12|Schnüffel-Attacken & Schleck-Einheiten
12. Dezember
Ich betrachtete neidisch die hübschen Häuser in Coda's Nachbarschaft. Die Beleuchtung wurde insbesondere unter die Lupe genommen und ich gab jedem einzelnen eine eigene Bewertung. Die Grundstücke, die nicht nur ihr komplettes Anwesen ihm Licht erstrahlen ließen, sondern sich auch in den Vorgärten und Einfahrten Mühe gegeben hatten, ließen mein Herz besonders hoch schlagen. Diese Menschen fürchteten sich scheinbar nicht vor der nächsten Stromrechnung.
Das konnte man vom nächsten Hauseigentümer auf den ersten Blick nicht behaupten. Lediglich zwei neutrale Strahler neben der Haustür beleuchteten den Eingang. Nichts deutete auch nur ansatzweise an, dass man hier überhaupt irgendwas in dieser dunklen Jahreszeit feierte.
Es war ein Schandfleck und ich hatte keine andere Wahl, als mich darauf zuzubewegen und das Übel von Nahem zu sehen.
Seufzend stapfte ich auf das Haus zu, stolperte in all der Dunkelheit auch noch schön über einen mysteriösen Baumstumpf und gelangte schließlich mit meiner Nase in meinem Schal versteckt an der Haustür an. Ich klingelte ohne zu zögern. Nach kurzer Zeit ging ein Licht im Inneren des Hauses an und dann öffnete mir Coda die Tür.
»Na... alles fit?", fragte ich grinsend und musste im nächsten Moment einen Haufen Fusseln aus meinem Mund fischen. Mein heutiger Gastgeber schaute mich mal wieder ausdruckslos an und öffnete dann wortlos die Tür. Um aus der Kälte herauszukommen, nahm ich die stumme Einladung zügig an.
Im Inneren des Hauses, begann ich Mantel, Mütze, Schal und Handschuhe auszuziehen, die mir im nächsten Moment allesamt abgenommen wurden. Während Coda meine Klamotten verstaute, zog ich meine Stiefel aus und präsentierte ein schrecklich-schönes Paar Socken.
"Ich muss schon sagen, dein Haus sieht echt trostlos aus. Es wird Zeit, dass wir das ändern."
Coda hatte sich an meine Seite gestellt und die Arme verschränkt.
"Mein Haus spiegelt genau das wider, was ich für Weihnachten fühle. Absolut gar nichts.", kommentierte er und schaute zu mir runter.
Ich schüttelte schnell meinen Kopf und hob abwehrend die Hände.
"Das ist nicht die richtige Einstellung! Wenn du der ganzen Sache nicht mal eine Chance gibst, bringt das überhaupt nichts. Du musst erst die richtige Stimmung schaffen, um die Wunder der Weihnachtszeit erleben zu können."
Entschlossen packte ich Coda an den Oberarmen. Mein Plan, ihn in Richtung Wohnzimmer zu schieben, ging nach hinten los, als ich feststellte, dass ich mich nicht in seinem Zuhause auskannte. Also verharrte ich für einige Sekunden in der Position und hielt ihn einfach nur fest.
"Was soll das werden?", fragte er mit tiefer Stimme. Ich warf ihm einen unschuldigen Blick zu.
"Ich würde dich gern in die richtige Richtung leiten, damit wir das Vergnügen beginnen können, aber mir ist grade eingefallen, dass du der Herr des Hauses bist, also musst du diese Rolle übernehmen." Er schnaubte amüsiert und entfernte meine Hände.
Dann machte er einen Schritt hinter mich und ergriff meine Schultern. Im nächsten Moment spürte ich seinen Atem an meinem Ohr.
"Dann werde ich wohl oder übel in sie reinschlüpfen müssen."
Seine Finger übten leichten Druck auf meinen Körper aus, woraufhin ich mich beinahe automatisch nach vorne bewegte. Coda lenkte mich durch den Eingangsbereich, an mehr Türen vorbei, als mit sinnvolle Nutzungen einfielen, bis wir schließlich an einer großen Doppeltür angelangten.
Ich spähte neugierig hinein, als ich Geräusche hörte, die ich nicht zuordnen konnte.
Ein Blick reichte aus, um drei junge Männer und einen Hund auszumachen.
Das Trio saß alles andere als entspannt auf einer der Sofas, tuschelte wie wild und der Kerl in der Mitte hielt den Mischling mit aller Kraft fest. Es schien so, als ob die gesamte Gruppe startklar war, um direkt aufzuspringen.
Als Coda sich räusperte und vier Paar Augen auf mich fielen, verstummten alle. Nur der Hund begann wie verrückt zu schnaufen und mit dem Schwanz zu wedeln. Unsicher drehte ich mich zu dem Drummer, der mich stumm beobachtete.
"Du hast zugestimmt, die Jungs kennenzulernen. Der eine Zusatz, den ich nicht abgesichert habe, ist Toby. Ich hoffe du hast nichts gegen Hunde?"
Perplex schüttelte ich den Kopf. Das war wohl das Kommando gewesen, worauf gewartet wurde, denn als ich mich wieder umdrehte, sprintete der Hund auf mich zu. Eine Sekunde später krachte er mit vollem Schwung in meinen Körper und riss mich beinahe von den Beinen.
Erschrocken lachend, ließ ich mich von Coda auffangen und festhalten, bevor ich mich grinsend runter beugte. Toby's ganzer Körper schwang von einer Seite zur anderen, weil sich sein Schwanz mit so viel Elan bewegte. Es sah urkomisch aus und war obendrauf auch noch zuckersüß.
Kichernd ergab ich mich einer vollen Schnüffel-Attacke, dann anschließend einer sehr intensiven Schleck-Einheit.
"Na wer bist du denn? Toby? Ist das dein Name?" Ich hockte mich neben den Hund und ließ ihn weiter sein Begrüßungsritual durchführen, während ich mit hoher Stimme auf ihn einredete.
"Du bist ja ein ganz feiner Kerl. Ja das bist du!"
"Wow, ich hätte nicht gedacht, dass ich mal für einen Hund links liegen gelassen werde." Eine unbekannte Stimme erklang und lenkte meine Aufmerksamkeit weg von Toby. Das hielt mich allerdings nicht davon ab, ihn weiter am Bauch und hinter den Ohren zu kraulen.
Mein Blick fiel wieder auf das Trio, was sich inzwischen aufgerappelt hatte. Die drei jungen Männer hatten ein paar Schritte in unsere Richtung gemacht und schauten mich grinsend und neugierig an.
"Hi auch.", war alles, was ich sagte. Coda übernahm in dem Moment, was ganz wunderbar passte, denn Toby hatte erneut Gefallen daran gefunden, meine Wange abzulecken, ergo war ich doch wieder etwas abgelenkt.
»Leute, das ist Callie aka Belinda. Belly, das sind Leon, Cash und Brody.«
Die Jungs waren so nett und hoben alle ihre Hand, sobald ihr Name genannt wurde. Coda hatte sie anscheinend schon darüber informiert, dass ich mich nicht sonderlich für sie interessierte und demnach auch nicht ihre Identitäten kannte.
"Du bist also das kleine Weihnachtswunder?", fragte der Typ an der Spitze der Formation. Er hatte seine Hand beim Namen Cash gehoben. Ich war mir nicht ganz sicher, aber meinte mich erinnern zu können, dass er der Lead Sänger war. Alle Angaben ohne Gewähr.
"Live und in Farbe.", grinste ich zurück und er tat es mir gleich.
"Ich bin gespannt, ob du genügend Feuer unter Coda's Arsch brennen lassen wirst." Ich erhob mich und reckte mein Kinn etwas in die Höhe, überzeugt von meinen Fähigkeiten.
"Das werde ich, keine Sorge." Ich spürte das bekannte Kribbeln meines Ehrgeizes in mir auflodern. Die Tatsache, dass Cash einer der beiden gewesen war, die gegen mich und meine Talente gewettet hatten, war mir im Kopf geblieben. Das hieß, ich musste mich beweisen.
Entsprechend klatschte ich in die Hände, bevor wir noch mehr Zeit verschwendeten. Smalltalk müsste nebenbei geführt werden.
"Genug geredet, Ladies. Es wird Zeit, diesem traurigen Gebäude ein Make-Over zu geben." Ich drehte mich freudestrahlend zu Coda um, der seine Position hinter mir nicht verlassen hatte und weiterhin grimmig vor sich hin schaute.
"Komm schon, Mister Grinch. Das wird spaßig!" Er sah nicht sehr überzeugt aus, doch das interessierte mich nicht mehr, als ich im nächsten Augenblick begann, die Gruppe zu koordinieren und zu bestimmen, was zu tun war.
Es dauerte nicht lange, da schallten altbekannte Weihnachtslieder durch eine High End Surround Sound Anlage, Tüten voller Deko wurden ausgeräumt und ein Tannenbaum wurde an den perfekten Platz im Wohnzimmer aufgestellt.
Genau dieser musste sich nun meiner genauen Inspektion stellen. Coda hatte sich neben mich gestellt, während seine drei Freunde etwas weiter hinter uns hockten und die Boxen neu gekaufter Deko öffneten. Toby hatte sich nach seiner ausgiebigen Begrüßung erschöpft in sein Körbchen begeben und ruhte sich aus.
"Was sagst du? Zufrieden?" Der Drummer beobachtete mich gespannt, wie ich ich schwer damit beschäftigt war, zu entscheiden, ob er einen guten Baum gewählt hatte. Summend legte ich meinen Kopf schief und grübelte mit meiner Hand über dem Mund.
"Er ist nicht schlecht. Er passt sehr schön in den Raum. Ich denke nur, dass wir nicht genügend Kugeln haben." Ein Blick zu Coda genügte, um zu sehen, dass er im ersten Moment recht stolz aussah. Dann realisierte er wohl, dass ich ihn nicht nur indirekt gelobt hatte und seine Augenbrauen schossen nach oben.
"Nicht genügend? Du hast vorgestern den halben Laden aufgekauft! Wie kann das nicht genug sein?"
"Du hast ein riesiges Haus. Und du hast dir nicht gerade den kleinsten Baum ausgesucht... will da jemand für etwas kompensieren?", stichelte ich und lehnte mich zu Coda.
Der fand das alles andere als lustig.
"Ich muss für gar nichts kompensieren! Es war der einzige Baum, der nicht wie eine mickrige Zimmerpflanze in meinem Wohnzimmer ausgesehen hätte."
Ich schaute ihn einen Moment länger an, als würde ich ihm nicht glauben, dann winkte ich lachend ab.
"Keine Sorge, ich wusste schon, dass das bisschen, was du gekauft hast, nicht reichen würde. Ich hab Elena Bescheid gesagt, dass sie meine Reserven herbringen soll." Zufrieden mit mir selbst, nickte ich.
"Ist sie extra nochmal losgefahren?", fragte Coda. Verwirrt schaute ich ihn an.
"Was meinst du damit?"
"Na, sie hat dich doch sicher hergebracht. Hast du sie jetzt extra dafür nochmal weggeschickt?"
"Oh. Nein, sie musste noch arbeiten, deshalb konnte sie mich nicht bringen. Ich bin mit dem Bus gefahren."
Coda schaute mich entgeistert an, als hätte ich ihm gerade sonst was erzählt.
"Ich weiß nicht mal, wo die nächste Station ist. Bist du bis hier her gelaufen?"
"Nein, Santa ist mit seinen Rentieren und Schlitten an mir vorbei geflogen und hat mich netterweise per Anhalter mitfahren lassen... Natürlich bin ich gelaufen! Was ist das für eine Frage?"
"Aber es ist eiskalt."
"Hast du vergessen, dass ich kein Superstar bin, der einen Chauffeur hat? Normale Menschen haben das nicht. Nur so als Erinnerung an die Zeit, in der du noch nicht reich und berühmt warst."
"Oh, Coda hatte schon immer einen Chaffeur. Er ist mit einem goldenen Löffel im Arsch aufgewachsen. Man hat ihm sogar die Windeln angewärmt, als er noch ein Baby war.", warf plötzlich Brody ein, der auf einen Blick hin, grinsend eine Tannenzweig-Girlande um seinen Hals warf, als wäre es ein Schal.
Interessiert schaute ich wieder zu Coda, der seine Augenbrauen zusammen gezogen hatte und finster drein schaute.
"Laber nicht so einen Müll. Ich hab in dieselben stinknormalen Windeln gekackt, wie ihr alle auch." Die Jungs kicherten, als wüssten sie es besser und schafften es damit, dass der Schlagzeuger drastische Maßnahmen ergriff.
Er schnappte sich meine Hand und zog mich ein paar Meter weiter, als ob das unserer Privatsphäre irgendwie helfen würde.
"Hör nicht auf Brody.", murmelte er und sah mir tief in die Augen. Ich hatte keine Ahnung, wieso er das so ernst nahm, aber da ich vermutete, es war eine heikle Angelegenheit, stichelte ich nicht weiter darin herum. Ich verstand den Wink.
"Das eigentliche Thema ist, dass du hier her gelaufen bist." Ich nickte langsam, immer noch nicht sicher, was daran so problematisch war.
"Es war ein echt schöner Spaziergang. Im Gegensatz zu dir, haben auch die meisten Leute alles geschmückt, also ist es immer am schönsten, wenn es schon dunkel ist."
Mein Gegenüber schaute mich ernst an, wobei er gleichzeitig vermittelte, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.
"Du kannst nicht einfach alleine im Dunkel bei Eiseskälte in der Gegend rumlaufen!"
"Wieso nicht? Gibt es hier einen Serienkiller? Wieso weiß ich davon nichts?" Plötzlich aufgeregt, schnappte ich Coda's Arm und wartete erschrocken auf weitere Informationen. Wusste man als Promi mehr über solche Fälle? Wurde man informiert, während das arme Volk im Dunkeln tappte?
"Nein, gibt es nicht. Aber du musst es ja nicht drauf ankommen lassen. Was ist, wenn dir was passiert? Du hast nichtmal meine Nummer."
Langsam ließ ich seinen Arm wieder los.
"Du wärst auch nicht die erste Person, die ich in einem Notfall anrufen würde." Meine Worte ließen ihn noch grimmiger dreinblicken. War er etwa beleidigt, weil er nicht meine erste Wahl war?
"Wen würdest du stattdessen anrufen?"
"Die Notruf Zentrale." Meine trockene Antwort ließ Coda's Augen rollen und ich schmunzelte.
"Mein Gott, frag sie einfach nach ihrer Nummer. Mach nicht so ein Theater." Ich erschrak, als plötzlich Cash's Stimme neben uns erklang. Er hatte sich hinter dem Tannenbaum hervorgelehnt und schaute uns amüsiert an, als er mit einer verhedderten Lichterkette kämpfte.
"Das ist nicht mal der Punkt. Der Punkt ist, dass du nicht alleine im Dunkeln rumlaufen solltest.", verteidigte sich Coda schnell und schob mich dann direkt in einen Nebenraum, um den Jungs zu entfliehen.
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszuprusten. Die Situation war wie aus einem schlechten Film.
"Ich bin erwachsen und... erneut, ich hatte keine andere Wahl. Ich hab kein Geld, für ein Taxi."
"Dann sag mir einfach Bescheid, falls das mal wieder passieren sollte und ich komm dich abholen." Erstaunt schaute ich ihn an. Das war ja ganz untypisch von ihm. Was war nur in ihn gefahren?
"Ich kann es mir nicht leisten, mein Date für das Event zu verlieren, weil sie sich denkt, es ist eine gute Idee, sich im Stockdunkeln und bei Minusgraden die Beine zu vertreten."
Aha! Daher wehte der Wind also. Er dachte mal wieder nur an sich. Das war doch schon eher das, was ich von Coda erwartete.
"Keine Sorge, ich pass schon auf, dass deine teuer bezahlte Eskorte nicht wegstirbt. Das wäre noch die Krönung, wenn du all diese schrecklich festlichen Dinge tun musst und du am Ende nicht mal mit mir angeben kannst. Für den Fall, dass ich überfallen werde, erkläre ich dem Übeltäter die Situation und er wird es ganz sicher verstehen. Und keine Sorge, falls ich ein bisschen entstellt werden sollte, kannst du mir ja einen Top Make Up Artist besorgen und es einfach überschminken lassen.", sagte ich spitz, mit sarkastischer Note und zwinkerte ihm übertrieben zusichernd zu. Coda schaute mich kurz mit blanker Miene an, bevor seine Hand über sein Gesicht fuhr und er tief ein und aus atmete.
"So war das nicht gemeint. Ich würde auch nicht wollen, dass dir was passiert, wenn wir keinen Deal hätten. Ich will-" Er stockte mit offenem Mund und ich sah zu, wie er mit sich kämpfte.
Seufzend tätschelte ich Coda leicht am Arm, als hätten mich seine Worte nicht doch ein winziges bisschen gekränkt.
"Schon gut. Lass uns einfach zum spaßigen Teil übergehen."
Ein Klingeln schallte durch das Haus. Das nannte ich mal Timing.
Grinsend klatschte ich in die Hände und rieb sie aneinander.
"Das ist dann wohl die restliche Deko."
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