11|Undercover-Superstar
10. Dezember
Die neue Tradition einer aktiven Türklingel ließ mich hochschrecken. Dieses Mal glücklicherweise nicht aus meinem Bett, denn nach Absprache mir Coda, hatten wir heute eine echte Verabredung. Das hieß, dass ich zum ersten Mal bereit für seinen Anblick war. Schnell schnappte ich mir meine Tasche, warf einen Schal um meinen Hals und öffnete die Tür.
Grinsend trat ich Coda entgegen, der bewaffnet mit einer Sonnenbrille vor mir stand. Er schaute mich mit keinerlei Emotion im Gesicht an, doch meine nächsten Worte würden das mit Sicherheit ändern.
»Na, schon in begeisterter Weihnachts-Shopping-Stimmung?«
Wie gedacht, änderte sich sein Ausdruck. Seine Brauen zogen sich zu einer unzufriedenen Miene zusammen und ich erntete ein unglückliches Grummeln. Ohne weitere Worte oder wenigstens eine Begrüßung, drehte Coda sich um und lief langsam und irgendwie stocksteif zum Auto.
Ich schloss schnell meine Tür ab, was ein wenig Finesse und etwas Geduld benötigte, da das Schloss und mein Schlüssel sich nur an ungeraden Tagen verstanden.
Ein lauter Pfiff riss mich jedoch direkt aus meiner Konzentration, schaffte es aber zufälligerweise auch, dass ich den richtigen Winkel fand und die Tür endlich abschloss. Ich sah perplex zu Coda, der wartend an dem schwarzen Wagen stand und mich beobachtete. Er musste es wohl wieder eilig haben.
Schnell steckte ich meine Schlüssel weg und eilte dann auf ihn zu. Dummerweise vergas ich, dass ich beim Weg von der Arbeit Parkour über eine spiegelglatte Eisfläche direkt vor meiner Wohnung machen musste. Und auch Coda's langsame Schritte machten plötzlich Sinn.
Doch es war schon zu spät. Ohne wirklich reagieren zu können, rutschten meine Füße unter mir weg. Ich versuchte noch, mein Gleichgewicht zu finden und paddelte mit meinen Armen in der Luft. Doch da lag ich plötzlich auch schon mit einem Plumps auf dem gefrorenen Boden. Mein Kopf blieb einzig und allein durch meine Bommelmütze geschützt, als er mit Schwung auf den Fußweg donnerte. Fuck.
Stöhnend rappelte ich mich auf meine Unterarme auf und erkannte Coda, der mit ausgestreckten Armen und offenem Mund auf mich zu lief. Ich konnte nicht anders, als zu kichern. Das war mal ein guter Start in die heutige Weihnachts-Mission.
»Scheiße, alles klar? Hast du dir weh getan?«
Ich lachte weiter und versuchte langsam aufzustehen, während ich abwinkte.
»Eh, geht schon.«
Coda griff nach meinem Arm und half mir hoch. Ich rieb mir mit einer Hand den Hinterkopf, mit der anderen mein Hinterteil.
»Mein Gott, bei deinem Pech müsstest du doch Winter hassen.«
Ich zuckte schmunzelnd mit den Schultern.
"So tollpatschig, wie ich bin, müsste ich mein ganzes Leben hassen. Mein Pech ist nämlich nicht saisonal bedingt." Coda schüttelte den Kopf, ließ mich aber nicht mehr los, als wir uns unseren Weg zum Straßenrand bahnten. Das war eine gute Idee, denn ohne seinen Arm, hätte ich mich gutmöglich noch mindestens zweimal langgelegt.
Endlich am Auto angelangt, öffnete er die Hintertür. Ich rutschte rasch über die Rückbank und Coda folgte mir eine Sekunde später. Ich hatte kaum Zeit, unserem Fahrer ein knappes Hallo zusagen und mich anzuschnallen, da fuhren wir auch schon los und ich klatschte mit Dauergrinsen im Gesicht in die behandschuhten Hände.
»Oh, ich kann's kaum erwarten, in all den Läden zu stöbern. Hast du schon eine Idee, in welchem Farbschema du schmücken willst? Und hast du dir schon Gedanken gemacht, was du deinen Freunden schenkst?«
Coda nahm gerade seine Sonnenbrille ab und sah dann langsam zu mir rüber.
»Sehe ich aus, als würde ich mich darum kümmern?«
Ich musste nicht darüber nachdenken. Sein kühler Blick sagte mir alles.
»Naja, spontane Einkäufe sind ja auch nicht verkehrt. So macht man sich wenigstens nicht falsche Hoffnung. Es ist immer enttäuschender, wenn man sich Pläne macht und dann nicht das bekommt, was man sich erhofft hat.«
Coda schnaufte nur, als redete ich absoluten Nonsens.
»Es gibt übrigens Neuigkeiten, die deinen Plan aus dem Gleichgewicht bringen könnten.«, sagte er plötzlich.
»Ich muss Ende der Woche auf einen kleinen... Business Trip. Das bedeutet, du wirst für ein paar Tage auf mich verzichten müssen.«
»Okay, ist nicht zu ändern. Arbeit geht vor. Außerdem bin ja nicht ich diejenige, die ihren Charakter in ein paar Wochen ändern muss.«, grinste ich.
»Keine Sorge, wenigstens Leon wird deine schwere Arbeit am Leben erhalten. Er ist der einzige von den Jungs, der denkt, ich schaffe es, zu einem waschechten Weihnachtsliebhaber zu werden. Er wird also alles geben, dass ich das Ziel nicht aus den Augen verliere.«
Ich mochte diesen Leon auf Anhieb. Er schien ja wenigstens Moral zu haben.
»Wo geht's eigentlich hin?«, fragte ich ohne jegliche Hintergedanken. Coda musste das schon wieder anders aufgefasst haben.
"Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Informationen morgen bei der Presse landen?"
Ich verdrehte stöhnend die Augen.
"Das Thema haben wir doch schon lange abgeschlossen. Ich hab ganz andere Probleme, als mich mit Promi Klatsch und Tratsch zu beschäftigen und ich hab auch keine mysteriösen Kontakte bei der Presse. Denkst du nicht, dass es sonst schon längst publiziert wäre, dass du eine Zivilistin ihrer Freizeit beraubst?"
Coda konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.
"Ich mach nur Witze." Das war dann wohl das erste Mal, seitdem wir uns kannten. Und obendrauf war es nicht mal lustig.
"Außerdem bin ich das größere Opfer unter uns. Immerhin unternimmst du mit mir Sachen, die du sonst auch machen würdest."
Ich stimmte ihm in Gedanken zu, dass er das größere Opfer unter uns war.
"Also gut, ich verrate es dir. Aber wenn irgendein Sender davon Wind bekommt, bist du dran Schuld." Ich überlegte, ob das fair war... ob es mich wirklich interessierte, wohin die Band reiste... doch meine Neugier überwog, weshalb ich Coda nicht stoppte.
"Die genaue Location kennen wir auch nicht, aber es geht irgendwohin, wo ein Haufen Schnee liegt. Wir werden ein paar Tage lang gefilmt, wie wir irgendwelche Sachen im Schnee machen oder so."
»Ich dachte, ihr macht dieses Jahr kein Weihnachtsspecial?«
Coda schaute mich verdutzt an, dann winkte er ab, ein kleines Grinsen auf den Lippen.
»Es ist nicht wirklich das, was manche sich erhofft hatten. Kein neues Album oder so. Aber es ist für den guten Zweck. Woher weißt du eigentlich, dass es kein Special gibt? Muss ich jetzt doch Angst haben, dass ich meine Zeit mit einer gerissenen Stalkerin verbringe?«
Ich sah Coda spöttisch an.
»Muss ich dich daran erinnern, dass du mich verfolgst? Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen, du hättest Interesse an mir. Du nötigst mich immerhin auch noch, nur weil du meine Schwachstelle kennst!«
Er lachte und wendete sich kopfschüttelnd ab.
»Ich weiß nur davon, weil Elena euer Interview angeschaut hat und ich was mitbekommen habe, okay?«
»Schon klar.«, stichelte Coda weiter. Ich schubste ihn leicht an der Schulter.
"Das ist die Wahrheit!", verteidigte ich mich. Ich wusste nicht, ob er mich ernst nahm, denn der Drummer lachte nur und ließ mich weiter seine Schulter massakrieren.
»Die Jungs flehen mich übrigens an, euch miteinander bekannt zu machen. Ich wette, Brody und Cash wollen nur herausfinden, ob sie nicht doch falsch gewettet haben. Sie wollen also checken, ob du etwas taugst.«
Überrascht ließ ich von meinem Mini-Angriff ab und sah zu Coda, der mich bereits beobachtete.
»Okay. An sich spricht nichts dagegen. Meine Pläne kann man auch wunderbar als Gruppe machen. Solange es euch nicht von eurem aufregenden Boy Band Leben ablenkt und deine Freunde mich nicht auch ständig beschuldigen, Fame-hungrig zu sein, ist das kein Problem.«
Coda verdrehte die Augen, wandte sich aber zufrieden ab, als er meine Zustimmung hatte.
Nach ein paar weiteren Minuten Fahrt, hielt der Wagen bereits an. Ein Blick nach draußen zeigte mir, dass wir uns in einer kleinen Gasse befanden.
Als ich überzeugt war, dass wir am Ziel angekommen waren, öffnete ich meine Tür und sprang hinaus. Ich legte mich beinahe wieder hin, als ich auf dem rutschigen Kopfsteinpflaster Halt verlor. Zum Glück griff ich im letzten Moment nach der Autotür und rettete mich selber.
Keine halbe Minute später, gesellte sich Coda an meine Seite, dicht gefolgt von unserem Fahrer/seinem Bodyguard, der glücklicherweise nicht aussah, als würde er einen Mafia Boss begleiten, sondern normale Klamotten trug. Der Gedanke war, so wenig aufzufallen, wir möglich.
"Muss dich Larry festhalten, oder schaffst du es, auf den Beinen zu bleiben?", fragte Coda belustigt. Ich streckte ihm meine Zunge entgegen und musste im nächsten Moment Larry mit einem Kopfschütteln deuten, dass er sich nicht die Mühe machen musste.
»Ich hab keine Ahnung, wo wir sind. Also muss jemand anderes die Führung übernehmen.«
Coda's Bodyguard nickte und ging an die Front. Mental versuchte ich ihm mitzuteilen, dass er sich keine Sorgen machen musste. Ich würde uns den Rücken freihalten, falls man Coda anhand seines Gesäßes erkannte.
»Verhalte dich einfach unauffällig.«
Erst dachte ich, dass Coda mit Larry sprach, doch als der keinerlei Reaktion zeigte, erkannte ich, dass die Worte mir galten. Ich zog amüsiert meine Augenbrauen nach oben, sodass sie fast unter meiner weichen Bommelmütze verschwanden. Die Vorstellung, dass Coda allen Ernstes dachte, ich würde Aufmerksamkeit auf mich ziehen, war lächerlich.
Immerhin sah ich in meinen warmen Winterklamotten wie ein normaler Mensch aus, während er selbst, cool wie er nun mal war, mit Sonnenbrille und schwarzem Mantel durch die Gegend stolzierte. Mich würde es nicht wundern, wenn seine pure Aura die Fan-Girls zum Hyperventilieren brachte.
Ich stiefelte dem Bodyguard hinterher, stolperte prompt über einen etwas zu hohen Pflasterstein und spürte keine Sekunde später, wie Coda meine Hand ergriff.
"Nur so, wenn wir einen Krankenwagen rufen müssen, weil dein Kopf wie eine Melone auf dem Bordstein geplatzt ist, dann ist das alles andere, als unauffällig.", kommentierte er mit einem eindringlichen Blick und einer unnötigen Nähe zu meinem Gesicht.
Ich stieß ein verlegenes Lachen aus. Zugegeben, in dieser Hinsicht wäre ich möglicherweise doch die Erste, die Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde. Mit dem neuen Ziel vor Augen, mich nicht zu blamieren, setzte ich dazu an, Larry zu folgen. Doch Coda ließ meine Hand nicht los.
Gerade wollte ich ihn darauf ansprechen, da zog er mich plötzlich hinter sich her. Mit einem leisen Aufschrei und dem nächsten Schleifen meiner Stiefel, verlangsamte sich der Drummer, bis ich in normalem Tempo neben ihm laufen konnte.
Ich warf einen verstohlenen Blick zu ihm. Er machte keinerlei Anstalten, meine Hand freizugeben. Und als er mich keines Blickes würdigte, nahm ich die Situation so hin, wie sie war. Wenn er mich für ein Kleinkind hielt, was Händchenhalten musste, dann konnte ich es ihm nicht wirklich verübeln.
»Ist Larry eigentlich dein ganz persönlicher Leibwächter?«
»Normalerweise. Heute wird er sich auch um dich kümmern. Wir gehen immerhin nicht gerade in eine menschenfreie Zone. Ich kann gut darauf verzichten, dass sich jemand auf dich stürzt und verprügelt.«
»Aww, machst du dir etwa Sorgen um mich?« Er ignorierte meinen neckenden Blick. Dass sein Griff um meine Finger stärker wurde, bemerkte ich trotzdem.
»Tsk. Träum weiter! Es ist einfach keine gute Publicity, wenn meiner Begleitung etwas passiert. Nicht, dass du dafür Fremdeinwirkung brauchst. Du scheinst dich ja ziemlich gut mit dem Boden zu verstehen.«
Ich summte zustimmend und lächelte.
Es wurde nur noch größer, als wir durch eine weitere kleine Gasse marschierten und am Ende den ersten Blick auf die Einkaufsstraße erhaschten.
Meine Augen funkelten, als ich die Mengen von bunten Lichtern und Dekorationen sah, die Laternen und Läden säumten. Auch die Menschenmassen, die sich zwischen unterschiedlichen Weihnachtsständen und Läden aller Art durch drängelten, waren nicht zu übersehen.
Mich selbst störte das alles gar nicht. Aber als ich Codas verzerrtes Gesicht erkannte, konnte ich mir schon denken, dass er kein Fan war.
"Solltest du nicht an Menschenmengen gewöhnt sein?", fragte ich vorsichtig. Einerseits wollte ich unglaublich gern mit Coda Bummeln, da es meine einzige Chance war, mal so richtig in Deko und Lichter zu investieren, auch wenn es nicht für mich selbst war. Andererseits, wollte ich nicht, dass der Tag in einem Disaster endete, weil Coda nur schlechte Erinnerungen mitnahm.
"Man kann sich nur so sehr an solche Sachen gewöhnen. Wenn es so viele Individuen gibt, ist es schwer, sich auf alles einzustellen. Es können tausend verschiedene Sachen passieren." Ich konnte seine Sorgen irgendwie nachvollziehen. Ein Superstar zu sein, konnte manchmal wohl auch die ein oder andere Hürde mit sich bringen.
"Wenn's dir zu viel wird, dann sag einfach Bescheid und wir brechen ab. Ich zwinge dich zwar in gewisser Weise meine To-Do-Liste abzuarbeiten, aber du kannst trotzdem Grenzen setzen." Um meinen Worten mehr Kraft zu geben, drückte ich seine Hand zurück.
Coda sah mich durch seine Sonnenbrille an, was es eindeutig schwerer machte, seine Emotionen zu lesen. Dann umspielte plötzlich ein kleines Schmunzeln seine Lippen und in einer überraschenden Bewegung, hatte er mich auf einmal zu sich gezogen. Mein Gesicht war in seine Brust gedrückt und ich atmete seinen Duft und seine Wärme ein. Ich spürte, wie er sich zu mir runter beugte und sein Atem meine Wange streifte.
»Sag Bescheid, wenn du glaubst, uns hat jemand erkannt.«, raunte er mir ins Ohr. Ich nickte etwas verblüfft und befand mich einen Augenblick später wieder neben Coda. Der frische Wind ließ meine Nase frieren und ich hätte am liebsten nochmal mein Gesicht in seinen Pullover gesteckt.
Stattdessen stopfte ich meine Hände in die Jackentaschen. Dass eine davon noch immer in Coda's eingebettet war, hielt mich nicht auf. Vermutlich rettete ich ihm so sogar vor Gefrierbrand, immerhin hatte Mister Obercool weder Handschuh, noch Mütze oder Schal in sein Outfit eingebaut. Wie er noch kein Eiszapfen war, blieb mir ein Rätsel.
Wir liefen endlich weiter, quetschten uns durch andere Menschen hindurch, ohne, dass mich Coda jemals losließ. Er hatte wahrscheinlich Angst, dass er unerwartet verloren ging und sich alleine in dem Trubel wiederfand. Eine durchaus legitime Sorge, wenn man ein Promi war. Ich konnte nur hoffen, dass wir kein Aufeinandertreffen mit einem Haufen kreischender Teenies haben würden.
Nach ein paar Minuten und einem bereits vor sich hin fluchenden Coda, zog ich ihn in die Richtung eines Shops.
»Lass uns hier nach ein bisschen Deko für dich suchen.«
Grummelnd akzeptierte Coda meinen Vorschlag und folgte mir in den Laden. Von außen sah er ziemlich klein aus, aber das täuschte, denn jeder freie Platz wurde ausgenutzt und er erstreckte sich über mehrere Etagen.
Larry folgte uns, während ich Coda nun hinter mir herzog. Ich führte ihn direkt zu den vielen bunten Weihnachtsbaumkugeln und sah ihn in großer Erwartung an.
"Welche Farbe hättest du denn gern? Oder willst du die ganz bunte Schiene fahren?"
"Ich will am liebsten gar keine Schiene fahren. Aber da ich keine Wahl hab... such du es einfach aus." Normalerweise hätte ich ihn ermahnt und dazu gedrängt, sich ein bisschen Mühe zu geben. Aber bei dieser Einladung, konnte ich einfach nicht Nein sagen.
Strahlend drehte ich mich wieder zu den Kugeln und musterte alle genau.
"Ich würde sagen, ich zwinge dir ein traditionelles Farbschema auf. Wenn's dir nicht gefällt, kannst du dir ja nächstes Jahr einfach was anderes kaufen, was mehr dein Stil ist. Und die Kugeln von diesem Jahr kannst du spenden. An mich oder an jemand anderen, der es gerne nehmen würde."
Coda schüttelte den Kopf und drehte sich weg, doch ich konnte sein Schmunzeln trotzdem noch sehen. Mit einer neuen Aufgabe geehrt, ließ ich Coda's Hand los und machte mich daran, mehrere Packungen von roten und goldenen Sets zu greifen.
"Vergiss nicht, dich morgen um deinen Baum zu kümmern. Du musst ihn auch noch eine Weile stehen lassen, falls sie ihn in einem Netz verkaufen. Die Äste müssen sich erst noch legen."
Während ich das sagte, stapelte ich Kisten über Kisten in Coda's Arme. Der lies sich das ganze überraschender Weise gefallen und nickte nur.
Ich führte unser Trio weiter durch den Laden, gab Kommentare und die ein oder andere Anekdote von mir und suchte alles mögliche an Dekorationen aus. Ich disziplinierte mich und hielt alles eher schlicht und ästhetisch. Coda machte mir nicht den Anschein, als würde er viel Klimbim und fragwürdige Farbkombis schätzen.
Nachdem auch Lichterketten und ein Weihnachtstürkranz ausgesucht waren, beschlossen wir (ich), diesen Laden erfolgreich zu verlassen. Die beiden Männer an meiner Seite hatten sich mein Schaffen beinahe wortlos angeschaut und mich einfach machen lassen.
Als wir uns wieder in der Kälte und den Menschenmassen befanden, diesmal mit einigen großen Einkaufstaschen bepackt, wies mich Coda an, sich bei ihm einzuhaken. Eine Hand frei, hatte er nicht mehr, denn er hatte mir meine Beutel abgenommen. Ich tat, was er von mir verlangte und führte uns dann gutgelaunt zu einem Buchladen.
"Ich müsste hier mal kurz rein, um Elena's Geschenk zu kaufen." Larry nickte mir zu und Coda schien eh schon längst keinen eigenen Willen mehr zu haben, weshalb er ohne zu zögern auf den Eingang zu lief.
Im Inneren angekommen, musste ich feststellen, dass wir bei Weitem nicht die einzigen waren, die hier zum Stöbern da waren. Die Gänge waren rappelvoll und sowieso schon so eng, dass man Angst haben musste, alle ausgelegten Bücher runter zu reißen.
Ich zog vorsichtig an Coda's Arm, woraufhin er mich fragend anschaute.
"Vielleicht ist es besser, wenn Larry und du einfach kurz wartet. Es ist echt voll hier. Ich flitze schnell durch den Laden und hol das Buch und dann können wir wieder gehen."
Coda machte Anstalten, etwas zu sagen, doch ich hatte bereits entschieden und sauste an ihm vorbei. So gut es ging, bahnte ich mir meinen Weg durch die Kundschaft und versuchte dabei einen Aushang zu sehen. Irgendwo musste das Buch schließlich sein und ich bezweifelte, dass es in der hintersten Ecke versteckt war.
Dummerweise fand ich es nicht, wo ich es vermutete und sah auch niemanden, den ich fragen konnte. Also wanderte ich mehr oder weniger ziellos in dem Laden herum und hielt Ausschau.
Mein Unternehmen wurde unterbrochen, als die halbe Belegschaft durch ein lautes Schreien erschrak und sich alle verwirrt und inquisitiv nach dem Ursprung umschauten. Auch ich tat es allen anderen gleich, machte mich jedoch gleichzeitig auf den Weg zurück zu meinen Begleitern.
Ich kam nicht wirklich weit, denn zum einen erfassten meine Augen endlich ein Poster mit genau dem Buch, was ich kaufen wollte. Zum anderen musste ich mit Schrecken feststellen, dass die Auslage genau dieses Buches mit einer verstörend dichten Menge von hauptsächlich Frauen und Mädchen gestürmt wurde.
Die Realisation, was genau dort geschah, kam, als ich in Mitten des Tumults für eine Sekunde ein bekanntes, Sonnenbrillen-geschmücktes Gesicht erkannte und mit ansah, wie genau diese Tarnung aus seinem Gesicht gerissen wurde.
Coda war aufgeflogen. Und das auch noch genau an dem Ort, wo das neue Special Edition Four Kings Buch ausgestellt wurde. Na wunderbar.
Ich beobachtete das Unheil, unsicher. Sollte ich einfach hier stehen bleiben und so tun, als kannte ich ihn nicht? Sollte ich selbstständig zurück zum Auto laufen?
Als ich für das Zehntel einer Sekunde Coda's wilden Blick erhaschte und ich ein nicht ganz so feminines Callie! über die zu erwartenden Coda!'s gehört zu haben meinte, war die Entscheidung getroffen.
Fluchend lief ich weiter in Richtung der schreienden Fan-Masse. Es war alles andere als leicht, diese Festung von vernarrten Menschen zu stürmen, doch dummerweise kamen immer mehr Leute in den Kreis des Wahnsinns und vorwärts war inzwischen der einzige Weg, um überhaupt zum Ausgang zu kommen.
Die Masse schob sich zäh weiter, Stück für Stück hinter Coda her, der allem Anschein und hoffentlich von Larry zum Ausgang geführt wurde. Ich war mittlerweile im Trubel verloren gegangen und mit meiner nicht sehr großen Statur, konnte ich nicht einmal ausmachen, wo ich mich befand und wie weit ich wohl noch bis zur Tür brauchte.
Gefangen zwischen Trommelfell-zerstörenden Schreien, ebenso lauten Deklarationen der Liebe und einer Menge Handys, bekam ich nicht selten einen Ellenbogen ab. Ich versuchte es weiter, Plätze gut zumachen, doch ich hatte es hier mit einem ganz anderen Kaliber von Mensch zu tun.
Ich spürte, wie sich Hände in meiner Jacke festklammerten und hatte Mühe, meine Mütze auf dem Kopf zu behalten. Fazit: Es war alles andere, als eine gute Idee gewesen, Coda zu folgen.
Dummerweise war auch rückwärts kein Entkommen mehr, also hielt ich meine Mütze fest, stopfte mir damit glücklichweise gleichzeitig die Ohren und tippelte Zentimeter für Zentimeter mit dem Schwarm mit.
Es dauerte gefühlt eine halbe Ewigkeit, bis es plötzlich ruckzuck vorwärts ging. Im Handumdrehen stürmten die Leute los und ich wurde halb zertrampelt.
Endlich wieder in der Lage selbstständig mein Tempo und die Richtung meiner Schritte zu entscheiden, beschloss ich, der Horde hinter mir Platz zu machen und presste mich zur Seite, bis ich alleine stand.
Das brauchte erstmal ein paar Atemübungen zur Beruhigung.
Kopfschüttelnd, sah ich zu, wie auch die letzten Fanatiker aus dem Laden hetzten und endlich wieder einigermaßen Stille eintrat. Ich überlegte kurz, was nun passieren würde. Vermutlich brachte Larry Coda schnellstmöglich in Sicherheit, zurück zum Auto und dann schnell weg von hier. Das bedeutete, sie würden mich zurücklassen. Verständlich.
Schulterzuckend trat ich auf die Auslage zu, die Elena's Geschenk darstellte. Ich konnte nicht fassen, dass es die ganze Zeit so nah am Ausgang lag. Noch schlimmer war die Tatsache, dass ich es übersehen und im ganzen Laden gesucht hatte.
Schnaufend schnappte ich mir ein Exemplar und musterte die Abbildung von Coda und seinen Bandmates amüsiert. Dann lief ich zur Kasse und bezahlte.
Als ich mich schließlich auf den Weg nach draußen machte und erleichtert feststellte, dass abgesehen von den normalen Bummlern, keine große Meute mehr um einen gewissen Punkt gesammelt da stand, begann ich meinen Marsch Nachhause.
Bevor ich sonderlich weit kam, hörte ich, wie ein paar Leute vor mir ihre Stimmen erhoben. Auch wenn ich bereits mehr Aufregung am heutigen Tag erlebt hatte, als ich mir erhofft hatte, konnte ich nicht anders, als meinen Hals zu recken, um zu spionieren.
Der Anblick ließ mich zum Stehen kommen. Wieso um alles in der Welt sah ich Coda? Halluzinierte ich etwa? Er sollte schon längst über alle Berge sein. Auf gar keinen Fall erwartete ich, ihn weiterhin in der Öffentlichkeit zu sehen.
Die Antwort, dass ich ihn mir nicht einfach nur einbildete, bekam ich, als sich unsere Blicke kreuzten. Er ließ mich gar nicht mehr wegschauen und es fühlte sich an, als wäre ich in einem Film. Die Personen, die zwischen uns den Weg passierten, waren einfach nur formlose Gestalten, die in ständiger Bewegung vorbei sausten. Nur Coda war klar und deutlich zu erkennen.
Ich sah zu, wie eine vermeintliche Panik aus seiner Körpersprache verschwand und sich sein Gesicht entspannte. Und als ich ihm etwas unbeholfen zulächelte, war es, als hätte man ihn losgelassen.
"Callie!"
Mit einem Affentempo kam er auf mich zu gerannt, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich hatte gerade noch genügend Zeit, meine Augenlider zusammen zu pressen, als ich einen Zusammenprall zu Stande kommen sah. Letztendlich war der sanfter als gedacht. Ich fand mein Gesicht zum zweiten Mal an diesem Tag in seine Brust gepresst und dieses Mal konnte ich mich auf nichts anderes konzentrieren, als das wilde Pochen unter seinem Pullover und die beiden Hände, welche gleichzeitig meinen Hinterkopf und meinen Rücken hielten.
Die Welt begann wieder normal zu laufen und auch die taube Stille, die für diese sekundenlange Ewigkeit geherrscht hatte, verflog.
"Was machst du denn noch hier? Wo ist Larry?", nuschelte ich in den warmen Stoff. Coda drückte mich noch näher an sich. Ich ließ es zu.
"Geht's dir gut?" Seine Stimme war angespannt. Ich nickte und schob mich ein bisschen zurück, sodass ich mit großen Augen in sein Gesicht schauen konnte.
"Geht's dir gut? Das Nicht Auffallen ist ja mal mächtig in die Hose gegangen."
Ich versuchte, die Situation mit einem schiefen Grinsen aufzulockern, doch Coda schien nicht zum Spaßen zu Mute. Er schnappte sich meine Hand und zog mich hinter sich her, als hätten sich nicht plötzlich schon wieder ein paar Leute zu uns gedreht und uns mit ungläubigen Augen beobachtet.
Erst als wir wieder in eine kleine Gasse einbogen, in der sich kaum jemand aufhielt, ließ Coda etwas mit seinem Stechschritt nach und ich konnte aufhören, mein Seitenstechen und die Luftnot zu überspielen. Da er scheinbar wieder einen Ticken runtergefahren war, fühlte ich mich nicht mehr so, als würde jedes zu laute Atmen seinen Stress in die Höhe treiben.
"Ist dir was passiert? Ich hab dich nur kurz gesehen und dann wurdest du quasi vom Mob gefressen und ich konnte dich nicht mehr finden. Ich wusste nicht, ob sie dich auch erkannt haben und Larry hat mich einfach nur raus gebracht." Coda schaute mich nicht an, aber ich konnte die Dringlichkeit in seiner Stimme hören.
Ich drückte seine Hand, in der Hoffnung ihn beschwichtigen zu können.
"Nichts, was ich nicht verkraften könnte. Ein paar Ellbogenhiebe kriegen mich nicht so leicht unter. Außerdem, so eingemummelt, wie ich bin und mit meiner Bastelscheren Frisur versteckt, erkennt mich keiner so schnell."
Mit einem kurzen Blick zu mir, schien Coda sich zu vergewissern, ob ich die Wahrheit sagte. Ich warf ihm ein breites Grinsen zu und er schien sich endlich komplett zu entspannen. Nur seine Hand hielt meine weiterhin fest im Griff.
Er schien zu merken, dass er zufällig auch noch etwas anderes in der Hand hielt und hob unsere Arme nach oben, um meinen Einkaufsbeutel genauer zu betrachten.
"Was ist das?"
"Oh. Stimmt. Das ist der Grund, wieso wir überhaupt in den Laden gegangen sind. Wenn du mich fragst, ein komplett unnötiger Kauf, aber was tut man nicht alles für seine Freunde."
Coda wagte einen Blick in die Tasche. Dann zuckten seine Augen zurück zu mir und dann wieder zu dem Buch.
"Das ist in der Tat ein unnötiger Kauf." Überrascht, dass er meine Meinung teilte, nickte ich. Doch dann zerstörte er jegliche Brüderlichkeit.
"Du hättest mich einfach fragen können und ich hätte dir ein Buch gegeben. Unser Manager hat davon noch einige Kartons rumliegen."
"Heißt das, ich habe völlig sinnlos Geld ausgegeben?"
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