit einem 'Ha! Ich hab's dir gezeigt!'-Blick im Gesicht.

Im Gegensatz dazu, bildete sich in meinem ein spitzbübisches Grinsen von einem Ohr zum anderen. Wenn er mich so gern an seiner Seite haben wollte, dann würde er das doch glatt bekommen. Nur dumm für ihn, dass er mit dieser Forderung garantiert hatte, sich selbst zu einem Weihnachts-Enthusiasten zu machen. 

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